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V. DISKUSSION

2. Diskussion der Ergebnisse

2.3. Resorption und Verwertung von Aminosäuren aus der Gelatine

Voraussetzung für eine potentiell chondroprotektive Wirkung des Gelatine - Hydrolysats auf den Knorpel- und Knochenstoffwechsel ist zum einen eine ausreichende Resorption im Gastrointestinaltrakt. In der Literatur existieren Hinweise auf eine Absorption von Gelatine im Gastrointestinaltrakt (OESSER et al. 1999). Dabei interessierten hier besonders die Aminosäuren, die im Knorpel, und dort vor allem im Kollagen enthalten sind. Fast ein Drittel der Aminosäuren des Kollagens wird von Glycin gestellt, jeweils 12 - 14 % von Prolin, Hydroxy - Prolin und Alanin.

Daher repräsentieren diese Aminosäuren - zusammen mit Glutaminsäure - auch die höchsten Anteile in der Gelatine, die aus Kollagen als Rohstoff hergestellt wird (Tab. 4.1.). Betrachtet man aber die tägliche Gesamtaufnahme der Aminosäuren (Tab. 4.2.), so verschieben sich die Anteile z.T. deutlich. Da Hydroxy - Prolin nur aus dem Gelatine - Hydrolysat bereitgestellt wird und in den

weiteren Futtermitteln nicht enthalten ist, stellt diese Aminosäure insgesamt nur einen kleinen Anteil dar. Glycin, Prolin, Alanin und Glutaminsäure dagegen sind auch im Mischfutter und Heu enthalten und stellen damit zusammen mit Asparaginsäure und Leucin den größten Anteil an der täglichen Gesamtaufnahme.

Unmittelbar nach der Futteraufnahme besteht für die meisten Aminosäuren (Ausnahmen:

Glutaminsäure, Asparaginsäure und Hydroxy-Prolin) in beiden Versuchsgruppen erwartungsgemäß ein deutlicher Anstieg der Konzentrationen im Plasma, der die Resorption des zugeführten Nahrungsproteins widerspiegelt, und zwar zunächst unabhängig von der Aufnahme des Gelatine - Hydrolysats. Dieser Anstieg, der bereits 1 h postprandial zu finden ist, lässt auf eine Resorption im proximalen Dünndarm schließen, die Konzentrationen verbleiben für 4 - 5 Stunden auf einem erhöhten Niveau und sinken anschließend ab. Die sehr schnelle Verfügbarkeit von Aminosäuren könnte somit auch genutzt werden, um den Arbeitsbeginn von Pferden optimal an die Nährstoffversorgung zu terminieren, da Aminosäuren einen nicht unerheblichen Anteil bei der Energiegewinnung darstellen. Eine hohe Versorgung mit Protein liefert zusätzliches Substrat für die Energiegewinnung, so können glukogene Aminosäuren im Energiestoffwechsel zu Glukose umgesetzt werden. Zu den glukogenen Aminosäuren gehören fast alle Standard - Aminosäuren mit Ausnahme von Leucin und Lysin, die ausschließlich ketogen sind. Tryptophan, Phenylalanin, Tyrosin und Isoleucin sind sowohl ketogen als auch glucogen (D´MELLO 2003). Laut Angaben von LAWRENCE (1994) können unter Belastungsbedingungen 5 - 15 % der Energie durch die Verstoffwechslung von Aminosäuren bereitgestellt werden.

Um eine abgeschlossene Magenpassage gewährleisten zu können, sollte die Belastung nicht vor 2 h nach der Fütterung beginnen, abzuleiten wäre also ein Arbeitsbeginn maximal 4 h nach der Fütterung (MEYER u. COENEN 2002). In der vorliegenden Studie lag an Versuchstagen mit Stufenbelastungstests eine Zeitspanne von 3 h zwischen Fütterung und Belastung, was anhand der Ergebnisse der postprandialen Kinetik optimal zu sein scheint.

Deutliche Unterschiede zwischen den Versuchsgruppen finden sich vor allem bei den Aminosäuren Glycin, Prolin und Alanin, die aus dem Gelatine - Hydrolysat einen höheren Anteil stellen und gleichzeitig in der Kollagensynthese ein wichtige Rolle spielen.

