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Rationale Mutagenese von CL31 zur Erhöhung der Proteinstabilität

3   Ergebnisse

3.1   Optimierung der Bindungseigenschaften Me·DTPA-spezifischer Anticaline

3.1.3   Rationale Mutagenese von CL31 zur Erhöhung der Proteinstabilität

Da im Verlauf der Affinitätsmaturierung von C26 zu CL31, wie oben ausführlich dargestellt, ebenfalls Aminosäuresubstitutionen im Anticalin-Grundgerüst weit entfernt von der Ligandenbindungstasche auftraten (Positionen 86/87), wurde deren Einfluss auf die thermodynamische Faltungsstabilität der Proteine untersucht. Diese spiegelt sich in der Schmelztemperatur sowie in dem Unterschied der freien Enthalpie zwischen dem nativen und dem vollständig denaturierten Zustand eines Proteins wider. Mit Hilfe der CD-Spektroskopie können Veränderungen in Sekundärstrukturelementen – und damit der Proteinkonformation – in Abhängigkeit von der Temperatur durch Elliptizitätsmessungen bei einer für die jeweilige Sekundärstruktur charakteristischen Wellenlänge verfolgt werden. Lcn2 zeigt bei 25 °C im CD-Spektrum typische Merkmale eines Proteins mit überwiegendem Anteil an β-Faltblattstruk-turen – im Einklang mit dem β-Barrel-Grundgerüst der Lipocalin-Familie – mit einem lokalen Mini-mum bei 215 nm (Breustedt et al., 2006). Die Lcn2-Varianten C26, L1 und CL31 lieferten unter

ent-sprechenden Bedingungen nahezu identische Spektren, während das Aufheizen der Proteinlösung auf 95 °C zur sichtbaren Aggregation führte. Die größte Änderung des CD-Signals wurde dabei bei 210 nm registriert.

Zur Ermittlung der thermischen Stabilität wurden Lcn2 bzw. seine Varianten unter Aufnahme des CD-Signals bei 210 nm stetig von 20 °C auf 95 °C erhitzt. Dabei zeigten alle Proteine im Rohspektrum zu Beginn der Temperaturerhöhung eine nahezu konstante negative Elliptizität, die im Bereich der jewei-ligen Schmelztemperatur (Tm) sprunghaft anstieg, und danach wieder konstant verlief. Dieser sigmoi-dale Kurvenverlauf ist charakteristisch für einen einstufigen Entfaltungsübergang nach dem Zwei-Zu-stands-Modell, dessen Kooperativität durch den Wert der van’t Hoffschen Enthalpie (ΔHm) – also hier der Steigung an Tm – widergegeben wird (Lumry & Biltonen, 1966). Zur besseren Übersicht wurden die Entfaltungskurven jeweils auf den Anteil des ungefalteten Proteins normiert (Schlehuber & Skerra, 2002) (Abbildung 12) und nach der Methode von Cohen & Pielak (1994) ausgewertet. Auf diese Wei-se wurde, neben Tm und ΔHm, auch die freie Enthalpie der Denaturierung unter Standardbedingungen ΔGU (25 °C) extrapoliert.

Abbildung 12. Normierte Entfaltungskurven von Lcn2 und Me·DTPA-spezifischen Anticalinen ermittelt durch thermische Denaturierung. Die gereinigten Proteine (10 μM) in 20 mM KPi pH 7,5, 50 mM K2SO4 wurden in einem Spektropolarimeter kontinuierlich erhitzt und dabei die Elliptizität in Abhängigkeit von der Temperatur bei 210 nm aufgezeichnet. Die so erhaltenen Rohdaten wurden anschließend an das Zwei-Zustands-Modell der Proteinfaltung an-gepasst, und daraus ermittelte Parameter verwendet, um jeweils den apparenten Anteil des ungefalteten Proteins f(u) zu bestimmen (siehe Abschnitt 2.4.2).

Die Anticaline C26 und L1 wiesen eine im Vergleich zu Lcn2 (Tm = 78,6 °C) um ca. 10 °C niedrigere Tm auf. Die thermische Stabilität von CL31 lag mit Tm = 59,1 °C nochmals deutlich darunter (Tabelle 6 und Abbildung 12). Interessanterweise konnte in der Doppelmutante CL31(S86G/P87S) durch Ein-führen der wtLcn2 Aminosäure an den Positionen Ser86/Pro87 (siehe Abbildung 7B) die

Schmelztem-peratur wieder um 6 °C erhöht und damit die Faltungsstabilität von L1 nahezu wiederhergestellt wer-den.

Tabelle 6. Ermittelte Schmelztemperatur (Tm), Enthalpie des Entfaltungsüberganges (ΔHm) sowie freie Enthal-pie der Denaturierung unter Standardbedingungen (ΔGU, 25 °C) von Lcn2 und dessen Me·DTPA-spezifischen Varianten.

