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2.2 Estrogenrezeptoren

2.2.1 Entdeckung der Estrogenrezeptoren

In einer Studie wurde beobachtet, dass Estradiol sich zwar im Uterus, der Vagina und der Hypophyse, nicht jedoch in der Lunge oder im Muskelgewebe anreichert (JENSEN u. JACOBSON 1962). Die Autoren vermuteten, dass in den Zielgeweben des Estradiols ein Rezeptor für das Molekül vorhanden sein müsste. Dieses Rezeptorprotein konnte 1966 isoliert werden (TOFT u.

GORSKI 1966; TOFT et al. 1967) und Mitte der 80er Jahre gelang es erstmals, den Estrogenrezeptor (ER) zu „klonen“ (WALTER et al. 1985; GREEN et al. 1986; GREENE et al.

1986). KUIPER isolierte 1996 einen weiteren Estrogenrezeptor aus dem Prostatagewebe von Ratten, den Estrogenrezeptor-beta (ER-β), der später auch aus Mäusen und menschlichem Gewebe gewonnen werden konnte (KUIPER et al. 1996; MOSSELMAN et al. 1996; TREMBLAY et al.

1997). Es folgte die Umbenennung des bisher bekannten Rezeptors in Estrogenrezeptor-alpha (ER-α). Ein dritter Estrogenrezeptor, ER-γ aus dem Fisch Micropogonias undulatus, Sciaenidae wurde

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F E

D C

NH2 A/B COOH

DNA-bindene Domäne

Ligandenbindungsdomäne

Antagonisten-bindungsdomäne

Agonistenbindungs-domäne

Aktivierungsfunktion - 1 Aktivierungsfunktion - 2

2000 isoliert (HAWKINS et al. 2000). Erkenntnisse über die genauen physiologischen Aufgaben des ER-γ sind noch nicht vorhanden; weitere Studien sind hier erforderlich. Untersuchungen mit ER-α/β-knockout-Mäusen ergaben Hinweise auf die mögliche Existenz eines dritten ER auch bei Säugetieren (KARAS et al. 1999).

2.2.2 Die funktionellen Domänen der Estrogenrezeptoren α und β

Bei den Estrogenrezeptoren handelt es sich um nukleäre, ligandengesteuerte Transkriptionsfaktoren.

Als Transkriptionsfaktor bezeichnet man ein Regulatorprotein, welches die Transkription von Genen beeinflusst. Die Estrogenrezeptoren sind in der Zelle unterschiedlich lokalisiert. Sie können sowohl in der aktiven als auch in der inaktiven Form im Zellkern vorkommen oder unterliegen einer ligandabhängigen Translokation vom Cytoplasma in den Zellkern (BARRACLOUGH et al. 1986;

EISSA et al. 1997; MATSUMURA et al. 2005).

ER-α und ER-β lassen sich in bestimmte Domänen unterteilen (siehe Abbildung 2.3), die für die Ligandenbindung, die DNA-Bindung und die Aktivierung der Transkription verantwortlich sind.

Insgesamt werden sechs funktionelle Domänen, die Domänen A bis F, unterschieden (OGAWA et al. 1998).

Abb. 2.3: Schematische Darstellung der Struktur nukleärer Rezeptoren

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Während der menschliche ER-α aus 595 Aminosäuren besteht, besitzt ER-ß hingegen nur 530 Aminosäuren (OGAWA et al. 1998; DECHERING et al. 2000). Die N-terminale Region A/B besitzt nur eine Übereinstimmung von 30 % bezüglich der Länge und der Aminosäurensequenz der beiden ER. Diese Region ist in der gesamten Familie der Steroidhormonrezeptoren variabel. Sie ist Sitz der ligandenunabhängigen Aktivierungsfunktion-1 (AF-1), die für eine gen- und zellspezifische Aktivierung sorgt (PETERSEN et al. 1998). Hierfür tritt sie mit dem Präinitiationskomplex der Transkription oder mit Koaktivatoren in Wechselwirkung (WEIGEL u. ZHANG 1998; KUIPER et al. 1999). Dieser Bereich wird durch Phosphorylierung reguliert und ist unabhängig von der Aktivierungsfunktion-2 (BRZOZOWSKI et al. 1997). Die AF-1 wird für die partiell agonistische Wirkung der selektiven Estrogenrezeptor-Modulatoren (SERM) verantwortlich gemacht (HALL u.

