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Berücksichtigen der geschätzten Varianz des Messrauschens/Ausreißer

6.7 Erweiterungen des Schätzverfahrens

6.7.2 Berücksichtigen der geschätzten Varianz des Messrauschens/Ausreißer

0 2 4 6 8 30

40 50 60 70

˜y

0 2 4 6 8 30

40 50 60 70 u1,r

0 2 4 6 8 0,20

0,40,6 0,81

k ˆθ1,r

(a)pH0,min=10 %

0 2 4 6 8

30 40 50 60 70

˜y

0 2 4 6 8

30 40 50 60 70 u1,r

0 2 4 6 8

0,20 0,40,6 0,81

k ˆθ1,r

(b)pH0,min=10 % (10 000 Simulationen)

0 2 4 6 8 30

40 50 60 70

˜y

0 2 4 6 8 30

40 50 60 70 u1,r

0 2 4 6 8 0,20

0,40,6 0,81

k ˆθ1,r

(c)pH0,min=30 %

0 2 4 6 8

30 40 50 60 70

˜y

0 2 4 6 8

30 40 50 60 70 u1,r

0 2 4 6 8

0,20 0,40,6 0,81

k ˆθ1,r

(d)pH0,min=30 % (10 000 Simulationen)

Abbildung 6.43:Beispiele für verschiedene Grenzen des Plausibilitätstests (σθˆ

1,r,max=101 ·θ1,θˆ1,r,0=4·θ1) (Daten aus je 10 000 Simulationen)

ten zu erkennen ist. Hier wäre eine Möglichkeit, dass bei wechselnden, betragsmäßig anwachsenden Regelabweichungen die Reglerverstärkung „testweise“ reduziert wird.

Ungünstig wäre bei diesem Vorgehen, dass bei einem Wegdriften des Parametersθ0 während eines län-geren Auftrags zu einem späten Zeitpunkt alle Messdaten, und damit auch gute Daten vom Beginn des Auftrags, verworfen werden. Es sollte für die Anwendung dazu überprüft werden, ob solche Situationen häufig auftreten. Falls ja, wäre es die einfachste Lösung, nach einer gewissen Zeit nach Auftragsbe-ginn die Werte grundsätzlich nicht mehr zur Schätzung zu verwenden, sondern nur noch eine Regelung durchzuführen.

Beispiel

In Abbildung 6.44 ist die Wirkung der Überprüfung der Varianz des Prozessrauschens an einem Beispiel dargestellt. Es sind jeweils vier Aufträge (ohne Änderung der sekundären Eingänge) simuliert. Nach dem dritten Regelschritt im dritten Auftrag – diese Stelle ist in den Plots mit einer senkrechten gestrichelten Linie markiert – ändert sichθ0 sprungartig um fünf auf einen Wert von 55. Nach dem dritten Auftrag gilt wieder der alte Wert von 50.

In Abbildung 6.44a ist diese Überprüfung der Varianz des Prozessrauschens nicht aktiv. Man erkennt deutlich, wie sich die Schätzung von θ1 ab der Stelle, an der der Sprung von θ0 aufgetreten ist, ver-schlechtert.

Im unteren Plot ist die geschätzte Standardabweichung dargestellt. Die tatsächliche Standardabwei-chung vonσy=1ist mit einer horizontalen schwarzen Linie eingezeichnet. Der mit einer gestrichelten Linie markierte Wert von 1,5 wird als Grenze verwendet werden. Man kann an diesem Plot auch gut erkennen, dass ein biasbehafteter Schätzer für die Varianz verwendet wird, da der Mittelwert der Vertei-lungen {σˆy}r bei jedem Auftrag zu Beginn deutlich unter eins liegt und sich dieser erst mit steigender Anzahl an Schritten nähert. Es ist auch gut zu erkennen, dass die Varianz der Schätzung der Varianz, also Var{σˆy,k}rzu Beginn jedes Auftrags zunächst sehr hoch ist. In Summe liegen die „Oberkanten“ der Vertei-lungenVar{σˆy,k}r aber auf einem ähnlichen Niveau. Damit ist auch das in Abschnitt 6.4.6 beschriebene Vorgehen gerechtfertigt, den biasbehafteten Varianzschätzer zu verwenden.

