• Keine Ergebnisse gefunden

Rekonstruktion I: Begriffliche Relativität mit Konflikt bzw

Im Dokument Realismus und Referenz : Arten von Arten (Seite 151-155)

4.2 Begriffliche Relativität

4.2.2 Rekonstruktion I: Begriffliche Relativität mit Konflikt bzw

Blackburn writes as if I hold that »genuinely inconsistent propositions«

can be true. Of course, I do not hold this. (Putnam 1994b, 244; vgl. 1992, 116; 1994a)

Wie verhalten sich nun die beiden ausgedrückten Propositionen zueinander?

Es bieten sich zwei interpretatorische Möglichkeiten: (1) Die beiden Sätze drücken zwei Propositionen aus, die verglichen werden können und sich nicht widersprechen. (2) Die beiden Sätze drücken zwei Propositionen aus, die nicht miteinander verglichen werden können und sich allein deshalb nicht widersprechen. Betrachten wir diese beiden Interpretationen nacheinander:

Die erste Rekonstruktion (1) wird durch Bemerkungen wie die folgende unterstützt:

Once we make clear how we are using ›object‹ (or ›exist‹), the question

›How many objects exist?‹ has an answer that is not at all a matter of

›convention‹. (1987b, 98)

In die Rede von Schemata übersetzt muß das bedeuten, daß es innerhalb eines Schemas keine Frage von ›Konvention‹ ist, wieviele Gegenstände existieren.

Eine These, die typisch für den internen Realismus ist, Realismus innerhalb eines Schemas. Was passiert hier nun, wenn wir deutlich machen, wie wir den Ausdruck »Gegenstand« verwenden? Bleibt der Konflikt weiterhin erkenn-bar?

Der Mereologe bezeichnet mit dem Ausdruck »Gegenstand« sowohl ge-wöhnliche atomare Gegenstände als auch zusammengesetzte Gegenstände, d.

h. mereologische Summen. Machen wir den Unterschied deutlicher, indem wir für diesen Begriff den Ausdruck »Megenstand« einführen, der also so-wohl gewöhnliche Gegenstände als auch mereologische Summen umfaßt. Ei-ne solche begriffliche Klärung ist notwendig, um eiEi-nen eventuellen Konflikt formulieren zu können. Nehmen wir noch einmal den Satz »Es gibt in der Welt drei Gegenstände« aus dem Beispiel. Das damit im gewöhnlichen Sche-ma Gesagte ist wahr, während das damit im mereologischen ScheSche-ma Gesagte falsch ist. Im mereologischen Schema wird aber eben etwas anderes gesagt, eine andere Proposition ausgedrückt. Dieses Gesagte ließe sich in unsrer neu-en Terminologie auch durch dneu-en Satz »Es gibt in der Welt drei Megneu-enstände«

ausdrücken. Ein Widerspruch oder andersartiger Konflikt ergibt sich zwi-schen »Es gibt in der Welt drei Gegenstände« und »Es gibt in der Welt sieben Megenstände« also ebensowenig wie zwischen »Es gibt in der Welt drei Äp-fel« und »Es gibt in der Welt sieben Früchte«.

Ein Konflikt zwischen den Beispielsschemata ist also nicht zu erkennen und kann als interpretatorische Möglichkeit ausgeschlossen werden. Dies konnte allerdings erst beurteilt werden, nachdem eine Übersetzung von ei-nem Schema in das andere vorgenommen wurde. Daher ist die Rekonstrukti-on ›begriffliche Relativität mit Übersetzung‹ eine Voraussetzung für eine Re-konstruktion ›Konflikt‹. Wir hatten ja in unserem terminologischen Vor-schlag eine Übersetzung der mereologischen Rede von »Gegenstand« in die gewöhnliche Rede vorgenommen: »Gegenstand oder mereologische Summe von Gegenständen«. Umgekehrt kann der gewöhnliche Ausdruck »Gegen-stand« in die mereologische Rede als »Gegenstand, der keine mereologische Summe ist« übersetzt werden – auch in der mereologischen Rede wird der gewöhnliche Gegenstandsbegriff ja weiterhin verwendet.

Wenn es nun keinen Konflikt zwischen Schemata geben soll, was macht überhaupt noch den relevanten Unterschied zwischen verschiedenen Sche-mata aus? Hat sich in dieser Rekonstruktion nun begriffliche Relativität nicht aufgelöst? Wir sehen nun, daß die beiden, durch ihre Gegenstandsbegriffe charakterisierten Schemata auf einander reduzierbar sind, in beide Richtun-gen. Alles, was sich im einen Schema sagen läßt, läßt sich auch im anderen Schema sagen. Das allein scheint bereits zu zeigen, daß »keines dieser Sche-mata zur Beschreibung der Welt angemessener ist als ein anderes«, wie die starke Fassung von (BR) gefordert hatte.

