Hierbei wird das System bei konstanten sekundären Eingängen betrachtet, d. h. es wird von
yk=θ0S+θ1·(u1,r,k−1−u1,N) (3.6)
ausgegangen, wobeiθ0S=θ0+θTS·(uS,soll−uS,N)mit den konstanten sekundären EingängenuS,sollist.
I-Regler
Das Regelgesetz des einfachen I-Reglers lautet
u1,r,k=u1,r,k−1+kI·(ysoll−yk). (3.7)
Bildet man die Differenz der für die Zeitpunktek+1undkaufgeschriebenen Gleichung (3.6) ergibt sich yk+1−yk=θ1·(u1,r,k−u1,r,k−1)
=θ1kI·(ysoll− yk),
wobei im zweiten Schritt das Regelgesetz (3.7) verwendet wurde. Umsortieren ergibt die Differenzen-gleichung
yk+1+ (θ1kI−1)yk=θ1kIysoll (3.8)
des geregelten Systems. Diese ist von erster Ordnung mit dem Pol
z0=1−θ1kI. (3.9)
In Abhängigkeit der Wahl von (positiven)kIergeben sich folgende Pollagen und damit mögliche System-verhalten [ISERMANN, 1989, S. 52]:
3.3 Voreinstellung 19
• kI=0 ⇒ z0=1
Der Regler ist ohne Wirkung (yk+1= yk).
• θ1
1 >kI>0 ⇒ 0<z0<1
Der Systemausgang konvergiert monoton gegen den Sollwert.
• kI=θ1
1 ⇒ z0=0
Dead-Beat-Verhalten: Gl. (3.8) wird zu yk+1 = ysoll, d. h. für jeden beliebigen Wert yk wird einen Zeitschritt später der Sollwert erreicht.
• 1
θ1 <kI< 2
θ1 ⇒ 0>z0>−1
Der Systemausgang konvergiert gegen den Endwert, allerdings mit alternierendem Vorzeichen. Es würde also ein nicht gewünschtes Schwingen auftreten.
• 2
θ1 ≤kI ⇒ z0≥ −1
Das System wäre instabil.
In Abbildung 3.3a sind beispielhaft Verläufe für verschiedene kI gezeigt. Alternativ zu dieser Vorge-hensweise kann man den Regler und die (um ein beliebiges y linearisierte) Strecke in den z-Bereich transformieren [FÖLLINGER, 1993, S. 43ff, 114ff]. Mit dem Regler
GI(z) =kI z z−1 und der Strecke
GS(z) =θ11 z
ergibt sich für den offenen Regelkreis in Abbildung 3.2 die Übertragungsfunktion Go(z) =GI(z)·GS(z) =kIθ1 1
z−1 ,
woraus sich die in Abbildung 3.3b dargestellte Wurzelortskurve zeichnen lässt, [LUNZE, 2007, S. 450ff].
Aus dieser sind die gleichen Ergebnisse abzulesen.
1 2 3 4 5
ysoll
kI=0,5/θ1 kI=1/θ1 kI=1,4/θ1 kI=2,1/θ1
k y(k)
(a)Verläufe für verschiedenekI
−1 1
−1 1
kI
kI=0 kI=θ11
kI=θ21 Re
Im
(b)Wurzelortskurve
Abbildung 3.3:I-Regler
Idealerweise würdekI=1/θ1 gewählt werden, was allerdings natürlich nur dann möglich ist, wennθ1 genau bekannt ist. Um die Bedingungen i) (Vermeidung von Überschwingern) und ii) (Mindestverbes-serung) zu erfüllen, muss zunächst die durch Gl. (3.2) definierte „relative Veränderung der Regelabwei-chung“ry,k durch Strecken- und Reglerparameter ausgedrückt werden.
Dazu ersetzt man in ysoll−yk+1den Wert yk+1 durch die nach yk+1 umgestellte Gl. (3.8). Damit folgt ysoll−yk+1= ysoll−θ1kIysoll+θ1kIyk−yk
= (ysoll−yk)·(1−θ1kI) und somit
ry,k= ysoll−yk+1
ysoll−yk =1−θ1kI.
Das geregelte System ist ein PT1-Glied. Die relative Veränderung ist daher unabhängig vom Startwert und dem aktuellen Zeitpunkt bzw. Abtastschrittk.
Damit lässt sich die Bedingung i) als
−rOS,max≤! 1−θ1kI schreiben, was auf
kI≤ 1+rOS,max θ1 führt. Damit ergibt sich
kI≤min
¨1+rOS,max θ1
θ1∈[θ1,min,θ1,max]
«
≤ 1+rOS,max
θ1,max . (3.10)
Analog ergibt sich für die Bedingung ii), 1−θ1kI≥! rUS,max,
die untere Grenze kI≥max
¨1−rUS,max θ1
θ1∈[θ1,min,θ1,max]
«
≥ 1−rUS,max
θ1,min (3.11)
für den ReglerparameterkI.
Um möglichst schnell zu regeln, ist es sinnvoll, den größten zulässigen Wert zu nehmen, also kI= 1+rOS,max
θ1,max . (3.12)
Aus (3.10) und (3.11) folgt auch, dass θ1,max
θ1,min ≤ 1+rOS,max 1−rUS,max
3.4 Regelung 21
gelten muss. Für größere zulässige Intervalle für mögliche Werte vonθ1können die Bedingungen i) und ii) nicht gleichzeitig eingehalten werden.
Für rOS,max=0undrUS,max=0,5ergibt sich beispielsweisekI=θ1,max1 und θθ1,max
1,min ≤2.
