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Prädiktion der Vereinbarkeit von Arbeitszeit und Familie/Freizeit Um, aufbauend auf den bisherigen Ergebnissen, ein Gesamtmodell zur Vorhersage

5 Lange Arbeitszeiten und Beeinträchtigungen der sozialen Teilhabe

5.1.3 Prädiktion der Vereinbarkeit von Arbeitszeit und Familie/Freizeit Um, aufbauend auf den bisherigen Ergebnissen, ein Gesamtmodell zur Vorhersage

der berichteten Vereinbarkeit (bzw. der Berücksichtigung privater Interessen bei der Arbeitszeitgestaltung) aus verschiedenen Arbeitszeit- und Personenmerkmalen zu erstellen, wurden multiple lineare Regressionen berechnet. Ziel dabei war es nicht nur, die Rolle der verschiedenen moderierenden Merkmale genauer zu untersuchen, sondern vor allem den Einfluss der Arbeitsdauer nach Kontrolle der moderierenden Effekte zu ermitteln und zwischen den Stichproben zu vergleichen. Die Regressionsanalysen wurden in zwei Blöcken durchgeführt. Im ersten Block wurden als unabhängige Variablen im Einschlussverfahren die biografischen Merkmale Alter, Geschlecht und Kinder im Haushalt eingefügt.

Im zweiten Block erfolgte der schrittweise Einschluss der folgenden Arbeitszeit-merkmale:

- tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit (kontinuierlich) - Häufigkeit der Tage mit ≥ 10 Std. pro Tag2

- Anzahl Überstunden3

- Häufigkeit von Arbeit an Abenden2 - Häufigkeit von Arbeit an Samstagen - Häufigkeit von Arbeit an Sonntagen

- Häufigkeit von Arbeit zwischen 23 und 5 Uhr (Nachtarbeit) - Schichtarbeit

- feste Start- und Endzeiten

- gleiche Anzahl Stunden pro Tag2 - gleiche Anzahl Tage pro Woche2 - Planbarkeit der Arbeitszeit

Als abhängige Variable wurde die berichtete Vereinbarkeit von Arbeitszeit und Familie/Freizeit bzw. die Berücksichtigung privater Interessen bei der Arbeitszeit-gestaltung in ihrer Originalskalierung (vier bzw. drei Stufen) verwendet. Die Ergeb-nisse der Regressionsanalysen sind in Tab. 5.13 bis Tab. 5.15 vergleichend dargestellt. Aufgeführt sind die Beta-Koeffizienten aller Variablen, die einen signifi-kanten Einfluss auf die Höhe der berichteten Vereinbarkeit ausüben, sowie die Varianzaufklärung der jeweiligen Gesamtmodelle.

Die Ergebnisse der Regressionsanalysen in den beiden europäischen Umfragen sind sehr konsistent (siehe Tab. 5.13). Sowohl die als signifikant im Modell verbliebenen Variablen als auch deren Regressionskoeffizienten stimmen in den Jahren 2000 und 2005 sehr gut überein und erzielen bei der verwendeten Stichprobengröße zufriedenstellende Varianzaufklärungen von etwa 20 %. Anhand der Beta-Koeffizienten der Arbeitszeitmerkmale wird deutlich, dass offensichtlich für die wahrgenommene Vereinbarkeit bestimmte Arbeitszeitmerkmale von größerer Bedeutung sind als die untersuchten Personenmerkmale. Die Dauer der wöchent-lichen Arbeitszeit hat auch nach Kontrolle aller anderen Merkmale insgesamt den größten (negativen) Einfluss aller Variablen auf die Vereinbarkeit, gefolgt von der Häufigkeit von Arbeit an Abenden und Samstagen. Dies deutet auf eine Bestätigung der theoretisch angenommenen hohen Bedeutung der Arbeitsdauer und -lage für die Vereinbarkeit von Arbeit und Freizeit hin. Weiterhin sind Merkmale der Variabilität der Arbeitszeit (wöchentlich und täglich) relevant für die Einschätzung der Vereinbarkeit, wobei eine hohe Variabilität mit schlechterer Vereinbarkeit zusammenhängt.

