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1.1 Ausgangspunkt der Arbeit

Digitalisierung gilt in vielen Branchen als Treiber von Effektivität und Effizienz sowie als Weg-bereiter für innovative Verfahren und Entwicklungen.1 Gerade im Rahmen des bisher nur we-nig digitalisierten Gesundheitswesens sind die Anwendungsmöglichkeiten digitaler Innovatio-nen zahlreich und die zu hebenden Potentiale vielversprechend.2 Durch den Einsatz von Infor-mations- und Kommunikationstechnologien und die damit einhergehende digitale Vernetzung der am Versorgungsprozess beteiligten Akteure können etwa Verbesserungen in Diagnostik und Therapie, ein gesteigertes Patient Empowerment sowie Kosteneinsparungen erreicht werden. Damit kann die Digitalisierung zur nachhaltigen Sicherstellung einer qualitativ hoch-wertigen und effizienten Gesundheitsversorgung beitragen.3

Eine innovationspolitische Verantwortung liegt dabei darin, vorhandene Ressourcen in strate-gisch wichtige Themenfelder zu investieren.4 Insbesondere im solidarisch finanzierten Ge-sundheitswesen ist für eine Entscheidungsfindung unter Berücksichtigung knapper finanzieller Ressourcen ein − auf einem belastbaren wissenschaftlichen Fundament beruhender − Nach-weis der Effektivität neuer Innovationen von entscheidender Bedeutung.5

Große Erwartungen für eine effektivere und effizientere Versorgung wecken technologiege-stützte Versorgungskonzepte wie das Telemonitoring, insbesondere bei chronischen Krank-heitsbildern. Die aktuell verfügbare wissenschaftliche Studienlage zeigt sich in ihren Ergebnis-sen jedoch heterogen und bildet neben positiven auch neutrale und negative Auswirkungen eines Einsatzes derartiger technologiegestützter Versorgungsformen ab. Die Untersuchungen weisen zudem teils erhebliche methodische Schwächen auf, sodass für Politik und Kostenträ-ger der Nachweis einer Vorteilhaftigkeit technologischer Maßnahmen und somit die Grund-lage für deren flächendeckende Implementierung meist als nicht eindeutig erbracht gilt.6

1 Vgl. Hamidian und Kraijo 2013, S. 12; Blachetta et al. 2016, S. 26.

2 Vgl. Lux und Breil 2017, S. 692.

3 Vgl. Dörries et al. 2017, S. 692.

4 Vgl. Wittpahl 2017, S. 22.

5 Vgl. Graf von der Schulenburg 2007, S. 14.

6 Vgl. Mielitz 2017, S. 495.

Zahlreiche Konzepte werden zudem durch öffentliche Förderprogramme subventioniert, kön-nen sich nach Finanzierungsende jedoch nicht mehr selbstständig tragen oder weiterentwi-ckeln. Durch die mangelnde Evidenzgrundlage und die hohen Anschaffungskosten neuer In-novationen, insbesondere wenn diese von den Anwendern selbst (out-of-pocket) finanziert werden müssen, geht der Einsatz daher zumeist nicht über die Pilotphase hinaus.7 Hinzu kommt, dass gerade im Bereich der chronischen Erkrankungen eine stetige Verbesserung der Standardtherapie zu beobachten ist, was bei Krankheitsbildern wie etwa der chronischen Herzinsuffizienz in den letzten Jahren zu einem Rückgang von Morbidität sowie Mortalität und somit zu einer grundlegenden Verbesserung der Behandlungsergebnisse führte.8 Derzeit kön-nen somit weder die klinische noch die ökonomische Rationale für eikön-nen Einsatz derartiger innovativer Versorgungskonzepte auf Basis belastbarer Evaluationsergebnisse begründet wer-den.9

1.2 Zielsetzung und Forschungsfragen

Diese Problemstellung stellt die Grundlage der nachfolgenden Arbeit dar. Im Rahmen einer Untersuchung auf hohem Evidenzniveau soll ein valider Nachweis für die gesundheitsökono-mische Vorteilhaftigkeit einer Telemonitoring-gestützten Versorgungsform erbracht werden, um basierend darauf entweder eine Empfehlung über die Aufnahme dieses Verfahrens in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) aussprechen zu können oder einer künftigen Fehlallokation von Ressourcen vorzubeugen.

