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II. SCHRIFTTUM

1. Knorpel und Knorpelstoffwechsel

1.3. Knorpelmarker

1.3.2. Keratansulfat

Keratansulfat ist ein Glykosaminoglykan und ebenso wie Chondroitinsulfat ein wichtiger Bestandteil des großen aggregierenden Proteoglykans (Aggrecan) der extrazellulären Matrix des Gelenkknorpels. Es besteht aus sich wiederholenden N - Acetyl - Glucosamin - und Galactose - Einheiten (TODHUNTER et al. 1993b, EICH 1995, OKUMURA et al. 2000) und kommt zu 95 % im Gelenkknorpel vor (THONAR u. GLANT 1992). Im Blut hat Keratansulfat beim Menschen eine

kurze Halbwertszeit von ca. 50 min und zeigt keine circadiane Rhythmik. Weder durch Trainingsbelastungen noch durch Bettruhe veränderte sich der KS - Spiegel beim gesunden Erwachsenen (THONAR u. GLANT 1992).

Es werden zwei Keratansulfat - Typen beschrieben (EICH 1995):

1. Keratansulfat Typ I kommt vor allem in der Cornea vor

2. Keratansulfat Typ II wird auch skelettales Keratansulfat genannt. Es wird nochmals unterteilt in artikuläres und nicht - artikuläres, tracheales Keratansulfat. Mit Keratansulfat vom Typ II substituierte Proteoglykane kommen besonders in lockerem Bindegewebe und im Knorpel der Gelenke und Zwischenwirbelscheiben vor (EICH 1995).

Die Identifikation von immunoreaktiven Keratansulfat - Fragmenten in der Synovia oder im Plasma kann als Marker einer Zerstörung der Proteoglykane genutzt werden. Der Hauptteil des Keratansulfats in der Synovia stammt aus dem Gelenkknorpel und repräsentiert die Abbauprodukte des Proteoglykans (ALWAN et al. 1990, RATCLIFFE et al. 1992, FRISBIE et al.1999).

Daher ist Keratansulfat (KS) als ein Marker für die Repräsentation einer katabolen Aktivität des Knorpels einzustufen. Ansteigende Serumkonzentrationen korrelieren mit einer frühen Knorpeldegeneration und treten auf, bevor erste klinische Symptome einer Osteoarthritis sichtbar werden und die Menge der freigesetzten KS - Moleküle ist proportional mit der Rate des Katabolismus im Gelenkknorpel (THONAR et al. 1985, POOLE et al. 1990, TODHUNTER et al.

1990, 1993b, POOLE 1994, OKUMURA et al. 1997, FENTON et al. 1999, MISUMI et al. 2002).

OKUMURA et al. (2000) postulieren ebenfalls, dass die KS - Konzentration keine Synthese der Knorpelmatrix, sondern vielmehr die Degradation der Matrix repräsentiert. Auch ORTH et al.

(2002) sehen KS als ein Indikator des Abbaus von Proteoglykanen.

Die Messung der Konzentration von KS im Serum wurde bereits in einigen Spezies (Hund, Pferd) durchgeführt und der ELISA als diagnostischer Test ist für das Pferd validiert worden (THONAR et al. 1988, ALWAN et al. 1990, TODHUNTER et al. 1990, 1993a,b, 1997, THONAR u. GLANT 1992, OKUMURA et al. 1997, OKUMURA u. FUJINAGA 1998). Tabelle 2.2. zeigt eine Übersicht über die Konzentrationen von KS in verschiedenen Geweben beim Pferd.

Tab. 2.2.: Konzentration von Keratansulfat in verschiedenen Geweben

Substrat Einheit Gelenkstatus Konzentration Literaturquelle

Synovia µg / ml gesund 7,6 ± 1,2

Synovia µg / ml chronisch moderat 25,2 ± 5,1 Synovia µg / ml chronisch schwer 30,3 ± 5,7

PALMER et al. (1995) Serum mg / l gesund, trainiert 0,54 ± 0,28

Serum mg / l gesund, untrainiert 0,25 ± 0,25 CALATRONI et al. (1996) Knorpel mg / 100 mg TS gesund 1,99 ± 0,36 VACHON et al. (1990) 1.3.2.1. Einflussfaktoren auf die Konzentration von Keratansulfat beim Pferd

Alter

Mit steigendem Alter sinkt die Konzentration von KS bei Pferden ab (OKUMURA et al. 1997, TODHUNTER et al. 1997, MISUMI et al. 2002).

