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TEIL I: THEORETISCHE GRUNDLAGEN UND STAND DER WISSENSCHAFT

4. Telemonitoring bei chronischer Herzinsuffizienz

4.1 Die Indikation chronische Herzinsuffizienz

4.1.5 Krankheitskosten

Die hohe Hospitalisierungs- und Mortalitätsrate sowie die aufwändige Therapie und der ein-geschränkte Gesundheitszustand von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz stellen für das deutsche Gesundheitssystem nicht nur aus klinischer, sondern auch aus ökonomischer Perspektive eine zentrale Herausforderung dar.

251 Vgl. Cline et al. 1999, S. 281; Scherer et al. 2007, S. 188.

252 Vgl. Masoudi et al. 2004, S. 370f; Juenger et al. 2002, S. 237ff.

253 Vgl. Belardinelli et al. 1999, S. 1179; Hägglund et al. 2007, S. 208; Rodríguez-Artalejo et al. 2005, S. 1278.

254 Vgl. Alla et al. 2002, S. 340; Stull et al. 2001, S. 463ff.

255 Vgl. Stull et al. 2001, S. 465.

256 Vgl. Hoekstra et al. 2013, S. 98.

Im Jahr 2015 beliefen sich die Gesamtgesundheitsausgaben innerhalb des ersten Gesundheits-marktes in Deutschland auf 338,2 Mrd. EUR. Dabei stellten Erkrankungen des Herz-Kreis-laufsystems mit einem Anteil von 46,4 Mrd. EUR den größten Ausgabenblock dar, gefolgt von psychischen und Verhaltensstörungen (44,4 Mrd. EUR), Erkrankungen des Verdauungssys-tems (41,6 Mrd. EUR) sowie Krankheiten des Muskel-Skelett-SysVerdauungssys-tems (34,2 Mrd. EUR).257 In-nerhalb der Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems entfielen im Jahr 2015 Ausgaben in Höhe von 5,3 Mrd. EUR auf die Herzinsuffizienz, was einem Anstieg um etwa 120 % seit dem Jahr 2002 (2,4 Mrd. EUR) entspricht.258 Lagen die Krankheitskosten für Herzinsuffizienz im Jahr 2002 bei 1,1 % der gesamten Krankheitskosten, betrugen sie im Jahr 2015 bereits 1,5 %.259 Im internationalen Kontext spiegelt das Ausmaß der Herzinsuffizienz ebenfalls eine vergleich-bar hohe Belastung der Gesundheitssysteme wider. Global betrachtet wurden die Gesund-heitsausgaben für Herzinsuffizienz im Jahr 2012260 auf rund 108 Mrd. USD geschätzt, wobei 65 Mrd. USD auf direkte und 43 Mrd. USD auf indirekte Kosten zurückzuführen waren. Mit etwa 93 Mrd. USD entfiel der deutlich höhere Anteil auf Hochlohnländer, im Vergleich zu Mittel- und Niedriglohnländer mit einem Anteil von etwa 15 Mrd. USD. Durch die alternde, wach-sende und immer stärker globalisierte Gesellschaft ist anzunehmen, dass sich diese Entwick-lung weiter fortsetzen wird.261 Somit gilt es Möglichkeiten zu identifizieren, diesen steigenden Kostendruck nachhaltig einzudämmen. Besonders in westlichen Industriestaaten, in denen so-wohl der Therapiestandard als auch die generelle Lebenserwartung hoch, die Mortalität ge-ring und der Zugang zu qualitativ hochwertiger medizinischer Versorgung dem Großteil der Bevölkerung leicht möglich sind, zeigen sich ähnliche Strukturen. So geben die USA und Europa ca. 1-2 % ihres jährlichen Gesundheitsbudgets für die Behandlung der Herzinsuffizienz aus, wobei in Relation gesehen die USA mit 28,4 % den größten Anteil an den weltweiten Gesund-heitsausgaben für Herzinsuffizienz stellen. Der europäische Anteil beträgt 6,8 %.262

Als jährliche Therapiekosten eines Herzinsuffizienz-Patienten geben Zuck et al. für Deutsch-land zwischen 14.297 EUR und 19.762 EUR an. Größte Ausgabentreiber sind dabei Kosten für stationäre Aufenthalte, gefolgt von Kosten für die Arzneimitteltherapie.263 Zudem korrelieren

