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ChromoCaline zur Detektion von Zelloberflächen-Antigenen in vitro

4   Diskussion

4.4   ChromoCaline zur Detektion von Zelloberflächen-Antigenen in vitro

Die Grundlage einer erfolgreichen antigenspezifischen Diagnostik und Therapie von Krebserkrankun-gen ist die quantitative wie auch qualitative Evaluierung relevanter Tumormarker in vitro. In der vor-liegenden Arbeit wurden ChromoCaline, d.h. chimäre fluoreszierende Antigenbindeproteine bestehend aus dem ED-B-spezifischen Anticalin N7A (Gebauer et al., 2013) und dem Fluoreszenzprotein eGFP (Zhang et al., 1996) konstruiert, und deren Funktionalität anhand verschiedener analytischer Metho-den demonstriert.

Beim Vergleich verschiedener Pilotkonstrukte wurde gezeigt, dass bei der rekombinanten Produktion in E. coli und Reinigung das Format eGFP-N7A dem Format N7A-eGFP deutlich überlegen ist (Ab-schnitt 3.4.2). Neben einer 3-fach geringeren Ausbeute wies N7A-eGFP einen erheblichen Anteil (ca.

30 %) an Disulfidisomeren auf. Die Ursache dafür liegt sehr wahrscheinlich in der räumlichen Nähe der C-terminalen Disulfidbindung von N7A (Cys76-Cys175) zum ungepaarten Cys70 des eGFP. Die Fusion beider Proteine mittels eines kurzen Ser3Ala-Linkers begünstigte offenbar die Ausbildung falsch verbrückter Cystine. Der Befund der besseren bakteriellen Produktion des ChromoCalins mit dem eGFP an N-terminaler Position steht im Einklang mit der Studie von Casey et al. (2000), in der die periplasmatische Produktion von eGFP-scFv in E. coli ebenfalls zu einer deutlich höheren Ausbeu-te als gegenüber scFv-eGFP führAusbeu-te.

Die Produktion der ChromoCaline erfolgte im leicht oxidierenden Milieu des Cytoplasma von E. coli Origami B (Prinz et al., 1997). Somit wurde die Ausbildung der strukturellen Disulfidbrücke im Anti-calin N7A gewährleistet. Eine periplasmatische Expression der ChromoCaline war aufgrund der in der Literatur beschriebenen Inaktivität von eGFP nach der Translokation über den post-translationalen Sec-Transportweg nicht möglich (Feilmeier et al., 2000). Die massenspektrometrische Analyse der ge-reinigten ChromoCaline eGFP-N7A und N7A-eGFP bestätigte die erfolgreiche Reifung des intrinsi-schen Fluorophors durch Zyklisierung und Oxidation des Tripeptids Thr65-Tyr66-Gly67 (Heim et al., 1995) wie auch die Faltung des Anticalins mit seiner Disulfidbrücke.

Im Fall von N7A-eGFP erfolgte während der kotranslationalen Proteinprozessierung nicht wie üblich die Abspaltung des Start-Methionins. Ein Grund dafür ist die enge Substratspezifität der E. coli-eigenen Methionin-Aminopeptidase MetAP1, welche kleine Aminosäuren, wie Gly, Ala, Ser, Thr, Cys oder Val, an der P1'-Position nach dem Start-Methionin bevorzugt. Dagegen erfolgt die Met-Abspal-tung deutlich ineffizienter oder gar nicht, wenn an P1' größere und/oder geladene Aminosäuren, wie beispielsweise Asp, Glu, Phe, Lys oder Gln lokalisiert sind (Xiao et al., 2010). Im ChromoCalin N7A-eGFP befindet sich an dieser Position ein Gln, im Gegensatz zu einem Ser bei N7A-eGFP-N7A. Tatsächlich wurde beim letztgenannten Protein eine effiziente Prozessierung gefunden.