OKUMURA et al. (1997) überwachten die Entwicklung der KS - Konzentrationen im Serum von 12 gesunden und 3 gelenkerkrankten Fohlen von der Geburt bis zum Alter von 18 Monaten. Bis zum Alter von 3 Monaten war die Konzentration des KS mit Werten von ca. 4000 - 5000 ng/ml sehr hoch, von Monat 3 - 5 an sank diese dann ab und erreichte dann langsam ähnliche Werte wie bei adulten Tieren. Im Alter von 18 Monaten lag die KS - Konzentration der Tiere bei ca. 200 ng/ml.

Fohlen bis zum Alter von 3 Monaten hatten dabei signifikant höhere Werte als Fohlen im 4.

Lebensmonat, die Autoren gehen daher von einem altersabhängigen Abfall der KS - Werte aus.

Dies suggeriert, dass die Knorpelstoffwechsel - Rate in der initialen Wachstumsphase hoch ist und die Gelenke von Fohlen in dieser Phase anfällig für jede Art von Überbelastung sind. Während der ersten 3 Lebensmonate war die Konzentration außerdem bei männlichen Fohlen deutlich höher als bei weiblichen, was auf eine höhere Wachstumsrate der männlichen Tiere zurückzuführen sein könnte. Bei 3 Fohlen, die ab dem 3. Monat eine Gelenkerkrankung entwickelten, waren die KS - Werte zu den Zeitpunkten 1. Woche, 1., 2. und 3. Monat höher als bei den gesunden Tieren.

TODHUNTER et al. (1997) fanden bei klinisch gesunden Fohlen im Plasma ebenfalls deutlich höhere KS - Werte als bei klinisch gesunden adulten Tieren (Fohlen: MW ± SD: 580 ± 124 ng/ml, Adulte: ca. 200 ng/ml).

Auch nach MISUMI et al. (2002) haben junge Pferde einen höheren KS - Spiegel im Serum als ältere, PALMER et al. (1995a) statuieren dagegen, dass der KS - Gehalt in der Knorpelmatrix im Alter ansteigt und zudem heterogener in der Ausprägung wird.

Trainingsbelastung

Gesunde Athleten weisen im Serum signifikant höhere Konzentrationen von KS auf als gesunde Menschen, die keinen Sport betreiben. Bei Sportlern steigt die Konzentration nach der Belastung an, was einen Effekt der mechanischen Belastung widerspiegelt (ROOS et al. 1995).

SWEET et al. (1992) untersuchten die Auswirkungen von Trainingsbelastungen auf den Knorpelmetabolismus bei 15 Marathonläufern vor, direkt nach dem Lauf und 48 h später. Die Konzentration von KS zeigte in dieser Studie keine statistisch gesicherten Unterschiede zu den 3 Zeitpunkten. Weiterhin bestand zu keinem Zeitpunkt eine Korrelation zwischen Alter, Körpergröße, Gewicht und Leistung und der Serum - Konzentration von KS. Die Autoren denken, dass vorsichtig trainierte Marathonläufer weder vorübergehend noch dauerhaft einen Anstieg des Proteoglykan - Katabolismus im Gelenkknorpel zeigen.

Bei trainierten Pferden ist die Konzentration von KS deutlich höher als bei untrainierten. Dieser Unterschied ist auf eine gesteigerte Freisetzung aus dem Knorpel zurückzuführen, in dem unter Belastung Proteoglykane degenerieren und die darin enthaltenen Seitenketten freigesetzt werden (CALATRONI et al. 1996).

