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Rationale Mutagenese von CL31 zur Erhöhung der Ligandenaffinität

3   Ergebnisse

3.1   Optimierung der Bindungseigenschaften Me·DTPA-spezifischer Anticaline

3.1.4   Rationale Mutagenese von CL31 zur Erhöhung der Ligandenaffinität

Auf Basis der Kristallstruktur von CL31 und der vorangegangenen Analyse der Struktur/Funktions-Beziehungen der Ligandenbindung wurden sechs Aminosäurepositionen ausgewählt, die durch ihre unmittelbare räumliche Nähe zum Y·DTPA-Komplex in der Lage sind, die Bindungseigenschaften von CL31x zu verbessern (Abbildung 15).

Die Aminosäure Leucin an Position 36 war als Teil der naiven Lcn2-Zufallsbibliothek (Kim et al., 2009) schon sehr früh im Zuge des Selektionsprozesses – nämlich in der Lcn2-Variante Tb7 – durch die geladene Seitenkette Arginin substituiert worden (Abbildung 7B). Überraschenderweise zeigte Arg36 in der apo-Struktur von Tb7.14 in die Anticalin-Bindungstasche hinein. Dagegen wurde diese Seitenkette in den übrigen holo-Anticalinstrukturen regelrecht zur Seite gedrängt und scheint damit nicht direkt an der Ligandenbindung beteiligt sein. Der Austausch von Arg gegen die zwei etwas kür-zeren sowie flexibleren Seitenketten Lys bzw. Gln sollte die Ausbildung von Wasserstoffbrückenbin-dungen sowie ionische Interaktionen mit dem Liganden ermöglichen (Abbildung 15B). Die Mutanten CL31x(R36K) und CL31x(R36Q) zeigten während der bakteriellen Produktion und Reinigung ver-gleichbare Eigenschaften wie die Ausgangsvariante CL31x (Tabelle 7). Dagegen offenbarten beide Anticaline in der SPR-Analyse einen erheblichen Affinitätsverlust gegenüber Y·DTPA-RNase. Dieser resultierte hauptsächlich aus einer um den Faktor 12 (R36K) bzw. sogar um den Faktor 137 (R36Q) schnelleren Dissoziationskinetik, während die Assoziationsrate von den Aminosäuresubstitutionen weitgehend unbeeinflusst blieb. Dieses Ergebnis deutet daraufhin, dass Arg36 – wenn auch nicht di-rekt – in stabilisierende Wechselwirkungen für den Ligandenkomplex involviert ist. Der Verlust der beiden Wasserstoffbrückenbindungen zum Polypeptidrückgrat an den Positionen 48 bzw. 50 im Knick des Loops #1 könnte in diesem Zusammenhang zur einer partiellen Loop-Öffnung führen, wodurch die Ligandenfreisetzung erleichert würde (Abbildung 15B).

Abbildung 15. Varianten des Anticalins CL31x zur Verbesserung der Bindungseigenschaften gegenüber Y·DTPA. (A) Blick in die Ligandenbindungstasche von CL31 (grau) mit dem gebundenen Y·DTPA (gelb; Yttrium, grün). Die zur Mutagenese ausgewählten Aminosäurepositionen sind als Stabmodell dargestellt (grau). An diesen Po-sitionen wurden mit der in Chimera implementierten rückgratsabhängigen Rotamerbibliothek (Shapovalov &

Dunbrack, 2011) die entsprechende Seitenketten eingefügt. (B) Detailansicht der Positionen Arg36, Arg70 und Leu79.

(C) Detailansicht der Positionen Ala40 und Ser134. (D) Detailansicht der Position 123 mit den benachbarten Seiten-ketten Phe106 und Ser136. Potentielle Wasserstoff- und Salzbrücken sind mit gestrichelten Linien gekennzeichnet.

Des Weiteren ist an Position 70, welche am Rand des Loops #2 und damit am Eingang der Bindungs-tasche liegt, eine Arg-Seitenkette an der Ligandenbindung beteiligt (Abbildung 15B). Sie ist mit Hilfe ihrer Guanidiniumgruppe in der Lage, durch Kation/π-Interaktion mit der Benzylgruppe des DTPA zu wechselwirken (Dougherty, 1996). Beim Versuch diesen Kontakt durch Einbringen einer Leucin-Sei-tenkette in eine hydrophobe Wechselwirkung umzuwandeln, verschlechterten sich jedoch sowohl die Produktions- als auch die Ligandenbindungseigenschaften des Anticalins erheblich (Tabelle 7).

CL31x(R70L) zeigte vor allem schnellere Dissoziation von Y·DTPA-RNase, wohingegen die Assozia-tionsrate nahezu unverändert blieb. Diese Beobachtung ist konsistent mit der Tatsache, dass eine schnelle Assoziation im allgemeinen durch intensive elektrostatische Interaktionen gefördert wird. Der Verlust der einzelnen positiven Ladung von Arginin innerhalb der insgesamt stark basischen Ligan-denbindungstasche hat offenbar keinen messbaren Effekt.

2,5 Å 3,3 Å

3,0 Å Arg36

Ala40

Phe123

Leu79 Arg70 Ser134

Phe106 3,5 Å

2,9 Å Ser136

A B

C D

R36Q,K

L79R R70L

A40K,R,Q

S134K

F123Y

Tabelle 7. Bindungskinetiken und biochemischen Charakteristika der CL31-Mutanten aus der rationalen Mu-tagenese zur Erhöhung von Proteinstabilität und Ligandenaffinität.

