In Abschnitt 5.1.1 wurden die Anforderungen an den Regler vorgestellt. In diesem Abschnitt wird der I-Regler aus Kapitel 3 betrachtet und bestimmt, in welchem Bereich eine konstante Reglerverstärkung liegen darf, um diese Anforderungen noch zu erfüllen. Es wird dabei die Anfangsabweichung "1 als gegeben vorausgesetzt.
In diesem Abschnitt werden die Zusammenhänge
˜
"1="1−n1
˜
"2= (1−α)·"1+αn1−n2
˜
"3= (1−α)2·"1+ (1−α)·n1+αn2−n3
verwendet, die sich aus der Anwendung der Gleichungen (4.17) und (4.18) ergeben.
Maximales Überschwingen
Die Menge derα, die für ein bestimmtes"1die Bedingung (5.3) erfüllen, wird mitAOS("1)bezeichnet11,
AOS("1) = (
α
(P({"˜2}ωr >−{"˜1}ωr ·rOS,max)≥pmin für"˜1·rOS,max> "OK P({"˜2}ωr >−"OK)≥pmin sonst
) .
Um diese zu berechnen, wirdP({"˜2}ωr >−{"˜1}ωr ·rOS,max)zuP({"˜2}ωr +{"˜1}ωr ·rOS,max >0)umgestellt.
Kürzt man die linke Seite der Ungleichung mitOab, so erhält man O="˜2+"˜1·rOS,max
= (1−α+rOS,max)·"1+ (α−rOS,max)·n1−n2>0 .
Damit können für{O}reinfach Erwartungswert und Varianz angegeben werden,E{O}r= (1−α+rOS,max)·
"undVar{O}r= (α−rOS,max)2+1.
Zur Berechnung muss noch die Bedingung"˜1·rOS,max > "OK diskutiert werden. Da diese von{"˜1}r und nicht"1 abhängt, kann nicht à priori entschieden werden, welche der beiden Möglichkeiten zu wählen
11 "˜1hängt von"1ab, und"˜2hängt von"1undαab, was der Übersichtlichkeit halber hier nicht explizit angegeben ist.
ist. Jedoch kann diese Bedingung auch so interpretiert werden, dass gerade die zu nehmen ist, bei der die Wahrscheinlichkeit der Erfüllung höher ist.12
Damit ergibt sich die gesuchte Menge über AOS=AOS,1∪ AOS,2
mit
AOS,1={α|P({O}ωr >0)≥pmin} und AOS,2={α|P({"˜2}ωr >−"OK)≥pmin}.
In dem interessierenden Intervallα∈(0, 2)ist dies immer ein zusammenhängendes, nach unten unbe-schränktes Gebiet, so dass dieses durch ein Maximum beschrieben werden kann,
αmax,OS("1) =maxAOS("1). (5.15)
Letztlich berechnet werden die Grenzen durch eine numerische Suche der Nullstellen der Funktionen fOS1(α) =1−F{O}r(0)−pmin und
fOS2(α) =1−F{"˜2}r(−"OK)−pmin.
Die Nullstellen entsprechen denα, für die die Bedingung mit genaupmin erfüllt wird.
Minimal geforderte Verbesserung
Ausgehend von der durch die Bedingung (5.4) definierten Menge AUS("1) =
( α
(P({"˜2}ωr <{"˜1}ωr ·rUS,min)≥pmin für"˜1·rUS,min> "OK P({"˜2}ωr < "OK)≥pmin sonst
)
erhält man durch eine analoge Vorgehensweise und der Abkürzung U ="˜2−"˜1·rUS,min
= (1−α−rUS,min)·"1+ (α+rUS,min)·n1−n2 die gesuchte Menge
AUS=AUS,1∪ AUS,2
mit
AUS,1={α|P({U}ωr <0)≥pmin} und AUS,2={α|P({"˜2}ωr < "OK)≥pmin}. In diesem Fall istAUS nach oben unbeschränkt, und es gilt daher für die Grenze
αmin,US("1) =minAUS("1), (5.16)
die wieder durch eine Nullstellensuche der Funktionen
fUS1(α) =F{U}r(0)−pmin und fUS2(α) =F{"˜2}r("OK)−pmin berechnet wird.
