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Die Prämissen ablehnen: Sinn verändert sich nicht

2.2 Der frühe Putnam & Kripke: negative Argumente

2.2.1.2 Die Prämissen ablehnen: Sinn verändert sich nicht

Diese Reductio soll zunächst daraufhin untersucht werden, ob nicht eine Chance besteht, eine der verwendeten Prämissen (a) und (b) zu verwerfen denn es scheint gegenwärtig zumindest wenig attraktiv, die Konklusion (c") zu akzeptieren. Mit anderen Worten, das skizzierte Zustandekommen der Referenz der Ausdrücke in den verschiedenen Theorien wäre so zu kritisie-ren, daß es wieder möglich wird, Theorien verschiedenen Inhalts über

19 Van Fraassen kommentiert ein seinem Kapitel »Gentle Polemics« sarkastisch: »… noting the regrettable tendency of theoretical entities to go out of existence altogether soon after they are ob-served. Whose electron did Millikan observe; Lorentz’s, Rutherford’s, Bohr’s or Schödinger’s?«

(1980, 214).

selben Gegenstand zu haben. Es darf nicht sein, daß jede Änderung in der Theorie eine Änderung in der Referenz zur Folge hat. Putnams eigene Lö-sung wird sein, Referenz nicht mehr allein durch Sinn bestimmen zu lassen – zunächst gilt es aber noch zu beurteilen, was genau das negative Argument zeigt.

Eine Möglichkeit, diesen Schwierigkeiten zunächst zu entkommen läge darin, zu sagen, ein Terminus könne seinen Sinn gar nicht ändern – Ableh-nung von (b). Sobald einem Ausdruck ein neuer Sinn zugeschrieben wird, ist das Resultat ein neuer Terminus, ein Ausdruck mit neuem Sinn, der lediglich die Ausdrucksebene mit dem früheren gemein hat, also homophon ist. Dieser Ausweg nimmt an, zwei Ausdrücke mit verschiedenem Sinn drücken not-wendigerweise nicht denselben Terminus aus.20 In diesem Bild kann sich der Sinn eines Terminus’ nicht verändern, denn nach einer Veränderung ist es nicht mehr derselbe Terminus. Damit verschwindet zwar das Problem der Referenzstabilität aber nur um durch ein neues Problem der ›Terminusver-schiedenheit‹ ersetzt zu werden. In diesem Bild verwenden verschiedene For-schergenerationen eine Vielzahl verschiedener Termini, die sich auf der Aus-drucksebene nicht auseinander halten lassen und reden also potentiell über verschiedene Dinge. Damit sind wir bei einer prima facie ebenso inakzepta-blen Konklusion, denn auch in diesem Bild lassen sich die Ergebnisse der ver-schiedenen Forschergenerationen dann nicht vergleichen wenn die Sinne tat-sächlich verschieden sind. Anstelle von einem Terminus, dessen Sinn und Referenz sich ständig verändert, haben wir hier eine Vielzahl von homopho-nen Termini, die verschiedehomopho-nen Sinn und damit potentiell verschiedene Refe-renz haben. Welche Vorzüge dieses Bild auch immer haben mag, jedenfalls weist es keinen Ausweg aus dem Dilemma.

Eine zweite Möglichkeit der Ablehnung von Prämisse (b) könnte man nun versuchen, aus der Tatsache zu konstruieren, daß Sinnveränderung nicht notwendig Referenzveränderung nach sich ziehen muß, sondern diese ledig-lich mögledig-lich macht. In diesem Sinne wäre Prämisse (b) auf eine so harmlose

20 Frege würde dem nicht zustimmen, da er Begriffe auf der Bedeutungsebene ansiedelt. Zwei Aus-drücke mit verschiedenem Sinn können durchaus denselben Begriff ausAus-drücken. Genau genom-men erlaubt Frege allerdings keine Rede von der Identität zweier Begriffe und sagt, daß »… die Beziehung der Gleichheit, worunter ich Zusammenfallen, Identität, verstehe, nur bei Gegenstän-den, nicht bei Begriffen denkbar« sei (1892a, 131). Da Begriffe für Frege ungesättigt und also kei-ne Gegenstände sind (1892b, 195 etc.) verbietet es sich zwar von ihrer Gleichheit zu reden, jedoch gibt es bei Begriffen eine entsprechende »Beziehung zweiter Stufe«, die Gleichheit des Begriff-sumfänge, d. h. der Extensionen: »Die Bedeutung des Begriffswortes ›Kegelschnitt‹ ist dieselbe wie die des Begriffswortes ›Kurve zweiter Ordnung‹» (1892c, 131).

