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Schlussfolgerungen: Konzept der Berechnung der Preise für den Großhandel in der AMPreisV

7. Berechnungskonzept vollversorgender pharmazeutischer Großhandel

7.4 Schlussfolgerungen: Konzept der Berechnung der Preise für den Großhandel in der AMPreisV

Der Gesetzgeber hat im Jahr 2012 die Vergütung des Großhandels im § 2 AMPreisV mit direktem Bezug zur der Leistung des vollsortierten pharmazeutischen Großhandels festgeschrieben. Die beiden

Preisbestandteile sind gegeneinander abgegrenzt. Insbesondere der absolute Festzuschlag wird als nicht

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rabattfähig definiert, der die preisunabhängigen Kosten deckt. Der relative Festzuschlag ist laut Gesetzesbegründung rabattfähig und erfüllt vielfältige Funktionen in der Wettbewerbsgestaltung.

Durch das Urteil des BGH vom 5.10.2017 wird diese Festlegung des Gesetzgebers in Frage gestellt, und damit ob über einen nicht rabattierbaren Festzuschlag sichergestellt werden muss, dass durch den

Großhandel eine angemessene und flächendeckende Belieferung der Apotheken erfolgt. Die Vergütung in § 2 AMPreisV wird durch die Interpretation des Festzuschlags als Höchstzuschlag durch den BGH in § 2 praktisch als preisungebunden definiert und damit von einer besonderen Leistung des vollversorgenden Großhandels nach § 52b AMG entkoppelt.

Für die Berechnung der Preise in § 2 ergeben sich folgende Möglichkeiten:

1. Der Gesetzgeber präzisiert den Wortlaut in § 2 hinsichtlich eines nicht rabattfähigen Festzuschlags zur Wiederherstellung der Reglementierung zugunsten der flächendeckenden Versorgung.

a. Zusätzlich werden explizit Skonti im Umfang der Herstellerskonti erlaubt (die

pharmazeutischen Unternehmer, die nach § 78 (3) zu einem einheitlichen Abgabepreis verpflichtet sind, gewähren aktuell ebenfalls Skonti, so dass durch die Weitergabe dieser Skonti durch den Großhandel an die Apotheker der absolute Festzuschlag nicht berührt werden muss) oder

b. Skonti werden unabhängig von den Herstellerskonti erlaubt, oder

c. Skonti werden im § 2 als Rabatt gewertet und in Kombination mit weiteren Rabatten bei 3,15 % begrenzt (mit der Folge, dass auch die Herstellerskonti, die dem Großhandel gewährt werden, fraglich sind).

2. Der Gesetzgeber präzisiert den Wortlaut in § 2 nicht, die Zuschläge werden als Höchstzuschläge behandelt.

Eine kostendeckende Berechnung des absoluten Festzuschlages kann in Variante 1 und Variante 2 Sinn machen, um entweder die aktuelle Leistung des vollversorgenden Großhandels abzusichern und damit auch flächendeckend vergleichbare Einkaufsbedingungen für die Apotheken (Variante 1). In der Variante 2, wonach der Gesetzgeber die Preise zukünftig als Höchstzuschläge interpretiert, ist durch eine

kostendeckende Berechnung der Preise im § 2 AMPreisV immer noch die Apotheke geschützt, nicht mehr als den kostendeckenden Höchstpreis für die Belieferung zu bezahlen.

In Bezug auf die Interpretation der Skonti, die bei Präzision des Wortlauts wieder strittig wäre, ist eine kostendeckende Berechnung des absoluten Festzuschlages in der Variante, dass der Skonto aus dem Hersteller-Skonto finanziert wird (1a) denkbar sowie in der Variante, dass der Skonto gar nicht zugelassen wird (1c). Eine kostendeckende Berechnung ist für den Festzuschlag nicht möglich, wenn Skonti, die per definitionem preisabhängig sind, die Herstellerskonti und den Rabatt des prozentualen Zuschlags (aktuell 3,15 %) übersteigen. In diesem Fall ist die Kostendeckung nicht mehr gegeben und das Prinzip der Kostendeckung verliert damit seine Berechtigung.

Die aktuelle Berechnungslogik zur Bestimmung der Preise in § 2 AMPreisV beruht auf der Deckung der Kosten der PHAGRO-Mitglieder. Mit dem BGH-Urteil stellt sich die Frage, ob die Deckung dieser

Kostenstruktur eine notwendige Bedingung einer flächendeckenden Versorgung darstellt und damit als zu garantierender Mindestpreis pro Packung festzusetzen ist. Im Rahmen des vorliegenden Gutachtens kann diese Frage nicht geklärt werden. Das Gutachten kann lediglich prüfen, ob die Preise in Bezug auf die

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Kosten angemessen sind. Ob die Kostenstruktur für die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung notwendig ist, kann von den Gutachtern nicht beurteilt werden. Dafür müssten insbesondere folgende Fragen vor dem Hintergrund des Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V (vgl. S. 57) geklärt werden:

• Ist eine mehr als einmal tägliche Belieferung der Apotheken notwendig vor dem Hintergrund der gesetzlichen Auflage in § 15 ApBtrO, dass Apotheken die Arzneimittel und apothekenpflichtigen Medizinprodukte, die zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung notwendig sind, in einer Menge vorrätig zu halten haben, die mindestens dem durchschnittlichen Bedarf für eine Woche und darüber hinaus 12 spezifische in § 15 AMPreisV genannte Arzneimittel umfassen?

