• Keine Ergebnisse gefunden

Entwicklung eines Duocalins mit einstellbarer Plasma-Halbwertszeit für die Radio-

4   Diskussion

4.2   Entwicklung eines Duocalins mit einstellbarer Plasma-Halbwertszeit für die Radio-

Aktuell stehen für die Pretargeting-Radiodiagnostik/-therapie ausschließlich bispezifische Antikörper zur Verfügung. Ungeachtet ihres Erfolges in präklinischen Studien birgt jedoch deren biopharmazeuti-sche Produktion gewisse Herausforderungen. So werden Fab'-Fragmente unterschiedlicher Spezifität (d.h. für das Tumorantigen und für ein Metallchelat) häufig durch chemische Kopplung über eine freie Sulfhydryl-Gruppe konjugiert, wobei eine Thioether-Bindung entsteht (Goldenberg et al., 2007). Der Herstellungsprozess ist allerdings aufwendig, da die oxidationsanfälligen Sulfhydryl-Gruppen vor der Kopplungsreaktion reduziert werden müssen, wobei intramolekulare Disulfidbindungen beeinträchtigt werden können. Zudem ist das Reaktionsprodukt oftmals heterogen. Bei der klassischen Quadrom-Technologie (Milstein & Cuello, 1983) werden die bispezifischen Antikörper durch Fusion zweier Antikörper-produzierender Hybridom-Zelllinien generiert. Neben den hohen Kosten für eukaryotische Expressionssysteme gilt bei dieser Methode die entstehende Mischung einschließlich Fehlpaarung der Antikörperketten als problematisch (Milstein, 2000).

Duocaline – Fusionsproteine aus zwei Anticalinen – bieten demgegenüber entscheidende Vorteile. So bestehen Duocaline aus einer einzigen Polypeptidkette, da die beiden Anticaline bereits auf geneti-scher Ebene miteinander fusioniert werden. Mit Hilfe unaufwendiger DNA-Klonierungstechniken lassen sich Anticaline mit gleichen oder unterschiedlichen Bindungsspezifitäten beliebig kombinieren.

In diesem Zusammenhang ist der gut zugängliche und fernab der Ligandenbindungstasche lokalisierte N- bzw. C-Terminus im Gegensatz zu scFv-Fragmenten, bei denen der N-Terminus häufig Teil des Paratops ist, von Vorteil. Die unkomplizierte Biosynthese von Duocalinen wurde bereits – wie für die isolierten Anticaline – im Periplasma von E. coli demonstriert (Schlehuber & Skerra, 2001).

Im Rahmen dieser Arbeit wurde der Ansatz von Dr. M. Gebauer zur Entwicklung eines Duocalins mit Bindungsspezifität für Fibronectindomäne ED-B und Me⋅DTPA (Gebauer, 2013) zur Adressierung der Tumorvaskulatur aufgegriffen. In Pilotexperimenten konnte Dr. M. Gebauer für die im Periplasma von E. coli produzierten Duocalin-Varianten, N7A-CL31 und CL31-N7A, mittels Sandwich-ELISA bispe-zifische Bindungsaktivität nachweisen. Beide Proteine besaßen im Vergleich zu den isolierten Antica-linen jedoch ungünstige proteinbiochemische Eigenschaften, vor allem eine äußerst geringe Ausbeute in E. coli (ca. 100 g/L Kultur) sowie die Tendenz zur Ausbildung von Disulfidisomeren.

Die Zusammensetzung des Linkers zwischen den Fusionspartnern hat einen entscheidenden Einfluss auf die Produktion, Faltung und biologische Aktivität von bifunktionellen Proteinen, wobei sich hohe Flexibilität und Hydrophilie positiv auswirken (Zhang et al., 2009). Aufgrund dessen wurde in einem initialen Experiment der von Dr. M. Gebauer verwendete kurze Peptidlinker („GAVDANS“) in den Duocalin-Varianten N7A-CL31d und CL31d-N7A gegen ein strukturell ungeordnetes PAS-Polypeptid (Schlapschy et al., 2013) bestehend aus 60 bzw. 100 Aminosäuren ausgetauscht. Als Vergleich dien-ten entsprechende Duocalin-Variandien-ten ausgestattet mit einem kurzen Ser3Ala-Linker (PAS(0)-Linker), der sich aus der zur Insertion der PAS-Genkassette eingefügten SapI-Schnittstelle ergab. Von den

sechs im Periplasma von E. coli produzierten Duocalinen zeigten die vier PASylierten Proteine nach der Streptavidin-Affinitätschromatographie im Vergleich zu den unmodifizierten Varianten eine ca.

