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Zur Veranschaulichung der zuvor bewusst allgemein gehaltenen Betrachtung wird in dieser Arbeit eine Offset-Bogendruckmaschine mit Anilox-Farbwerken betrachtet, an welcher die entwickelten Algorithmen auch getestet wurden.

Druckverfahren

Beim Offsetdruck wird eine ebene Druckform verwendet, bei der die mit Farbe abzubildenden Bereiche eine hydrophobe (wasserabstoßende) Oberfläche haben und die anderen Bereiche hydrophil (wasserlie-bend) sind. Vor dem Auftragen der Farbe wird Feuchtmittel (Wasser mit Zusätzen) auf die Druckform aufgebracht, das sich auf den hydrophilen Bereichen als dünne Schicht ausbreitet und so verhindert, dass dort Farbe aufgetragen wird. [KIPPHAN, 2000, S. 214ff], [STIEBNER, 1992, S. 228ff]

Die Farbe, die über eine Walze an die hydrophoben Bereiche der Druckform abgegeben wurde, wird dann über eine Walze, die mit einem Gummituch bespannt ist, auf den Bedruckstoff übertragen, wes-halb der Offsetdruck auch zu den indirekten Druckverfahren gezählt wird. [KIPPHAN, 2000, S. 214ff], [STIEBNER, 1992, S. 228ff]

4 Die hier aufgeführten Regelziele ergaben sich aus den Anforderungen des Projektpartners.

2.3 Anwendungsbeispiel 11

Im klassischen Offsetdruck werden hochviskose Druckfarben verwendet, die durch ein Farbwerk mit ei-ner Vielzahl von Walzen laufen müssen, um sie richtig dosiert an die Druckform abgeben zu können.

Auch muss die Farbzufuhr über die Breite des Druckwerkes in vielen einzelnen Zonen gesteuert bzw. ge-regelt werden, abhängig von der Flächendeckung der Farbe in der jeweiligen Zone, um eine gleichmäßige Schichtdicke zu erhalten. [KIPPHAN, 2000, S. 221ff], [STIEBNER, 1992, S. 228ff]

Beim Anilox-Offsetdruck werden dagegen Druckfarben mit niedriger Viskosität verwendet, die Dosie-rung erfolgt hierbei über eine Rasterwalze. Diese besitzt auf der Oberfläche kleine Näpfchen, die eine definierte Menge an Farbe aufnehmen können. Durch diese Dosierung soll dieses Druckverfahren unemp-findlicher gegenüber unterschiedlicher Flächendeckung der Druckform sein, so dass keine zonenweise Einstellung nötig ist [AULL, 2008, S. 157]. Das Farbwerk besteht bei Anilox-Druckwerken darüber hinaus nur aus wenigen Walzen, so dass auch von „zonenlosen Kurzfarbwerken“ gesprochen wird. Ein Vorteil des Anilox-Drucks ist damit, dass die Anlaufmakulatur geringer ist als beim klassischen Offsetdruck, da sich die Farbe zunächst über weniger Walzen verteilen muss. Nachteilig ist die Notwendigkeit der Verwendung von niedrigviskosen Farben, deren Eigenschaften teils hinter denen hochviskoser Farben zurückstehen. [KIPPHAN, 2000, S. 224f]

Der Anilox-Offsetdruck hat erst in jüngerer Zeit eine größere Verbreitung erreicht. So ist in [STIEBNER, 1992] der Anilox-Offsetdruck noch gar nicht erwähnt, in [KIPPHAN, 2000] nur im Zusam-menhang mit dem Zeitungsdruck. [KIPPHAN, 2000, S. 309] deutete aber schon an, dass dieser auch im Akzidenzdruck Verbreitung finden wird.

Druckwerk

Eine schematische Darstellung eines Druckwerks mit Anilox-Farbwerk ist in Abbildung 2.5 dargestellt.

Die folgende Beschreibung folgt den oben angegeben Quellen.

RW

FAW

DFZ

GW

DZ FK

R

FW B

FK Farbkammer

R Rakel

RW Rasterwalze FAW Farbauftragswalze DFZ Druckformzylinder FW Feuchtwerk

GW Gummiwalze DZ Druckzylinder B Bedruckstoff

Abbildung 2.5:Schematische Darstellung eines Druckwerks mit Anilox-Farbwerk (an Anicolor-Speedmaster von Heidelberger orientiert)

Die Druckfarbe befindet sich im Farbkasten (FK) und wird von der drehenden Rasterwalze (RW) mit kleinen Näpfchen, die sich auf dieser befinden, aufgenommen. Das Rakel (R), bzw. Kammerrakel, da es die Farbkammer abschließt, streift überschüssige Farbe sauber ab, so dass nur noch die Näpfchen der

Rasterwalze definiert gefüllt find. Von der Rasterwalze kommt dann die Farbe auf die Farbauftragswalze (FAW).

