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Hintergrund und Ausgangslage des Forschungsvorhabens

Kaufleute und Heilberufler

Apothekerinnen und Apotheker befinden sich in einem besonderen Spannungsfeld, denn sie sind

Heilberufler und zugleich Kaufleute: Einerseits müssen sie sich den Herausforderungen eines freiberuflich Tätigen im Gesundheitswesen stellen und andererseits sind sie verpflichtet den Anforderungen an einen Einzelhändler gerecht zu werden. Aus diesem Spannungsverhältnis ergibt sich eine Verbindung aus der Verpflichtung dem Gemeinwohl gegenüber und der Notwendigkeit wirtschaftlichen Handelns.

Aus der Gemeinwohlverpflichtung der freien Berufe ergeben sich staatliche Regulierungen der damit assoziierten Märkte. Im Sinne eines frei heilberuflich Tätigen erfüllt die Apotheke dafür vielfältige Auflagen, um die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu gewährleisten, insbesondere für die Qualität,

Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel (§ 1 Arzneimittelgesetz (AMG)).

Wirtschaftlich hat eine Apotheke dafür nach dem Arzneimittelgesetz in Deutschland das Monopol für den Handel mit Arzneimitteln, auch in der Erscheinungsform des nach dem Apothekengesetz ordnungsgemäßen Versandhandels.

Vertriebsstufen der Arzneimittelversorgung

Die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln erfolgt über drei Stufen:

Pharmazeutische Unternehmer bzw. Hersteller müssen im Rahmen ihrer Verantwortlichkeit eine bedarfsgerechte und kontinuierliche Belieferung vollversorgender pharmazeutischer Großhändler sicherstellen.

Vollversorgende pharmazeutische Großhändler sind Großhändler, die nach § 52b AMG über das volle Arzneimittelsortiment für durchschnittlich zwei Wochen verfügen und im Rahmen ihrer Verantwortlichkeit eine bedarfsgerechte und kontinuierliche Belieferung der mit ihnen in Geschäftsbeziehung stehenden öffentlichen Apotheken gewährleisten.

Öffentliche Apotheken werden abgegrenzt gegen Krankenhäuser und andere Apotheken, die nicht der allgemeinen Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Über die Belieferung durch den vollversorgenden

Arzneimittelgroßhandel hinaus, können auch Großhändler mit Teilsortimenten oder auch pharmazeutische Unternehmer Apotheken direkt beliefern. Arzneimittel an Patientinnen und Patienten abgeben, darf nur eine Apotheke, da dort die erforderliche Sachkenntnis vorhanden ist. Sachkenntnisse sind hierbei

gekennzeichnet durch Kenntnisse und Fertigkeiten bezogen auf das ordnungsgemäße Abfüllen, Abpacken, Kennzeichnen, Lagern und Inverkehrbringen von Arzneimitteln, die zum Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, sowie durch Kenntnisse über die für diese Arzneimittel geltenden Vorschriften (§ 50 AMG, weitere gesetzlichen Grundlagen werden im Kapitel 6.1 beschrieben).

Ermittlung der Erforderlichkeit und des Ausmaßes von Änderungen der in der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) geregelten Preise

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Arzneimittelpreisverordnung

Wirtschaftlich ist die Vergütung der Versorgungsleistung seit 1980 größtenteils in der

Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) festgeschrieben. Im Jahr 2004 wurde die Berechnungsbasis für die Vergütung der Apotheken und der pharmazeutischen Großhändler darin in weiten Teilen grundlegend umgestellt. Die Preisbindung für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel wurde aufgehoben.

Verschreibungspflichtige Arzneimittel werden nicht mehr nur über prozentuale Zuschläge, sondern größtenteils mit Festzuschlägen vergütet: Pro Packung eines rezeptpflichtigen Fertigarzneimittels,

unabhängig von der Packungsgröße, erhält der Großhandel für seine Leistung 0,70 € und die Apotheke 8,10

€, seit 2013 sind es 8,35 €. Weitere feste Bestandteile der Vergütung sind 0,16 € pro Packung für den Notdienst-Fond sowie aktuell 1,77 € Rabatt/Abzug auf Rezepte der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV). Dieser GKV-Rabatt wurde seit 2004 mehrfach verhandelt und im Juli 2015 erstmals im fünften Sozialgesetzbuch zur Gesetzlichen Krankenversicherung (§ 130 SGB V) festgeschrieben.

