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4.2 Begriffliche Relativität

4.2.7 Relativität?

che Systeme bezeichnet) gleichberechtigt nebeneinander stehen:

Denying that it makes sense to ask whether our concepts ›match‹ some-thing totally uncontaminated by conceptualization is one some-thing; but to hold that every conceptual system is therefore just as good as every other would be something else. If anyone really believed that, and if they were foolish enough to pick a conceptual system that told them they could fly, and to act upon it by jumping out of a window, they would, if they were lucky enough to survive, see the weakness of the latter view at once.

(1981, 54)

Die Begründung, mit der hier umfassende starke begriffliche Relativität ab-gelehnt wird, verwundert allerdings ein wenig. Hier werden konkurrierende Begriffsschemata offenbar noch so aufgefaßt, daß in ihnen verschiedene Pro-positionen wahr sind, während wir bisher davon ausgegangen waren, daß sie nur dazu führen können, daß dieselben Sätze verschiedene Propositionen ausdrücken. Jedenfalls findet sich auch hier bereits die Bemühung, nicht-konventionelle Elemente in die Bestimmung von Extensionen einfließen zu lassen. Es fragt sich allerdings, ob diese – für bloß schwache begriffliche Re-lativität notwendige – semantische Relevanz der Welt einem internen Reali-sten erlaubt ist. Sollte seine Relativität nicht gerade jede semantische Relevanz der ›Welt an sich‹ unmöglich machen? Dies führt uns zu der noch verbliebe-nen Klärung dessen, was bei begrifflicher Relativität eigentlich relativ ist, und wozu.

Relativis-men – wie verhalten sich die begrifflichen Schemata zueinander?

Von einer These wie (BR) über die Existenz von Schemata und die man-gelnde Privilegierung eines von ihnen kommt, Putnam zu Bemerkungen wie:

›Objects‹ do not exist independently of conceptual schemes. We cut up the world into objects when we introduce one or another scheme of de-scription. (1981, 52)

oder:

What is wrong with the notion of objects existing »independently« of conceptual schemes is that there are no standards for the use of even the logical notions apart from conceptual choices. (1988, 114; meine Hervorhebung)

Dies scheinen ontologische Thesen zu sein, Thesen darüber »What there Is«.

Stellenweise (z. B. 1992, 120) oszilliert Putnam derart zwischen der Frage danach, was es gibt, und der nach dem Sinn von Ausdrücken, daß diese bei-den Dinge als notwendig miteinander verknüpft (oder gar ibei-dentisch) erschei-nen. Der Weg verläuft bei Putnam direkt von der semantischen zur ontologi-schen These: Die semantische Frage, »Was fällt unter das Prädikat ›Gegen-stand‹?« wird in verschiedenen Schemata verschieden beantwortet – also exi-stieren etwa im einen nur ›Gegenstände‹, im anderen nur ›Megenstände‹ (von denen einige zugleich auch ›Gegenstände‹ sind, aber das kann im zweiten Schema nicht gesagt werden ohne einen weiteren Ausdruck einzuführen).

Auch Existenz oder doch zumindest F-sein ist also relativ zu Schemata. Die Antwort auf die ontologische Frage »Was gibt es?« richtet sich also offenbar nach der Antwort auf die semantische Frage. Das aber ist zunächst nur die triviale Verbindung, daß ich nicht sagen kann, daß es ein F gibt, bevor ich nicht über den Begriff eines F verfüge.

Hinzu kommt, daß die ›Aufteilung‹ der Welt in verschiedenartige Gegen-stände als etwas aufgefaßt wird, daß wir nicht entdecken, sondern in unseren begrifflichen Schemata erst herstellen:

It is we who divide ›the world‹ … into ›objects‹, ›properties‹, and ›rela-tions‹, and we do this in a variety of ways. (1994a, 243)

… I maintain, ›objects‹ themselves are as much made as discovered, as much products of our conceptual invention as of the ›objective‹ factor in experience, … (1981, 54)

Etwas ist also immer nur relativ zu einem Schema ein Gegenstand, eine

Ei-genschaft, etc. (ein F) – auch wenn im zweiten Zitat ein ›objektiver‹ Faktor erwähnt wird, der im ersten abwesend ist. Das etwas nur relativ zu einem Gegenstand etwas ist soll aber nicht bedeuten, daß dasselbe in einem anderen Schema etwas anderes sein könne, denn von ›demselben‹ kann gar nicht die Rede sein. Das wäre wieder der Versuch, die Welt unabhängig von Schemata zu beschreiben (wie schon oben bei der ›Plätzchenform-Metapher‹).