Nun ist es allerdings zweifelhaft, daß diese Form der Übersetzung in Putnams Sinne ist – auch wenn sie in seinem Paradebeispiel angemessen er-scheint. Er denkt offenbar an etwas anderes als Bedeutungsgleichheit:

But it makes no difference to our predictions or actions which of these schemes we use. Nor are these schemes equivalent only in the weak sense of what is sometimes called ›empirical equivalence‹, but, …, each sentence in one of them, can be correlated in an effective way with a ›translation‹

in the other scheme, and the sentence and its translation will have the same truth value and the same explanatory power. (1994b, 246; vgl. 1992, 117)

Bemerkenswerterweise schwankt der Autor hier, ob er »translation« in di-stanzierende Anführungszeichen setzen soll, oder nicht. Gemeint sind offen-bar einfache Abbildungsfunktionen, denn auf derselben Seite fügt Putnam hinzu »the technical name for them is ›relative interpretations‹«. Welches der Schemata man verwendet, soll jedenfalls empirisch keinen Unterschied ma-chen:

… it makes no difference which of these two ways one talks and thinks. I am saying that if a sentence in one version is true in that version, then its correlate in the other version is true in the other version. (1992, 118) Dieses Zitat darf wohl insofern ergänzt werden, daß wenn der Satz (d. h. das damit Gesagte) in der einen Version falsch ist, sein Korrelat in der anderen auch falsch ist. Die beiden korrelierten Sätze sollen also gleiche Wahrheits-werte haben. Wenn zwei Sätze immer dann gleiche WahrheitsWahrheits-werte haben sollen, wenn sie so korreliert sind, in allen möglichen Welten, dann haben die Korrelate auch notwendig dieselben Wahrheitswerte. Auch das allerdings wäre noch nicht hinreichend für Bedeutungsgleichheit. Überraschenderweise scheint nun, daß die beiden Sätze aus dem Beispiel: »Es gibt drei Gegenstän-de« im normalen Schema und »Es gibt drei GegenstänGegenstän-de« im mereologischen Schema keine Korrelate in diesem Sinne sind, denn sie haben ja nicht diesel-ben Wahrheitswerte. Eher schon könnte es sich um die Sätze »Es gibt drei Gegenstände« im normalen Schema und »Es gibt drei atomare Gegenstände«

im mereologischen Schema handeln. Von diesen hatten wir, wie gesagt, bisher angenommen, daß sie einfach bedeutungsgleich sind – was aber immerhin implizieren würde, daß sie solche Korrelate sind.

Diese Zurückhaltung bei der Rede von Übersetzung und Bedeutungs-gleichheit hat mit der internalistischen These zu tun, daß ein Ausdruck nur innerhalb eines Schemas interpretiert werden kann, nur innerhalb Bedeutung hat. Putnam scheint daraus zu folgern, es könne keinen Standpunkt geben, von dem aus sich die Bedeutung von zwei Sätzen aus zwei Schemata verglei-chen läßt, Bedeutungsgleichheit lasse sich nur innerhalb eines Schemas aussa-gen. Das letzte Zitat fährt daher fort:

But to ask if these two sentences have the same meaning is to try to force the ordinary-language notion of meaning to do a job for which it was never designed. (1992, 118)

Für Putnam ist die Frage nach Bedeutungsgleichheit sinnlos:

The ordinary notion of meaning was simply not invented for this case.

(1994b, 246)

Eine ernsthafte Begründung für diese These suchen wir vergebens, zu ihrer Diskussion, siehe unten (4.2.4). Hier ist zunächst nur festzuhalten, daß Put-nam offenbar eine Form der Äquivalenz sucht, die nicht Bedeutungsgleich-heit ist (1987b, 101-103; 1991b, 405; 1992, 118; 1994b, 246). Gelegentlich hat er behauptet, diese Äquivalenz in seinem Aufsatz »Equivalence« (1980a)

be-reits ausführlich beschrieben zu haben. Dort allerdings geht es um kognitive Äquivalenz verschiedener Theorien (1980a, 26, 33), die Realisten als ›Versio-nen‹ derselben einen wahren Theorie der Welt ansehen wollen. Diese Äqui-valenz stellt sich lediglich als ein Versuch empiristisch (von Reichenbach und Quine) inspirierter holistischer Theorie der Bedeutung heraus. Zwei Theori-en sind kognitiv äquivalTheori-ent wTheori-enn sie ähnliche formale Struktur habTheori-en (»rela-tiv interpretierbar« sind) und »dieselben Phänomene erklären« (1980a, 38f).

Ein Begriff der Äquivalenz für Sätze wird nicht geboten. Wenn »Bedeutung«

und Übersetzung im klassischem Sinne nicht zur Verfügung stehen, fehlt uns also eine positive Kategorie zum Vergleich dessen, was Sätze in Schemata ausdrücken. Wir werden also später (4.2.4) begriffliche Relativität unter der negativen Hypothese zu untersuchen haben, daß zwischen Schemata keine Übersetzung möglich ist.

Im Dokument Realismus und Referenz : Arten von Arten (Seite 151-155)