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II. SCHRIFTTUM

3. Chondroprotektiva und Nutraceuticals

3.2. Wirksamkeit

3.3.7. Literaturübersicht

Vom ernährungsphysiologischen Standpunkt aus betrachtet ist Gelatine ein Protein von niedriger Qualität, da alle essentiellen Aminosäuren in zu geringer Konzentration, oder, wie im Fall von Cystin und Tryptophan, gar nicht vorhanden sind (OESSER et al. 1999). Von medizinischen Standpunkt aus kommt der Gelatine dagegen eine größere Bedeutung zu.

Gelatine ist in der Humanmedizin als chondroprotektives, den Knorpel stabilisierendes Präparat seit einigen Jahren in der Therapie der degenerativen Gelenkerkrankungen im Einsatz. In verschiedenen Studien wurde ein positiver Effekt nach oraler Gabe eines Gelatine - Hydrolysats auf das Wachstum von Haaren und Nägeln nachgewiesen (BRODIE 1984, SEELIGMÜLLER u. HAPPEL 1989, GEHRING 1992). Zudem soll es sich beim Pferd auch positiv auf das Wachstum und die Qualität von Hufhorn auswirken (TIMM 1993, BECKER 1998).

Klinische Studien im Human- und Veterinärbereich haben einen therapeutischen Effekt nach oraler Substitution von Gelatine - Hydrolysat nachgewiesen, so auch für die Behandlung von Osteoarthritis (ADAM 1991, SEELIGMÜLLER u. HAPPEL 1993, TIMM 1993, BEUKER u.

ROSENFELD 1996, MOSKOWITZ 2000, WEIDE 2004).

3.3.7.1. Resorption

Hinsichtlich arthrotischer Gelenkerkrankungen interessiert grundlegend erst einmal die Resorption der Aminosäuren, die überwiegend im Kollagen enthalten sind. Kollagen enthält 12 - 14 % Hydroxy-Prolin, das sonst im Organismus kaum vorkommt, 12 % Prolin und 30 % Glycin.

Zur Frage der Resorbierbarkeit haben OESSER et. al. (1999) die Absorption und die Verteilung von Gelatine - Hydrolysat in den verschiedenen Geweben bei Mäusen untersucht. Dabei wurde die Absorption von 14C - markierter hydrolysierter Gelatine mit 14C - markiertem Prolin nach oraler Gabe miteinander verglichen. Die Tiere der Versuchsgruppe erhielten dabei 10 mg markiertes Gelatine - Hydrolysat/g Körpergewicht, die der Kontrollgruppe 10 mg markiertes Prolin und unmarkiertes Gelatine - Hydrolysat. Damit erhielten Tiere beider Gruppen eine identische Standard - Dosis an Radioaktivität von 580 Bq/g KGW. Die Autoren fanden, dass 95 % des enteral applizierten markierten Gelatine - Hydrolysats und des markierten Prolins in den ersten 12 h aus dem Gastrointestinaltrakt absorbiert wurde, was konform mit den Untersuchungen über die Verdaulichkeit von Kollagen von ASGHOR und SELA (1982) und LASER-REUTERSWARD

Prolins kam es zu einem schnellen Anstieg der Radioaktivität im Plasma, nach 6 h erreichte die Radioaktivität im Plasma ihren Peak und nach 24 h waren 85 % der Radioaktivität aus dem Plasma wieder verschwunden. Mit dem Verschwinden der Radioaktivität schließt sich eine Phase der Umverteilung in andere Gewebe (Haut, Leber, Milz, Niere, Skelettmuskel und Gelenkknorpel) an, die bei beiden Versuchsgruppen mit Ausnahme des Gelenkknorpels annähernd gleich war. Zu den Zeitpunkten 12 h, 24 h, 48 h und 96 h nach Beginn der Supplementierung war die Radioaktivität in den Gelenkknorpeln der Mäuse, die 14C - markiertes Gelatine - Hydrolysat erhalten hatten, signifikant höher als bei Mäusen, die 14C - markiertes Prolin erhalten hatten.

In einem weiteren Versuchsteil, in dem die Durchgängigkeit eines Darmabschnitts für unterschiedlich große Peptidstücke getestet wurde, kamen die Autoren zu dem Ergebnis, dass Peptide von 1 - 10 kD absorbiert werden können, was darauf hinweist, dass Gelatine - Hydrolysat ebenfalls in einer höher molekularen Form in gewisser Menge absorbiert werden kann.

Beide Versuchsteile lassen den Schluss zu, dass nach Gabe von Gelatine - Hydrolysat sowohl einzelne Aminosäuren als auch Peptidstücke aus dem Gastrointestinaltrakt absorbiert werden, die bevorzugt im Gelenkknorpel angereichert werden und für die beobachtete therapeutische Wirksamkeit von oral verabreichtem Gelatine - Hydrolysat bei degenerativen Gelenkerkrankungen verantwortlich sein können.