Die Bedingungen i) und ii) sind mit dieser Wahl immer erfüllt, so dass nur noch die Bedingung iii) be-trachtet werden muss. Der einzige ReglerparameterkIist aber schon gewählt, so dass nur noch überprüft werden kann, ob die Bedingung erfüllt wird.
Für die RegelabweichungenRS+1 nach demnRS-ten Regelschritt folgt enRS+1=z0nRSe1,
wobei z0 der oben bestimmte Pol des geschlossenen Regelkreises und e1 der Ausgangswert nach der Voreinstellung ist. Es wird nun nach demnRS gefragt, für dasenRS+1≤!eOK erfüllt ist. Dieses kann über
nRS≥logz0eOK e1
berechnet werden. Dabei hängtz0 von der Wahl fürkI bezogen auf die tatsächliche Streckenkonstante θ1 ab. Der Werte1 wird durch die Güte der Voreinstellung beeinflusst.
Windup
Das Strukturbild der mit dem I-Regler geregelten linearen Strecke ist in Abbildung 3.4a gezeigt.
Da am realen Streckeneingang jedoch eine Sättigung vorliegt, müssen Maßnahmen ergriffen werden, den Windup-Effekt zu vermeiden. D. h. es ist zu verhindern, dass sich der Integrator des Reglers über den Sättigungswert auflädt. Dies hätte zur Folge, dass sich der Integrator erst langsam wieder abbauen muss, auch wenn die Regelabweichung wieder das Vorzeichen wechselt. [HIPPE, 2006, S. 3ff]
Dem wird hier einfach dadurch begegnet, dass bei der Berechnung des Stellgrößeu1,r,k nicht die Stell-größe des letzten Schrittesu1,r,k−1 verwendet wird, sondern die aktuell gemessene bzw. rückgemeldete Temperaturu˜1,k,
u1,r,k=u˜1,k+kI·(ysoll−yk).
Das sich damit ergebende Blockschaltbild ist in Abbildung 3.4b dargestellt. Aufgrund des einfachen Re-gelgesetzes sind keine weitergehenden Maßnahmen nötig, um bei dem Verlassen des Sättigungsbereiches sofort wieder das lineare Verhalten zu erhalten.
Der in Abbildung 3.4a als „Strecke“ bezeichneter Block entspricht bis auf die Sättigung der in Abbildung 3.4b hervorgehobenen Strecke. Damit ist in dem Block „Strecke“ in Abbildung 3.4a am Eingang eben-falls eine Verzögerung um einen Abtastschritt enthalten. Das Gesamtsystem in Abbildung 3.4a besitzt daher zwei Verzögerungen, während das Gesamtsystem in Abbildung 3.4b nur eine Verzögerung enthält.
Sofern sich der Streckeneingang jedoch nicht in der Sättigung befindet sind dennoch beide Strukturen äquivalent. Dies liegt daran, dass die Eingänge beider Verzögerungen im Gesamtsystem aus Abbildung 3.4a immer den gleichen Wert besitzen, womit nach dem ersten Abtastschritt auch die Ausgänge bei-der Verzögerungen, die als Zustände des Gesamtsystems interpretiert werden können, denselben Wert besitzen. Somit ist die Differenz dieser Zustände immer Null und nicht steuerbar.
Erweiterungen des I-Reglers
IT-Regler
Das Hinzufügen weiterer Pole, also die Erweiterung zu einem IT-Regler, bringt zum jetzigen Zeitpunkt beim ungestörten System keine Vorteile, sondern würde das System nur langsamer machen, wie auch aus Abbildung 3.5 zu erkennen ist.
kI
1 z
Strecke ysoll,k ek
u1,r,k−1
u1,r,k yk
−
Regler
(a)Struktur bei idealer Strecke
kI 1z Prozess
ysoll,k ek u˜1,k=u1,k y
uS,r
˜ u1
−
Strecke Regler
(b)Struktur bei Sättigung
Abbildung 3.4:Maßnahme zur Vermeidung des Windup-Effekts
−1 1
−1 1
Re Im
Abbildung 3.5:Wurzelortskurve bei Regelung mit IT-Regler
PI-Regler
Der Zusammenhang zwischen Regelabweichungekund der Stellgrößeu1,r,klautet beim PI-Regler u1,r,k=kIxI,k+kPek,
wobei
xI,k=xI,k−1+ek
das diskretisierte Integral über der Regelabweichung ist. Aus diesen beiden Gleichungen ergibt sich u1,r,k=u1,r,k−1+kI·ek+kP·(ek−ek−1),
und daraus die Übertragungsfunktion GPI(z) = z·(kI−kP) +kP
(z−1)
3.4 Regelung 23
imz-Bereich, womit sich
Go(z) =θ1·z·(kI−kP) +kP (z−1)·z
für den offenen Regelkreis ergibt. Bei diesem liegt die Nullstelle nicht mehr bei null, wie beim reinen I-Regler, sondern bei
nz= kP kP−kI .
Je nach Verhältnis von kI zu kP ergibt sich einer der beiden in Abbildung 3.6 gezeigten prinzipiellen Verläufe der Wurzelortkurve, wobei kI > 0 und kP > 0 vorausgesetzt wird. Auch der P-Anteil bringt demnach keinen Vorteil, sondern würde das Systemverhalten nur verschlechtern.
−1 1
−1 1
Re Im
(a)kP>kI
−1 1
−1 1
Re Im
(b)kP<kI
Abbildung 3.6:Wurzelortskurven bei Regelung mit PI-Regler