Die Glycin - Konzentration steigt nach der Fütterung in beiden Versuchsgruppen deutlich gegenüber dem Ausgangsniveau an. Für Glycin können im Versuchsteil der postprandialen Kinetik aber auch schon vor der Fütterung für die Gelatinegruppe signifikant höhere Konzentrationen abgesichert werden. Dieser deutliche Unterschied vor der Fütterung wird nachvollziehbar, betrachtet man gleichzeitig die Ergebnisse der wöchentlichen Ruheblutprobenentnahmen. Am Ende der Versuchsperiode in Woche 10 existierte bereits ein deutlicher Unterschied zwischen beiden Versuchsgruppen, der sich in den Ergebnissen der postprandialen Kinetik vor der Fütterung wiederfindet. Die höheren postprandialen Glycin - Gehalte scheinen demnach ein Effekt der Gelatinesupplementierung zu sein.

Die Pferde der Gelatinegruppe wiesen bis zu 4 h nach der Fütterung signifikant höhere Prolin- und Alanin - Konzentrationen auf als die der Kontrollgruppe, was auf eine Resorption auch dieser Aminosäuren rückschließen lässt. Von Prolin ist aus der Literatur eine Resorption im distalen Ileum von Tieren (Ratte, Kaninchen, Schwein) hinlänglich bekannt (BERGER et al. 2000). Die Ergebnisse der eigenen Studie stützen diese Beobachtung nur bedingt, der frühe Anstieg bereits 1 h nach der Fütterung lassen eher auf eine Resorption im proximalen Dünndarm schließen.

Da Hydroxy - Prolin nur im Gelatine - Hydrolysat, nicht jedoch im Mischfutter oder Heu enthalten ist, wird der Kontrollgruppe kein Hydroxy - Prolin über die Nahrung zugeführt. Gegebenenfalls nachzuweisendes Hydroxy - Prolin müsste daher in dieser Gruppe endogen gebildet worden sein.

Jedoch lag die Konzentration von Hydroxy - Prolin in den Plasmaproben sowohl für die Kontrollgruppe als auch für die Gelatinegruppe unterhalb der Nachweisgrenze von 20 pmol, obwohl Hydroxy - Prolin mit 3,6 g aus dem Gelatine - Hydrolysat einen nicht unerheblichen Anteil liefert, vergleichbar mit dem von Prolin oder Glycin. Daraus resultiert die Vermutung, dass Hydroxy - Prolin im Gastrointestinaltrakt nicht resorbiert wird.

JAESCHKE (1975) konnte dagegen eine basale Konzentration von Hydroxy - Prolin im Serum von Pferden nachweisen, die einem altersbedingten Abfall unterliegt und für 2- jährige Pferde eine Konzentration von 39,2 µmol/dL aufwies. Diese Ergebnisse stehen in deutlicher Diskrepanz zu den eigenen Ergebnissen. Jedoch muss vermerkt werden, dass JAESCHKE (1975) keine näheren Angaben zum Status der Probanden machte, sondern lediglich angab, dass es sich dabei um

größtenteils gesunde Tiere aus dem Einzugsgebiet einer Klinik sowie Traberstuten eines Gestütes und eigenen Versuchstieren handelte. Es könnte sich also eventuell auch um einige nicht gelenkgesunde Pferde gehandelt haben, deren Ergebnisse in der Studie berücksichtigt wurden und die durch einen vermehrten Kollagenabbau pathologisch erhöhte Hydroxy-Prolin-Konzentrationen im Blut aufgewiesen haben. Eventuell entsteht die Diskrepanz zu den eigenen Ergebnissen auch durch die Verwendung von unterschiedlichen Medien, so verwendete JAESCHKE (1975) Serum, in der eigenen Untersuchung jedoch wurden die Aminosäuren im Plasma bestimmt. In der Regel werden im Serum höhere Aminosäuren - Konzentrationen nachgewiesen als im Plasma.

Denkbar ist auch, dass Hydroxy - Prolin im Dünndarm zu Prolin dehydroxyliert und in dieser Form durch die Darmwand transportiert wird. Für Prolin besteht bereits der tierexperimentelle Nachweis einer Resorption im Gastrointestinaltrakt (OESSER et al. 1999, BERGER et al. 2000). Um diese Hypothese zu überprüfen, wurde die Menge des Hydroxy - Prolins zur Menge des Prolins addiert und unter dieser Voraussetzung die Ergebnisse der postprandialen Kinetik des Prolins betrachtet.

