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II. SCHRIFTTUM

1. Knorpel und Knorpelstoffwechsel

1.1. Anatomie und Physiologie des Gelenks und des Knorpels

Die Aufgabe des Gelenkknorpels ist, eine glatte Oberfläche mit geringem Reibungswiderstand bereitzustellen, und zudem Stoß-, Zug- und Druckkräfte auf das Knochensystem abzufangen und zu dämpfen (VACHON et al. 1990, EICH 1995, BUCKWALTER et al. 2005). An diese Anforderungen ist die Architektur eines gesunden Gelenkes hervorragend angepasst.

Ein Gelenk besteht aus der Gelenkkapsel, den Gelenkknorpeln, der Synovia und den subchondralen Knochen (BEALE 2004). Die Gelenkkapsel besteht aus einer äußeren fibrösen und einer inneren synovialen Schicht, die der Produktion der Gelenkflüssigkeit (Synovia) dient. Die Synovia ist ein Ultrafiltrat des Plasmas und enthält u.a. Hyaluronsäure (LITTLE et al. 1990, BEALE 2004). Sie ist zuständig für die Schmierung des Gelenkes, für Schutz und Ernährung des Knorpels und für den Abtransport von Stoffwechselprodukten (JAESCHKE u. STEINBACH 1982, HAAPALA et al.

2001, BEALE 2004). Da dem Gelenkknorpel eine eigene Blutgefäßversorgung fehlt, muss die Nährstoffversorgung und der Abtransport von Stoffwechselprodukten v.a. durch Diffusion aus der Synovia erfolgen, wozu ein Wechsel zwischen Be- und Entlastung des Gelenkes notwendig ist (HEBELER 2001).

Die einzigartige biologische und mechanische Beschaffenheit des Gelenkknorpels beruht auf dem Design des Gewebes und der Interaktion zwischen den Chondrozyten und der Knorpelmatrix. Die Schlüsselereignisse bei der Entwicklung normalen Knorpelgewebes sind:

1. Proliferation der Chondroblasten 2. Produktion der extrazellulären Matrix 3. Differenzierung zu Chondrozyten 4. Kalzifizierung der Matrix

Chondroblasten produzieren das makromolekulare Gerüst der Matrix, bestehend aus Kollagen - Typ II, Proteoglykanen und nicht - kollagenen Proteinen (BUCKWALTER u. LANE 1997). Nach Abschluss der Chondrogenese wandeln sich einige Chondroblasten in Chondrozyten um, die verantwortlich für die weitere Synthese, Organisation und Erhaltung der extrazellulären Matrix und ihrer Bestandteile sind (OESSER u. SEIFERT 2003). Die Chondrozyten liegen dann eingebettet in einer extrazellulären Matrix (PALMER et al. 1995a, HEBELER 2001, BEALE 2004, BUCKWALTER et al. 2005) und behalten dort ihre Fähigkeit, lebenslang alle Matrixbestandteile synthetisieren zu können, bei (PLATT 2001, BUCKWALTER et al. 2005).

Die Knorpelmatrix besteht zu ca. 70 % aus Wasser, Zellen machen nur 1 % der Knorpelmasse aus.

Die Trockensubstanz der Matrix setzt sich zusammen aus ca. 50 % Kollagen, 40 % Proteoglykanen und 10 % Nicht-Kollagen-Proteinen (SEELIGMÜLLER u. HAPPEL 1989, SCHULZ u.

DÄMMRICH 1991, BUCKWALER u. LANE 1997, BUCKWALTER et al. 2005). Die extrazelluläre Matrix schützt die Chondrozyten vor Schädigungen während des normalen Gebrauchs des Gelenkes und reguliert die Art und Konzentrationen der Moleküle, die an den Zellen ankommen (BUCKWALTER et al. 2005).

Die Kollagene des Knorpels bestehen zu 80 - 95 % aus Kollagen - Typ II (MAYNE 1989).

Zusammen mit geringen Mengen anderer Typen von Kollagen formt Kollagen - Typ II ein dreidimensionales, beanspruchungsgerecht gestaltetes, fibrilläres Netz, das essentiell für die Festigkeit des Knorpels ist (BUCKWALTER u. LANE 1997, BRAMA et al. 1999a,b, BRAMA et al. 2000b, OESSER u. SEIFERT 2003). Die Polypeptide der Kollagenfasern bestehen aus ununterbrochenen langen Aminosäuresequenzen, wobei sich Glycin mehrfach wiederholt und auch Prolin und Hydroxy-Prolin häufig vorkommen (RICH u. CRICK 1961). Die Kollagenfasern ermöglichen eine Druckaufnahme ohne bleibende Verformung des Knorpels und gewährleisten die Zug- und Scherfestigkeit des Knorpelgewebes (SEELIGMÜLLER u. HAPPEL 1989). Eingelagert in das kollagene Fasernetz liegen die Proteoglykane.

Proteoglykane sind Makromoleküle mit hoher Wasserbindungskapazität (SEELIGMÜLLER u.