2,5-fache (PAS(60)) bzw. 1,5-fache (PAS(100)) Steigerung der Ausbeute.

Die durch den PAS-Linker erzeugte größere räumliche Distanz der beiden Anticaline fördert offenbar eine effizientere Proteinfaltung, bei der es zu weniger Aggregatbildung kommt. Die proteinbiochemi-sche Analyse der sechs Duocaline mittels SEC und SDS-PAGE ergab, dass der überwiegende Anteil (90-95 %) der Proteinpräparationen als Monomer vorlag, wobei – im Gegensatz zu den Ergebnissen von Dr. M. Gebauer sowie mit anderen Duocalinen (Schlehuber & Skerra, 2001) – kaum Anzeichen von Disulfidisomeren vorhanden waren. Letzteres kann wiederum auf die erhöhte Distanz der Antica-line während der Faltung der PASylierten DuocaAntica-line zurückgeführt werden, wodurch Fehlpaarungen der Cys-Seitenketten vermieden werden.

Für diese sechs Duocaline wurde mittels Sandwich-ELISA jeweils bispezifische Bindungsaktivität nachgewiesen. Dabei ermöglichte der PAS-Linker offenbar eine sterisch ungehinderte Bindung an das Zielmolekül Fn7B8, da mit zunehmender PAS-Länge eine größere Signalamplitude beobachtet wurde.

Zudem wurde mit der PASylierung die verringerte Affinität der unmodifizierten Duocaline für Fn7B8 (N7A-CL31d: 11,3 nM; CL31d-N7A: 29,7 nM) im Vergleich zum isolierten Anticalin N7A (KD = 1,76 nM) weitgehend rückgängig gemacht. Die Varianten mit N-terminalem N7A zeigten sich dabei denen mit N-terminalem CL31d überlegen (N7A-PAS(100)-CL31d: 4,75 nM; CL31d-PAS(100)-N7A: 12,4 nM). Die Bestimmung der Affinität für Fn7B8 mittels SPR-Spektroskopie (Ab-schnitt 3.2.6) bestätigte, dass N7A-PAS(0)-CL31d bzw. N7A-PAS(100)-CL31d mit 10 nM einen zum isolierten Anticalin N7A (5,8 nM) vergleichbaren KD-Wert besitzen. Für die Erkennung von Y·DTPA-RNase durch diese Duocaline wurde ebenfalls nur eine geringfügige Verminderung der Affinität beo-bachtet.

Die Anreicherung eines therapeutischen Proteins im Tumor als Grundvoraussetzung für die zielgerich-tete Radiotherapie bzw. -diagnostik hängt neben der Affinität für das tumorassoziierte Antigen in gro-ßem Maße sowohl von der Plasma-Halbwertszeit als auch von der Tumorpenetration des Proteinwirk-stoffs ab, die beide durch dessen Molekülmasse definiert werden (Wittrup et al., 2012). So erreichen Antikörper, vor allem bedingt durch ihre lange Blut-Zirkulationszeit, im Vergleich zu den kleineren Antikörperfragmenten wie Fab und scFv oder anderen Protein-Scaffolds die höchste Tumorakkumula-tion. Die Vorteile dieser kleineren Bindeproteine gegenüber Antikörpern liegen dagegen in ihrer deut-lich besseren Tumorpenetration, einer rascheren Aufnahme in den Tumor sowie einer schnelleren sys-temischen Eliminierung. Letzteres führt zu einem besseren Bildkontrast und reduziert die Strahlenbe-lastung für den Patienten. Wie am Beispiel zweier humanisierter Fab-Fragmente (mit Spezifität für HER2 bzw. CD20) demonstriert, kann durch Vergrößerung des hydrodynamischen Molekülvolumens die Tumorakkumulation und der Bildkontrast eines kleinen Proteins signifikant optimiert werden (Mendler et al., 2015).