Über die Farbauftragswalze wird die Farbe an die Druckform übertragen, die sich auf dem Druckformzy-linder (DFZ) befindet. Die Druckform wird dabei zunächst am Feuchtwerk (FW) vorbeigeführt, mit dem die Stellen benetzt werden, die keine Farbe übertragen sollen. Über eine mit einem Gummituch bespann-te Walze (GW) wird die Farbe letztlich auf den Bedruckstoff übertragen, der durch den Druckzylinder an die Gummiwalze gepresst wird.

Die Menge der Farbe, die von der Rasterwalze auf die Farbauftragswalze übertragen wird, hängt neben der Größe der Näpfchen auch von der Temperatur der Rasterwalze ab. Je höher die Temperatur der Rasterwalze ist, desto mehr Farbe wird übertragen, und die Schichtdicke der Farbe auf dem Bedruckstoff wird entsprechend dicker. [AULL, 2008, S. 157]

Farbmessung

Als Ergebnis des Prozesses liegt der bedruckte Bogen vor. Wesentliches Qualitätsmerkmal ist der Farbein-druck des Druckbildes. Dieser wird, neben der Art des Papiers und der Farbe, von der Gleichmäßigkeit und Dicke der aufgebrachten Farbschicht beeinflusst, so dass dies die zu bewerteten Qualitätsmerkmale sind.

Um die Farbschicht objektiv zu beurteilen muss diese vermessen werden. Dazu werden hier zwei Verfah-ren genannt, die im Rahmen des Projektes auch verwendet wurden.

So kann die Messung mittels der Densitometrie erfolgen, bei der die optische Dichte bestimmt wird [KIPPHAN, 2000, S. 103f] [STIEBNER, 1992, S. 114]. Die optische Dichte ist als

D=log1

β =logI0 I

definiert, wobeiβ die Remission bzw.I die Lichtintensität des bedruckten Bogens und I0 die Lichtinten-sität bei einem weißem (unbedrucktem) Bogen darstellt. Die Logarithmusbildung wird angewandt, um das Maß dem Empfinden des menschlichen Auges anzupassen. Sollen bunte Farben damit vermessen werden, werden entsprechende Filter verwendet. [KIPPHAN, 2000, S. 103f]

Diese Art der Farbmessung hat jedoch den Nachteil, dass der Farbeindruck auch bei gleicher optischer Dichte z. B. von dem Papier abhängen kann. Dies kann mit der aufwendigeren spektralen Farbmessung vermieden werden. Der Vorteil liegt hierbei darin, dass diese Art der Farbmessung der Wahrnehmung des menschlichen Sehempfindens entspricht. [KIPPHAN, 2000, S. 109]

Auch ermöglicht die spektrale Messung die Regelung der Färbung nicht anhand einer vorgegebenen Farbdichte, sondern anhand eines vorgegebenen Farbortes, d. h. einem in einem geeigneten Koordina-tensystem beschriebenen Sollspektrums. [KIPPHAN, 2000, S. 319], [PFEIFFER, 1995]

Beschreibung der Prozessgrößen

Der Prozess ist bei der Beispielanwendung das Bedrucken der Papierbogen im Druckwerk. Roh- und Hilfsstoffe im Sinne der Abbildung 1.1 beim betrachteten Druckprozess sind Farbe, Papier und das Feuchtemittel. Der bedruckte Bogen stellt das Fertigteil dar.

Wichtige Prozesssteuerparameter sind die Temperatur der Rasterwalze sowie die Druckgeschwindigkeit.

Weitere Prozesssteuerparameter sind beispielsweise die Druckform bzw. das Druckbild, die Einstellung des Feuchtwerks sowie die Temperatur der Farbauftragswalze, die ebenfalls temperiert ist. (Wobei es nicht vorgesehen ist, diese Temperatur zu ändern.)

2.3 Anwendungsbeispiel 13

Umgebungsbedingungen sind im Wesentlichen die Temperatur und Luftfeuchtigkeit, die hier aus Sicht der Prozesssteuerung zu den Unsicherheiten zählen, da diese nicht gemessen werden.

Es ergeben sich immer kleinere Abweichungen der Färbung von Bogen zu Bogen. Zwischen zwei An-läufen treten ebenfalls Abweichungen auf, die etwas größer sind als die erstgenannten. Ein Beispiel für eine Ursache der Abweichungen über einen mittleren Zeitraum ist der Wassergehalt in der Farbe [DIECKHOFF, 1999, S. 99]. Auch traten bei Messungen Abweichungen der Färbung auf, wenn die Maschi-ne umgebaut wurde oder beispielsweise das Gummituch gereinigt wurde.

Anwendung der Problemdefinition auf die Beispielanwendung

Ausgangsgröße

Ausgangsgröße ist entweder die Farbdichte, die densitometrisch bestimmt wird, oder eine relative not-wendige Änderung der Farbschichtdicke, die mit spektralen Methoden bestimmt wird [PFEIFFER, 1995].