Kurzfristige Änderungen der Arbeitszeitpläne werden ebenfalls signifikant, erhalten dabei aber recht schwache Regressionskoeffizienten. Das Geschlecht der Befragten hat dagegen keinen signifikanten Einfluss auf die berichtete Vereinbarkeit, und auch die Merkmale Alter und Kinder im Haushalt erhalten in der Regressionsgerade nur schwache Regressionskoeffizienten. Wie auch schon in den Varianzanalysen fällt hier das Ergebnis für das Alter auf: Je älter die Befragen sind, desto besser schätzen sie die Vereinbarkeit ein. Mögliche Ursachen dafür wurden oben bereits andiskutiert.

2 nur in den europäischen Befragungen

3 nur in BB 2006 und GA 2004

Erwartungsgemäß hingegen fällt die berichtete Vereinbarkeit bei Personen mit Kindern etwas schlechter aus als bei Personen ohne Kinder.

Die Ergebnisse können insgesamt durch die hohe Übereinstimmung sowohl der Variablen als auch ihrer Koeffizienten über die beiden Stichproben hinweg als äußerst stabil und strukturell konsistent bezeichnet werden. Es wird weiterhin deutlich, dass die biografischen Merkmale nur etwa 1 % der Varianz der berichteten Vereinbarkeit aufklären, wohingegen die Arbeitszeitmerkmale in der Regressions-analyse ca. 19 % Varianzaufklärung leisten. Die wahrgenommene Vereinbarkeit hängt demnach wesentlich stärker mit den gegebenen Arbeitszeitbedingungen zusammen als mit persönlichen Konstellationen. Dabei besitzt die wöchentliche Arbeitszeit konsistent den größten Einfluss auf die Vereinbarkeit.

Tab. 5.13 Regressionskoeffizienten zur Vorhersage der Vereinbarkeit, europäische Stichproben

variable Anzahl Tage pro Woche -0,062 -0,059 variable Anzahl Std. pro Tag -0,022 -0,026

Nachtarbeit -0,069 -0,068

Schichtarbeit -0,089 -0,089

Änderungen der AZ-Pläne -0,066 -0,031

> 10Std./Tag -0,073 -0,066

variable Start- und Endzeiten -0,036 -0,057 Varianzaufklärung R2 = .200 R2 = .197

Etwas weniger konsistent sind die Ergebnisse der deutschen Substichproben der europäischen Befragungen in Tab. 5.14. Ebenso wie in den EU 15-Stichproben übt das Geschlecht der Erwerbstätigen keinen bedeutsamen Einfluss auf die Höhe der Vereinbarkeit aus, und auch das Alter und Kinder im Haushalt besitzen eher schwache Effekte. Die Häufigkeit der Arbeit an Abenden ist konsistent über beide Stichproben von hoher Bedeutung, jedoch erzielt die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nur in der EU 2000 (DE) einen signifikanten Einfluss auf die Vereinbarkeit.

Anders als in den EU 15-Stichproben wird in den beiden deutschen Substichproben die Variable „Häufigkeit von mehr als 10 Stunden Arbeit pro Tag“ signifikant. Die

Dauer der Arbeitszeit scheint sich hier daher eher auf der täglichen als auf der wöchentlichen Basis als bedeutsam für die Höhe der Vereinbarkeit zu erweisen.

Arbeit an Wochenendtagen, variable Start- und Endzeiten sowie die Planbarkeit der Arbeitszeit werden aus dem schrittweisen Regressionsmodell ausgeschlossen. Die Modellgüte in EU 2000 (DE) ist mit einer Varianzaufklärung von knapp 20 % ähnlich stark wie in den EU 15-Stichproben, wohingegen das Modell in EU 2005 (DE) eine deutlich geringere Varianzaufklärung von etwa 15 % aufweist.

Tab. 5.14 Regressionskoeffizienten zur Vorhersage der Vereinbarkeit, deutsche Substichproben

β

Modellvariablen EU 2000 (DE) EU 2005 (DE) 1. Block:

Alter 0,087 0,077

Kinder -0,091 -0,066

Geschlecht n. s. n. s.

