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3.1 Externalismus – »Bedeutung ist nicht im Kopf«

3.1.4 Taufen und Kausalketten

3.1.4.1 Konsequenzen

Die Argumente gegen kausale Referenztheorien scheinen doch ganz erhebli-che Probleme für diese Position zu verursaerhebli-chen, einige dieser Probleme er-scheinen geradezu unüberwindlich. Nehmen wir einmal an, kausale Refe-renztheorien sind nicht zu retten. Was würde das für die mit ihnen verbun-dene Auffassung des ›metaphysischen Realismus‹ bedeuten? Was würde das für Externalismus und für die Charakterisierung von Optionen in den Rea-lismusdebatten bedeuten? Würde es insbesondere zeigen, daß Externalismus in der Charakterisierung der Optionen nicht vorkommen sollte? Mir scheint, das ist nicht der Fall. Die negativen Argumente für Externalismus und die positiven Argumente der Zwillingserden, der sprachlichen Arbeitsteilung sowie des Prinzips Vertrauensvorschuß machen es sehr plausibel, daß Exter-nalismus in der Semantik bestimmter Ausdrücke eine Rolle spielen sollte. Die soeben skizzierten kausalen Referenztheorien sind nur ein Versuch, diese externalistische Bestimmung zu ermöglichen. Wenn dieser Versuch in Schwierigkeiten gerät, gilt es, einen neuen zu unternehmen. Diese Strategie gilt solange, wie die Kritik an den kausalen Referenztheorien nicht gezeigt hat, daß die dem Externalismus zugrundeliegenden metaphysischen Annah-me der unabhängigen Existenz von Arten (s. u. 3.2) verworfen werden müs-sen – und dafür kann ich oben keine Hinweise entdecken. Man sollte also nicht allzu schnell von der Widerlegung einer semantischen Theorie auf die Widerlegung einer metaphysischen Annahme von natürlichen Arten schlie-ßen – Putnam sollte uns daher nicht glauben machen, seine häufige Kritik an der kausalen Referenztheorie würde »metaphysischen Realismus« widerle-gen. Das gilt auch für eine Auffassung, die – in ihrer modernen Form – als Reaktion auf semantische Theorien entstanden ist; die o. g. ›negativen Argu-mente‹ (2.2). (Wieder wird der Zusammenhang zwischen einer semantischen und einer metaphysischen These zu eng aufgefaßt.) Die Kritik an der kausa-len Referenztheorie zeigt weder, daß es keine natürlichen Arten gibt, noch daß sie in der Referenzbestimmung keine zentrale Rolle spielen.

Um den Erhalt und die genauere Bestimmung der metaphysischen An-nahme wird es also bei einer Reparatur der kausalen Referenztheorie gehen müssen. Die Kritik an der kausalen Referenztheorie hat m. E. deutlich ge-macht, daß eine rein kausale Bestimmung keine Möglichkeit bietet, die diver-sen in Frage stehenden Referenzen auf eine zu reduzieren. Wenn eine kausale Theorie aufrecht erhalten werden kann, dann wird sie weitere Faktoren

be-nötigen, um die Referenz zu bestimmen. Insbesondere bietet sich an, inten-tionale Informationen zu verwenden – worauf wollen wir, daß unser Termi-nus referiert? Damit wäre die Theorie keine naturalistische mehr, aber hier kommt es nur darauf an zu zeigen, daß Externalismus noch eine Option bie-tet. Des weiteren wird eine genauere Betrachtung der kausalen Referenztheo-rie zeigen, daß zwei verschiedene metaphysische Annahmen zur Debatte ste-hen. Diese werden uns zur Charakterisierung der Optionen dienen.

Die entscheidenden Fragen stellen sich hier, nicht bei der Auszeichnung der Kausalkette, und damit des Einführungsereignisses, sondern im Einfüh-rungsereignis selbst. Wie kann hier eine eindeutige Beziehung zwischen einer Art und einem Ausdruck hergestellt werden? Das Problem, wenn Kripke sagt:

… the original concept of cat is: that kind of thing, … (Kripke 1972, 122) liegt wie gesagt darin, daß (1) unklar ist, welches der in der Situation bezeich-nete Gegenstand ist, und daß (2) der Gegenstand stets mehr als eine Art ex-emplifiziert. Problem (1) könnte durch wiederholtes Zeigen auf andere Ex-emplare derselben Art oder durch die Hinzufügung einer Beschreibung ge-löst werden, welche die Unklarheit beseitigt.52 Bei Putnam (1973, 200) wird ohnehin z. B. in der Einführung von »Elektrizität« eine in etwa korrekte Be-schreibung der physikalischen Größe verwendet. Wenn das erfolgreich ge-schieht, würde die vollständige Geschichte menschliche Intuitionen und menschliches Erfassen der Intentionen anderer Sprecher beinhalten. Dieses

»Verstehen, wovon die Rede ist« ist allerdings fehlbar, es kann sich später herausstellen, daß es nicht präzise genug war. Wir müssen evtl. noch einmal hinschauen und entscheiden, welcher Gegenstand der intendierte war – unter Verwendung von Putnams Prinzip Vertrauensvorschuß. Wir können nie wis-sen, ob eindeutige Identifizierung erreicht wurde, ob spätere Präzisierungen nötig werden. Dies gilt unter anderem weil Identifizierung beinhalten würde, zu sagen, von welcher Art der Gegenstand ist. (Hier droht also Zirkularität – ein Problem, das bisher vollkommen ignoriert wird.)