Diesen Versuch vermutet Putnam auch bei der ontologischen Relativität à la Quine oder Davidson, weswegen er sie ablehnt und nicht mit begriffli-cher Relativität verwechselt wissen will. Ontologische Relativität löse sich zu einer Kantischen Metaphysik auf (1982b; 1983c, XII; 1994b, 215f), die von den Eigenschaften der Welt an sich reden will. Das lehnt ein interner Realist ab:

The fact is, so many properties of ›the world‹ … turn out to be ›theory relative‹ that ›the world‹ ends up as a mere ›thing in itself‹. If one cannot say how ›the world‹ is, theory-independently, then talk of theories as de-scriptions of ›the world‹ is empty. (1980a, 45)

Putnam hingegen vertritt, was zunächst als ein bloßer Feigenblattrealismus erscheinen mag, indem er die ›Welt an sich‹ für nicht relativ erklärt, aber hin-zu fügt, daß die Welt von der wir reden, auf die wir referieren, relativ ist. Sie ist eben nicht die ›Welt an sich‹, sondern eine Welt innerhalb eines Schemas.

Innerhalb eines Schemas gibt es dann keine ontologische Relativität, was kaum überraschen wird. Der Fehler an der These von der ontologischen Re-lativität liegt also darin, sich wieder außerhalb aller Schemata aufstellen zu wollen – von dieser Perspektive aber (dem Standpunkt eines Gottes) läßt sich ohnehin nichts beschreiben.

Wie wenn man sagen würde, »Die Welt ist derart beschaffen, daß man sowohl von Tischen als auch von Partikelgestöbern reden kann, je nach den verfolgten Zwecken.«? Mehr kann man über die Welt nicht sagen und braucht also keine Rede mehr von der Welt ›an sich‹. Nun, auch das wäre wieder ein Versuch sich auf den Standpunkt eines Gottes zu stellen. Wie ist die Welt denn beschaffen, so daß man sowohl von Tischen als auch von Par-tikelgestöbern reden kann? Diese Frage, die im Zusammenhang mit der

›Plätzchenform-Metapher‹ auftauchte, soll nicht sinnvoll sein. Insofern bleibt diese Welt ›an sich‹ ohne Eigenschafen – außer denen, so und so beschrieben werden zu können.

Ob eine so relativierte Referenz auch eine Relativierung von Wahrheit

und Ontologie zur Folge hat, war schon zweifelhaft,94 was aber nun, wenn, wie in der in der vorgeschlagenen Rekonstruktion, alle Begriffe im Prinzip zu einem Super-Schema zusammengeschlossen werden können, welche Konse-quenzen hat das für eine eventuelle Relativität? Eine ontologische Relativität, etwa in dem Sinne, was unter einem Typ von Begriffen ein Gegenstand ist, ist es unter einem anderen Typ nicht, bleibt weiterhin möglich. Ein Gegenstand der Musik, etwa das Thema eines Satzes, mag physikalisch oder gar politisch betrachtet gar nicht als Gegenstand erscheinen, über den etwas gesagt werden könnte. Das ist aber wenig folgenreich für die Schemata, da ja auch keine Wi-dersprüche auftauchen können. Außerdem ist nicht nur möglich, daß ein Ge-genstand in zwei Typen von Begriffen als solcher auftaucht, auch kann ein Gegenstand in einem Typ von Begriffen individuiert werden um dann mit einem anderen Typ von Begriffen etwas über ihn zu sagen. Innerhalb von Typen von Begriffen können nur bestimmte Dinge ausgedrückt werden, aber es gibt keine ›magische‹ Grenze, die verhindern würde, verschiedenste Be-griffe in einer Beschreibung zu verbinden; keine Grenze, die verhindern wür-de, über einen musikalischen Gegenstand mit politischen Begriffen zu spre-chen (auch wenn das meist wenig fruchtbar sein wird). Diese Möglichkeit war es, die Putnams Rede von strikt getrennten Schemata so unplausibel machte.

Was sich also auflöst, ist das ›interne‹ am internen Realismus. Was bleibt ist, das bestimmte Dinge nur mit bestimmten Begriffen gesagt werden können (trivialerweise) und daß etwas nur relativ zu einem Typ von Begriffen ein Gegenstand sein kann.

