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Rekonstruktion II: Begriffliche Relativität ohne Übersetzbarkeit

Im Dokument Realismus und Referenz : Arten von Arten (Seite 157-162)

4.2 Begriffliche Relativität

4.2.4 Rekonstruktion II: Begriffliche Relativität ohne Übersetzbarkeit

Nehmen wir nun an, begriffliche Relativität sei so zu verstehen, daß zwischen Schemata keine Übersetzung möglich ist. Dies wäre die oben erwähnte Inter-pretation (2) für die Bemerkung, daß sich die Propositionen aus zwei Sche-mata nicht widersprechen. Eine Motivation für diese Interpretation könnte die These des internen Realismus sein, daß ein Ausdruck nur innerhalb eines

86 Details zu diesem Begriff bei Kim 1990, Kim 1993.

87 Im Beispiel läßt sich eine Reduktion in beide Richtungen formulieren. Auch im gewöhnlichen Schema lassen sich die Begriffe des andern definieren, denn es stehen Ausdrücke wie »zusammen-gesetzt« und »oder« zur Verfügung. Genau diese Definition hatte Putnam uns ja demonstriert, wenn er ,im gewöhnlichen Schema operierend, das mereologische Schema erläutert.

Schemas Bedeutung hat. Das muß wohl heißen, er ist nur innerhalb des Schemas interpretierbar, außerhalb steht er gewissermaßen ohne Kontext als bloßer Ausdruck ohne zugehörigen Sinn da und bleibt unverständlich. (Etwa wie ein Satz, ohne eine Sprache in der er zu verstehen ist.) Gerade unter dem Eindruck dieser These könnte man meinen, zwei Sätze aus zwei verschiede-nen Schemata ließen sich nicht bezüglich ihrer Bedeutung vergleichen, zwi-schen den Sätzen bestehe Inkommensurabilität und deshalb keine Möglich-keit der Übersetzung. Ob dies aus der internalistischen These folgt, wird zu untersuchen sein. Jedenfalls wird diese Putnam Interpretation durch Bemer-kungen über Sätze aus zwei Schemata genährt, wie:

But to ask if these two sentences have the same meaning is to try to force the ordinary-language notion of meaning to do a job for which it was never designed. (Putnam 1992a, 118)

Rather than … to conclude with Davidson that the phenomenon of equivalent descriptions … somehow includes a logical contradiction, we should simply give up the idea that the sentences we have been discussing preserve something called their ›meaning‹ when we go from one such ver-sion into another such verver-sion (Putnam 1992a, 119)

Dieses inkommensurable Nebeneinander bleibt die einzige Interpretation, die eine Art von Konflikt zulassen könnte. Ein Konflikt, im Sinne von möglichen Widersprüchen, wie er von Throop/Doran angenommen wurde, ist ja bereits als ein Mißverständnis ausgeschlossen.

Ist begriffliche Relativität ohne Übersetzbarkeit eine stabile Position?

Zunächst wäre es eine Position, die sich nicht durch Beispiele illustrieren lie-ße. Immer wenn man, notwendigerweise in einem Schema befindlich, erklä-ren kann, was die Bedeutung eines (evtl. homonymen) Ausdrucks im andeerklä-ren Schema ist, hätte man schon keinen Fall von begrifflicher Relativität ohne Übersetzbarkeit mehr. Auch Putnams Gegenstandsbeispiel wäre dann nicht einschlägig, denn die beiden Begriffe werden offenbar im normalen Gegen-standsschema erklärt, ja sie sind sogar aufeinander reduzierbar. Die bloße Erklärbarkeit würde zeigen, daß es sich nicht um zwei verschiedene Schemata handelt. Auch hatten wir oben bereits gesagt, daß derselbe Satz im gewöhnli-chen Schema etwas Wahres ausdrückt und im mereologisgewöhnli-chen Schema etwas Falsches – allein das zeigt bereits, das die beiden Sätze verschiedenen Sinn haben müssen. Ihre Bedeutung läßt sich also durchaus vergleichen, auch wenn dies allein noch keine Übersetzbarkeit begründen würde, denn wir

sa-gen lediglich etwas über Verschiedenheit von Sinn, nicht über Gleichheit von Sinn.

Die Unmöglichkeit, Beispiele zu formulieren, ist allerdings kein Beweis für die Falschheit einer These, sie spricht lediglich gegen die Annahme, wir seien tatsächlich der zu Beginn des Abschnittes skizzierten Intuition auf der Spur.