Ergänzt werden diese Festzuschläge des Großhandels und der Apotheken zudem um prozentuale Anteile.

Diese liegen für den Großhandel als Höchstzuschlag bei maximal 3,15 % (absolut gedeckelt bei 37,80 €) und als Festzuschlag bei den Apotheken von 3 %.

Für Tierarzneimittel, und nicht-rezeptpflichtige Arzneimittel, die durch die GKV verordnet und erstattet werden, gelten noch vollständig abgestufte prozentuale Vergütungsansätze. Tierarzneimittel sind gemäß Ausschreibung des BMWi im Rahmen dieses Forschungsprojektes nicht weiter zu betrachten.

Im Vergleich zu frei verhandelten Preisen in nicht-regulierten Märkten sind Gebührenordnungen, also festgelegte Vergütungssätze, für alle freien Berufe gesetzlich vorgegeben. Sie regulieren damit diese Märkte im Sinne des Gemeinwohls (BFB 2015, 2017). Die AMPreisV regelt die Preise für

verschreibungspflichtige Arzneimittel (Rx) und betrifft damit nur einen Teil der Aufgaben und Erlöse der Apotheken.

Anpassung hinsichtlich der Kostenentwicklung

Die im Rahmen des vorliegenden Gutachtens recherchierte Berechnungslogik der AMPreisV folgt dem Prinzip der Kostendeckung und bedingt eine regelmäßige Anpassung der Vergütung in Bezug auf die Kostenentwicklung der Apotheken. Für den vollversorgenden Großhandel fehlt dagegen trotz Kostenbezug der Vergütung im Gesetzestext ein Hinweis zur Frage der regelmäßigen Anpassung.

Für Apotheken erfolgte diese Anpassung über den gesetzlichen Apothekenrabatt sowie den absoluten Festzuschlag für Fertigarzneimittel. Im § 130 SGB V wurde bei der Festschreibung des GKV-Abschlages auf 1,77 € im Juli 2015 der bisherige Hinweis auf die Wirtschaftlichkeit der Apotheke gestrichen. Dort war bis dahin der Anspruch formuliert, den Abschlag leistungsgerecht auf der Basis von tatsächlichen

repräsentativen Betriebsergebnissen anzupassen (§ 130 SGB V a. F., in der bis zum 23.07.2015 geltenden Fassung). Der Gesetzesentwurf zum GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) begründet die

Festschreibung und damit das Wegfallen der damit verbundenen Prüfung der Wirtschaftlichkeit mit sich teilweise überschneidenden Anpassungsparametern zum Apothekenabschlag nach § 130 SGB V und denen zum Festzuschlag nach § 78 des Arzneimittelgesetzes. Es wird zudem darauf hingewiesen, dass zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit kein gemeinsames Verständnis der Vertragspartner entwickelt werden konnte (BT-Drs. 18/4095, 2015, S. 57). Damit liegt der Fokus der wirtschaftlichen Betrachtung der Apotheke aktuell

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alleinig auf dem § 78 AMG, der das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) unter anderem ermächtigt „den Anteil des Festzuschlags, der nicht der Förderung der Sicherstellung des Notdienstes dient, entsprechend der Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung anzupassen“.

Zusammenfassend besteht die Herausforderung der Vergütung der AMPreisV in der angemessenen Vergütung der rezeptpflichtigen Teilleistung von Apotheken, die den kaufmännischen und

heilberuflichen Ansprüchen der Apotheken gerecht werden muss. Diese Vergütung muss kostenbedingt angepasst werden. Aus dieser Ausgangslage ergibt sich die Notwendigkeit des vorliegenden

Forschungsprojektes, das BMWi in einer datenbasierten Entscheidungsfindung zu unterstützen. Im Folgenden wird zunächst die zentrale Fragestellung des vorliegenden Gutachtens dargelegt.

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