12 P({˜"2}ωr >a)>P({˜"2}ωr >b)wenna<b.
5.3 Entwurf anhand der Regelziele bezüglich des Erreichens des OK-Bereichs 57
Maximal zulässige Regelabweichung nach demk-ten Schritt
Die Bedingung (5.5) wird hier für die ersten beiden Regelschritte, alsok=2undk=3betrachtet, Ak2("1) =¦
α|P(|{"˜2}ωr |< "max,k2)≥pmin© , Ak3("1) =¦
α|P(|{"˜3}ωr |< "max,k3)≥pmin© .
Mit den Eigenschaften der Verteilung für{"˜2}r und{"˜3}r,E{"˜2}r= (1−α)·"1 undVar{"˜2}r=α2+1bzw.
E{"˜3}r= (1−α)2·"1 undVar{"˜3}r= (1−α)2+α2+1können die Mengen bestimmt werden.
In diesen Fällen ist das zulässige Gebiet für αein zusammenhängendes Intervall, sofern überhaupt für ein gegebenes"1 ein zulässigesαexistiert, und kann daher mit zwei Grenzen
αmax,k2("1) =maxAk2("1) und (5.17)
αmin,k2("1) =minAk2("1) (5.18)
bzw.
αmax,k3("1) =maxAk3("1) und (5.19)
αmin,k3("1) =minAk3("1), (5.20)
beschrieben werden, welche wieder durch die Nullstellen der Funktion fk2=F{"˜2}r("max,k2)−F{"˜2}r(−"max,k2)−pmin
(fürk=3entsprechend) gegeben sind.
Gemeinsame Betrachtung aller Bedingungen
Mit den Bedingungen (5.15), (5.17) und (5.19) ist α nach oben begrenzt. Maßgeblich ist dabei der kleinste dieser drei Werte. Entsprechend ist α nach unten durch den Maximalwert von (5.16), (5.18) und (5.20) festgelegt. Somit erhält man
αmax("1) =min{αmax,OS("1),αmax,k2("1),αmax,k3("1)} (5.21) und
αmin("1) =max{αmin,US("1),αmin,k2("1),αmin,k3("1)}. (5.22) Dadurch ist ein Intervall[αmin("1),αmax("1)]gegeben, in dem das tatsächliche αliegen muss, um alle Bedingungen zu erfüllen. In Abbildung 5.11, die im Folgenden besprochen wird, sind die Flächen, die den sich damit ergebenden möglichen Bereichen entsprechen, hervorgehoben.
Diskussion
In Abbildung 5.11 sind die sich ergebenden Grenzen fürαfür verschiedene Parameter dargestellt. Dabei ist immer rOS,max=0, rUS,min=0,5,"max,k2=2"OK und"max,k3="OK gefordert. Variiert ist die Breite"OK des OK-Bereichs undpmin.
In Abbildung 5.11a ist ein OK-Bereich von"OK=3undpmin=95 %gefordert.
Zunächst fällt auf, dass die Breite des zulässigen Bereichs [αmin("1),αmax("1)]stark von dem Anfangs-wert "1 abhängt. Die obere Grenze für α wird – abgesehen im Bereich kleiner "1 – von der Forde-rung dominiert, dass kein Überschwingen auftreten soll. Die untere Grenze wird für kleinere"1 von der
0 5 10 15 20 25 30 35 40 0
0,5 1 1,5 2
"1
α
αmax,OS αmax,k2 αmax,k3 αmin,US αmin,k2 αmin,k3
(a)pmin=95 %,"OK=3
0 5 10 15 20 25 30 35 40
0 0,5 1 1,5 2
"1
α
αmax,OS αmax,k2 αmax,k3 αmin,US αmin,k2 αmin,k3
(b)pmin=97,5 %,"OK=3
0 5 10 15 20 25 30 35 40
0 0,5 1 1,5 2
"1
α
αmax,OS αmax,k2 αmax,k3 αmin,US αmin,k2 αmin,k3
(c)pmin=99 %,"OK=5
Abbildung 5.11:Grenzen fürαin Abhängigkeit von"1und verschiedene Forderungen rOS,max=0,rUS,min=0,5,"max,k2=2"OK,"max,k3="OK
5.3 Entwurf anhand der Regelziele bezüglich des Erreichens des OK-Bereichs 59
Forderung einer minimalen Verbesserung von50 % und für größere"1 von den Forderungen maximal zulässiger Regelabweichungen beik=2undk=3dominiert.
Das Intervall fürα, das bis"1=40alle Forderungen erfüllt, ist[0,91, 1,02].