Über Schemata hinweg kann also bei begrifflicher Relativität ohne Über-setzbarkeit weder ausgesagt werden, daß zwei Sätze dieselbe Bedeutung ha-ben, noch daß sie sich widersprechen. Was heißt das für eine eventuelle Be-hauptung, die Sätze hätten nicht dieselbe Bedeutung oder sie widersprächen sich nicht? Das scheint ja, wie Putnam anmerkt, die Konsequenz zu sein:

Am I not saying that the sentence has a different meaning in the two ver-sions? (If a sentence doesn’t preserve its meaning, it must change it, right?) I repeat the answer is that the notion of ›meaning‹, and the ordi-nary practices of translation and paraphrase to which it is linked, crumble when confronted with such cases. (Putnam 1992, 119)88

Auch die Bemerkung, zwei Sätze, in zwei Schemata interpretiert, hätten nicht dieselbe Bedeutung, soll also nicht gestattet sein. (Auch das würde wieder zeigen, daß das Gegenstandsbeispiel nicht einschlägig ist.) Verschiedenheit von Bedeutung läßt sich von zwei Sätzen innerhalb eines Schemas interpre-tiert aussagen, in zwei Schemata bleibt nur Unvergleichbarkeit – weder Gleichheit noch Verschiedenheit.

Die Motivation ist hier allerdings problematisch. Selbst wenn man zu-nächst die holistische These akzeptiert, daß ein Satz nur innerhalb eines Schemas Bedeutung habe, warum sollte daraus folgen, daß sich die Bedeutun-gen eines in zwei Schemata interpretierten Satzes (Satztyps) nicht vergleichen lassen? Was hindert uns, zu sagen: In diesem Schema hat er diese Bedeutung, in jenem Schema jene? Bei Putnam ist kein Argument dafür zu erkennen.

Wenn man den Unterschied von Gebrauch und Erwähnung beachtet, wird deutlich, daß sich Bedeutung von Sätzen aus verschiedenen Schemata durch-aus vergleichen läßt, ohne einen Satz zu gebrauchen, der in verschiedenen Schemata interpretiert werden müßte. Wer sagt, »›p‹ hat dieselbe Bedeutung wie ›q‹.« erwähnt die beiden Sätze ›p‹ und ›q‹ nur, kann dies also auch in

88 Die obige Bemerkung, ein Satz sage in einem Schema etwas wahres, in einem anderen etwas Fal-sches impliziert, daß die ausgedrückte Proposition verschieden ist, sagt aber noch mehr (nämlich daß sie verschiedene Bedeutung und verschiedenen Wahrheitswert haben).

nem Schema sagen, daß ›p‹ und ›q‹ keine Bedeutung gibt. Auch dies läßt sich mit dem Beispiel von natürlichen Sprachen als Schemata illustrieren: Der Satz

»›Snow is white‹ bedeutet dasselbe wie ›Schnee ist weiß‹.« läßt sich auch ver-stehen, wenn man kein Englisch versteht. Und das hängt nicht davon ab, das man den zweiten erwähnten Satz versteht. Auch »›Snow is white‹ bedeutet dasselbe wie ›La neige est blanche‹.« läßt sich in Deutsch interpretieren. Es gibt also auch internalistisch eine Möglichkeit, die Frage auszudrücken, ob zwei Sätze aus verschiedenen Schemata dieselbe Bedeutung haben. (Zumin-dest fehlt uns nun ein Argument dagegen.)

Wenn nun die Bedeutungen quer über Schemata verglichen werden kön-nen, dann kann auch eine Übersetzung nicht prinzipiell unmöglich sein. Es läßt sich nun sagen, »Der Satz ›p‹ aus dem anderen Schema bedeutet das, was in unserem Schema mit ›q‹ ausgedrückt werden würde«, und auf der Basis dieser Bedeutungsgleichheit ließe sich eine Übersetzung erstellen. Das würde noch nicht zeigen, daß Übersetzung tatsächlich möglich ist, denn es könnte ja Propositionen geben, die in einem Schema nicht ausgedrückt werden können (etwa weil das Vokabular fehlt).

Was sollte also für die Ablehnung von Übersetzbarkeit sprechen, wenn zwei Schemata gegeben sind? Wenn nicht jeder Ausdruck aus dem einen Schema eins-zu-eins mit einem bedeutungsgleichen Ausdruck aus dem ande-ren Schema korreliert werden könnte (es keine eindeutige Abbildung gäbe), dann würde das noch nicht zeigen, daß die Bedeutung von Ausdrücken nicht verglichen werden kann. Putnam scheint intuitiv die einfache Erkenntnis, daß die Ausdrücke einer Sprache nicht in jede andere Sprache vollständig über-setzbar sind (im Sinne von Bedeutungsgleichheit), zur Unterstützung einer These der Unübersetzbarkeit und Unvergleichbarkeit zu verwenden. Das ist sicherlich illegitim, insofern lokale Übersetzbarkeit möglich bleibt und es möglich bleibt, von bestimmten Paaren von Ausdrücken zu sagen, daß sie bedeutungsgleich oder bedeutungsverschieden sind. Selbst Unübersetzbarkeit aller Ausdrücke würde ein Verstehen des anderen Schemas (der Sprache) nicht ausschließen, und auch in diesem Fall könnte noch sinnvoll von Aus-druckspaaren gesagt werden, daß sie bedeutungsverschieden sind – was ja auch ein Vergleich ihrer Bedeutungen wäre.89

89 Diese Bemerkungen zur Übersetzung dienen lediglich zur Illustration des interpretatorischen Problems (das auf einem systematischen Problem bei Putnam beruht). Sie sind selbstverständlich kein angemessene Auffassung zur Übersetzung oder zu Bedeutungsvergleich.

