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Externalismus für nominelle Arten?

Im Dokument Realismus und Referenz : Arten von Arten (Seite 112-115)

3.3 Externalismus ohne Realismus?

3.3.2 Externalismus für nominelle Arten?

Man könnte nun meinen, auch die Extension von ganz gewöhnlichen nominellen (nicht-natürlichen), nach rein pragmatischen Interessen geschaf-fenen Arten (vgl. 3.2.2) werde externalistisch bestimmt. Nehmen wir als Bei-spiel eine Art, die zweifelsfrei nicht entdeckt, sondern durch die Formulie-rung eines Kriteriums erst geschaffen wurde, also eine nominelle Art. In Hamburg nennt man einen Quiddje einen Bürger/in der Stadt der/die nicht in Hamburg geboren ist. Sollten wir nun bezüglich des Begriffs «Quiddje»

Externalisten sein? Ob ich auf Quiddjes referiere oder nicht, scheint doch davon abzuhängen, ob meine Umwelt diese Art von Gegenständen tatsäch-lich enthält, davon, ob es Quiddjes gibt. Auch kann ich mich darin irren, ob jemand ein Quiddje ist. Die Extension des Begriffs wird nicht davon be-stimmt, was wir glauben, so kann sich herausstellen, daß jemand ein Quiddje ist, den alle (er selbst eingeschlossen) für einen waschechten Hamburger ge-halten hatten. Zeigt dies nicht, daß auch nominelle Arten die externe

Bestim-mung bieten können? So scheint es, daß Searle (1995) die Auffassung vertritt, gewisse gesellschaftlich konstruierte Arten, wie »Geld« seien nach ihrer Kon-struktion von unabhängiger Existenz. Diese sind zweifellos keine natürlichen Arten. Kann sich etwas als Geld herausstellen, was nie jemand für Geld ge-halten hat?

Es stellt sich die Frage, warum ein Vertreter des antirealistischen Exter-nalismus den abhängigen externen Arten eine solche semantische Autorität zuzugestehen sollten, wenn sie diese doch für Konstrukte halten. Die Moti-vation für Externalismus ist doch gerade die, einen Halt bei einer externen und nicht von unseren Erkenntnissen abhängigen Instanz auszumachen, die auch bei falschen Auffassungen sicherstellt, daß wir auf eine extern vorhan-dene Art (Wasser) referieren. Daher die Konsequenz, daß die Zugehörigkeit dieser Art nicht von dem abhängt, was wir wissen, oder auch nur prinzipiell wissen können. Erst aus jener externen Instanz ergibt sich dann die externali-stische Konsequenz, daß zwei Sprecher mit identischen mentalen Zuständen und sprachlichen Ausdrücken verschiedene Gehalte denken bzw. ausdrücken können.

Sehen wir uns also noch einmal genauer an, was einen Externalisten aus-macht. Die oben vorgeschlagenen modalen und epistemischen Tests (2.2.5) zeigen m. E. klar, welche Fragen hier die richtigen sind:

M1 Kann sich herausstellen, daß ein Gegenstand den Sinn des Ausdrucks

»T« erfüllt, aber nicht von der Art T ist?

M2 Kann sich herausstellen, daß ein Gegenstand, der den Sinn des Aus-drucks »T« nicht erfüllt, aber dennoch von der Art T ist?

E1 Die Bedeutung eines Ausdrucks kann allen Sprechern de facto unbe-kannt sein.

E2 Die Bedeutung eines Ausdrucks kann allen Sprechern de facto unbe-kannt und prinzipiell nicht erkennbar sein.

Wie oben erwähnt, sind diese Tests letztlich nur verschiedene Formulierun-gen derselben Idee: die Referenz eines Ausdrucks ist nicht davon abhängig, was kompetente Sprecher glauben. Die hier gestellten Fragen, ob sich überra-schendes zu einzelnen Quiddjes oder Geldstücken herausstellen kann sind also nicht hinreichend, denn dafür ist nur ein Irrglaube zu einzelnen Tatsa-chen notwendig, nicht ein Irrglaube zu der Bedeutung des Ausdrucks. Dem-entsprechend müßten die externalistischen Intuitionen ganze Arten betreffen, nicht bloß die unabhängige Existenz ihrer einzelnen Exemplare. Positive