Durch Einführung längerer Linkersequenzen, PAS(200), PAS(400) und PAS(600), in das Duocalin N7A.19-CL31d wurde eine Palette von bispezifischen Bindeproteinen mit zunehmender Plasma-Halb-wertszeit generiert. Ihre gentechnische Produktion erfolgte – im Gegensatz zu den Duocalin-Varianten mit kürzeren PAS-Linkern – im Cytoplasma von E. coli Origami B (Prinz et al., 1997). In einem Pilot-experiment mit N7A-CL31d und N7A-PAS(100)-CL31d konnte gezeigt werden, dass sich unter Um-gehung der Translokation der Polypeptidkette in das bakterielle Periplasma die Ausbeute etwa um das 100-fache steigern lässt. Die Ausbildung der strukturell konservierten Disulfidbrücke im Anticalin wurde dabei durch das leicht oxidierende Milieu des Cytoplasmas von Origami B sichergestellt.

Die SEC-Analyse dieser gereinigten Duocaline (siehe Abschnitt 3.2.7) ergab erwartungsgemäß eine deutliche Vergrößerung ihres hydrodynamischen Volumens in Folge der PASylierung. So konnte die kalkulierte Molekülmasse um das 3,5-fache für N7A.19-PAS(200)-CL31d, den Faktor 5,6 für N7A.19-PAS(400)-CL31d bzw. den Faktor 6,6 für N7A.19-PAS(600)-CL31d erhöht werden. Interes-santerweise sind diese Werte nahezu identisch zu den Vergrößerungsfaktoren, die bei der endständi-gen Fusion entsprechender PAS-Polypeptide mit einem Fab-Fragment erzielt worden waren (Schlapschy et al., 2013). Wie bereits für andere PASylierte Proteine beobachtet (Schlapschy et al., 2013), ist die mit steigender PAS-Länge einhergehende Verringerung der Antigenaffinität im SPR-Experiment – hier gegenüber Fn7B8 und Y·DTPA-RNase (siehe Abschnitt 3.2.7) – vor allem durch eine langsamere Assoziationskinetik bedingt. Diese resultiert aus einer erschwerten Diffusion der PASylierten Proteine durch die Dextran-Oberflächenmatrix des SPR-Sensorchips zum immobilisierten Zielmolekül.

Die pharmakokinetische (PK) Studie in Mäusen bestätigte, dass das vergrößerte hydrodynamische Vo-lumen mit einer langsameren renalen Eliminierung der Duocaline assoziiert ist. Die dadurch erheblich verlängerte Plasma-Halbwertszeit (N7A.19-CL31d: 24 min; N7A.19-PAS(600)-CL31d: 6 h) erhöht die Bioverfügbarkeit des Proteinwirkstoffes. Wie schon bei den Vergrößerungsfaktoren der Moleku-larmasse beobachtet, standen auch hier die PK-Faktoren im Einklang mit den Werten, die bei der ter-minalen PASylierung von Fab-Fragmenten erhalten worden waren (Schlapschy et al., 2013). Wie exemplarisch durch Western Blot-Analyse von Plasmaproben mit N7A.19-PAS(600)-CL31d gezeigt wurde, trat im zeitlichen Verlauf der PK-Studie trotz der ungeordneten dreidimensionalen Struktur des langen PAS-Polypeptids keine proteolytische Spaltung auf. Das ist im Hinblick auf Pretargeting-Ex-perimente von größster Bedeutung, da erfahrungsgemäß die Injektion des radioaktiven Haptens 24-48 h nach der Proteininjektions erfolgt. Anders als beim Einsatz von chemischen Polymeren zur Ver-längerung der Halbwertszeit, wie bespielsweise PEG, unterliegen PAS-Polypeptide dennoch grund-sätzlich dem natürlichen Proteinmetabolismus durch lysosomalen Abbau und werden folglich nicht in Zellen akkumuliert (Binder & Skerra, 2012).