OKUMURA et al. (2002) untersuchten die Auswirkungen von täglicher Trainingsarbeit auf die Konzentration von KS im Serum über einen Zeitraum von 3 Monaten. Dazu verglichen sie jeweils 10 2-, 3- und 4- jährige Vollblüter, die im Training waren, mit derselben Anzahl gleichaltriger Tiere, die untrainiert auf der Weide gehalten wurden. Bei täglich trainierten Pferden zeigte sich in der Gruppe der 2-jährigen ein deutlich höherer KS - Wert als in beiden anderen Altersgruppen im Training. Trainierte 2 - jährige hatten zudem signifikant höhere KS - Konzentrationen als untrainierte 2 - jährige Tiere. Gleichgerichtete Tendenzen fanden sich auch in den beiden anderen Altersgruppen. Tägliches Renntraining ist ein erheblicher Stressfaktor für die Gelenke und kann zu einer Knorpeldegeneration und zur Freisetzung von Matrixbestandteilen wie Keratansulfat führen.

In einem weiteren Versuchsteil wurde bei 5 gesunden Pferden direkt nach der Belastung ein signifikant höherer KS - Gehalt gemessen als vor der Belastung. Zu den Zeitpunkten 1h, 5 h, 9 h und 24 h nach der Belastung war die Konzentration erneut auf demselben Level wie vor der Belastung. Dieser rapide Rückgang auf die Ausgangswerte erklären die Autoren mit einer raschen Clearance aus dem Blut.

Tägliches Longieren im Trab und Galopp mit einer Dauer von 20 Minuten führte bei Quarter Horse - Jährlingen zu keinen deutlichen Veränderungen der KS – Konzentrationen im Serum, ebenso wie ein tägliches Schrittprogramm über 2 Stunden (FENTON et al. 1999). Die durchgeführten Trainingsprogramme waren wahrscheinlich nicht intensiv genug, um Veränderungen des Knorpelstoffwechsels zu induzieren und unterschieden sich zudem bezüglich der Intensität kaum, so dass auch zwischen beiden Gruppen keine Differenzen erkennbar wurden.

Haltung

BELL et al. (2001) verglichen bei 17 Araberfohlen über 56 Tage die Effekte von Stallhaltung, Weidehaltung und gemischter Haltung (12 h Weide, 12 h Stall) auf die KS - Konzentration im Serum. Zwischen den Gruppen waren keine deutlichen Differenzen erkennbar. Die Weide - Gruppe zeigte einen deutlichen Abfall der KS - Werte zum Tag 28, die bis zum Tag 42 niedrig blieben. Die Konzentrationen der Stall - Gruppe sank ebenfalls signifikant von Tag 14 bis 56 ab. In der dritten Gruppe (gemischte Haltungsformen) konnten keine Veränderungen beobachtet werden. Die Autoren führen diese Abfälle auf einen Alterseffekt zurück.

Pathophysiologische Veränderungen

Frühere Studien von Serum - Markern des Knorpelkatabolismus zeigen beim Menschen einen deutlich erhöhten KS - Spiegel bei Patienten mit Osteoarthritis im Vergleich mit gelenkgesunden Patienten (THONAR et al. 1985, SWEET et al. 1988, THONAR u. GLANT 1992). In der Veterinärmedizin konnte ebenfalls ein signifikanter Anstieg von KS im Serum von Hunden mit posttraumatischer Osteoarthritis (THONAR et al. 1995), Kaninchen (KONGTAWELERT et al.

1989) und im Serum und der Synovia von Pferden mit Osteoarthritis im Vergleich zu Werten von gesunden Tieren gezeigt werden (ALWAN et al. 1990, TODHUNTER et al 1993b, PALMER et al.

1995a, OKUMURA et al. 1997, OKUMURA u. FUJINAGA 1998) (Tab. 2.2.). Dagegen fanden einige Autoren, dass bei Hunden und Kaninchen (LEIPOLD u. LUST 1989, MEHRABAN u.

MOSKOWITZ 1989) und bei Pferden (TODHUNTER et al. 1997, FRISBIE et al. 1999, MISUMI et al. 2002) mit Osteoarthritis keine höheren KS - Konzentrationen im Vergleich mit gesunden Individuen zu verzeichnen waren. Die Autoren zweifeln an, dass KS alleine ein geeigneter Marker ist, um die Gelenkgesundheit zu beurteilen.