Weise zu interpretieren, daß (c) nicht mehr folgt: Es ist möglich, daß weiter-hin dieselben Gegenstände bei beiden verschiedenen Sinnen in der Extension des Terminus liegen. Nur wenn sich der Sinn radikal ändert, etwa durch eine umwälzende neue Auffassung, wäre Referenzstabilität nicht mehr gegeben – aber das könnten eben gerade jene Fälle sein, wo Referenzstabilität ganz un-angebracht wäre.

Um den obigen Punkt in der Terminologie der möglichen Welten zu formulieren: Wenn sich die Sinne von zwei Termini unterscheiden, dann ist ihre Extension in einigen möglichen Welten verschieden und in einigen ande-ren gleich – zumindest gilt das für Termini, die nicht nur notwendig existie-rende Gegenstände betreffen21. Das läßt die Möglichkeit offen, daß die wirk-liche Welt eine derjenigen ist, in der sich die Extensionen nicht unterscheiden.

Jedenfalls wird es aber mögliche Welten geben, in denen sich die Extensionen unterscheiden; es wird in diesen Welten (mögliche) Gegenstände geben, die in der Extension des einen Terminus liegen und nicht in der des anderen. Diese Extensionsverschiedenheit über alle möglichen Welten war aber noch nicht die als problematisch angesehene.

Wie ist es nun in der wirklichen Welt? Die klassischen Beispiele sinnver-schiedener Namen wie »Morgenstern« und «Abendstern« (Frege 1892c, 27) zielten ja gerade darauf ab, Sinn und Referenz dadurch zu differenzieren, daß in den Beispielen der Sinn verschieden aber die Referenz gleich ist. Dasselbe gilt für Quines Beispiele genereller Termini, der »Lebewesen mit Herz« und

»Lebewesen mit Nieren«. Für den umgekehrten Fall allerdings, wo Sinn gleich aber Referenz verschieden wären, gibt es keine Beispiele. Wie Putnam anführt, ist die Auffassung offenbar:

… two terms cannot differ in extension and have the same intension.

(Putnam 1975f, 219).

Bei generellen Termini scheint eine Änderung des Sinnes jedoch allzu leicht

21 Könnten die Extensionen nicht auch in allen möglichen Welten gleich oder in allen verschieden sein? Das würde voraussetzen, daß diese Extensionen nur Gegenstände umfassen, die in allen möglichen Welten gleichmäßig vorhanden bzw. abwesend sind, d. h. notwendigerweise existieren bzw. notwendigerweise nicht existieren. Solche Gegenstände gibt es nach Auffassung vieler Philo-sophen (Gott, Zahlen, logische Wahrheiten, etc.), auch wenn sie nicht die in dieser Diskussion empirischer Erkenntnis einschlägigen sind. Einerseits hat die Veränderung des Sinns keine Gren-zen, die verhindern könnten, daß sich der Sinn eines Ausdruckes für einen solchen notwendig exi-stierenden bzw. nicht-exiexi-stierenden Gegenstand derart verändert, daß er auch kontingent existie-rende Gegenstände umfaßt. Also wäre auch bei solchen Termini die Möglichkeit gegeben, daß ih-re Extension nicht in allen möglichen Welten gleich ist. Andeih-rerseits bleibt auch die Möglichkeit, daß die Extension zweier sinnverschiedener Termini für notwendig existierende Gegenstände in allen möglichen Welten gleich ist. In diesem Sinne mußte oben die Einschränkung eingefügt wer-den.