3.3.7.2. Wirkung In vitro

OESSER und SEIFERT (2003) untersuchten den Effekt von degradiertem Kollagen auf die Produktion von Kollagen - Typ II durch die Chondrozyten als ein Bestandteil der ECM in einem Zellmodell mit bovinen Chondrozyten. Dabei wurde das Zellmedium mit Kollagen - Hydrolysat inkubiert und die Biosynthese von Kollagen - Typ II durch die Chondrozyten mit der von Kontrollen verglichen, die mit nativem Kollagen - Typ I und -Typ II sowie einem Kollagen - freien Proteinhydrolysat behandelt wurden. Für die Quantifizierung des Typ II - Kollagens wurde sowohl ein ELISA verwendet, als auch die Inkorporation von 14C - Prolin in die ECM nach 48 h beurteilt.

Ergebnis der Studie war, dass die Anwesenheit von extrazellulärem Kollagen - Hydrolysat zu einem im Vergleich mit den Kontrolldurchgängen signifikanten, dosisabhängigen Anstieg der Kollagen - Typ II - Sekretion führt. Die nativen Kollagene und das kollagenfreie Protein - Hydrolysat dagegen konnten eine Produktion von Kollagen - Typ II nicht stimulieren. Das führt die Autoren zu dem

Schluss, dass in vivo ein Anstieg der Konzentration von Kollagen - Fragmenten, freigesetzt durch den Kollagen - Abbau und die Knorpeldegeneration oder vermehrt vorhanden durch eine Supplementierung, die Synthese und Sekretion von Kollagen - Typ II durch die Chondrozyten induzieren könnte und dass ein positiver Feedback - Mechanismus existiert, der für die Regulation des Kollagen - Stoffwechsels im Knorpel verantwortlich ist. Durch intaktes Kollagen konnte dieser Effekt nicht hervorgerufen werden. Für progressive Gelenkerkrankungen wie z. B. Osteoarthritis kann oft ein verminderter Kollagen - Metabolismus verantwortlich gemacht werden, die Autoren folgern also aus ihren Ergebnissen, dass mit einer Supplementierung von Kollagen - Hydrolysat eine Verbesserung und Erhaltung der extrazellulären Matrix durch eine gesteigerte Kollagen - Typ II - Synthese erreicht werden kann. Die Autoren schließen sich damit dem Ergebnis von MOSKOWITZ (2000) an, der einen positiven Einfluss von oral verabreichtem Kollagenhydrolysat auf die Entwicklung von Osteoarthritis konstatiert und sie verweisen auf die Ergebnisse von OESSER et al. (1999), die eine Absorption von Kollagen - Hydrolysat aus dem Darm und eine Anreicherung in den Gelenken nachgewiesen haben.

In vivo

In der Humanmedizin sind zur Wirksamkeit von Gelatinepräparaten bei arthrotischen Gelenkerkrankungen einige Studien durchgeführt worden (OBERSCHELP 1985, SEELIGMÜLLER u. HAPPEL 1989, ADAM 1991, BEUKER u. ROSENFELD 1996, MOSKOWITZ 2000).

SEELIGMÜLLER und HAPPEL (1989) verabreichten 356 Patienten mit Arthrosen in verschiedenen Gelenken oral täglich ca. 7 g einer Mischung aus Gelatine und L - Cystin (~ 0,11 g L- Cystin und 6,89 g Gelatine) über einen Zeitraum von 3 - 12 Monaten. Cystin ist ein essentieller Baustein für die Synthese von Chondroitinsulfat, ein wichtiger Bestandteil der Knorpelmatrix. Die Wirksamkeit wurde anhand subjektiver Angaben der Patienten überprüft und mittels der Abnahme des Verbrauchs an nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAID) und der Abnahme der intraartikulären Injektionsfrequenz gemessen. In den meisten Fällen wurde die Wirksamkeit von den Patienten mit gut oder sehr gut beurteilt, nur in drei Fällen (0,8 %) gaben die Patienten keinerlei Wirkung an.

Nahezu alle Patienten mit Gonarthrosen oder mit Polyarthrosen der Hände wurden nach Einnahme des Präparates über 6 Monate soweit beschwerdefrei, dass die vorher erforderlichen NSAID´s

2 x/Monat auf 1 - 2 x/Jahr. Die Ergebnisse dieser Untersuchung stimmen mit denen früherer Studien überein.

Auch OBERSCHELP (1985) berichtet von einer statistisch gesicherten Verbesserung der Beschwerden von Gelenkerkrankungen bei 154 Patienten, die ein Kombinationspräparat aus Gelatine, L - Cystin und Vitamin A erhielten.