ALWAN et al. (1990) fanden mittels eines ELISA bei 36 Pferden mit Osteoarthritis sowohl in der Synovia als auch im Serum deutlich höhere KS - Konzentrationen als bei 30 gesunden Tieren.

Die Konzentrationen im Serum waren dabei wesentlich niedriger als in der Synovia und beide waren nicht korreliert. Die hohe Konzentration des KS ist das Ergebnis eines Abbaus der Proteoglykane im Knorpel. Frühere humanmedizinische Studien belegen, dass abgebaute Proteoglykane schnell aus der Matrix in die Zirkulation diffundieren und dass die Konzentration des KS im Serum proportional zur Katabolismusrate der Proteoglykane im Knorpel ist (THONAR et al.

1985). Dass die KS - Konzentration im Serum niedriger ausfällt als in der Synovia erklären die Autoren daher mit einer rapiden Clearance der KS- Moleküle aus dem Blutkreislauf.

PALMER et al. (1995a) berichten ebenfalls von einer signifikant erhöhten Konzentration von KS in der Synovia von Pferden mit chronischen Gelenkerkrankungen im Vergleich zu den Werten bei gesunden Tieren. Die Autoren sehen dies als Reflektion einer deutlichen Matrix - Destruktion und bewerten KS als knorpelabbauenden Marker.

TODHUNTER et al. (1993b) fanden, dass die Konzentration von KS im Serum und der Synovia bei Ponies mit chirurgisch hervorgerufenen osteochondralen Defekten (fokaler Defekt) oder nach Injektion von chondrolytischen Agenzien (Chymopapain, generalisierter Defekt) ansteigt.

Chymopapain ist eine Serin - Proteinase, die Proteoglykane angreift und KS in die Synovia und in die Zirkulation freisetzt. Ponies mit Gelenkdefekten, die durch chondrolytische Agenzien hervorgerufen wurden, hatten in der Synovia eine 5 mal höhere und im Plasma eine 10 mal höhere KS - Konzentration als gesunde Tiere, außerdem waren diese Maxima 3 mal höher als bei Tieren, die einen chirurgisch erzeugten Gelenkdefekt hatten. Diese Unterschiede sind auf das Ausmaß der Schädigung zurückzuführen (fokal oder generalisiert).

Dagegen konnten MISUMI et al. (2002) zeigen, dass der mittlere KS - Gehalt im Serum von Pferden mit Osteoarthritis niedriger lag als in den Kontrollseren. Die Autoren führen dies auf einen Verlust von Knorpelmasse in erkrankten Gelenken zurück, auch wenn der Nachweis dafür bisher fehlt. Nach Meinung der Autoren ist die signifikante Reduktion des Serum - KS bei Pferden mit Osteoarthritis assoziiert mit dem Auftreten höherer Werte bei jungen Pferden in der Kontrollgruppe.

Daher kommen sie zu dem Schluss, dass es schwierig ist, Schädigungen am Knorpel nur anhand des Serum - KS - Gehaltes zu beurteilen.

In einer Studie von TODHUNTER et al. (1997) konnte ebenfalls kein deutlicher Anstieg des KS -

im Plasma von Pferden mit Chipfrakturen, entzündlicher oder infektiöser Arthritis oder Osteochondrosis signifikant höher als bei klinisch gesunden Tieren. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass KS für sich genommen kein spezifischer Marker bei Gelenkerkrankungen ist, aber durch verschiedene Gelenkerkrankungen beeinflusst wird. Zudem scheint die Rasse, das Geschlecht und der Typ der Gelenkserkrankung die Konzentration von KS in der Synovia zu beeinflussen.

Traber mit Chipfrakturen im Karpalgelenk weisen signifikant höhere KS - Konzentrationen in der Synovia auf als Vollblüter mit identischen Erkrankungen.

Auch FRISBIE et al. 1999 finden keine Veränderungen des KS - Wertes bei degenerativen Gelenkerkrankungen beim Pferd.