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5. Konzept und Methodik des Forschungsvorhabens

5.1 Konzept Phase 1: Status-Quo-Berechnung

5.1.5 Primärerhebung

Bereits in der Konzeptionsphase des Projektes war abzusehen, dass es für viele Preisbestandteile der AMPreisV an Datengrundlagen mangelt. Es wurden daher ergänzend zu den aktualisierbaren

Sekundärquellen grundlegende Primärerhebungen durchgeführt, deren Ergebnisse die Leistungen der Apotheke und des Großhandels vollständiger beschreiben als bisher verfügbare Daten.

Eine kostenbasierte Vergütung für Standardrezepturen, parenterale Lösungen und

dokumentationspflichtige Betäubungsmittel (BtM) war in den letzten Berechnungen im Jahr 2003 und 2012 nicht berücksichtigt worden oder nur dahingehend, pauschal erhöht zu werden. Zudem ergaben die

Recherchen im Projekt, dass laut Gesetzesbegründung kaufmännische Leistungen der Apotheken über den prozentualen Festzuschlag bei Fertigarzneimitteln vergütet werden sollten. Für diesen prozentualen

Festzuschlag für rezeptpflichtige Arzneimittel (aktuell 3 %) gibt es insgesamt keine Datengrundlage im Sinne von mit Leistungen verbundenen Aufwänden.

Beim Großhandel werden der absolute und der relative Festzuschlag für rezeptpflichtige Fertigarzneimittel ebenfalls mit einer kostendeckenden Vergütung gerechtfertigt (PHAGRO 2015). Die dazu vorliegenden Expertenschätzungen aus dem Jahr 2010 sind jedoch nur teilweise transparent (vgl. Kapitel 7.3 Aktuelle Berechnungslogik AMPreisV, S. 94 ff.) und nicht auf dem aktuellen Stand, so dass auch hier eine

aktualisierende Primärerhebung von Daten notwendig geworden ist.

Daher bildet der im folgenden beschriebene Baustein „Primärerhebung“ ergänzend zu den vorliegenden Daten eine wesentliche Grundlage für die Bestimmung der Preise in der AMPreisV. Um der Anforderung gerecht zu werden, Daten mit vertretbarem Aufwand durch das BMWi (oder von diesem beauftragten Dritten) fortschreiben zu können, wird eine möglichst auf Sekundärdaten beruhende Berechnungslogik verfolgt. Nur in den Teilaspekten, für die keine belastbaren Sekundärdaten vorliegen, werden Daten neu

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erhoben. Bei dieser Primärerhebung wird zudem darauf geachtet, dass das Detailniveau der erfassten Daten vergleichbar ist mit dem Detailniveau der Sekundärdaten und somit auch verknüpfbar ist.

Die Kosten aus der Jahresstatistik des Handels müssen zur Anzahl rezeptpflichtiger Arzneimitteln genauso zugeordnet werden wie für Aufwände für Standardrezepturen, parenterale Lösungen und

dokumentationspflichtige Betäubungsmittel (BtM). Für diese Leistungsbereiche liegen aktuell, bis auf eine Studie zu BtM (Hüsgen 2014), keine verfügbaren Daten vor.

Aktuell gibt es hinsichtlich der Höhe der Zuschläge für Standardrezepturen und BtM auch nach der Erhöhung seit Mai 2017 keine Berechnungsgrundlage zu einer durch die Zuschläge realisierten

Kostendeckung. Anhand von bestehenden Abschätzungen ist davon auszugehen, dass diese Leistungen nicht annähernd kostendeckend vergütet werden (z. B. Hüsgen 2014). Vor diesem Hintergrund geht es in der Primärerhebung dieser Aufwände erstmalig um eine Aufwandschätzung für eine kostendeckende Vergütung und eine entsprechende Erfassung der Personal- und weiteren Kosten.

Konzeption der Primärerhebung Apotheke

Da es sich um sehr komplexe Leistungsfelder handelt, ist es für die Konzeption der Primärerhebung

entscheidend, einerseits hinreichend präzise Daten zu gewinnen, die den durchschnittlichen Aufwand einer Apotheke belastbar abbilden, andererseits Scheingenauigkeit in der Primärerhebung zu vermeiden, um Besonderheiten der Stichprobe der Primärerhebung nicht über zu bewerten.