Lcn2-Variante Tm

[°C]

ΔHm [kJ mol-1]

ΔGU (25 °C) [kJ mol-1]

Lcn2 78,6 ± 0,2 541,3 ± 49,3 82,5 ± 7,5

C26 69,9 ± 0,3 668,2 ± 100,2 87,4 ± 13,1

L1 67,7 ± 0,3 420,3 ± 39,7 52,6 ± 5,0

CL31 59,1 ± 0,2 535,1 ± 48,5 54,8 ± 5,0

CL31(A145T) 60,8 ± 0,1 559,8 ± 34,6 60,0 ± 3,7 CL31(A145T/M44E) 61,4 ± 0,1 656,7 ± 28,4 71,5 ± 3,1 CL31(S86G/P87S) 65,4 ± 0,1 620,4 ± 34,5 73,9 ± 4,1

CL31da 67,3 ± 0,1 781,6 ± 44,6 97,2 ± 5,5

CL31xb 71,4 ± 0,1 724,4 ± 32,3 97,5 ± 4,3

CL31x(D45E) 69,6 ± 0,1 924,1 ± 50,6 120,3 ± 6,6

a = CL31(M44E/S86G/P87S/A145T) b = CL31(M44E/K74S/M75Q/S86G/P87S/A145T)

Die Destabilisierung der Proteinfaltung bei CL31 wird offenbar durch die Aminosäuresubstitutionen Gly86Ser und Ser87Pro selbst verursacht, da beide erheblichen Einfluss auf die Konformation des kurzen Schleifenbereichs am unteren Ende der β-Barrel-Faltblattstruktur haben (siehe Abbildung 7A).

Mit Gly86 wurde eine kleine, besonders flexible Aminosäure ohne Seitenkette entfernt, wohingegen die starre Iminosäure Prolin an nachfolgender Position eingefügt und damit die Rigidität an dieser Stelle – wenn auch bei insgesamt veränderter Rückgratkonformation – erhöht wurde.

Anhand der überlagerten Kristallstrukturen von C26 und CL31 wird der Einfluss der mit diesen Ami-nosäuresubstitutionen einhergehenden Konformationsänderung auf die intramolekularen Interaktionen der Seitenketten deutlich (Abbildung 13). Die den kurzen Loop in C26 stabilisierenden Wasserstoff-brückenbindungen zwischen Ser87 und Glu91 sowie Gln88 und Glu91 gingen in CL31 verloren und wurden stattdessen durch eine Wasserstoffbrückenbindung zwischen Ser86 und dem Polypeptidrück-grat sowie durch eine indirekte, über ein Wassermolekül vermittelte Interaktion zwischen Gln88 und Glu91 ersetzt.

Abbildung 13. Detailansicht der Aminosäurepositionen 86/87 in C26 (Kette B; blau) und CL31 (rot), die die thermische Faltungsstabilität der hier untersuchten Anticaline bestimmen. Wasserstoffbrückenbindungen sind durch gestrichelte Linien angedeutet.

In den darauffolgenden Experimenten wurden die ebenfalls positiven Effekte der Mutationen Ala145Thr und Met44Glu zur thermischen Stabilität aufgegriffen und in der Mutante CL31(M44E/S86G/P87S/A145T) – von nun als CL31d bezeichnet – zusammengeführt (siehe Tabelle 6). Daraus resultierte mit Tm = 67,3 °C nicht nur eine dem Anticalin L1 ähnliche Faltungsstabilität, sondern CL31d zeigte zudem eine deutlich höhere Kooperativität des Entfaltungsüberganges und da-mit sogar höhere Werte für ΔHm und ΔGU (25 °C) als L1.

Schließlich wurde der Einfluss von drei weiteren Aminosäurepositionen auf die Faltungsstabilität von CL31 untersucht. Asp45, Lys74 und Met75 befinden sich im Bereich der Bindungstasche in Loop #1 bzw. Loop #2 (siehe Abbildung 7B) und zeigen – laut der Kristallstruktur von CL31 – ins umgebende Lösungsmittel. Lys74 ist außerdem Teil einer kleinen Gruppe von positiv geladenen Seitenketten (zu-sammen mit Arg72 und Lys73), die bei der Proteinbiosynthese als potentielle Stopp-Transfersequenz fungieren und damit die Translokation der neu synthetisierten Polypeptidkette über die innere Mem-branen von E. coli behindern können (Fujita et al., 2011). Da die Seitenkette von Lys74 nicht direkt in die Ligandenbindung oder andere stabilisierende Interaktionen involviert ist, wurde stattdessen das un-geladene hydrophile Serin eingefügt. Durch die zusätzliche Substitution der benachbarten Aminosäure Met75 durch Gln sollten zum einen chemische Modifikationen durch Oxidation, wie für lösungsmit-telexponierte Met-Seitenketten bekannt (Pan et al., 2009), und zum anderen unspezifische hydrophobe Wechselwirkungen vermieden werden. Ausserdem wurde Asp45 gegen Glu substituiert, um ionische Interaktionen mit Arg72 und Lys73 in Folge deren längerer Kohlenwasserstoffkette zu begünstigen.