Lcn2-Variante kon ln(2)/koff. d Proteinausbeute pro 2 L Kulturvolumen nach der SA-Chromatographie aus dem Absorptionswert der Proteinlö-sung bei 280 nm. c Verhältnis in der SEC zum monomeren Anteil (= 100 %).

Eine weitere Möglichkeit die Bindung von Y·DTPA anhand von Wechselwirkungen mit dessen Ben-zylgruppe zu stabilisieren, liegt auf dessen anderer Seite, gegenüber Arg70, an Position Leu79 (Abbildung 15B). Durch Einbringen der basischen Arg-Seitenkette an dieser Stelle sollte eine neue Kation/π-Interaktion erzeugt werden. Dies gelang jedoch nicht, da CL31x(L79R) in der SPR-Analyse eine im Vergleich zu CL31x halbierte τ1/2 aufwies (Tabelle 7). Interessanterweise begünstigte diese Mutation die bakterielle Proteinsynthese, da eine vierfach höhere Ausbeute bei äußerst geringem Ag-gregatanteil erzielt wurde.

Wie bei den ersten Me·DTPA-spezifischen Anticalinen (Kim et al., 2009) wurde auch bei der Kristall-struktur von CL31 in unmittelbarer Nähe zur Position 40 eine große Lücke zwischen der Proteinober-fläche und dem gebundenen Y·DTPA beobachtet (Abbildung 15C). In dem natürlichen Lipocalin Lcn2 ist dieser Raum durch den wesentlich größeren Liganden Fe3+·Enterobactin besetzt (Goetz et al., 2002; Raymond et al., 2003). Die im Vergleich zu Ala40 voluminöseren Seitenketten von Gln, Arg und Lys könnten Wasserstoffbrückenbindungen zu den Carboxylatgruppen des Liganden und, im Fall von Lys, auch van der Waals Wechselwirkungen der aliphatischen Kohlenwasserstoffkette mit den be-nachbarten Seitenketten hervorrufen. Tatsächlich bewirkten die positiven Ladungen von Arg und Lys im Vergleich zu CL31x eine leichte Verbesserung der Dissoziationskinetik. Im Gegensatz dazu disso-ziierte der Komplex aus CL31x(A40Q) und Y·DTPA-RNase doppelt so schnell, wenngleich bei dieser Mutante die Proteinausbeute fast verdreifacht war (Tabelle 7).

An Position 134 sollte, wie auch schon bei Ala40, eine längere Seitenkette den direkten Kontakt zu Y·DTPA – hier durch Wasserstoffbrückenbindungen zu zwei Carboxylatgruppen – herstellen und so

die Bindung stabilisieren (Abbildung 15C). Die Mutante CL31x(S134K) wies jedoch eine schnellere Dissoziation und einen um den Faktor 3,6 erhöhten KD-Wert auf (Tabelle 7).

Abschließend wurde an der Position Phe123 durch die konservative Mutation zu Tyr eine funktionelle Hydroxylgruppe nahe der hydrophoben Kernregion des Anticalins eingefügt (Abbildung 15D). Er-staunlicherweise hatte diese Substitution eine geringfügig schnellere Assoziationskinetik zur Folge.

Da aber die Dissoziation gleichermaßen beschleunigt wurde, hatte dies praktisch keinen positiven Ef-fekt auf den KD-Wert (Tabelle 7).

Abbildung 16. Graphische Darstellung von Bindungskinetiken ausgewählter Y·DTPA-spezifischer Anticaline ermittelt durch SPR-Spektroskopie. Sowohl kon und koff als auch der sich aus dem Quotienten koff/kon ergebende KD-Wert wurden unter Verwendung von logarithmisch skalierten Achsen gegeneinander aufgetragen.

Zusammenfassend betrachtet führte leider keiner der Aminosäureaustausche in CL31x zur Erhöhung der kinetischen Stabilität zwischen dem Anticalin und Y·DTPA. Dennoch lieferte die rationale Muta-genese zusammen mit der vergleichenden Strukturanalyse von C26 und CL31 (siehe Abschnitt 3.1.4) wertvolle Informationen über die Bedeutung einzelner Seitenketten für die Ligandenbindung wie auch für die Proteinsynthese. Diese können möglicherweise auf Anticaline mit anderer Ligandenspezifität übertragen werden. Das aus dem zufallsbasierten Selektionsprozess hervorgegangene Anticalin CL31 wies somit – insbesondere im Hinblick auf eine langsame Dissoziationskinetik – praktisch optimale Bindungseigenschaften auf (Abbildung 16). Diese konnten mittels rationaler Mutagenese um eine hö-here thermische Faltungsstabilität sowie günstigere biochemische Eigenschaften (Homogenität, höhö-here Ausbeute, wenig Aggregat) ergänzt werden. Zur Konstruktion bifunktioneller Fusionsproteine für die zielgerichtete Tumoradressierung mit dem Ziel des Pretargetings (siehe Abschnitte 3.2 und 3.3)

wur-10-8

10-7

10-6 10-10 10-9

10-5 C26

CL31x (R36Q) CL31x

(R70L) CL31x (R36K) CL31dL1

CL31

KD [M]

CL31x

koff [s-1] k on [M-1 s-1 ]

de daher CL31d verwendet, da es über eine etwas bessere Komplexstabilität als CL31x bei ähnlicher Proteinstabilität verfügt (Abbildung 16).

3.2 Konstruktion von bifunktionellen Duocalinen mit Affinität für ED-B und