In der Literatur sind bereits verschiedene, ebenfalls in E. coli produzierte, antigenspezifische eGFP-Chimäre beschrieben worden, darunter Fusionen mit scFv-Fragmenten (Casey et al., 2000; Hink et al., 2000; Cao et al., 2008; Markiv et al., 2011), mit Affibodies (Affiprobes) (Lyakhov et al., 2010) und mit DARPins (Zahnd et al., 2010). Affibodies und DARPins, die wie Anticaline alternative Scaffolds repräsentieren, besitzen keine Disulfidbrücken, so dass die cytoplasmatische Produktion der eGFP-Fu-sionsproteine unproblematisch ist. Für FueGFP-Fu-sionsproteine aus scFv und eGFP wurden sowohl periplas-matische als auch cytoplasperiplas-matische Produktionsstrategien verfolgt, wobei jedoch meist heterogene Produkte mit unbefriedigendem Reinheitsgrad (90 %), Dimerisierungstendenz und unklarem Iso-merenstatus resultierten. Die Produktion von scFv-eGFP Chimären erfolgte ebenso in Säugetier-, In-sekten- und Hefezellen, wobei die offenbar vor allem durch das scFv-bedingte inhärente Instabilität besser beherrscht wurde und höhere Ausbeuten erzielt werden konnten (Markiv et al., 2011). Diese Expressionssysteme sind allerdings im Vergleich zur bakteriellen Produktion deutlich zeit- und ko-stenintensiver.

Die genetische Fusion zweier biologisch aktiver Proteine wie eGFP und N7A erfordert den Einsatz eines Spacers, der durch eine möglichst flexible Konformation einen ausreichenden Abstand zwischen den Proteinen sicherstellt (Cao et al., 2008). Dadurch kann eine gegenseitige strukturelle wie auch funktionelle Beeinträchtigung der Proteine, welche im ungünstigsten Fall zur Proteinaggregation und zum Funktionsverlust führt, vermieden werden. Hink et al. (2000) zeigten an einem funktionalen scFv-eGFP Fusionsprotein mit Hilfe von zeitaufgelöster Fluoreszenzanisotropie, dass bereits ein He-xapeptid ausreicht, um den beiden Domänen unabhängige Rotationsfreiheitsgrade zu verleihen. Dieser Ansatz wurde bereits in den oben erwähnten Pilotversuchen mit eGFP-N7A und N7A-eGFP durch Verwendung eines Ser3Ala-Linkers aufgegriffen.

Basierend auf diesen ersten Vorversuchen wurde das ChromoCalin eGFP-N7A statt des Peptids Ser3Ala mit einem PAS(200)-Polymer als langen Linker-Polypeptid (Schlapschy et al., 2013) zwi-schen eGFP und dem Anticalin ausgestattet. Der Einsatz dieses deutlich längeren strukturell ungeord-neten Spacers erwies sich als sehr vorteilhaft. Neben einer Steigerung der Ausbeute um den Faktor 3 war die in SPR-Analysen ermittelte Dissoziationskonstante von eGFP-PAS(200)-N7A für das rekom-binante Fn7B8 im Vergleich zu eGFP-N7A 2,5-fach niedriger. Die schnelle Assoziation von N7A an Fn7B8 wird hauptsächlich durch elektrostatische Wechselwirkungen bedingt, was auf der gegensätzli-chen Netto-Oberflägegensätzli-chenladung (pIN7A = 9,01; pIFn7B8 = 4,4) ihrer Kontaktflächen beruht (Gebauer et al., 2013). eGFP (pI = 5,75) weist ein ähnlich negatives Potential wie Fn7B8 auf. Es ist somit möglich, dass eGFP in enger räumlicher Nähe die elektrostatischen Wechselwirkungen zwischen N7A und Fn7B8 beeinträchtigt. In der Tat ist die Assoziationsrate von eGFP-N7A im Vergleich zum unfusio-nierten Anticalin N7A um den Faktor 10 verlangsamt, wohingegen die Dissoziationsrate unbeeinflusst ist. Der konformationell ungeordnete PAS(200)-Linker erhöht dagegen die räumliche Distanz zwi-schen eGFP und N7A, was sich positiv auf die Assoziationskinetik zwizwi-schen Fn7B8 und eGFP-PAS(200)-N7A auswirkt, welche im Vergleich zum unfusionierten N7A nur um den Faktor 4 redu-ziert ist.