Bei der rekonstruierten begrifflichen Relativität, in schwacher wie in starker Variante, gilt, daß weder Wahrheit noch Tatsachen relativ zu irgend etwas sind. Dennoch bleibt eine gewisse Relativität, welche es erlaubt, den Namen weiter zu verwenden. Bei begrifflicher Relativität wird in der Plura-lität der Begriffe keine Privilegierung vorgenommen, also bleibt eine Plurali-tät von wahren Beschreibungen mit ihren Ontologien nebeneinander beste-hen – auch wenn das ›nebeneinander‹ nicht strikt getrennt sein muß und kei-ne Widersprüche vorkommen. Ablehnung jeder begrifflichen Relativität würde bedeuten, ein Vokabular zu privilegieren und nicht mehrere Perspek-tiven gleichberechtigt nebeneinander zu gestatten.

Hat begriffliche Relativität sich damit als zahnloser Tiger entlarvt, die für Realismus ganz ungefährlich ist? Wenn keine Relativität von Wahrheit oder

94 Vgl. Sosa 1993, 609; Sommers 1997 etc.

Ontologie vorliegt, inwiefern steht begriffliche Relativität noch im Wider-spruch zum klassischem Realismus. Blackburn hat zwar recht, wenn er meint:

So one reality can admit a plurality of descriptions. But this is no depar-ture from metaphysical realism. (Blackburn 1994, 16)

was ja besonders nach der ›Abschaffung‹ der Schemata deutlich wird. Aller-dings folgt daraus keineswegs:

If Putnam cannot make us see that we must allow genuinely inconsistent but ›internally‹ true descriptions of things, then we have no reason to deny the uniqueness of truth, the last hallmark of metaphysical versus internal realism (Blackburn 1994, 18; vgl. 20).

Auch nach der Festlegung auf eine Wirklichkeit und eine Wahrheit ist durch-aus noch Raum für eine Abweichung vom klassischen Realismus (»metaphy-sischem Realismus« bei Blackburn) gegeben. Die eine Wahrheit ist nicht das letzte unterscheidende Merkmal, vielmehr ist es der eine privilegierte Typ von Begriffen. Wie wir gesehen haben, kann es noch einschlägige Differenzen in der Beurteilung der Beschreibungen, und ihres Vokabulars, bezüglich ihrer Angemessenheit geben. Vertreter einer starken begrifflichen Relativität wei-chen vom klassiswei-chen Realismus schon insofern ab, als sie die verschiedenen Beschreibungen nicht bewerten, keine von ihnen privilegieren. Die bloße vorhandene Vielfalt von begrifflichen Schemata kann ja nicht der Punkt sein.

Wenn keine Perspektive privilegierter ist, dann kann auch keine Perspektive weniger privilegiert sein, insbesondere kann von keiner Perspektive gesagt werden, sie sei falsch, verzerrend, irreführend. Wer also z. B. ein musikali-sches Ereignis wie die Aufführung einer Symphonie mit den Mitteln einer ungewöhnlichen Terminologie, etwa der Biologie oder der Archäologie, be-schreibt, dessen Perspektive darf nicht als weniger angemessen bezeichnet werden. (Dessen ungeachtet kann er selbstverständlich mit seiner Terminolo-gie falsche Aussagen machen, was aber nicht besagt, daß seine TerminoloTerminolo-gie falsch oder auch nur weniger angemessen wäre – eben den Begriff einer weni-ger angemessenen Terminologie lehnt ein starker begrifflicher Relativist ab.) Klassischer Realismus lehnt begriffliche Relativität ab weil ersterer eine Exi-stenzbehauptung macht, »Es gibt einen Typ von Begriffen welcher der einzig angemessene zur Beschreibung der Welt wäre«. Dieser Typ, üblicherweise der Typ »Begriff für natürliche Art«, muß in einer vollständigen Beschrei-bung vorkommen und erlaubt eine bessere Erklärung kausaler Vorgänge.

Moderater Realismus allerdings erlaubt mehrere Typen von Begriffen

inner-halb des Typs »Begriff für natürliche Art«, ist also nicht der Auffassung, daß es nur einen privilegierten Typ gebe. Innerhalb der natürlichen Arten lassen sich mehrere nicht-identische Beschreibungen formulieren, die gleich ange-messen sind. Moderater Realismus akzeptiert schwache begriffliche Relativi-tät. Wir können begriffliche Relativität in ihren beiden Formen daher als Kriterium zur Unterscheidung der theoretischen Optionen in Realismusde-batten einsetzen – und also auch als Argument, was dafür bzw. dagegen spricht, eine dieser Positionen einzunehmen.

Im Dokument Realismus und Referenz : Arten von Arten (Seite 172-177)