Ein OK-Bereich von"OK=3ist schon sehr knapp gewählt, was sich in Abbildung 5.11b zeigt. Dort istpmin auf97,5 % erhöht. Es zeigt sich, dass die Forderung, dass nachk =3 der OK-Bereich erreicht sein soll, nur für"1<10 erfüllbar ist. Dabei müssteαaber so gering gewählt werden, dass damit die Bedingung der minimalen Verbesserung meistens nicht mehr erfüllbar ist.
Berücksichtigt man, dass die Standardabweichung nach dem zweiten Regelschritt (k = 3) σ3 = p(1−α)2+α2+1 beträgt, so lässt sich der geringe zulässige Bereich erklären. Für α = 1 ergibt sich σ3 =p
2, und damit entspricht der OK-Bereich von±3 ungefähr dem ±2σ-Bereich der sich ein-stellenden Normalverteilung. Im±2σ-Bereich um den Mittelwert einer Normalverteilung liegen jedoch nur95,5 % aller Werte, so dass damit auch im Idealfall (E{"˜3}r =0) die Bedingung mit pmin =97,5 % nicht erfüllt werden kann. Das minimaleσ3 stellt sich beiα=0,5ein und beträgtp
1,5≈1,2, womit man sich in einem±2,5σ-Bereich befindet, in dem schon knapp99 %aller Werte liegen.
Eine weitere Erhöhung von pmin macht damit keinen Sinn, wenn nicht gleichzeitig der zulässige OK-Bereich vergrößert wird.
In Abbildung 5.11c ist pmin weiter auf99 %erhöht, dafür aber auch "OK auf fünf gesetzt. Es zeigt sich, dass damit der mögliche Bereich, in demαliegen kann, deutlich größer wird. Fordert manαunabhängig von"1, so ergibt sich das Intervallα∈[0,83, 1,04].
Unsicherheiten
Im Allgemeinen wird die tatsächliche Streckenverstärkungθ1 nicht exakt bekannt sein, so dass der Reg-lerparameterkIentsprechen auch nicht exakt so gewählt werden kann, dass sich ein bestimmtesαergibt.
Die relative Abweichung des angenommenen Wertesθˆ1 wird mitκθbezeichnet, d. h.
θˆ1=θ1·κθ. Damit gilt
ˆ
α=kIθˆ1=α·κθ
für den Zusammenhang zwischen dem gewähltenαˆ und dem tatsächlich im System wirkendenα. Aus ˆ
α
κθ =α∈! [αmin,αmax] folgt damit
κθ∈! αˆ
αmax, αˆ αmin
.
Wenn es gleich wahrscheinlich ist, dass man das tatsächlicheθ1 über- wie unterschätzt, dann ist es für eine möglichst gute Robustheit am günstigsten, fürαˆden Mittelwert zu wählen, d. h.
αˆ= αmin+αmax 2
zu wählen.13 Damit ergibt sich, dass κθ∈!
1 2 ·
αmin αmax +1
, 1
2· αmax
αmin +1
13 Streng genommen ist damit der zulässige Bereich, in demθˆ1 umθ1 liegen darf, nicht ganz symmetrisch bezüglichθ1. Aber dies spielt keine größere Rolle.
sein muss.
In Tabelle 5.2 sind die zulässigen Bereiche für κθ für zwei verschiedene Forderungen angegeben und damit der zulässige Fehler, den der Schätzwertθˆ1 haben darf, angegeben.
Tabelle 5.2:Bereich zulässiger Werte fürαundκθ
Forderung Zul. Bereichα αˆ Zul. Bereichκθ Zul. Fehler vonθˆ1
pmin=95%,"OK=3(Abb. 5.11a) [0,91, 1,02] 0,965 [0,946, 1,060] ≈ ±5,7%
pmin=99%,"OK=5(Abb. 5.11c) [0,83, 1,04] 0,935 [0,899, 1,127] ≈ ±11,4%
Fazit
Es lässt sich feststellen, dass der Bereich der zulässigen Werte für α von der Anfangsabweichung "1 abhängt. Zwar kann"1 nicht gemessen werden, sondern nur "˜1, jedoch enthält auch letzteres eine In-formation über das (ungefähre)"1. Dies kann bei der Reglerauslegung berücksichtigt werden, indem die Reglerverstärkung von"˜abhängig gemacht wird. Darauf wird später nochmals eingegangen.
Des Weiteren wurde dargelegt, dass die Breite des OK-Bereichs und die Forderung an pmin sinnvoll auf-einander abgestimmt sein müssen.