Für die Primärerhebung der Kosten für die spezifischen in der AMPreisV berücksichtigten Leistungen existieren theoretisch mindestens drei Möglichkeiten:

1. Teilnehmende Beobachtung und Messung der Prozesszeiten, 2. experimentelle Untersuchung der Prozesse,

3. Selbstauskunft der Apothekerinnen und Apotheker sowie der Großhändler über die zeitlichen und sachlichen Aufwendungen.

Im Projektverlauf wurde der dritten Vorgehensweise der Vorzug gegeben. Während die ersten beiden Primärerhebungsmethoden zunächst präzisere Ergebnisse versprechen, sind sie gleichzeitig mit

wesentlichen Nachteilen verbunden: Die teilnehmende Beobachtung erlaubt nur eine kleine Stichprobe an Apotheken, so dass der Stichprobenziehung in Bezug auf die Repräsentativität eine besondere Bedeutung zukommt, die sich nicht nur auf die Auswahl der Apotheken, sondern auch auf die Messzeitpunkte und die Dauer der Beobachtung bezieht. Zusätzlich ist in der Abgabe von Arzneimitteln zentral der Datenschutz der Patientinnen und Patienten zu beachten, die letztlich nicht ohne Einwilligung Teil der Primärerhebung werden dürfen. Die Apotheke wiederum wird sich neben Themen des Datenschutzes (u. a. in Hinblick der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) auch unter Beobachtung ggf. anders verhalten als in unbeobachteten Situationen (Verzerrung/Bias durch sozial erwünschtes Verhalten). Weiterhin wird die Generierung der Stichprobe erschwert durch eine vor dem Hintergrund der brisanten Fragestellung vermutete

eingeschränkte Bereitschaft der Apotheken an der Studie teilzunehmen.

Die zweite Alternative, die experimentelle Untersuchung der Prozesse, erlaubt neben der Präzision auch die Vorgabe eines zu erfüllenden Standards und könnte somit auch einen Effizienzfaktor in die Vergütung einbringen. Gegen diese Primärerhebungsform spricht die vergleichsweise aufwendige Prozessdefinition des Experiments sowie wiederum die Auswahl der als prototypisch anzusehenden Standardrezepturen,

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parenteralen Lösungen und BtM-Dokumentationen. Dieses Vorgehen kann für häufige Prozesse zukünftig sinnvoll sein, wurde jedoch für das vorliegende Gutachten als zu spezifisch und für die Gewinnung von Durchschnittswerten nicht als forschungsökonomisch im Vergleich zur Selbstauskunft der Apothekerinnen und Apotheker bewertet.

In der dritten Alternative, der Selbstauskunft, können die realen Erfahrungen vieler Apothekerinnen und Apotheker in die Durchschnittsberechnung einfließen und die Akzeptanz der Ergebnisse erhöhen. Wenn es um die Vergütung der Leistung geht, ist die Selbstauskunft jedoch gefährdet, überschätzend zu sein (im Sinne von sozial erwünschten Einschätzungen zur Vermeidung von Nachteilen; z. B. Hossiep 2017). Hohe Zeitangaben könnten von den Teilnehmer/-innen hier kognitiv mit einer resultierenden hohen Vergütung verbunden werden. Um der Überschätzung entgegenzuwirken, ist der Fragebogen folgendermaßen aufgebaut:

• Abfrage möglichst konkreter Prozessschritte,

• Abfrage auf unterschiedlichen Detailebenen,

• Abfrage in zeitlichen Kategorien (z. B. unter einer Minute, ein bis zwei Minuten, drei bis vier Minuten, …), die bereits in der Primärerhebung keine Präzision auf Sekundenebene verlangt und damit den Apotheken überhaupt erst erlaubt, über die Vielzahl Ihrer Leistungssituationen einen Durchschnitt zu bilden.

Die deskriptive Analyse der erhobenen Daten erlaubt zudem die Bereinigung von Ausreißern, d. h. von Angaben, die sehr viel höher sind als die überwiegende Zahl der Angaben und damit als überschätzend gelten können. Diese Angaben werden ggf. von der Analyse ausgeschlossen (vgl. Kapitel 8.2.3 Belastbarkeit der Ergebnisse, S. 123 ff.).