Antworten auf diese Tests erscheinen uns bei einer nominellen Art nicht möglich. Es kann sich nicht herausstellen, daß einige Quiddjes in Hamburg geboren sind, ebensowenig wie sich herausstellen kann, daß ein nicht in Hamburg geborener Hamburger kein Quiddje ist. Ebensowenig kann die Bedeutung von »Quiddje« unbekannt sein, so daß sich etwa herausstellt, daß ein Quiddje auch Deutscher sein muß, oder dergleichen. Derartige Überra-schungen wären nur dann möglich, wenn wir eine Natur der Quiddjes an-nehmen, die von unserer Auffassung derselben unabhängig wäre. Nehmen wir diese an, dann kann sich nach Forschung in der Sache herausstellen, daß unsere bisherigen Bedingungen ungenügend waren und überarbeitet werden müssen (etwa im Sinne einer hamburgischen Essenz). Wer das annimmt ist Externalist bezüglich Quiddjes, wird dann auch Realist sein, und eine unab-hängige Art annehmen. Bejahung der Tests bleibt notwendig für Externalis-mus, und Externalismus bezüglich einer nominellen Art ist keine sinnvolle Option. Bejahung der Tests zeigt, daß wir es mit einer natürlichen Art zu tun haben.

Putnam (1975f, 242ff) will die Bedeutung seiner externalistischen Argu-mente auch dadurch deutlich machen, daß er sie auf andere Ausdrücke als natürliche Arten ausdehnt, etwa auf Ausdrücke für Artefakte wie »Bleistift«.

Auch hier gebe es keine analytischen Wahrheiten, auch die Bemerkung »Blei-stifte sind Artefakte« könne sich als falsch herausstellen wenn wir entdecken, daß sie Organismen sind. Würde das nicht zeigen, daß analog »Quiddjes sind Hamburger« nicht analytisch ist und also Externalismus zu diesen Begriffen nahelegen? Hier liegt eine Verwirrung vor. Wenn sich herausstellt, daß Blei-stifte Organismen sind, dann hat sich herausgestellt, daß es sich um eine na-türliche Art handelt, eben nicht um Artefakte – und dann sind wir bereit, die Extension von diesen Erkenntnissen bestimmen zu lassen. Natürlich könnten wir in dieser Situation auch sagen, daß sich herausgestellt hat, es gibt keine Bleistifte (vgl. Putnam 1975f, 244), dann würden wir »Bleistifte sind Arte-fakte« weiterhin als analytisch wahr ansehen. Das Beispiel zeigt nur noch einmal, daß wir bei natürlichen Arten diesen externalistischen Einfluß zuge-stehen, was wir bei Artefakten nicht tun würden. Keine Entdeckung zu Blei-stiften bei der Bleistifte weiterhin als Artefakte behandelt werden, kann die-sen Einfluß haben. Auch hier bleibt Externalismus nur für Ausdrücke für natürliche Arten die korrekte Semantik.

Bei Schantz (1996, 296f) findet sich die überraschende Behauptung, daß

Putnam Externalismus in dem klassischen Gehirne-im-Tank-Argument (Put-nam 1981, 1–21) als ein Argument gegen (metaphysischen) Realismus ver-wendet – was ja der engen Verknüpfung von Realismus mit Externalismus widersprechen würde. Zweifellos stellt eine Form von Externalismus eine Prämisse in Putnams Argument dar (Putnam 1981, 16–19)64 und sicherlich steht dieses Argument im Kontext von Auseinandersetzung mit metaphysi-schem Realismus. Schantz meint, das Gehirne-im-Tank-Argument diene da-zu die skeptische These des metaphysischen Realisten da-zu widerlegen, daß die meisten unserer Überzeugungen falsch sein könnten – denn ob wir Gehirne im Tank sind oder nicht, in beiden Fällen wären die meisten unserer Über-zeugungen wahr (in den jeweils geltenden Bedeutungen). Das aber ist wohl weder Putnams Stoßrichtung, die sich gegen ›magische‹ kausale Refe-renztheorien richtet,65 noch würde es den metaphysischen Realisten beein-drucken, denn seine These besagt lediglich, die meisten unserer wissenschaft-lichen Überzeugungen könnten sich als falsch herausstellen weil wir uns be-züglich der Semantik ihrer Termini radikal irren könnten. Diese Möglichkeit bleibt für einen Realisten erhalten, ob wir Gehirne im Tank sind oder nicht.

Der verrückte Wissenschaftler an den Steuerknöpfen unserer Gehirne im Tank könnte uns da ebensoviel vorenthalten wie die physikalische Welt um unsere nicht im Tank befindlichen Gehirne. Gerade der Externalismus ge-stattet diesen radikalen Irrtum: Realismus soll eine Bedingung für Skeptizis-mus sein; wenn nun das Gehirne-Im-Tank-Argument gezeigt haben sollte, das letzterer falsch ist, dann würde das ersteres nicht widerlegen.

Im Dokument Realismus und Referenz : Arten von Arten (Seite 112-115)