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2. Schrifttum

2.9 Effekte der Phytoestrogene

2.9.1 Reproduktionsgeschehen

Eine der bedeutendsten Wirkungen der Phytoestrogene ist nach wie vor deren estrogene Aktivität im Hinblick auf Fruchtbarkeit und Fortpflanzung. Hier stehen vor allem die potentiell nachteiligen Effekte im Vordergrund, die zum ersten Mal 1946 mit Phytoestrogenen als Ursache von Fruchtbarkeitsstörungen (”clover disease”) bei auf Erdklee weidenden Schafen assoziiert wurden (BENNETTS et al. 1946; MOERSCH et al. 1967). Es folgten weitere Publikationen zu ähnlichen Symptome bei Rindern, welche Phytoestrogene mit dem Futter aufgenommen hatten (SCHOOP u.

KLETTE 1952; KALLELA 1964; MEYER u. COENEN 1995). Das klinische Bild beim Rind zeigt sich folgendermaßen: unregelmäßige Zyklen, Hypertrophien von Vulva, Euter und inneren

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Geschlechtsorganen mit Negativfolgen für die Fruchtbarkeit. Des Weiteren wurden Symptome wie vermehrter, in seiner Konsistenz veränderter Zervixschleim, chronisch persistierende Follikel, Zystenbildung nach Absterben der Eier und fehlende Ausreifung beschrieben. Häufig wird in diesem Zusammenhang über Nymphomanie und seltener auch über Anöstrie berichtet (GRUNERT u. HOFFMANN 1971). Die durch Phytoestrogene verursachte Unfruchtbarkeit kann dabei von verschiedenen Faktoren abhängig sein wie z. B. der Verzögerung des Ei- oder Samentransports im Genitaltrakt (MOULE et al. 1963) oder eines zystischen Zustandes von Cervix und Uterus (SHUTT 1976). Schafe und Rinder reagieren besonders empfindlich auf Phytoestrogene. Diese Empfindlichkeit wird auf die besondere Metabolisierung von Phytoestrogenen bei Wiederkäuern zurückgeführt: Zum einen findet die bereits erwähnte effiziente Konversion von Formononetin in Equol statt und zum anderen kommt es nur sehr langsam zum Abbau der estrogen potenten Stoffe (SHUTT 1976).

Nach Aufdeckung von Zusammenhängen zwischen Phytoestrogenaufnahme und Fruchtbarkeitsstörungen, begann man deren Gehalte in verschiedenen Grünfuttermitteln zu untersuchen. Dabei wiesen frisch geschnittenes Grünfutter (Rotklee, Welsches Weidelgras) sowie Grassilagen mit bis zu 1,9 mg Estradiol-Equivalenten (EEQ) pro kg Trockensubstanz (TS) die höchsten Konzentrationen an estrogen wirksamen Substanzen auf; Heuproben besaßen lediglich Gehalte unter 40 µg EEQ/kg Trockenmasse (VON BRAUNMÜHL 1969; KHODABANDEHLOU et al. 1997). Berücksichtigt man den täglichen Verzehr von 10 – 20 kg Silage mit einem Trockenmassegehalt von ca. 40 %, ergab sich ab 0,2 mg EEQ/kg TS eine Aufnahme pro Tag, die beim Menschen dafür bekannt ist, deutlich erkennbare estrogene Wirksamkeiten zu zeigen.

Grenzwerte für tolerierbare Konzentrationen von Phytoestrogenen im Futter können jedoch bis dato nicht angegeben werden. Coumestrol-Konzentrationen von 37 mg/kg Futter in der Trockenmasse reichten aus, um ausgeprägte klinische Bilder des Hyperestrogenismus bei Milchkühen zu verursachen (LOOKHART 1980). Das Formononetin besitzt eine schwächere estrogene Wirkung, kommt aber zum Teil in höheren Konzentrationen vor. Gehalte von 2000 mg Formononetin/kg Trockenmasse führten zum „Aufeutern“ und verstärkten Abgang von Vaginalschleim bei Färsen (ELGHAMRY et al. 1969).

Kenntnisse über negative Effekte bekannter Estrogene auf die Fertilität und die Wirkung von Phytoestrogenen bei Wiederkäuern, führten zu der Vermutung, dass auch andere Fruchtbarkeitsstörungen wie der Hyperestrogenismus beim Schwein eventuell auf estrogenartig

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wirkende Substanzen im Futter zurückzuführen sein könnten. Eine Mykotoxinkontamination mit Zearalenon gilt häufig als Ursache von Hyperestrogenimus und verminderten Konzeptionsraten.