Für das Verfahren ist der Unterschied zwischen beiden Möglichkeiten nicht wesentlich, da sich in Versu-chen mit beiden eine (näherungsweise) affine Abhängigkeit der jeweiligen Ausgangsgröße zur Tempe-ratur der Rasterwalze, sowie der Druckgeschwindigkeit ergeben hat. Daher wird im Weiteren meist von

„Färbung“ gesprochen, wenn eine der beiden genannten Größen gemeint ist.

Eingangsgrößen

Aus den Prozesssteuerparametern werden die Eingangsgrößen gewählt. Die Temperatur der Rasterwalze wird als primäre Eingangsgrößeu1 verwendet, da diese in gegebenen Grenzen beliebig gewählt werden kann. Die Druckgeschwindigkeit ist die (einzige) sekundäre Eingangsgrößeu2. Im Gegensatz zur Tem-peratur der Rasterwalze wird diese nur vom Bediener der Druckmaschine manuell geändert.

Messungen zeigen einen (näherungsweise) affinen Zusammenhang zwischen diesen beiden Prozesssteu-erparametern und der Färbung (siehe auch [BERTIet al., 2010], [MICHELSet al., 2011]).

Parameter

Mit der Wahl der Eingangsgrößen sind auch die Parameterθ0,θ1 undθ2 festgelegt, wobeiθ1 die Ände-rung der Färbung bei ÄndeÄnde-rung der Rasterwalzentemperatur undθ2 die Abhängigkeit der Färbung von der Druckgeschwindigkeit beschreiben.

Jedoch haben auch andere Prozesssteuerparameter wie beispielsweise die Papiersorte und Farbserie einen Einfluss auf die Färbung. Meist haben diese aber nur einen (wesentlichen) Einfluss auf das Grund-niveauθ0 der Färbung, nicht aber auf die Sensitivtäten, d. h.θ1undθ2.

Die Papiersorte und die Farbserie haben jedoch auch einen wesentlichen Einfluss aufθ1 undθ2.

Man könnte daher für jeden Prozesssteuerparameter eine Eingangsgröße definieren und somit dessen Einfluss berücksichtigen. Jedoch würde dann die Anzahl der Eingangsgrößen stark steigen, so dass eine gute Schätzung deutlich erschwert würde.

Auch kann beispielsweise die Farbserie nicht einer kontinuierlichen Größe zugeordnet werden, d. h. es müsste für jede Farbserie eine eigene Eingangsgröße definiert werden, die entweder null oder eins ist.

(Siehe [WOOLDRIDGE, 2003, S. 218ff] zu „binären“ Größen.) Dadurch würde die Anzahl der Eingangs-größen noch weiter steigen.

Daher wird hier so vorgegangen, dass für jede Kombination aus Papierart und Farbserie ein Parametersatz bestehend ausθ0,θ1undθ2gelernt wird. Die Sensitivitätenθ1undθ2sind dabei als konstant anzusehen, da mit der Papierart und Farbserie die wesentlichen Einflussfaktoren auf diese Parameter zur Festlegung der Parametersätze verwendet werden.

Dagegen kann sich θ0 für einen Parametersatz von Auftrag zu Auftrag ändern. Die entwickelten Algo-rithmen sind daher so ausgelegt, dass sie Sprünge inθ0 von Auftrag zu Auftrag erwarten.

Störungen

Neben den systematischen Störungen aufgrund der beschriebenen Definition der Parametersätze, die eine Änderung von θ0 von vorneherein in Kauf nehmen, wirken sich noch die oben angesprochenen Unsicherheiten als Störungen oder Rauschen auf die Ausgangsgröße aus.

Farbregelungen bei Druckmaschinen

Das hohe Interesse bezüglich des Themas der Farbregelung bei Druckmaschinen zeigt sich durch die hohe Anzahl von Patenten bzw. Patentanmeldungen zu diesem Themenbereich. Im Wesentlichen werden darin Messverfahren und Methoden zur Bestimmung der notwendigen Änderung der Schichtdicke in Abhängigkeit der gemessenen Dichte oder des gemessenen Spektrums vorgestellt.

Beispielhaft, da auch nahe an dem hier bearbeiteten Thema, werden mit [MAYERund PFEIFFER, 2003]

und [ELTERund PFEIFFER, 2008] zwei Patentanmeldungen genannt, in denen relativ allgemein lernende Verfahren beschrieben werden, die Messungen nutzen, um die Parameter anzupassen und so zu besse-ren Ergebnissen zu kommen. Die neue Methodik dieser Arbeit findet sich in [PFEIFFERund LENZ, 2013]

wieder und wurde darüber hinaus in [LENZ, 2013] vorgestellt.

Speziell mit der Regelung von Anilox-Farbwerken (bzw. Kurzfarbwerken) befassen sich die Patentanmel-dungen [BERTIet al., 2010] und [MICHELS et al., 2011]. Diese beschreiben im Wesentlichen Verfahren, die Freiheitsgrade, die dadurch vorhanden sind, dass mehrere Stellgrößen auf die Färbung wirken, zu nutzen, um ein schnelleres Ausregeln zu erreichen oder einen größeren Bereich der regelbaren Färbung zu ermöglichen.