Danach nimmt die Gelatinegruppe 24,5 g Prolin und 3,57 g Hydroxy - Prolin, die Kontrollgruppe 20,3 g Prolin auf. Vorausgesetzt, dass Hydroxy - Prolin in Form von Prolin resorbiert wird, und die Prolin - Resorption bei 100 % liegt, nimmt die Gelatinegruppe demnach insgesamt 28,1 g Prolin auf. Geht man nun von einem Plasmavolumen von 20 kg aus (5 % der KM, bei 400 kg, KRZYWANEK 1999), würde die Gelatinegruppe im Blut eine kalkulierte maximale Prolin - Konzentration von 1,4 g/l bzw. 16,1 µmol/dL, die Kontrollgruppe 0,99 g/l bzw. 11,3 µmol/dL erreichen. Nimmt man dagegen an, dass Hydroxy - Prolin nicht zu Prolin umgewandelt, bevor es resorbiert wird, sondern unverändert ausgeschieden wird, würde die Gelatinegruppe eine maximale Prolinkonzentration von 1,2 g/l bzw. 13,8 µmol/dL erreichen. Tabelle 5.3. zeigt eine Gegenüberstellung der kalkulierten Menge an Prolin im Plasma, die maximal erreicht werden könnte (Basalwert + kalkulierte Prolinaufnahme), mit der in der Analytik ermittelten maximalen Prolin - Konzentration, unter Voraussetzung einer 100 % -igen Verwertung. Der Verteilungsraum für Prolin ist nicht bekannt, jedoch erklären sich mit der Verteilung im Organismus die im Gegensatz zu den kalkulierten maximalen Prolin - Werten niedrigeren analysierten Werte. Eine Resorption von Hydroxy - Prolin in Form von Prolin ist damit aufgrund der hohen Übereinstimmung zwischen kalkulierten und analysierten Werten sehr wahrscheinlich.

Tab. 5.3.: kalkulierte und analytisch ermittelte maximale Prolin - Konzentrationen (µmol/dL) Maximaler Anstieg (kalkuliert) Maximaler Anstieg (analysiert) Gruppe

(µmol/dL) (%) (µmol/dL) (%)

Kontrolle 19,15 100 14,9 100

Gelatine: Prolin mit

Hydroxy - Prolin 24,77 130 19,9 134

Gelatine: Prolin ohne

Hydroxy - Prolin 22,47 117 - -

Im Kollagenstoffwechsel ist Prolin die Vorstufe von Hydroxy - Prolin. Während der Kollagensynthese wird Prolin in den Kollagenstrang eingebaut und erst später innerhalb des Stranges zu Hydroxy - Prolin hydroxyliert. Die Hydroxylierung ist die Voraussetzung für eine Ausschleusung des Kollagen - Moleküls aus der Zelle (PETRIDES 1988). Beim Kollagenabbau wird Hydroxy - Prolin freigesetzt. Da es nicht reutilisiert werden kann, wird es in der Leber zu 75%

zu CO2 und Wasser oxidiert. Die restlichen 25 % sind als freie oder als peptidgebundene Form im Plasma und Urin nachweisbar und können als Marker des Kollagenabbaus der Beurteilung der Knorpelstoffwechselsituation dienen (LIESEGANG 2000). Für die eigene Studie würde dies bedeuten, dass trotz des sehr intensiven Trainings keine erheblichen Abbauvorgänge des Knorpelstoffwechsels beobachtet werden konnten. Zu den Veränderungen von Hydroxy - Prolin während eines intensiven Trainings sind in der Literatur jedoch keine Angaben zu finden, die sich mit dem in der eigenen Studie durchgeführten Trainingsprogramms vergleichen ließen. So untersucht zwar WEIDE (2004) die Auswirkungen einer Gelatine - Hydrolysat - Supplementierung auf den Aminosäurestoffwechsel und fand einen signifikanten Anstieg über die Dauer der Supplementierung, jedoch überprüft sie in ihrer Studie die Effekte einer Supplementierung bei erkrankten Hunden anhand von Lahmheitsparametern und nicht anhand eines Trainingsmodels.

Einige Aminosäuren wie Leucin, Valin oder Phenylalanin, die im Gelatine- Hydrolysat nur in geringem Maße vorhanden waren, wiesen zu einigen oder allen Zeitpunkten signifikant höhere Konzentrationen in der Gelatinegruppe auf (Tab. 9.47., 9.69. und 9.55.). Aus dem Gelatine - Hydrolysat liefern diese Aminosäuren nur einen geringen Mehranteil von zusätzlich 6,5 - 7,5 %, daher ist es sehr unwahrscheinlich, dass die beobachteten Unterschiede zwischen den Gruppen auf die Gelatinesupplementierung zurückzuführen ist. Bei Betrachtung der Einzelwerte aller Pferde fallen bei Leucin und Valin in der Kontrollgruppe zwei Pferde (Pferd 7 und 11) mit im Vergleich zu