Das Anwendungspotential von antigenspezifischen eGFP-Chimären ist groß. eGFP gilt als sensitives spektroskopisches Reporterprotein unter anderem zur Visualisierung von zellulären Strukturen und Prozessen in lebenden Geweben und Organismen in Echtzeit, für die Untersuchung von Genexpres-sion und Protein·Protein-Interaktion sowie zur Quantifizierung von physiologischen Prozessen (Chudakov et al., 2010). Die eGFP-Fluoreszenz ist dabei relativ unabhängig von externen Faktoren.

Tatsächlich zeigten sich die Fluoreszenzeigenschaften des eGFP (Kremers et al., 2011) in den Chro-moCalinen eGFP-N7A und eGFP-PAS(200)-N7A unbeeinflusst vom Fusionspartner bzw. Peptidlin-ker. Die im Vergleich zu Fluoreszenzfarbstoffen wie Fluorescein hohe Photostabilität verdankt eGFP seiner β-Barrel Gerüststruktur, in der das Chromophor eingebettet liegt und somit vor Umgebungsein-flüssen geschützt ist (Chudakov et al., 2010).

Die beiden ChromoCaline eGFP-N7A und eGFP-PAS(200)-N7A wurden zur Detektion und Visuali-sierung von ED-B-positivem Fn in vitro eingesetzt. Neben der antigenspezifischen Bindung von re-kombinantem Fn7B8 im FLISA wurde die Färbung der ED-positiven Fn-Spleissvariante in der ECM von adhärent wachsenden Tumorzellen demonstriert. Dabei zeigten ED-B-exprimierende Caco-2 Zel-len eine sehr ähnliche Fluoreszenzfärbung wie zuvor mit Hilfe des Anticalins N7A und einem konven-tionellen Primär-/Sekundär-Antikörperpaar beobachtet worden war (Gebauer et al., 2013). Mit PASy-liertem ChromoCalin inkubierte Zellen erschienen im Vergleich zu eGFP-N7A optisch intensiver ge-färbt. Das könnte einerseits auf die höhere Bindungsaktivität von eGFP-PAS(200)-N7A für das ED-B-Antigen zurückgeführt werden; andererseits erleichtert der flexible PAS(200)-Linker möglicherweise ein tieferes Eindringen des ChromoCalins in die ECM.

Ein entscheidender Anwendungsvorteil von ChromoCalinen ist die Möglichkeit der schnellen Ände-rung der Antigenspezifität aufgrund der unidirektionalen BstXI-Schnittstellen im Expressionskon-strukt (Gebauer & Skerra, 2012). So wurde bereits ein ChromoCalin mit Spezifität für den Vascular Epithelial Growth Factor Receptor-3 (VEGFR-3) – ein weiterer diagnostischer Marker der Tumorvas-kularisierung – produziert und erfolgreich zum Antigennachweis mittels Durchflusszytofluorimetrie auf lebenden Zellen verwendet (Eggenstein, Richter und Skerra, unveröffentlicht). In diesem Zusam-menhang ist auch denkbar ChromoCaline zur in vitro Selektion antigenexprimierender Zellpopulatio-nen (Fluorescence-activated Cell Sorting; FACS) einzusetzen.

Potentielle Anwendungen in vivo ergeben sich für diesen neuartigen Typ von Anticalin-Fusionspro-teinen durch Einsatz eines im Infrarotbereich fluoreszierenden GFP-Homologon nicht nur bei präklini-schen Studien in Kleintiermodellen, sondern auch bei der intraoperativen Bildgebung.