In einer randomisierten Doppelblindstudie an 52 Patienten mit degenerativen Gelenkerkrankungen wurden vier Therapieformen verglichen: Kollagen - Hydrolysat, reine Gelatine, Gelatine + Glycin + CaHPO4 und Hühnereiweiß als Placebo, wobei eine zweimonatige Washout-Phase jeweils vor einer Therapiezeit (zwei Monate) mit einem der 4 Testsubstanzen über einen Zeitraum von insgesamt 16 Monaten durchgeführt wurde. Pro Tag wurden dabei 10 g Substanz eingenommen. 52 Patienten erhielten alle vier Behandlungsformen in unterschiedlicher, doppelblind angesetzter Reihenfolge.

Die Auswertung zeigte, dass die Behandlung mit Kollagen - Hydrolysat, Gelatine oder Gelatine - Gemisch im Vergleich zur Placebogruppe eine deutlich stärkere Schmerzreduktion ergab. So reduzierte sich der Schmerzscore signifikant bei 81% der Probanden unter Gabe eines der drei Gelatine - Produkte. Zudem sank der Verbrauch von analgetisch wirksamen Pharmaka nach Einnahme einer der drei Gelatine - Produkte signifikant ab, mit dem größten Effekt bei Gabe von Kollagen - Hydrolysat, nicht jedoch nach Einnahme des Placebos (ADAM 1991).

Eine weitere Studie an 100 geriatrischen Patienten zeigte nach täglicher Einnahme von 10 g Gelatine - Hydrolysat über einen Zeitraum von 6 Monaten neben einem Rückgang der Schmerzhaftigkeit auch eine Verbesserung der Bewegungsumfänge des betroffenen Gelenkes im Vergleich zu einer Placebogruppe (BEUKER u. ROSENFELD 1996).

Die wohl umfangreichste Studie stammt von MOSKOWITZ (2000). Diese multizentrische, randomisierte, doppelblinde und placebokontrollierte Studie wurde 1996 - 1998 an 19 Zentren in den USA, Großbritannien und Deutschland über eine Behandlungszeit von 24 Wochen durchgeführt. Verglichen wurden insgesamt 389 Patienten mit nachgewiesener Arthrose des Knies.

Gemessen am Schmerzscore, an der Verbesserung der physikalischen Funktionen und an der Veränderung im Gesamtansprechen der Patienten auf die Therapie konnte eine positive Wirksamkeit von 10 g Kollagen - Hydrolysat/Tag bestätigt werden, allerdings mit erheblichen

Unterschieden in den beteiligten Ländern. In der deutschen Subpopulation stellten Patienten sowohl eine Reduktion des osteoarthritischen Knieschmerzes als auch eine Verbesserung der physikalischen Funktion fest.

In der Veterinärmedizin hat WEIDE (2004) eine Untersuchung zur Wirksamkeit von Gelatine-Hydrolysat bei Hunden mit chronischen Gelenkerkrankungen durchgeführt. Dabei erhielten 20 Tiere mit degenerativen Gelenkerkrankungen und 10 gelenkgesunde Tiere über einen Zeitraum von 4 Monaten täglich 20 g eines Gelatine - Hydrolysats oral verabreicht. Nach Beendigung des Versuches war der Lahmheitsgrad bei erkrankten Hunden deutlich niedriger als zu Beginn der Studie, zudem war eine signifikante Reduktion der Schmerzen beim Aufstehen und Treppenlaufen nach Einschätzung der Besitzer zu verzeichnen. Eine Verbesserung der Lauffreude und des Berührungsschmerzes am Rücken konnte ebenfalls festgestellt werden. Gleichzeitig stiegen die Konzentrationen von Glycin, Prolin und Hydroxy-Prolin im Plasma an. Die Autorin geht von einer Resorption des Gelatine - Hydrolysats im Gastrointestinaltrakt aus und statuiert eine vermehrte Bereitstellung von Aminosäuren für den Gelenkstoffwechsel sowie eine positive klinische Wirksamkeit des Präparates auf chronische Gelenkerkrankungen.

Die Auswirkung einer Gelatinesupplementierung auf das Wachstum des Skelettes, Knorpels, Hufhorns und der Haare wurde bei 71 Warmblütern (Jungtiere, Alter unbekannt) untersucht (TIMM 1993). Dazu erhielten 44 Tiere täglich 50 g eines Gelatinepräparates, 27 Tiere dienten als Kontrollgruppe. Für die Gelatinegruppe konnten ein deutlich größeres Skelettwachstum, ein deutlich erhöhtes Hornwachstum sowie eine signifikant größere Gelenkspaltenbreite während der Supplementierungsphase gegenüber der Kontrollgruppe abgesichert werden.