anderen Pferden der Kontrollgruppe sehr niedrigen Werten auf, die dafür verantwortlich zu sein scheinen, dass die Konzentrationen von Valin und Leucin in der Kontrollgruppe auf einem deutlich niedrigeren Niveau liegen als bei Pferden der Gelatinegruppe. Aufgrund dieser Tatsache sind die signifikanten Unterschiede zwischen den Versuchsgruppen erklärbar. Bezüglich der beiden auffälligen Pferde kann festgestellt werden, dass es sich bei Pferd 11 um das 7 - jährige Tier handelt, wodurch eventuell eine Vergleichbarkeit mit Werten der 2 - jährigen Pferde nicht gegeben sein könnte. Pferd 7 fiel vor Beginn des Versuches während der Eingewöhnungsphase zwar durch einen sehr schlechten, kachektischen Zustand auf, es ist jedoch unwahrscheinlich, dass diese Tatsache einen Einfluss auf die Ergebnisse der beiden essentiellen Aminosäuren hatte, die 3 Monate später erhoben wurden. Über die Versuchsperiode war zudem eine deutliche Gewichtszunahme bei Pferd 7 zu verzeichnen, der Zustand des Tieres besserte sich schon vor Versuchsbeginn drastisch, so dass zum Ende des Versuchs kein Unterschied zwischen Pferd 7 und anderen Versuchstieren erkennbar war. Daher ist nicht bekannt, welche Faktoren die Ursache der erhöhten Konzentrationen dieser beiden Pferde waren.

In der postprandialen Kinetik erhalten die Pferde der Gelatinegruppe 48 g, die der Kontrollgruppe 44,6 g Glutaminsäure, damit stellt diese im Vergleich der Aminosäuren den größten Anteil (Tab.

4.2.). Dennoch sind nach der Fütterung in keiner der beiden Gruppen Konzentrationsänderungen über die Zeit festzustellen (Ausnahme: Gelatine 3 und 7 h ppr.), auch Konzentrationsunterschiede zwischen den beiden Versuchsgruppen blieben aus. Beide Ergebnisse sprächen dafür, dass Glutaminsäure nicht resorbiert wird, obwohl ALMEIDA et al. (1999) beim Pferd für Glutaminsäure eine präcaecale Verdaulichkeit von ca. 55 % fanden. Glutamin und Glutaminsäure sind im Stoffwechsel wichtige Transporter für Aminogruppen und können leicht ineinander umgewandelt werden, daher wird möglicherweise die Glutaminsäure vor der Resorption im Gastrointestinaltrakt zu Glutamin umgewandelt und in dieser Form resorbiert. Möglich wäre auch eine Verstoffwechslung innerhalb der Darmzellen.

In der Leber werden die Aminogruppen vieler Aminosäuren auf Glutaminsäure übertragen. Nach der Umwandlung von Glutaminsäure zu Glutamin spielt diese als Transporter von Ammoniak eine zentrale Rolle in der Entgiftung. Zudem entsteht Glutamin auch beim Abbau von Prolin, Ornithin und Histidin. Aus diesen Gründen ist Glutamin im Plasma die Aminosäure mit der höchsten

Glutamin im Stoffwechsel einnimmt, haben viele Faktoren einen Einfluss auf den Glutamin - Gehalt im Plasma, daher überrascht es nicht, dass auch während der Versuchsphase im Verlauf der Glutamin - Konzentration weder Veränderungen über die Zeit noch Unterschiede zwischen den Gruppen dargestellt werden konnten.

Nicht erklärt werden kann der fehlende Nachweis von Asparaginsäure im Plasma beider Versuchsgruppen. Die Gelatinegruppe nimmt aus dem Gelatine - Hydrolysat ca. 2 g Asparaginsäure mehr auf als die Kontrollgruppe, und beide Gruppen nehmen insgesamt mit ca. 20 g eine relativ hohe Menge auf (Tab. 4.2.), dennoch ist im Großteil der Plasmaproben die Asparaginsäure - Konzentration in beiden Gruppen unterhalb der Nachweisgrenze von 20 pmol. Daraus ergibt sich entweder, dass keine Asparaginsäure resorbiert werden kann, oder dass die Aufnahme in Form von Asparagin erfolgt. Möglich ist auch, dass nach der Resorption der Asparaginsäure im Blut eine rasche Umwandlung zu Asparagin eintritt.