Referenzverschiedenheit zur Folge zu haben. Wenn etwa eine ›neue Theorie‹

die Masse des Elektrons um einen winzigen Bruchteil verschieden angibt, und das Teil des Sinnes ist, dann würden bereits alle Elektronen unter den neuen Terminus fallen, aber keines unter den alten: Referenzinstabilität wäre die Folge.

Dagegen wird man einwenden, daß kleinere Änderungen in der Theorie nicht diese dramatischen Konsequenzen haben müssen, daß (b) abzulehnen ist. Wenn etwa jene ›neue Theorie‹ die Masse des Elektrons um einen winzi-gen Bruchteil verschieden angibt, so würde dies doch die allgemeine wissen-schaftliche Vorstellung davon, ›was es heißt, ein Elektron zu sein‹ nicht än-dern; man könnte meinen, der Sinn des Ausdrucks »Elektron« sei derselbe geblieben. Dennoch müssen die an die neuen Theorie glaubenden Wissen-schaftler sagen, ein Teilchen, was die von der früheren Theorie postulierte Masse besitzt, könne kein Elektron sein! Soviel ergibt sich aus der Wahrheit ihrer neuen Theorie. Wie können die Wissenschaftler nun sagen, die alte Theorie habe eine falsche Vorstellung derselben Gegenstände, der Elektro-nen, vertreten? Wie können sie flexibel sein, und eventuell auch zu dem Schluß kommen, daß es zwei Arten von Elektronen mit verschiedener Masse gibt? Und wie können Sie in einem anders gelagerten Fall die umgekehrte Konsequenz ziehen und zugeben, daß zwei Theorien von verschiedenen Ge-genständen handeln, auch wenn sie denselben Ausdruck verwenden?

Wenn die Bestimmung von Referenz durch Sinn aufrechterhalten bleiben soll, bleibt hier nur die Postulierung eines zentralen, essentiellen, Teils des Sinnes, der sich bei dieser kleinen Entdeckung nicht geändert hat und der die Referenz bestimmt. Oder – was auf dasselbe hinausläuft – die Auffassung, daß kleinere Entdeckungen gar keine Veränderung des Sinnes hervorrufen und eben dadurch harmlos bleiben. In beiden Fällen bleibt ein Kernbereich des Sinns, welcher Referenz bestimmt – ob dieser auch der vollständige Be-reich des Sinnes ist braucht hier nicht zu interessieren.

Muß sich diese Forderung aber nicht notwendig zu der viel stärkeren aufblähen, daß sich jener essentielle Sinn in keiner wissenschaftlichen Ent-deckung ändern kann? In der Tat: Wenn der essentielle Sinn bestimmt, ob es sich nach wie vor um Erkenntnisse bezüglich desselben Gegenstandes G han-delt (und nur dann kann er Referenzstabilität erhalten) ist es eine notwendige und hinreichende Bedingung dafür ein G zu sein, daß die im essentiellen Teil des Sinns postulierte Eigenschaft vorhanden ist. Es kann sich dann bei keiner

wissenschaftlichen Entdeckung empirisch herausstellen, daß Gegenstände der Art G eine in jenem essentiellen Sinn postulierte Eigenschaft nicht besitzen – denn solche Erkenntnisse hätten sich damit bereits als Ergebnisse entlarvt, die nicht von G handeln. Wenn es sich nicht empirisch als falsch herausstellen kann, daß Gegenstände der Art G jene essentielle Eigenschaft haben, dann stellt sich der Verdacht ein, es sei analytisch wahr, daß sie diese Eigenschaft haben. Ein solcher analytischer essentieller Sinn könnte das Argument aus den Angeln heben, weil er sich nicht verändert (b). Dieser Ausweg wäre also vom Realisten noch zu verschließen. Das geschieht, kurz gesagt, durch die Erwiderung, hier würden die falschen Wahrheiten zu analytischen erklärt – was unten in Abschnitt 2.2.4 illustriert werden wird, sich aber besonders aber bei der Diskussion von Saul Kripkes modalem Argument (2.3) erweist.