257 Vgl. Statistisches Bundesamt 2017.

258 Vgl. Statistisches Bundesamt 2017.

259 Vgl. Christ et al. 2016, S. 1009f.

260 Zum Zeitpunkt der Recherche aktuellste verfügbare Zahlen.

261 Vgl. Cook et al. 2014, S. 371.

262 Vgl. ebd., S. 369.

263 Vgl. Zugck et al. 2010, S. 634; Neumann et al. 2009, S. 274.

die Therapiekosten stark mit der NYHA-Klassifizierung der Patienten. Czech et al. und Delgado et al. wiesen nach, dass das ökonomische Ausmaß der Herzinsuffizienz von der NYHA-Klasse abhängig ist und die Kosten mit höher werdender Klassifizierungsstufe ansteigen. Patienten in NYHA-Klasse IV verursachen laut Czech et al. 70 % der jährlichen Gesamtkosten.264 Weitere Kostentreiber sind neben der NYHA-Klassifizierung v.a. Komorbiditäten wie die renale Dys-funktion oder Diabetes Mellitus, auf die etwa 75 % aller Rehospitalisierungen zurückzuführen sind.265 Dunlay et al. zeigten, dass Diabetes Mellitus die Gesamtgesundheitskosten von Pati-enten mit chronischer Herzinsuffizienz bis ans Lebensende um etwa 25 % erhöht.266 Auch Bog-ner et al. attestierten dem Diabetes Mellitus einen substantiellen Einfluss auf die Therapie-kosten einer Herzinsuffizienz und wiesen auf eine Verlängerung der Krankenhausaufenthalte sowie eine insgesamt schlechtere Prognose hin.267 Anhand der folgenden Tabelle 3 werden die Krankheitskosten der CHF des Jahres 2015 auf die verschiedenen Einrichtungen der Be-handlung und Therapie aufgeteilt:

Tabelle 3: Krankheitskosten einer CHF nach Einrichtung im Jahr 2015.

Einrichtung

Krankheitskosten

in Mio. EUR Anteil in % Stationäre oder teilstationäre Einrichtungen

Krankenhäuser 2.322 46,8

Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen 14 0,3

Stationäre oder teilstationäre Pflege 937 17,8

Gesamt 3.273 62,1

Ambulante Einrichtungen

Ambulante Pflege 769 9,1

Apotheken 243 7,9

Arztpraxen 280 5,8

Gesundheitshandwerk oder -einzelhandel 56 1,9

Sonstige medizinische Praxen 23 1,0

Gesamt 1.371 26,0

Sonstige Einrichtungen

Verwaltung 223 4,9

Rettungsdienst 107 2,2

Ausland 6 0,1

Sonstige Einrichtungen und private Haushalte 294 5,6

Gesamt 630 11,9

Summe 5.274 100

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2017.

264 Vgl. Czech et al. 2013, S. 231; Delgado et al. 2014, S. 649.

265 Vgl. Bogner et al. 2010, S. 458; Delgado et al. 2014, S. 649; Stafylas et al. 2017, S. 928.

266 Vgl. Dunlay et al. 2011, S. 74.

267 Vgl. Bogner et al. 2010, S. 459.

Die Kostenverteilung spiegelt die Charakteristik der CHF mit häufigen stationären Aufenthten und der Notwendigkeit einer lebenslangen ärztlichen und pflegerischen Betreuung vor al-lem im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium wider. So zeigt sich in Tabelle 3, dass nahezu die Hälfte der Krankheitskosten einer Herzinsuffizienz durch Krankenhausaufenthalte verur-sacht wird, gefolgt von stationären, teilstationären und ambulanten Pflegeleistungen. Auf Apotheken entfallen aufgrund der intensiven medikamentösen Therapie 7,9 % der Krankheits-kosten und auf die Nachfolgebehandlung durch niedergelassene Ärzte 5,8 %.

Insgesamt verursachen Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz etwa das 2,3-fache der durchschnittlichen Gesamtkosten pro Krankenversichertem und Jahr.268 Damit steht die Erkrankung fortlaufend in der Diskussion um eine nachhaltige Allokation begrenzter Ressour-cen im Gesundheitswesen.269 Die hohe Prävalenz und Inzidenz unterstreichen dabei die Last, die durch die Erkrankung für das deutsche Gesundheitswesen einhergeht. Trotz des Rück-gangs in den letzten Jahren besteht vor dem Hintergrund der Hospitalisierungs- sowie Morta-litätsraten ein Bedarf an der frühzeitigen Erkennung der Erkrankung an sich bzw. einer früh-zeitigen Erkennung des Fortschreitens der Erkrankung (etwa durch eine Dekompensation) und einer Behandlung, welche dies ermöglicht. Hierzu können die enge Vernetzung der beteiligten Akteure und die sektorenübergreifende Versorgung einen Beitrag leisten.270