Beide Mutanten, CL31x (CL31(M44E/K74S/M75Q/S86G/P87S/A145T)) und CL31x(D45E), zeigten in thermischen Denaturierungsstudien eine höhere Faltungsstabilität im Vergleich zu CL31d, was sich in einer erhöhten Tm und, im Fall der Dreifachmutante, sogar in einer deutlich höheren freien Entfal-tungsenthalpie äußerte (Tabelle 6).

2,6 Å

3,1 Å 3,0 Å

2,6 Å

3,2 Å 91

87 86 88

Mit Hilfe der SPR-Spektroskopie wurden anschließend die Bindungskinetiken der stabilitätsmaturier-ten Varianstabilitätsmaturier-ten von CL31 – CL31d, CL31x sowie CL31x(D45E) – gegenüber dem Y·DTPA-RNase Konjugat untersucht (Tabelle 7). Der KD-Wert von CL31d zeigte sich im Vergleich zu CL31 nur mar-ginal erhöht (Faktor 2). Weiterhin wurde die Affinität von CL31d zum freien, unkonjugierten Ligan-den Y·DTPA-NH2 durch Fluoreszenztitration bestimmt. Hierbei nimmt die intrinsische Proteinfluores-zenz, welche hauptsächlich von den aromatischen Aminosäuren Tryptophan und Tyrosin herrührt, in Folge der Komplexbildung mit dem Liganden in konzentrationsabhängiger Weise ab und liefert so einen Wert für die Dissoziationskonstante (Quenching-Effekt). Die Trp-Seitenketten können selektiv bei einer Wellenlänge von 295 nm zur Fluoreszenz angeregt werden. Für CL31d ergab sich dabei al-lerdings ein so schwaches Emissionssignal, dass eine Anregungswellenlänge von 280 nm gewählt wurde, bei der sowohl Trp- als auch Tyr-Reste angeregt werden. Anhand des aufgenommenen Emis-sionsspektrums wurde ein Fluoreszenzmaximum bei 333 nm ermittelt.

Die durch den Quenching-Effekt bedingte Abnahme des Fluoreszenzsignals von CL31d erfolgte zu-nächst linear und zeigte bei einer hohen Ligandenkonzentration ein charakteristisches Sättigungsver-halten bei ca. 30 % der Anfangsfluoreszenz (Abbildung 14). Der durch Kurvenanpassung (Breustedt et al., 2006) ermittelte KD-Wert von 4,6 ± 1,6 nM entsprach einer 10-fach geringeren Affinität für das freie Y·DTPA-NH2 als für das RNase-Konjugat in der SPR-Spektroskopie. Dies ist möglicherweise durch stabilisierende Interaktionen des Anticalins mit dem Trägerprotein RNase bedingt. Ein ähnlicher Effekt wurde für C26 beobachtet (KD = 7,6 ± 3,2 nM).

Abbildung 14. Fluoreszenztitration von CL31d mit Y·DTPA-NH2. Eine gereinigte Proteinlösung (1 μM) in PBS wurde mit dem Liganden – als konzentrierte Stammlösung in 100 mM Ammoniumacetat/Essigsäure-Puffer – schritt-weise titriert und die Abnahme der Tyr/Trp Proteinfluoreszenz bei 333 nm nach Anregung bei 280 nm in einem Fluo-roMax-3 Spektrofluorimeter verfolgt. Zur Bestimmung des KD-Wertes wurde die Anfangsfluoreszenz auf 100 % nor-miert, und die Messwerte wurden durch nicht-lineare Regression angepasst (siehe Abschnitt 2.4.3). Der mathematische Äquivalenzpunkt der Titration ist durch die gestrichelte, senkrechte Linie angedeutet. Die Abweichung vom Sollwert

1 μM lässt sich durch kleine Fehler bei der Konzentrationsbestimmung der Stammlösungen für Protein und/oder Lig-and erklären.

Die beiden Mutanten CL31x und CL31x(D45E) zeigten gegenüber CL31d insgesamt eine leichte Er-höhung der Dissoziationsrate in der SPR-Spektroskopie, wobei im Fall der Dreifachmutante ebenfalls die Assoziationsrate vermindert war (Tabelle 7). Eine mögliche Ursache könnte eine veränderte Kon-formation des Loops #1 durch die Mutation D45E sein, wodurch die Zugänglichkeit der Bindungsta-sche für den Liganden behindert wäre. Aus diesem Grund wurde die Variante CL31x für den im fol-genden beschriebenen rationalen Ansatz zur Verbesserung der Bindungseigenschaften gegenüber Y·DTPA verwendet.