Metaphysisch ist (2) das bedeutendere Problem, denn es droht, die Hoff-nung zu zerstören, einen Ausdruck mit genau einer Art zu verbinden, selbst wenn alle anderen Probleme gelöst werden könnten. Die deiktisch

52 Kripke denkt offenbar lediglich an Pseudo-Beschreibungen wie »Gold is the substance instanti-ated by the items over there« (1972, 135).

zeichnete Katze ist nicht nur eine Katze, sie ist auch eine siamesische Katze, ein Säugetier, ein Tier – und ein Exemplar diverser nicht-natürlicher Arten, z. B. ein Haustier, Besitz einer Person, Bewohner einer Stadt, etc. Selbst wenn man nicht-natürliche Arten irgendwie ausschließen kann (sie sind nicht in-tendiert, haben keine kausale Wirkung oder was immer) wäre das uner-wünschte Resultat, daß »Katze« auf alle natürlichen Arten referiert, die von jenem Tier exemplifiziert werden. Um die zahlreichen natürlichen Arten zu beseitigen bietet es sich zunächst an, nur eine Taxonomie der natürlichen Arten anzunehmen, wie Paul Churchland vorschlägt:

… the central aim of science is to find out which of the infinite range of possible natural-kind taxonomies is truly the right taxonomy. (Church-land 1985, 3).

Das allerdings ist nicht ausreichend, dann selbst innerhalb der einen richtigen Taxonomie werden natürliche Arten in verschiedenen taxonomischen Ebenen organisiert, d. h. eine Katze fällt unter die größere Art der Säugetiere, etc. Es wäre also unmöglich, eine Katze zu finden, die nicht mehrere natürliche Ar-ten exemplifiziert. Wenn die Referenzbestimmung erfolgreich sein soll, dann dürften natürliche Arten sich innerhalb der einen korrekten Taxonomie nur auf einer hierarchischen Ebene befinden, nur so könnte ein Gegenstand nur Exemplar einer Art sein. Das ist nicht unbedingt ein inakzeptables Ergebnis.

Elder (1995, 525f) meint, daß in der Zoologie kausale Rollen ohnehin nur Spezies als natürliche Arten erscheinen lassen (Spezies können sich miteinan-der fortpflanzen), wemiteinan-der Genera auf miteinan-der darüberliegenden taxonomischen Ebene, noch Varitetäten auf der darunterliegenden. Eine ähnliche Prominenz einer hierarchischen Ebene innerhalb des taxonomischen Systems ließe sich auch für andere Arten natürlicher Arten vorstellen (etwa chemische Elemen-te, nicht Kategorien wie »Metall« darüber oder »Ion« darunter). Eine solche Auffassung muß also annehmen, daß ein Gegenstand genau eine natürliche Art innerhalb der einen korrekten Taxonomie exemplifiziert. Anderenfalls müssen wiederum intentionale Informationen auszeichnen, welche taxonomi-sche Ebene gemeint sein soll, welche der exemplifizierten Art als Ursache angesehen werden soll.

Die Probleme (1) und (2) erscheinen also bei Einführung von Intentionen prinzipiell lösbar, allerdings ist die resultierende Auffassung keine rein kau-sale Theorie mehr. Die externalistische Semantik wird also komplizierter sein müssen als die Postulierung eines rein kausalen Mechanismus. Sie wird

insbe-sondere die gesellschaftliche Bestimmung von Referenz einschließen und ge-legentlich fragen müssen, welche natürliche Art denn »gemeint« war, auf wel-che man referieren wollte.

Ohnehin beinhaltet Externalismus nach der hier vertretenen Auffassung einen intentionalen Akt – gewissermaßen ganz zu Beginn. Wir erinnern uns, wir hatten die Wahl, Begriffe für natürliche Arten zu wollen. Das heißt, wir gestatten den natürlichen Arten einen Einfluß, evtl. gar eine Bestimmung der Extension unserer Artbegriffe. Die kausale Kette beinhaltet also schon inso-fern einen intentionalen Akt. Wir können auch entscheiden, einen Begriff als Begriff einer nominellen Art anzusehen, womit er dann keiner externalisti-schen Semantik mehr unterliegt.

Auch Putnam scheint neuerdings wieder zu der Ansicht zu tendieren, daß kausale Verbindungen nicht einfach abzulehnen sind,53 sondern einen Teil dessen darstellen können, was Referenz bestimmt:

This illustrates that causal constraints on reference have to be balanced against other constraints in the actual practice of interpretation. Inter-preting someone is not something you can reduce to an algorithm. (Put-nam 1986a, 16)

Die Frage ist allerdings, wie so häufig beim gegenwärtigen Putnam, ob er sich diese Kombination von plausibel erscheinenden Intuitionen leisten kann. Wie hier beide Faktoren in der Referenzbestimmung zusammenwirken können, bleibt vollkommen unklar. Der rekonstruierte Begriff der begrifflichen Rela-tivität wird dazu einen Beitrag leisten können (4.1). Dort wird deutlich, wie eine Auswahl aus Begriffsschemata natürlicher Arten möglich ist, d. h. wel-ches die natürlichen Arten sind, ist die ›kausale Beschränkung‹, die Auswahl ist der intentionale Anteil.