MC DONNELL 1999).

Die zentral gelegene DNA-Bindungsdomäne (Region C des Rezeptors) weist eine 95 % ige Homologie von ER-α und ER-β auf und lässt sich in zwei Bereiche einteilen (PFAHL et al. 1994).

In jedem Bereich ist ein Zn2+- Ion tetraedisch von vier Cysteinresten umgeben. Einer dieser

„Zinkfinger“ ist für die spezifische Interaktion des Rezeptors mit der DNA verantwortlich, indem er bestimmte DNA-Sequenzen innerhalb der Promotoren der estrogenabhängigen Zielgene, den

„estrogen response elements“ (ERE), erkennt. Der andere „Zinkfinger“ stabilisiert diese Bindung durch Wechselwirkung mit dem „Phosphatrückgrat“ der DNA (GREEN u. CHAMBON 1988). Die Kombination der Region C des Rezeptors mit der Domäne D ermöglicht eine Rezeptor-dimerisierung (EVANS 1988; LUISI et al. 1991). Die kurze Domäne D ist dabei aufgrund ihrer hohen Flexibilität in ihrer räumlichen Struktur sehr variabel (ENMARK et al. 1997).

Die Ligandenbindungsdomäne (Domäne E) ist im C-Terminus des Rezeptors lokalisiert und wird für Steroidhormone auch als zell- und promotorspezifische ligandenabhängige Aktivierungs-funktion-2 (AF-2) bezeichnet. Neben den Aktivierungsfunktionen enthält die Domäne E auch eine Dimerisierungsregion und eine Bindungsstelle für das Hitze-Schock-Protein 90 (Heat shock protein 90, hsp90; WEBSTER et al. 1988; GRONEMEYER 1991). Sie besteht bei den Steroidrezeptoren aus 12 Alpha-Helices und zwei Beta-Ketten. Kommt es zur Bindung des spezifischen Hormons, dann drehen sich die Beta-Helices um 90° und der Hormonrezeptor verändert seine Struktur. Für die C-terminale Domäne F des Rezeptors konnte bislang noch keine eindeutige Funktion nachgewiesen werden, es wurde lediglich eine modulatorische Transkriptionsaktivierung bei ER-α vermutet (TSAI u. O'MALLEY 1994; MONTANO et al. 1995).

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2.2.3 Ablauf der Rezeptoraktivierung

In Abwesenheit eines Liganden liegen die Estrogenrezeptoren in inaktiver Form im Zellkern vor und sind durch die Assoziation mit dem hsp90 charakterisiert (ONATE et al. 1998). Die Bindung eines Liganden erfolgt nach dessen Durchqueren der Zellmembran und einer passiven Diffusion durch eine Kernpore in den Zellkern. Der Ligand lagert sich dabei in die hydrophobe Bindungstasche des Rezeptors ein und verursacht eine Konformationsänderung des Rezeptorproteins. Als Folge spaltet sich hsp90 ab, und es kommt zur Phosphorylierung des Rezeptors (KLINGE et al. 1997). Somit erhöht sich durch die Ligandenbindung der basale Phosphorylisierungsgrad des Rezeptors auf das Drei- bis Vierfache, wodurch sich wiederum die Transaktivierungsstärke und die Affinität zu bestimmten DNA-Sequenzen erhöht (LE GOFF et al.

1994).

Der Konformationswechsel des ER ermöglicht die Bildung eines Homodimers wie z. B. ER-α mit ER-α oder ER-β mit ER-β bzw. Heterodimers wie z. B. ER-α mit ER-β (KUMAR u. CHAMBON 1988; TSAI u. O'MALLEY 1994; CRITCHLEY et al. 2001). Mit der Dimerisierung ist die Voraussetzung zur Bindung des Ligand-Rezeptor-Komplexes an das „estrogen response element“

(ERE) auf der DNA geschaffen. Ein solches befindet sich in der Promotorregion eines von ihm kontrollierten Genes, eines Targetgens. Über ein ERE reguliert der Rezeptor somit die Transkription seiner Zielgene, die eine Proteinsynthese z. B. von Enzymen bedingt (GRONEMEYER 1991; PAECH et al. 1997).