2. Block:

Arbeit am Abend -0,152 -0,134

> 10Std./Tag -0,163 -0,148

variable Anzahl Tage pro Woche -0,066 -0,165

Wochenarbeitszeit -0,143 n. s.

variable Anzahl Std. pro Tag -0,135 n. s.

Nachtarbeit -0,069 n. s.

Schichtarbeit n. s. 0,114

Varianzaufklärung R2 = .196 R2 = .149

Für die Vorhersage der Berücksichtigung privater Interessen bei der Arbeitszeit-gestaltung sind in den Befragungen GA 2004 und BB 2006, ebenso wie in den euro-päischen Umfragen, die Arbeitszeitmerkmale von größerer Bedeutung als die Personenmerkmale (siehe Tab. 5.15). Im Gegensatz zu den europäischen Befra-gungen ist hier die Variable „Geschlecht“ signifikant, allerdings ist die Wirkrichtung in GA 2004 derart, dass Frauen eine bessere Berücksichtigung ihrer Interessen angeben, wohingegen in BB 2006 die Männer eine bessere Berücksichtigung berichten. Das Alter der Befragten hat keinen und das Vorhandensein von Kindern nur in BB 2006 einen signifikanten Einfluss auf die Berücksichtigung privater Interessen. Als einflussreichste Variable mit den höchsten Regressionskoeffizienten stellt sich in beiden Datensätzen wiederum die Wochenarbeitszeit heraus, gefolgt von der Arbeit an Samstagen. Die weiteren Arbeitszeitmerkmale (Schichtarbeit, Nachtarbeit, Überstunden, variable Start- und Endzeiten sowie Arbeit an Sonntagen) werden nicht konsistent in beiden Stichproben signifikant und üben eher schwache Effekte auf die Berücksichtigung privater Interessen aus. Die Modellgüte ist in beiden Befragungen mit 10 % bzw. 8 % Varianzaufklärung wesentlich schlechter als in den

europäischen Daten, verbessert sich aber deutlich gegenüber der Varianzaufklärung der Arbeitsdauer alleine (s. o.).

Tab. 5.15 Regressionskoeffizienten zur Vorhersage der Berücksichtigung privater Interessen bei der Arbeitszeitgestaltung

β

Modellvariablen GA 2004 BB 2006 1. Block:

Geschlecht 0,067 -0,045

Kinder im Haushalt n. s. -0,022

Alter n. s. n. s.

2. Block:

Wochenarbeitszeit -0,201 -0,218

Samstagsarbeit -0,123 -0,055

Schichtarbeit -0,077 n. s.

Anzahl Überstunden n. s. -0,082

Sonntagsarbeit n. s. -0,029

variable Start- und Endzeiten n. s. 0,026

Nachtarbeit n. s. -0,024

Varianzaufklärung R2 = .101 R2 = .083

Insgesamt lässt sich bei der Betrachtung der Ergebnisse aller sechs Stichproben feststellen, dass die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit auch nach Kontrolle möglicher konfundierender Merkmale einen bedeutsamen Zusammenhang zur berichteten Vereinbarkeit von Arbeit und Freizeit/Familie besitzt. Nur in EU 2005 (DE) konnten diesbezüglich keine Effekte nach Kontrolle der biografischen Merkmale mehr gezeigt werden. In den anderen fünf Stichproben jedoch wurde die Variable nicht nur konsistent signifikant, sondern sie erhielt sogar mit β = -0,154 bis β = -0,218 sehr ähnliche Regressionskoeffizienten. Diese Ergebnisse stützen sich somit nicht nur strukturell, sondern teils auch numerisch, und erhöhen die Validität und Generalisierbarkeit der einzelnen Befunde deutlich.

Besonders in den europäischen Umfragen wird deutlich, dass weiterhin die Arbeit zu sozial ungünstigen Zeiten, wie an Wochenenden und in den Abenden, ebenso wie (täglich und wöchentlich) unregelmäßige Arbeitszeiten einerseits bereits aus langen Arbeitszeiten resultieren können, und andererseits additiv mit der Arbeitsdauer eine Verschlechterung der Vereinbarkeit bewirken können.

5.2 Freizeitverhalten in Abhängigkeit von der wöchentlichen