In Abbildung 6.44b ist für fσy,max der Wert1,5·σyverwendet. Man erkennt, dass die Schätzung falscher Parameterwerte in Auftrag drei effektiv verhindert wird. Jedoch werden dazu auch Nachteile in Kauf genommen.

So werden bei einem geringen, aber nicht vernachlässigbaren Anteil der Simulationen zu keinem Zeit-punkt oder erst sehr spät überhaupt Parameter geschätzt, wogegen zuvor in 100 % der Fälle der Para-meterθ1 im Laufe des ersten Auftrags geschätzt wurde. Eine Folge davon sind die extremeren Ausreißer nach unten von θˆ1,r im dritten Auftrag, die wiederum die vereinzelten (< 0,1 %) Ausreißer in ˜yk zur Folge haben. Die extrem kleinen Werte fürθˆ1,r treten dann auf, wenn die geschätzte Varianz im dritten Auftrag trotz der Störung unter der Grenze bleibt, und bisher kein Wert fürθ1 geschätzt werden konnte, weil diese Grenze im ersten Auftrag überschritten wurde. Damit bestehtθˆ1,rhier ausschließlich aus dem falschen Wert des dritten Auftrags.

Fazit

Die Methode, die geschätzte Varianz zu überprüfen, ist sehr einfach umzusetzen. Es muss zur Schät-zung von σ2y nur ein einzelner Skalar zusätzlich gespeichert werden, unabhängig von der Anzahl der Messungen.

Nachteilig ist eine geringe „Trennschärfe“ bei kleineren Störungen. Bei der in diesem Beispiel gezeigten Störung handelt es sich schon um einen Grenzfall in dem Sinne, dass diese (ohne Gegenmaßnahmen) schon einen deutlichen Fehler bei der Schätzung des Parameters θ1 hervorruft, wodurch man schon nahe an die Stabilitätsgrenze von θˆ1,r =0,5·θ1 kommt. Anhand des unteren Plots in Abbildung 6.44a erkennt man auch, dass die hier gezeigte Störung die untere Grenze darstellt, was die Unterscheidung von „guten“ und „schlechten“ Aufträgen angeht.

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0 10 20 30 40 30

40 50 60 70

˜y

0 10 20 30 40

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1

ˆθ1,r

0 10 20 30 40

0 2 4

k ˆσy

(a)Keine Überprüfung (fσy,max=)

0 10 20 30 40

30 40 50 60 70

˜y

0 10 20 30 40

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1

ˆθ1,r

0 10 20 30 40

0 2 4

k ˆσy

(b) fσy,max=1,5·σy

Abbildung 6.44:Überprüfung der Varianz der Prozessrauschens (je 10 000 Simulationen)

Eine weitere Absenkung der Grenze fσy,maxwürde zu einer drastischen Reduzierung der gültigen Schätz-werte führen, bei einer Erhöhung würden zu viele schlechte Werte akzeptiert werden.

Inwieweit dies für den vorliegenden Prozess problematisch ist, hängt auch davon ab, wie die Ausreißer und Störungen verteilt sind. Wenn häufig kleinere Störungen auftreten, dann reicht die Überprüfung der geschätzten Varianz alleine nicht aus. Es kann dann, wie weiter unten skizziert, versucht werden, die Messdaten punktweise auf Ausreißer oder Sprünge zu testen. Sind in der Regel auch immer eine höhere Anzahl an „guten“ Aufträgen mit ausreichender Anregung zwischen „schlechten“ Aufträgen zu erwarten, kann auch mit höheren Vergessensfaktoren (weniger Vergessen) in der Mittelung gearbeitet werden, wodurch der Einfluss der Werte aus den „schlechten“ Aufträgen durch die Mittelung über viele Messungen reduziert wird.

Wenn die Anzahl der Aufträge mit kleineren Störungen geringer ist, bzw. deren Einfluss durch die an-gesprochenen Maßnahmen reduziert ist, so wäre auch zu prüfen, ob die Erhöhung der Grenze fσy,max möglich ist. Könnte diese z. B. auf einen Wert zwischen 2 und 2,5 eingestellt werden, so würde dies die Abweisung von „guten“ Aufträgen deutlich reduzieren. Größere Störungen würden dadurch aber immer noch sicher erkannt.