- Ist vor diesem Hintergrund und der Entwicklung der Logistik in den letzten Jahren die aktuelle dezentrale Lagerstruktur notwendig?

• Sind wettbewerbliche Prozesse zwischen Großhandel und Apotheken durch den Gesetzgeber in dem prozentualen Zuschlag vorzufinanzieren oder nicht vielmehr durch die Apotheken zu finanzieren, die sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, bzw. durch den Großhändler zu erwirtschaften, wenn er große Mengen vereinfacht abverkaufen kann?

- Ist in diesem Zusammenhang eine relativ hohe Weitergabe an Skonti und Rabatten an die Apotheker vor dem Hintergrund der flächendeckenden Versorgung sinnvoll? Es kann davon ausgegangen werden, dass kleine und abgelegene Apotheken weniger von den

Preisnachlässen und weiteren Vorzugsbehandlungen wie längere Zahlungsziele oder häufigere Belieferungen profitieren als große und zentrale Apotheken, die dadurch – gesetzlich im prozentualen Anteil finanziert – einen zusätzlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber der kleinen Apotheke gewinnt.

Diese Fragen sind aus Sicht der Autoren juristisch und medizinisch-fachlich für den Großhandel mit Arzneimitteln zu klären. Der EuGH hat mit der Aufhebung der Preisbindung für europäische

Versandapotheken bisher für die flächendeckende Versorgung als wesentlich angesehene Parameter in Frage gestellt. Das OLG Düsseldorf folgte der kritischen Sicht auf die zwingende Verbindung zwischen Preisbindung und Kostendeckung. Bereits in der Begründung der Vorlage an den EuGH schreibt das OLG Düsseldorf6: „Der Senat muss im Tatsächlichen Feststellungen dazu treffen, ob die Behauptung des Klägers zutrifft, nur die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln stelle eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sicher.“ Auch die Gesetzesbegründung begnügt sich mit dem bloßen Hinweis auf diese Gefahren. Solche Unterlagen sind auch der Kommission seitens der Bundesregierung offensichtlich nicht oder nicht in ausreichendem

Umfang zur Verfügung gestellt worden. Im Anschreiben der Kommission an den Bundesaußenminister vom 20.11.2013 heißt es hierzu: „Bislang haben die deutschen Behörden nicht nachgewiesen, dass die

Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch zusätzliche günstige Arzneimittelangebote ausländischer Apotheken gefährdet und die fragliche Maßnahme daher erforderlich wäre.“

6 Oberlandesgericht Düsseldorf, I-20 U 149/13

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Das vorliegende Gutachten kann die Konsequenzen für den Gesetzgeber aus dem BGH-Urteil nicht berücksichtigen, da die Urteilsbegründung zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens nicht vorlag. Es werden daher für den Fall der Präzisierung des § 2 AMPreisV im Sinne der bisherigen Gesetzesbegründung die Preise berechnet. Im Rahmen der Reformansätze wird zusätzlich ein Vorschlag zur Kostenreduktion im Großhandel durch Reduktion der Belieferungsfrequenz behandelt.

Die bisherige Berechnungslogik ist insgesamt konsistent mit der gesetzlichen Grundlage, leitet sich jedoch nicht stringent aus tatsächlichen Kosten ab. Der Anteil für den prozentualen Höchstzuschlag wird daher mithilfe der Hinterlegung preisabhängiger Kosten faktenbasiert neu berechnet. Die Berechnungslogik des absoluten Festzuschlags wird beibehalten und aktualisiert.

Im folgenden empirischen Teil des Gutachtens wird sowohl die erarbeitete aktualisierbare Datenbasis beschrieben als auch die Berechnungslogik des theoretischen Teils praktisch umgesetzt, um die Erforderlichkeit und das Ausmaß der Änderung der in der AMPreisV geregelten Preise aufzuzeigen.

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C Phase 1 Empirie: Status-Quo-Berechnung

Der empirische Teil ist wie der theoretische Teil nach Apotheken und Großhandel gegliedert.

Innerhalb dieser Kapitel werden jeweils zunächst die verfügbaren und zusammengestellten Daten und Datenquellen beschrieben (vorliegende Daten), identifizierte Datenlücken beschrieben und, wenn möglich, geschlossen sowie die Berechnungslogik aus dem theoretischen Konzept in der Berechnung der Preise angewendet. Es wird mit den Preisen für die Apotheken begonnen.