Die AF-1-Region eines Rezeptors variiert in Größe und Aminosäurensequenz und ist von Gewebe zu Gewebe unterschiedlich. Jede Art eines Liganden, ein Agonist, partieller Agonist oder SERM, führt zu einer charakteristischen Konformation im Bereich dieser AF-1. Dieses erklärt zum Teil die gewebespezifischen Reaktionen der Estrogenrezeptoren auf Hormone (HUBBARD et al. 2000).

2.2.4 Bindungsmöglichkeiten an den Estrogenrezeptoren

17-ß-Estradiol ist das potenteste hormonell wirksame Estrogen. Strukturelle Voraussetzung für die Ligand-Rezeptor-Komplexbildung ist ein phenolischer Ring mit speziell positionierten OH - Gruppen. Bei der Bindung an einen Estrogenrezeptor bildet das Steroid Wasserstoffbrücken

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zu den basischen Aminosäuren Histidin und Arginin, zu der OH - Gruppe der Glutaminsäure sowie zu Wassermolekülen des Rezeptorproteins aus. Aufgrund der Unspezifität von Wasserstoffbrücken und der Größe der Rezeptortasche, die mit 450 Å fast doppelt so groß ist wie das Molekülvolumen von 17-ß-Estradiol (245 Å), können statt der eigentlichen Substrate auch viele andere Substanzen an den Estrogenrezeptor binden und eine agonistische oder antagonistische Wirkung hervorrufen (BRZOZOWSKI et al. 1997). Bei einer agonistischen Wirkung löst das „Andocken“ des Substrats an den Rezeptor nach Dimerisierung und Bindung an das ERE eine Genantwort aus; bei einer antagonistischen Wirkung wird der Rezeptor durch die Bindung des Substrates deaktiviert, so dass dann keine Dimerisierung und Bindung an DNA-Sequenzen mehr stattfinden kann. Der Rezeptor ist blockiert und kann nicht durch ein natürliches Substrat aktiviert werden (KOOLMAN u. RÖHM 1998).

2.2.5 Verteilung der Estrogenrezeptoren im Organismus

Die oben genannten charakteristischen Konformationen spezieller Bereiche (AF-1) des ER, die je nach Ligand variieren, erklären nur zum Teil die gewebsspezifischen Reaktionen von Hormonen. In diesem Zusammenhang ist v. a. die unterschiedliche Lokalisation von ER-α und ER-β in bestimmten Organen bzw. Gewebetypen zu berücksichtigen (BRANDENBERGER et al. 1997;

MATSUZAKI et al. 1999). Im menschlichen Organismus liegt ein spezifisches Verteilungsmuster vor; wobei ein Rezeptor häufig sehr stark in seiner Expression überwiegt (Tab. 2.1). Erkenntnisse über ein Verteilungsmuster der Rezeptoren im tierischen Organismus stehen größtenteils noch aus bzw. sind für Nagetiere wie Ratte und Maus bereits vorhanden. Das Verteilungsmuster der Estrogenrezeptoren in Ratte und Maus zeigt vereinzelt Abweichungen von dem im menschlichen Organismus: Allgemein ist jedoch festzustellen, dass der ER-α vor allem in Fortpflanzungsorganen und in Brustgewebe lokalisiert ist, während der ER-β vorwiegend im Knochengewebe, im Herzkreislaufsystem und im Gehirn zu finden ist.

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Tab. 2.1: Verteilungsmuster von ER-α und ER-β im menschlichen Organismus

Organ / Gewebe ER-α ER-β Quellen/Autoren

Niere + (+) TANAKA et al. 2003

Nebenniere + - MONTANARO et al. 2005

Brustdrüse + (+) CHANG et al. 2006

Leber + - IAVARONE et al. 2003

Uterus + (+) CRITCHLEY et al. 2001

Ovarien + + VASKIVUO et al. 2005

ZNS (Hypophyse) + (+) TORAN-ALLERAND 2005

Gefäßsystem (+) + NAKAMURA et al. 2004

Knochen (+) + SAXON u. TURNER 2005

Lunge - + SCHWARTZ et al. 2005

Harnblase - + SAUNDERS et al. 2001

Prostata (+) + TORLAKOVIC et al. 2005