Die spezifische Erkennung von ED-B-positivem Fn durch N7A im Kontext der ECM auf Tumorzellen wurde bereits durch fluoreszenzbasierte Zellfärbung demonstriert (Gebauer et al., 2013). Die Bin-dungsanalyse auf den ED-B-exprimierenden Caco-2 Zellen mit Hilfe von radioaktivem 177

Lu·DTPA-NH2 (siehe Abschnitt 3.2.9) ergab jedoch im Vergleich zum durch SPR-Spektroskopie ermittelten KD -Wert (41 pM) eine um den Faktor 1000 reduzierte Affinität von N7A.19-CL31d. Es scheint denkbar, dass benachbarte Fn-Domänen bzw. Interaktion von Fn mit anderen ECM-Komponenten die Pro-tein·Ligand-Wechselwirkung behindern. Es bleibt im Hinblick auf das Tumor-Xenograft-Modell zu klären, ob eventuell andere etablierte ED-B-exprimierende Tumorzellen, wie z.B. die murine Terato-karzinom-Zelllinie F9 (ATCC CRL-1720) oder die humane Glioblastom-Zelllinie U-251 MG, eine bessere Bindung der B zulassen (Moosmayer et al., 2006). Auch die Erkennung von murinem ED-B durch ED-ED-B-spezifische Anticaline ist aufgrund der 100 %-igen Übereinstimmung zur humanen Aminosäuresequenz möglich (Neri & Bicknell, 2005). Der Einfluss der PASylierung auf die Bin-dungsaktivität des Duocalins spielte hingegen nur eine untergeordnete Rolle. Für die in dem oben er-wähnten Zellexperiment 5-fache Verminderung der Affinität von N7A.19-PAS(400)-CL31d (im Ver-gleich zu N7A.19-CL31d) wird ein aufgrund des vergrößerten hydrodynamischen Volumens gebrem-stes Eindringen des Proteins in die ECM angenommen.

Der Vorteil einer gegen ED-B-positives Fn gerichteten Pretargeting-Radiotherapie gegenüber dem konventionellen Ansatz mit direkt markierten Bindeproteinen konnte bereits anhand einer Biodistribu-tionsstudie unter Verwendung eines bispezifischen Antikörpers bestehend aus dem scFv AP39 (ent-wickelt aus scFv L19) und dem anti-HSG (Histamine-Succinyl-Glycine) Fab'-Fragment m679 demon-striert werden, welches zur Bindung von 111In makiertem HSG-DOTA eingesetzt wurde (Moosmayer et al., 2006). Dabei wurde eine mehr als dreifach höhere therapeutische Wirksamkeit erreicht. Die in dieser Arbeit entwickelten Duocaline sind diesem bispezifischen Antikörperformat allerdings in den nachfolgenden Gesichtspunkten überlegen. So ist, wie bereits zuvor diskutiert, die Herstellung des bi-spezifischen Antikörpers durch chemische Kopplung aufwendig und ineffizient. Ferner besteht die Gefahr, dass das Kopplungsprodukt heterogen ist, da AP39 bekanntermaßen zur Ausbildung nicht-ko-valenter Dimere neigt. Des Weiteren ist auch die durch SPR-Spektroskopie ermittelte Affinität für ED-B von 2,4 nM für das unfusionierte dimere scFv AP39 im Vergleich zu N7A.19-CL31d sowie dessen PASylierten Varianten deutlich schlechter.

Mit N7A.19-CL31d und seinen drei PASylierten Varianten stehen damit vielversprechende Protein-reagenzien für die Pretargeting-Radiotherapie und/oder -diagnostik zur Verfügung. Ihre Fähigkeit, sich in einem Tumor-Xenograft Modell in Mäusen in hoher Konzentration am Tumor anzureichern, muss zukünftig in vivo zunächst durch direkte Isotopen-Markierung der Proteine mit beispielsweise

124I (vgl. Abschnitt 3.3.7) evaluiert werden. Wie bereits zuvor diskutiert, wird dabei ihre Plasma-Halb-wertszeit eine entscheidende Rolle spielen. In Abhängigkeit vom Verwendungszweck kann damit das Duocalin mit derjenigen PAS-Länge ausgewählt werden, welches maximale Tumoranreicherung (The-rapie) bzw. einen möglichst guten Bildkontrast (Diagnostik) erzielt.

4.3 Potential eines scFv/Anticalin-Fusionsproteins für die Radiodiagnostik und