Nun, nehmen wir trotz dieser problematischen Begründungen an, be-griffliche Relativität ohne Übersetzbarkeit sei eine vernünftige Rekonstrukti-on vRekonstrukti-on Putnams Auffassung. Wie verhält sie sich gegenüber dem oben disku-tierten Argument der Zusammenfassung in einem Super-Schema? Es scheint nun, daß sich nicht nur die beiden (im jeweiligen Schema) durch den Satz »Es gibt in der Welt drei Gegenstände« ausgedrückten Propositionen nicht wi-dersprechen. Überhaupt kann es keinen Widerspruch zwischen in verschie-denen Schemata ausgedrückten Propositionen geben. Ein (kontradiktori-scher) Widerspruch würde ja heißen, daß sich eine Proposition der Form »p

& ¬p« bilden läßt. Das kann nicht der Fall sein, wenn die Proposition p nur im einen Schema und ihre Negation ¬p nur im anderen Schema ausgedrückt werden kann. Es fehlt dann ein Schema, in dem »p & ¬p« ausgedrückt werden könnte. Für die Formulierung eines Widerspruchs würde die oben verwen-dete Technik der bloßen Erwähnung nicht ausreichen; ein Satz wie »›p‹ & ¬p«

drückt keinen Widerspruch aus.

Bei begrifflicher Relativität ohne Übersetzbarkeit sind die beiden im Vo-kabular verschiedener Schemata formulierten Beschreibungen also notwendi-gerweise nicht-widersprüchlich. Nun da sie nicht widersprüchlich sein kön-nen, erscheint es »prinzipiell möglich die Beschreibungen zusammenzufas-sen«, wie Blackburn vorgeschlagen hatte, ohne daß er seinerseits weiter dafür argumentiert hätte. Es hindert uns nichts, die sub-sententialen Ausdrücke mit ihren jeweiligen Bedeutungen aus allen Schemata zu einem Super-Schema zusammenzuwerfen. Das allein kann uns noch keine Widersprüche einhan-deln, lediglich ein semantisch heterogenes Schema (aber für den inneren Zu-sammenhang von Schemata haben wir ja bisher keine Einschränkungen). Die durch die Sätze »p« (in einem Sub-Schema interpretiert) und »q« (in einem anderen Sub-Schemata interpretiert) ausgedrückten Beschreibungen können sich nicht widersprechen, also können sie zugleich wahr sein. Wäre ihre Zu-sammenfassung in einer Konjunktion, »p & q« erlaubt? Starke begriffliche Relativität besagt, daß diese Sätze »p« und »q« nicht in einem Schema inter-pretiert werden und dennoch die Bedeutung behalten können, die sie in ihren Sub-Schemata hatten (die Sätze könnten im jeweils anderen Schema auch sinnlos sein). Übersetzung in ein anderes Schema soll unmöglich sein. Die Konjunktion wäre also sinnlos, ganz wie der obige Versuch, einen Wider-spruch zu formulieren. (Ohnehin fragt sich, in welchem Schema das »&« in der Konjunktion interpretiert werden soll.) Dennoch kann ein Sprecher

so-wohl »p« als auch »q« für wahr halten sofern er zweisprachig ist, d. h. für die Interpretation von »p« das eine Schema und für die Interpretation von »q«

das andere verwendet (wozu ein zweisprachiger Sprecher nicht über ein Schema verfügen muß, in dem sich alle Sätze interpretieren lassen). Die im Super-Schema formulierte Beschreibung der Welt könnte also Sätze enthal-ten, die in verschiedenen Sub-Schemata zu interpretieren wären, wie etwa bei der Beschreibung eines physikalischen Sachverhaltes mit den ›Sprachen‹

Deutsch und Mathematik.

Die Abwesenheit von echtem Konflikt in Form von Widersprüchen zwi-schen durch Sätze verschiedener Schemata ausgedrückten Propositionen er-laubt also ein Super-Schema. Wenn nun aber alle Begriffe in einem Schema zusammengefaßt und in diesem Schema alle Propositionen ausgedrückt wer-den können, dann hat begriffliche Relativität sich aufgelöst: Es gibt keine konkurrierenden Schemata mehr. Diese sind notwendig, um sagen zu kön-nen, daß kein Schema gegenüber einem anderen privilegiert ist. Begriffliche Relativität ohne Übersetzbarkeit ist keine stabile Position.

4.2.5 Rekonstruktionen ablehnen: begriffliche Relativität zweiter

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