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Teil III: Methodologische Grundlagen der Untersuchung

8.2 Sample-Auswahl

Der Sample-Auswahl wird in qualitativer ebenso wie in quantitativer Forschung ein hoher Stellenwert zugeschrieben. Nur durch eine für die Fragestellung aussagekräftige Auswahl von Fällen können Verzerrungen vermieden werden und die Qualität des Datenmaterials und damit auch die Qualität des Erkenntnisgewinns gewährleistet werden (vgl. Kelle/Kluge 2010: 42). Insofern muss eine kriterienorientierte Fallauswahl stattfinden, die sicherstellt, dass die für die Fragestellung relevanten Fälle untersucht werden (ebd.: 43). Im Folgenden

8 Forschungsmethodisches Vorgehen

wird die Auswahl der Samples mit Bezug zur Fragestellung und den feldspezifischen Besonderheiten beschrieben. Zur Erinnerung sei hier die grundlegende Fragestellung der Studie noch einmal aufgeführt: Welche Erfahrungen machen Schülerinnen und Schüler des 7. Jahrgangs mit dem selbstgesteuerten Lernen an der Gemeinschaftsschule zu Beginn des Pilotprojekts?

Für die vorliegende Untersuchung ist es erforderlich, die Auswahl des Samples auf zwei Ebenen zu begründen: der Ebene der Fallschulen und der Ebene der Lernenden. Die Auswahl dieser Samples findet zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten statt. Zunächst wird die Auswahl der Schulen entschieden, im Anschluss daran werden nach dem ersten Zugang zum Feld die Schülerinnen und Schüler ausgewählt.

8.2.1 Auswahl der Schulen

Das Auswahlverfahren, um geeignete Schulen für diese Untersuchung zu finden, gleicht dem der Studie von Doris Wittek (vgl. Wittek 2013). Die beiden parallel konzipierten Untersuchungen finden an denselben zwei Gemeinschaftsschulen statt, setzen sich dann jedoch mit unterschiedlichen Akteursperspektiven – einerseits der Lehrenden und andererseits der Lernenden – auseinander. Die Größe des Samples von zwei Schulen ist durch zweierlei zu begründen: Erstens ermöglicht die Bezugnahme auf zwei Schulen vergleichende Aussagen. Zweitens gewährleistet die dennoch überschaubare Anzahl die Fokussierung auf „Tiefenbohrungen“ (Combe 2002: 36) bezüglich der Erfahrungen der an der Pilotphase beteiligten Akteure.

Zu Beginn der Pilotphase nehmen 15 Schulen an dem Pilotprojekt teil, fünf davon sind Grundschulen, die zu einer Gemeinschaftsschule (1–13) aufwachsen. Die fünf Grundschulen werden aufgrund der Frage nach dem selbstgesteuerten Lernen aus dem Sample ausgeschlossen, da die metakognitive Dimension des selbstgesteuerten Lernens aufgrund entwicklungspsychologischer Gegebenheiten im Grundschulalter nicht ausreichend ausgeprägt ist (vgl. Kap. 5.1.3). Des Weiteren wird eine teilnehmende Privatschule aus dem Sample gestrichen, da diese im Hinblick auf die Schülerpopulation und organisatorische Rahmenbedingungen sehr spezifische und daher wenig vergleichbare Merkmale aufweist. Zu diesem Zeitpunkt stehen somit noch 9 Schulen zur Auswahl.

Im Hinblick auf die Fragestellung können zwei weitere Kriterien angeführt werden, die bezüglich der Auswertung relevant sind: Zum einen ist dies die Frage nach der leistungsbezogenen Heterogenität der Schülerpopulation. Da nicht alle Schulen eine weitgehende Drittelparität bezüglich der Grundschulempfehlungen aufweisen können – zum größten Teil fehlen bei den Anmeldungen zur Gemeinschaftsschule die

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leistungsstärkeren Schülerinnen und Schüler –, das Untersuchungsinteresse aber eben gerade auf der Rekonstruktion von Lernprozessen innerhalb möglichst leistungsheterogener Gruppen beruht, fallen all jene Schulen aus dem Sample, die nicht annähernd eine Drittelparität bezüglich der Grundschulempfehlungen (Haupt-, Realschule und Gymnasium) aufweisen können. Die Heterogenität der Schulen kann auf der datenbasierten Grundlage der von der wissenschaftlichen Begleitung erstellten Schulprofile beurteilt werden. Diese basieren sowohl auf Dokumentenanalysen als auch auf Interviews, die mit Vertretern aller an den Einzelschulen beteiligten Akteure durchgeführt wurden (vgl.

Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft 2009).