Als Anwendungsgebiet mit vielversprechendem Potential für den Einsatz einer Telemonito-ring-Maßnahme gilt der Indikationsbereich der chronischen Herzinsuffizienz. Mit Gesund-heitsausgaben von 5,3 Mrd. EUR und einer über die Jahre deutlich gestiegenen Prävalenz stellt diese eine zentrale Herausforderung für das Gesundheitssystem dar.10 Durch den Einsatz von Telemonitoring und die darin verortete engmaschige Betreuung der Patienten11 sollen akute Krankheitsphasen frühzeitig erkannt und kritische Verläufe verhindert sowie im Zuge dessen Hospitalisierungen vermieden werden. So sollen neben einer verbesserten Versorgungsquali-tät auch deutliche Einsparungen in der Versorgung realisiert werden, da bei der Behandlung

7 Vgl. Merkel 2017, S. 121; Scholz und Roth 2017, S. 339.

8 Vgl. Roehl et al. 2013, S. 401.

9 Vgl. Hahn und Thilo 2017, S. 183.

10 Vgl. Statistisches Bundesamt 2017; Roger 2013, S. 646.

11 In dieser Arbeit wird zu Gunsten der besseren Lesbarkeit sowie aus Platzgründen die männliche Form ver-wendet. Selbstverständlich sind diese Begriffe auf sämtliche Geschlechter bezogen.

dieser Patienten etwa 70 % der Kosten im stationären Bereich entstehen.12 Der Fokus der Analyse liegt im Folgenden somit auf dem Krankheitsbild der chronischen Herzinsuffizienz, wenngleich Telemonitoring auch in anderen Indikationsgebieten wie einer chronisch obstruk-tiven Lungenerkrankung (COPD) oder Diabetes Mellitus eingesetzt wird.13

Um die zugrundeliegende Problemstellung aufzulösen, stehen im Rahmen der empirischen Untersuchung folgende vier Forschungsfragen im Mittelpunkt der Analyse:

(1) Lassen sich durch den Einsatz von Telemonitoring bei Patienten mit chronischer Herzinsuf-fizienz die klinischen Parameter Mortalität, gesundheitsbezogene Lebensqualität und der allgemeine Gesundheitszustand im gewählten Setting positiv beeinflussen?

(2) Lassen sich durch den Einsatz von Telemonitoring bei Patienten mit chronischer Herzinsuf-fizienz gegenüber der Standardtherapie Hospitalisierungen im gewählten Setting vermei-den?

(3) Zeigt sich der Einsatz von Telemonitoring bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz ge-genüber der Standardtherapie im gewählten Setting unter Berücksichtigung aller real an-fallenden Kosten als kosteneffektiv?

(4) Ist ein hochwertiges RCT-Design für die Beantwortung obenstehender Forschungsfragen vor dem Hintergrund der im Vergleich kurzen Lebenszyklen von Innovationen zur Evidenz-generierung zwingend notwendig?

1.3 Gang der Arbeit

Die vorliegende Arbeit setzt sich aus einem theoretischen und einem empirischen Teil zusam-men, wobei Ersterer der Identifikation der Forschungsfragen dient, die im Zuge der empiri-schen Analyse beantwortet werden.

Um eine grundlegende Basis für die in dieser Arbeit untersuchte Problemstellung zu schaffen, wird in einem einführenden Kapitel zunächst die Relevanz der Digitalisierung für das Gesund-heitswesen dargelegt und die sich daraus ergebenden potentiellen Zugewinne in der Versor-gung sowie die gestellten Anforderungen aufgezeigt. Zur weiteren theoretischen Fundierung

12 Vgl. Zugck et al. 2010, S. 636.

13 Vgl. Wootton 2012, S. 211.

des Forschungsthemas erfolgt eine Darstellung der Grundlagen der Innovations- und Diffusi-onsforschung, unter der die im späteren Verlauf zu untersuchende Telemonitoring-Lösung ge-nauer beleuchtet wird.

Der sich aus der Theorie ergebende Bedarf eines eindeutigen Nutzennachweises für die Diffu-sion digitaler Innovationen bildet die Grundlage der empirischen Untersuchung. Um dabei die Eignung und die Relevanz des gewählten Beispiels zu verdeutlichen, wird im Anschluss das Krankheitsbild der chronischen Herzinsuffizienz gesundheitsökonomisch analysiert und der Stand der Wissenschaft zu Telemonitoring in diesem Indikationsbereich sowohl aus klinischer als auch ökonomischer Sicht aufbereitet.

Auf Basis dieser theoretischen Grundlagen und der Studienlage leiten sich der Forschungsbe-darf und die im empirischen Teil der Arbeit zu beantwortenden Forschungsfragen ab.

Zu Beginn der empirischen Untersuchung erfolgt die Darstellung der Methodik der gesund-heitsökonomischen Analyse. Diese umfasst neben dem Studiendesign auch den Analyseplan für die nachfolgende Auswertung. Nach vorangestellter deskriptiver Beschreibung der Stich-probenzusammensetzung erfolgt die Ergebnisdarstellung nach klinischen und ökonomischen Erkenntnissen. Dies gilt auch für die sich daran anschließende Diskussion, in der sowohl klini-sche als auch ökonomiklini-sche Ergebnisse zuerst kritisch hinterfragt und anschließend in den Stand der Wissenschaft eingeordnet werden. Nach einer Bewertung der Methodik und der Übertragbarkeit der Ergebnisse erfolgt eine Kontextuierung dieser vor dem Hintergrund digi-taler Innovationen. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der gewonnenen Erkennt-nisse.

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