Jedoch waren im Institut für Tierernährung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover von den im Jahr 2000 eingesandten Verdachtsproben tatsächlich nur 57,4 % der Proben Zearalenon positiv (PIETRZAK et al. 2003). Vor diesem Hintergrund wurden Untersuchungen zur Bestimmung von estrogen aktiven Substanzen in Futtermitteln für Schweine durchgeführt. Dabei wurden gezielt Futterproben von Betrieben gewählt, in denen Hyperestrogenismus bei den Sauen bzw.

neugeborenen Ferkeln auftrat (BITSCH et al. 2001; KLUCZKA 2003). In den auf diesen Betrieben verwendeten Futtermitteln konnten höhere Konzentrationen an estrogen aktiven Substanzen (im Bereich von 3,4 bis 126 µg EEQ/kg Futter) nachgewiesen werden (KLUCZKA 2003). Auf Grundlage dieser Gehalte kann eine Aufnahme von 378 bis zu 756 µg EEQ pro Tier und Tag (Aufnahmemenge: 3 bis 6 kg Futter) kalkuliert werden. Wie oben bereits beschrieben, kommt es bei Menschen bei einer täglichen Aufnahme von 1 mg 17-ß-Estradiol bereits zu deutlichen estrogenen Effekten wie z. B. einer Zyklusverlängerung (CASSIDY 1996). Dennoch lassen die Ergebnisse der oben genannten Studien aufgrund einer geringen Probenzahl (n = 4; BITSCH 2001) bzw. einer sehr hohen Standardabweichung (KLUCZKA 2003) keine belastbare Aussage zur Bedeutung der Phytoestrogene im Hyperestrogenismusgeschehen zu.

Die gezielte Zulage von Phytoestrogenen zum Futter ergab Hinweise auf eine mögliche Bedeutung dieser Substanzen bei der Entstehung von Fertilitätsstörungen bei Schweinen. In einer Studie von DRANE wurden Jungsauen über 14 Wochen lang Futtermittel mit erhöhtem Sojaanteil (20 % der Gesamtration) verabreicht (DRANE et al. 1981). Dies entsprach fast dem doppelten Gehalt an Soja als es sonst üblich ist. Empfehlungen für die Zusammensetzung von Alleinfuttermitteln in der Fütterung von tragenden bzw. laktierenden Sauen geben einen Anteil von 5 bzw. 15 % Sojaextraktionsschrot als eiweißergänzendes Futtermittel in der Gesamtration vor (KAMPHUES et al. 2004). Nach fünfwöchiger Aufnahme sojahaltiger Futtermittel zeigten die Jungsauen bereits eine Vergrößerung der Vulva. Dieser Effekt konnte bis zum Zeitpunkt der Schlachtung der Tiere beobachtet werden. Eine histologische Untersuchung des Reproduktionsapparates sowie die Kontrolle des Uterusgewichtes ergaben allerdings keine Unterschiede zwischen der Versuchs- und Kontrollgruppe. Neueste Studien zur Wirkung von Isoflavonen auf die tragende Sau kurz vor der Abferkelung zeigten ein ähnliches Bild (XIHUI et al. 2004). Die Gabe von 5 – 8 mg Isoflavonen/kg

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Futter an tragende Sauen ab dem 85. Trächtigkeitstag bis zum siebten Tag nach Abferkelung wirkte sich nicht negativ auf die Reproduktionsleistung der Sau aus. Zudem wurde bei den Ferkeln eine bessere Gewichtszunahme bis zum 45. Lebenstag beobachtet, wenn die Muttertiere das isoflavonangereichte Futter erhielten. Auch eine höhere Gabe an Isoflavonen in einem Fütterungsversuch mit hochtragenden Sauen provozierte nicht das Bild des Hyperestrogenismus bei neugeborenen Ferkeln (KARALJOV Dissertation in prep.). Von KARALJOV untersuchte Ferkel, deren Sau sieben Tage vor der Abferkelung ca. 10 g Isoflavone pro Tag aufgenommen hatte, wiesen lediglich gerötete und geschwollene Vulven auf, eine signifikante Veränderung des Geschlechtsapparates konnte histologisch jedoch nicht nachgewiesen werden. Diese Studie wurde jedoch mit einer sehr geringen Tierzahl durchgeführt, so dass weitere Untersuchungen nötig sind.

Bis dato fehlen auch Langzeitstudien zur Risikoabschätzung, die den Wirkungen der Phytoestrogene zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt im Leben nachgehen, wenn bereits im Mutterleib bzw. praepubertär die Auseinandersetzung mit estrogen aktiven Substanzen stattfand.

Die Phytoestrogene stehen zur Diskussion, Ursache für später im Leben auftretende Fruchtbarkeitsstörungen zu sein. Die Wirkung von estrogen aktiven Substanzen in utero ist im Humanbereich bereits erwiesen. Das synthetische Estrogen Diethylstilboestrol (DES) kam in den 40 iger Jahren in den USA als Pärparat zur Verhütung von Fehlgeburten zum Einsatz. Die in utero Exposition der Föten mit dem Estrogen verursachte schwerste abnormale Entwicklungen der Reproduktionsorgane sowie Vaginaladenokarzinome (GIUSTI et al. 1995).