Zum anderen ist die Frage nach der Unterrichtsorganisation bzw. der Ausgestaltung des Unterrichtssettings bezüglich des Umgangs mit heterogenen Lerngruppen ein für die Fragestellung entscheidendes Kriterium. So können durch die Rekonstruktion der Lernprozesse förderliche und hinderliche Bedingungen bezüglich der Lernumgebung herausgearbeitet werden. Insofern sollen Schulen untersucht werden, die hinsichtlich des Umgangs mit Heterogenität bereits ein möglichst fortgeschrittenes Stadium erreicht haben, damit eben diese eingeführten Strukturen bezüglich ihrer Potenziale und Schwierigkeiten untersucht werden können. Gleichzeitig sollen nicht zwei Schulen gewählt werden, die bereits über ein weit entwickeltes Setting bezüglich des Umgangs mit Heterogenität verfügen, da diese Wahl keine indizierte Auswahl für die an der „Pilotphase Gemeinschaftsschule Berlin“ teilnehmenden Schulen darstellt. Um die Unterrichtsqualität und –entwicklung der beteiligten Schulen entsprechend zu kategorisieren, wird als Instrument das „Qualitätsstufenmodell der Unterrichtsqualität“ der Hamburger Schulinspektion genutzt (vgl. Pietsch/Schnack/Schulze 2009: 39).

Abbildung 8: Qualitätsstufenmodell der Hamburger Schulinspektion (vgl. Pietsch/Schnack/Schulze 2009:

39)

Für die Einordnung der Schulen in das Qualitätsstufenmodell werden ebenfalls die Schulprofile aus der wissenschaftlichen Begleitung genutzt (vgl. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft 2009: 16–215). Die verbleibenden 9 Schulen können alle

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auf den Stufen zwei und drei verortet werden, was allen Schulen (erste) Anfänge einer entwickelten Praxis im Hinblick auf das Lernen in heterogenen Lerngruppen bescheinigt.

Nach Zusammenführung der beiden Kriterien – eine möglichst hohe leistungsbezogene Heterogenität in der Schülerschaft und eine unterschiedlich weit fortgeschrittene Unterrichtsentwicklung – können folgende zwei Schulen ausgewählt werden:

 Gemeinschaftsschule Wiesenufer: weitgehende Drittelparität bezüglich der Bildungsgangempfehlungen; Stufe 2 des Unterrichtsqualitätsstufenmodells;

 Gemeinschaftsschule Am Walde: weitgehende Drittelparität bezüglich der Bildungsgangempfehlungen; Stufe 3 des Unterrichtsqualitätsstufenmodells.

Die datenbasierte Auswahl wird anhand von Unterrichtsbeobachtungen an den Schulen überprüft und im Forscherinnenteam als angemessen befunden, sodass die Auswahl des Samples bestehen bleibt.

8.2.2 Auswahlverfahren der zu befragenden Schülerinnen und Schüler

Während einer Phase der Hospitation in verschiedenen Klassen der ausgewählten Schulen werden in Form der teilnehmenden Beobachtung erste Eindrücke zu den Schülerinnen und Schülern gesammelt. Dabei beschränkt sich die Hospitation auf diejenigen Klassen, die auch an der Fragebogenerhebung der wissenschaftlichen Begleitung teilnehmen. So wird eine Zusammenführung der qualitativ und quantitativ erhobenen Daten im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung der Pilotphase ermöglicht.

Die Auswahl der Schülerinnen und Schüler wird nach dem Prinzip der maximalen Kontrastierung getroffen. Das differenzierende Kriterium ist hierbei der schulische Leistungsstand zu Beginn der Pilotphase. Nach Rücksprache mit den Klassenlehrerinnen und –lehrern werden folgende sechs Lernende ausgewählt:

 Laura: leistungsstarke Schülerin mit Gymnasialniveau

 Finn: durchschnittlich leistungsstarker Schüler mit Realschulniveau

 Belinda: leistungsschwache Schülerin mit Hauptschulniveau

 Faruk: leistungsstarker Schüler mit Gymnasialniveau

 Gamze: durchschnittlich leistungsstarke Schülerin mit Realschulniveau

 Karim: leistungsschwacher Schüler mit Hauptschulniveau

Zusammenfassend gestaltet sich das Sample demnach wie folgt:

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Abbildung 9: Zusammensetzung des Samples (eigene Darstellung)

Die Entwicklung der sechs Schülerinnen und Schüler wird über ein Jahr verfolgt. Zu Beginn der Pilotphase findet die erste Interviewphase statt, gefolgt von einer Rückmeldung erster Zwischenergebnisse an die Lernenden nach einem halben Jahr. Ein Jahr später findet das zweite Interview statt. Aufgrund der zwei Erhebungszeitpunkte können die Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler nicht nur fallübergreifend sondern auch innerhalb eines Falles verglichen werden. Von besonderem Interesse ist hierbei die Frage nach der Entwicklung von Selbststeuerungskompetenzen sowie einer veränderten Wahrnehmung des Lernsettings. Im Folgenden wird nun auf die Ausgestaltung der episodischen Interviews eingegangen.