Bei der Wahl von fσy,max ist auch zu beachten, in welchem Bereich die Varianzσ2ydes Messrauschens bei dem gegebenen Prozess schwanken kann bzw. wie dieser Wert ggf. von den Prozessparametern abhängen kann.

Bestimmen der Ausreißer

Der Nachteil der Methode, alle Messdaten zu verwerfen, wenn die Varianz zu hoch ist, liegt auf der Hand.

Auch wenn nur ein einziger oder zwei Messwerte aufgrund zeitlich begrenzter Störungen, wie z. B. ein Fehler bei der Durchführung einer einzelnen Messung, nicht zu den anderen passen, so werden auch die Informationen, die in den „guten“ Messungen stecken, verworfen.

Bestimmt man die Ausreißer in den bisherigen Messdaten, so könnten nur diese entfernt werden und mit den übrigen Messdaten eine normale Schätzung durchgeführt werden. Der Nachteil dabei liegt aber dar-in, dass zurückliegende Messungen gespeichert werden müssen und vor Allem der Berechnungsaufwand und die Komplexität des Programmes stark ansteigen.

Bestimmen einzelner Ausreißer

Zur Detektion der Ausreißer müssten auch zurückliegende Messpunkte im Speicher vorgehalten werden.

In der Literatur findet man Methoden, bei denen die Residuen jedes Messpunktes bestimmt wer-den und für wer-den Messpunkt mit dem höchsten Residuum ein stochastischer Test durchgeführt wird.

[FREUND et al., 2006, S. 120ff]

Da nur sehr wenige Messungen vorliegen, können bei solchen Tests die Intervalle, für die ein Messpunkt noch akzeptiert wird, nur sehr konservativ ausgelegt sein. Alternativ kann man die Schätzung der Varianz wie beschrieben durchführen, wobei jeweils ein Messwert nicht verwendet wird. Sinkt die Varianz einer solchen Schätzung signifikant (im Vergleich zu den Veränderungen beim Weglassen anderer Punkte), so kann der nicht verwendete Messwert als Ausreißer betrachtet und dauerhaft verworfen werden. Dies kann so durchgeführt werden, solange es sich nicht um den letzten Messwert handelt. Sollte dies der Fall sein, dann müsste noch abgewartet werden, ob nicht vielleicht ein Sprung anstelle eines Ausreißers vorliegt.

Bestimmen von Sprüngen

Der Test auf einen Sprung ist nochmals aufwendiger, da ein weiterer Parameter hinzukommt. Tritt der Sprung in y0zur Messungk=ksauf, so kann die zu identifizierende Funktion in der Form

yk=θ0+θ1·(u1,ku1,N) +θ2·(u2,ku2,N) +θ0,sσ(kks)

dargestellt werden, wobei es sich bei σ(k)um den Einheitssprung handelt und θ0,s die Änderung des Parametersθ0 ist. Zu dieser Funktion können die Parameter

θT

θ0 θ1 θ2 θ0,s—

über eine Least-Squares-Schätzung bestimmt werden. Der Eingangsgrößenvektor lautet in diesem Fall ψT

1 u1,ku1,N u2,ku2,N σ(kks)— .

Für dieses Schätzproblem ist der Schätzwertσˆ2y für die Varianz des Messrauschens für jedes mögliche (und sinnvolle) ks zu berechnen. Reduziert sich der Wert von σˆ2y für ein ks deutlich, so ist dies ein Hinweis darauf, dass zu diesem Zeitpunkt ein Sprung inθ0aufgetreten ist.

Ist ein Sprung aufgetreten, so ist noch zu entscheiden, wie mit den Messdaten zu verfahren ist. Die Maßnahme, die den wenigsten „Verlust“ an Informationen beinhaltet, wäre

• eine Schätzung mit den Daten bis zum Sprung durchzuführen und sich zu merken und

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• die aktuelle Schätzung mit den Daten ab dem Sprung fortzuführen.

Solange die Daten vor dem Sprung die bessere Schätzung liefern, werden diese Parameter verwendet.

Wenn die Daten nach dem Sprung besser geworden sind, können die Daten vor dem Sprung endgültig verworfen werden. Nur der Parameterθ0 sollte immer aus den jüngsten Messdaten ermittelt werden.

Diese Beschreibung zeigt schon die hohe Komplexität dieser Maßnahmen. Ob diese sich lohnen, sollte im Einzelfall geprüft werden.