HAPPEL 1989) und für die Druckfestigkeit und Elastizität des Gewebes verantwortlich, die es dem Knorpel ermöglichen, Druckeinwirkungen auszuweichen und anschließend wieder zu seiner ursprünglichen Form zurückzukehren. Sie sind eingelagert in das dreidimensionale Netz der Kollagenfibrillen (SEELIGMÜLLER u. HAPPEL 1989, OESSER u. SEIFERT 2003).

Proteoglykane bestehen aus einem langen Hyaluronsäuremolekül, an dem Kernproteine nicht - kovalent gebunden angelagert liegen. An jedes Kernprotein sind kovalent viele Glykosaminoglykan - Moleküle gebunden, die sich flaschenbürstenartig anlagern (ALWAN et al. 1990, HANSON 1996, VAN DEN HOOGEN 1999b, PLATT 2001, BEALE 2004). Glykosaminoglykane (GAG) sind lange Ketten von Disacchariden. Je nach Zusammensetzung der Grundbausteine unterscheidet man Keratansulfat, Chondroitinsulfat, Heparansulfat, Heparin, Dermatansulfat und Hyaluronsäure (EICH 1995). Durch den hohen Gehalt an GAG im Knorpel wird der Wassergehalt gewährleistet, der essentiell für die normale viskoelastische Funktion und die Ernährung durch Diffusion des Knorpels ist (SEELIGMÜLLER u. HAPPEL 1989, PALMER et. al. 1995a, PLATT 2001, BEALE 2004).

Fortgesetzt während des gesamten Lebens unterliegt das Knorpelgewebe wie das Skelettsystem auch einem kontinuierlichen Remodeling, in dem die Zellen Matrix - Makromoleküle ersetzen, die durch Abbauvorgänge verloren gegangen sind. Der Gelenkknorpel und das subchondrale Knochengewebe können sich damit an veränderte biomechanische Belastungen anpassen (BUCKWALTER et al. 2005). Im gesunden Gelenkknorpel liegt dabei ein Gleichgewicht zwischen Synthese und enzymatischen Abbau von Knorpelmatrix vor.

Der normale Stoffwechsel hängt von der Fähigkeit der Chondrozyten ab, Veränderungen oder Schäden in der Zusammensetzung und Organisation der Matrix zu erkennen und darauf mit der Synthese von passenden neuen Molekülen zu antworten. Dabei kann man Anpassungsvorgängen an veränderte Trainingsbelastungen und normale altersbedingte Veränderungen unterscheiden.

Fohlen werden mit einer biochemisch einheitlichen Konformation der Gelenke geboren.

Unterschiede innerhalb eines Gelenkes bezüglich des Gehalts von DNA, Kollagen, Wasser und Glykosaminoglykane entwickeln sich erst während der funktionellen Adaptation des Knorpels an Gewichts- und Belastungszunahme in den ersten Lebensmonaten (BRAMA et al. 2000a). Juveniler

Gelenkknorpel ist ein dynamisches Gewebe, in dem metabolische Prozesse ablaufen, die sowohl die biochemische Komposition als auch die Eigenschaften verändern. Im Gegensatz dazu hat der Gelenkknorpel adulter Tiere nur eine sehr geringe metabolische Kapazität, was vor allem die Fähigkeit zur Reparatur von Schäden betrifft (BRAMA et al. 1999a). Während des Wachstums findet ein Remodeling - Prozess der extrazellulären Matrix des Knorpels statt, der den Verlust und Ersatz von Proteoglykanen, die Denaturierung des Kollagen - Typ II und den nachfolgenden Abbau und Ersatz von neuen Matrix - Molekülen beinhaltet. In dieser juvenilen Phase findet die funktionelle Adaptation statt, in der die typischen lokalen Unterschiede in der Kollagen - Formation ausgebildet werden, die das Gelenk an die lokal variablen Belastungen anpasst. Die Belastung des juvenilen Knorpels hat demnach großen Einfluss auf die Knorpelgesundheit im späteren Leben, wobei mäßige Bewegung förderlich, starke Belastungen jedoch schädlich sind (BRAMA et al.

1999a, 2000b).

Bedingt durch veränderte mechanische Belastungen oder durch erhöhte Trainingsanforderungen verursachen wiederholte Druckbelastungen am Gelenkknorpel anabole und katabole Anpassungsvorgänge. Anabole Anpassungsvorgänge bestehen in einer Dickenzunahme des Gelenkknorpels durch verstärktes Knorpelzellwachstum. In der gleichzeitig vermehrten Matrix nimmt vor allem der Gehalt der Kollagenfasern zu. Übermäßige, sich wiederholende Belastungen führen jedoch zu katabolen Anpassungsvorgängen, die einer Atrophie des Gelenkknorpels entsprechen. In Gelenkknorpeln mit reduzierter Dicke sind das Wachstum von Knorpelzellen und die Matrixsynthese vermindert. Dabei kann ein fließender Übergang zu progressiven Veränderungen mit Knorpelzellnekrosen und anschließender Athropathia deformans bestehen (HUSKAMP et al. 1996).