Die in der Selbstauskunft abgefragten Prozesse zu den Vergütungsbestandteilen der AMPreisV orientieren sich zur Objektivierung der Angaben an den Richtlinien der Bundesapothekerkammer:

• Prüfung und Lagerung der Ausgangsstoffe (Leitlinie und Kommentar) vom 16.06.2016,

• Prüfung und Lagerung der Primärpackmittel (Leitlinie und Kommentar) vom 16.06.2016,

• Herstellung und Prüfung der nicht zur parenteralen Anwendung bestimmten Rezeptur- und Defekturarzneimittel (Leitlinie und Kommentar) vom 25.11.2015,

• Dokumentation der Prüfung im Rahmen der Herstellung von Defekturarzneimitteln gemäß § 8 Abs.

3 und 4 ApBetrO (Arbeitshilfe) vom 25.09.2015,

• Aseptische Herstellung und Prüfung applikationsfertiger Parenteralia mit CMR-Eigenschaften der Kategorie 1A oder 1B (Leitlinie und Kommentar) vom 08.05.2012,

• Herstellung und Prüfung applikationsfertiger Parenteralia ohne CMR-Eigenschaften der Kategorie 1A oder 1B (Leitlinie und Kommentar) vom 08.05.2012.

Um sicherzustellen, dass die Fragen bzw. Anweisungen im Fragebogen verständlich sind und die Abfolge von Fragen eine für den Probanden logische Reihenfolge besitzt, wurde im Vorfeld der eigentlichen Primärerhebung ein Pretest mit einer Testgruppe von zwei Apotheken durchgeführt, diskutiert und angepasst.

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Befragungsinhalt Apotheken

Die eigentliche Befragung wird inhaltlich begrenzt auf den Arbeitsaufwand und adressiert die diesen Aufwand leistenden Berufsgruppen. Die Ausstattung der Apotheke liegt teilweise viele Jahre zurück oder verteilt sich über Investitionen über viele Jahre, so dass sie schlecht durch eine Befragung erhoben werden kann. Die Ausstattung der Apotheke wird daher über die in den Sekundärdaten berichteten Gemeinkosten der gesamten Apotheke anteilig berücksichtigt.

Die Fragebogenkonzeption orientiert sich an der Kalkulation der durch die Rx-Versorgung entstehenden Kosten, die sich aus der Befragung in folgenden Teilschritten ergibt:

• Definition und Abfrage der Leistungsbestandteile der Rx-Versorgung in Anlehnung an die gesetzlich definierten Leistungen,

• Bestimmung/Primärerhebung der mit den Leistungsbestandteilen durchschnittlich verbundenen personellen Ressourcen:

- Erforderliche Qualifikationen des entsprechenden Personals sowie - deren aufzuwendende Zeit,

• Berechnung der zu den personellen Aufwänden äquivalenten Kosten anhand der Tariflöhne.

Der Fragebogen befindet sich im Anhang des vorliegenden Gutachtens (s. Kapitel 15.2, S. 225 ff.) Primärerhebung Großhandel

Auch der Großhandel ist Bestandteil der Primärerhebung. Hier bilden Kühlartikel und BtM-Logistik in den Statistiken keine separaten Kostenstellen. Dennoch ist offenkundig, dass mit diesen Produkten erhöhter Aufwand verbunden ist, den es zu berücksichtigen gilt. In der Befragung der vollversorgenden

pharmazeutischen Großhändler werden die gleichen Prinzipien wie in der Befragung der Apotheken angewendet: Selbstauskunft auf der Basis von Prozessbeschreibungen. Die Prozessbeschreibungen wurden vom PHAGRO zur Verfügung gestellt und konnten über offene Felder durch die teilnehmenden

Unternehmen ergänzt werden (vgl. Kapitel 9.2 Primärerhebung , S. 177 ff. sowie Kapitel 15.4 Fragebogen Primärerhebung vollsortierter pharmazeutischer Großhandel im Anhang).

Vollerhebung als Grundlage der Stichprobe

Für die Realisierung möglichst großer und repräsentativer Stichproben werden alle Apotheken und

vollversorgenden Großhändler angeschrieben. Diese Vorgehensweise ist allerdings durch die Verfügbarkeit und Gültigkeit von E-Mail-Adressen beschränkt.

Im Ergebnis kann durch die Primärerhebungen die Vergütung in der AMPreisV stärker als bisher den tatsächlichen Leistungen der Apotheken zugeordnet werden. Dies ist bisher nur für die Nacht- und Notdienstvergütung möglich, deren Kosten bzw. Aufwand durch vorliegende Daten bestimmt werden können.

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