Eine Belastung der Gelenke durch Training stimuliert die Synthese von Proteoglykanen, jedoch ist dieser Prozess abhängig von der Intensität und der Dauer der Belastung, von den Bodenverhältnissen und vom Alter des Pferdes. Moderates Training hat einen positiven Effekt auf den Gehalt an GAG im Knorpel bei adulten (PALMER et al. 1995b) und juvenilen Tieren (KIVIRANTA et al. 1988, SAAMANEN 1989, BRAMA et al. 1999a, 2000b). LITTLE et al. (1997) verglichen die Auswirkungen von moderaten und intensiven Trainingsbelastungen über 8 Wochen auf den Gelenkstoffwechsel bei 12 Trabern und kommen zu dem Schluss, dass intensives Renntraining die Synthese von Proteoglykanen signifikant und nachhaltig senkt. BRAMA et al.

innerhalb eines Gelenkes angepasst an unterschiedliche Belastungsintensitäten auch unterschiedliche Gehalte an Kollagen und Wasser auftreten.

Nach Immobilisierung einer Vordergliedmaße adulter Tiere über einen Zeitraum von 30 Tagen konnte im Knorpel des immobilisierten Beines im Vergleich zum belasteten Bein eine deutlich geringere Konzentration von Hexosamin, das als Index des Proteoglykangehaltes dient, gefunden werden. In der kontralateralen, belasteten Gliedmaße stieg die Konzentration des Hexosamins durch die gesteigerte Lastaufnahme an, zudem war im Gelenkknorpel der belasteten Gliedmaße die Inkorporation des 35S, Index der Proteoglykansynthese, nach 30 Tagen signifikant größer als in der ruhiggestellten Gliedmaße. Über eine kurze Zeitspanne hat eine Immobilisation im Gegensatz zu längerfristiger Immobilisation nur wenig Auswirkungen auf den Gelenkknorpel. Die kontralaterale Gliedmaße kann bedingt durch die vermehrte Lastaufnahme und den Veränderungen von Gehalt und Synthese der Proteoglykane nicht als Kontrolle dienen (RICHARDSON u. CLARK 1993).

Bedingt durch fortschreitendes Alter ergeben sich Veränderungen der Knorpelzusammensetzung und der Aktivität der Chondrozyten. Der Gehalt der Glykosaminoglykane sinkt im Alter ab, damit nimmt auch die Fähigkeit ab, Wasser zu binden, was zu einem Verlust der Elastizität im Knorpel führt. Zudem sinkt die Fähigkeit der Chondrozyten, auf eine Vielzahl von Stimuli zu antworten (SCHULZ u. DÄMMRICH 1991, BUCKWALTER u. LANE 1997, HEBELER 2001).

Sowohl Altersveränderungen als auch Anpassungsvorgänge an veränderte Belastungsbedingungen führen demnach zu Remodeling - Vorgängen im Knorpel. Ist die Zufuhr des Rohmaterials für den Knorpelumbau durch die Nahrung jedoch nicht in dem Maße sichergestellt, in dem es benötigt wird, wird die Knorpelsynthese beeinträchtigt und der Knorpel verliert seine Fähigkeit, sich zu regenerieren (HANSON 1996). Störungen in der Zufuhr von Substraten, insbesondere Glukose und Aminosäuren, die für den Knorpelaufbau essentiell sind, vermindern das Reparaturpotential der Chondrozyten erheblich (PLATT 2001).

Der adulte Gelenkknorpel hat nur eine sehr begrenzte Fähigkeit zur Regeneration, was zum einen durch die besondere Struktur der extrazellulären Matrix und zum anderen durch die fehlende Vaskularisation bedingt ist. Beide dieser histologischen Gegebenheiten sind essentiell für die Erhaltung der Kombination aus Druckfestigkeit und Elastizität des Knorpels.

Da die Struktur des ausgereiften Knorpelgewebes sich nicht mehr verändert, spielen die Einflüsse auf die Entwicklung des juvenilen Knorpels eine große Rolle (BARNEVELD u. VAN WEEREN 1999, VAN DEN HOOGEN 1999b). Der Alterseinfluss macht sich auch in der Synthese der Proteoglykane bemerkbar, denn mit zunehmendem Alter sinkt die Sensibilität des Knorpels für Stimuli, die eine gesteigerte Synthese bewirken sollen. Außerdem nimmt im Alter die Freisetzung der Gesamt - Proteoglykane aus dem Knorpel zu, wodurch der Gehalt im Knorpel sinkt. Als Folge sinkt auch der Wassergehalt und der Knorpel ist weniger widerstandsfähig gegen Druckbelastungen (VAN DEN HOOGEN et al. 1999a,b). Zudem weisen die Chondrozyten mit zunehmendem Alter eine geringere mitotische Aktivität auf und können nicht ersetzt werden, wenn sie zugrunde gehen oder geschädigt werden (BEALE 2004). Stoffwechselstörungen, Traumata oder Entwicklungsstörungen können daher zu dauerhaften Schädigungen der Gelenkgesundheit mit der Folge von progressiven osteoarthritischen Veränderungen führen.