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2. Literatur

2.1 Das porzine Circovirus

Die porzinen Circoviren (PCV) sind kleine, unbehüllte Viren mit einzelsträngiger und zirkulärer DNA. Das porcine circovirus type II (PCV-2) ist zusammen mit dem porcine circovirus type I (PCV-1) sowie verschiedenen aviären Circoviren dem Genus Circovirus der Familie der Circoviridae zuzuordnen. Das PCV-1 und das PCV-2 können anhand ihrer genetischen und antigenen Eigenschaften unterschieden werden, ihre Nukleotidsequenz ist zu weniger als 80% identisch (MEEHAN et al.

1998). Das PCV-1 wurde erstmalig 1974 als Kontaminante einer PK-15 Zellinie beschrieben. Es wurden hohe Seroprävalenzen in der Schweinepopulation verschiedener Staaten nachgewiesen, das Virus aber für apathogen erklärt (TISCHER et al. 1986; ALLAN et al. 1995). Im Jahr 1991 wurde erstmalig das Auftreten des postweaning multisystemic wasting syndrome (PMWS) in Kanada beschrieben und in den Folgejahren eine Korrelation zwischen dem Auftreten von PMWS und dem Nachweis von PCV-2 Antigen im Gewebe PMWS erkrankter Tiere nachgewiesen (ELLIS et al. 1998). Es werden verschiedene Krankheitsbilder beim Schwein mit PCV-2 in Verbindung gebracht (siehe unten). Auf Grundlage von Sequenzierungen wurde die Differenzierung in zwei Hauptgruppen eingeführt: PCV-2 Genotyp 1 (auch PCV-2b oder European-like) und PCV-2 Genotyp 2 (auch PCV-2a oder North American-like) (OPRIESSNIG et al. 2007). GRAU-ROMA et al. (2008a) vermuten entgegen den Erkenntnissen früherer Studien (LAROCHELLE et al. 2002, 2003) für das PCV-2 Genotyp 1 ein höheres pathogenes Potential als für das PCV-2 Genotyp 2.

2.1.2 Verbreitung des Erregers

In archivierten Gewebeproben von Schweinen eines norddeutschen Bestandes aus dem Jahr 1962 wurden PCV-2 Genomfragmente mittels PCR nachgewiesen. Dieser

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Schweinen dar. PCV-2 assoziierte Veränderungen in Gewebeproben wurden in Deutschland allerdings nicht vor 1985 beschrieben (JACOBSEN et al. 2009).

Inzwischen ist PCV-2 weltweit in den meisten Schweinebeständen nachzuweisen, der Erreger ist also ubiquitär verbreitet (SEGALES et al. 2005a). Innerhalb Europas beträgt die Nukleotididentität von Isolaten aus verschiedenen Teilen des Kontinents mindestens 95%. Der PCV-2 Genotyp 1 (2b) gelangte wahrscheinlich erst 2003 nach Nordamerika (PATTERSON et al. 2009). Die Intra-Herdenprävalenz wird vom Verlauf der Infektion (klinisch vs. subklinisch) beeinflusst (HARDING 2004). Bei vergleichenden PCR Untersuchungen von Serumproben in Herden mit und ohne PMWS Symptomatik betrug die Prävalenz 43% resp. 25 % (LAROCHELLE et al.

2003).

Außerdem scheint es regionale Unterschiede bezüglich der Auswirkungen und des Auftretens von PMWS zu geben: In Frankreich, Spanien, Italien, Großbritannien, Dänemark, den Niederlanden und Deutschland wird der Erkrankung eine sehr große Bedeutung beigemessen, während sie in Ländern wie Finnland und Australien trotz des verbreiteten Vorkommens der PCV-2 Infektion nicht auftritt (CARR 2009).

Generell nehmen die Prävalenz und Inzidenz von PMWS in den bedeutendsten Schweine produzierenden Ländern Europas seit etwa 2004 ab (SEGALES 2006). In Deutschland und Dänemark gibt es Hinweise, dass sich PCV-2, das zuerst in Regionen mit intensiver Schweineproduktion beschrieben wurde, inzwischen in Regionen mit geringerer Schweinedichte respektive kleineren Herden ausgebreitet hat (RATHKJEN et al. 2003; GROSSE BEILAGE u. BRAKMANN 2004).

2.1.3 Erregerpersistenz im Tier und Verlauf der Infektion in Herden

Unter Feldbedingungen konnten Genomfragmente von PCV-2 im Serum von Schweinen bis zu einem Alter von 22 Wochen (RODRIGUEZ-ARRIOJA et al. 2002) respektive bis zu einem Alter von 38 Wochen (TERRENI et al. 2009) nachgewiesen werden. Nach PENSAERT et al. (2004) zirkuliert PCV-2 sowohl frei als auch an peripheral blood mononuclear cells (PBMC) gebunden im Blut. Die zellgebundene Form überwiegt. Unklar ist, ob infizierte Schweine durchgehend oder intermittierend virämisch sind. LAROCHELLE et al. (2003) konnten das Virus nach natürlicher

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Infektion mindestens acht Wochen in denselben Schweinen nachweisen. Die Mechanismen der Erregerpersistenz im Schwein sind derzeit noch unklar (SEGALES et al. 2005a). In Studien in von PMWS betroffenen Beständen in Spanien und Dänemark wurde gezeigt, dass die PCV-2 Virusmenge im Blut parallel zum Rückgang der Konzentration maternaler Antikörper ansteigt und mit der Entwicklung klinischer PMWS Symptome ein Maximum erreicht (GRAU-ROMA et al. 2009).

Maternale Antikörper können bei Ferkeln bis zum Alter von vier Wochen üblicherweise PMWS, nicht aber subklinische PCV-2 Infektionen verhindern (OSTANELLO et al. 2005).

2.1.4 Erregerausscheidung

Das PCV-2 wird mit Sekreten des Respirationstraktes (Nasen-, Tracheobronchialtupfer) und der Maulhöhle (Tonsillartupfer) sowie Urin und Fäzes ausgeschieden. Die Virusmenge ist bei Schweinen mit PMWS Symptomatik an allen untersuchten Lokalisationen (u. a. Tracheobronchus, Tonsillen, Nase, Serum, Faezes, Urin) (SEGALES et al. 2005b) und im Blut (GRAU-ROMA et al. 2008b) höher als bei jenen ohne dieses Krankheitsbild. Inwieweit die, über Nasen- respektive Tonsillartupfer nachgewiesene Virusmenge mit der Virusexkretion korreliert, war lange unklar (SEGALES et al. 2005a). Erst GRAU-ROMA et al.

(2008b) konnten eine positive Korrelation zwischen Virusmenge im Blut und Virusexkretion nachweisen. GRAU-ROMA et al. (2009) sehen auch Nasen- und Rektaltupfer als geeignet zur Bewertung der PCV-2 Exkretion an, da die hier nachgewiesenen Virusmengen positiv mit denen in Serum und Lymphgewebe korreliert sind. Der intermittierende Nachweis von PCV-2 DNA mittels PCR im Samen ist ebenfalls beschrieben (HAMEL et al. 2000; LAROCHELLE et al. 2000), eine PCV-2 Virusisolierung aus diesen Proben war dabei aber nicht möglich (SEGALES et al.

2005a). MCINTOSH et al. (2006) beschreiben den Nachweis von PCV-2 DNA im Samen natürlich infizierter Eber als selten und sporadisch. Die Spermaqualität PCV-2 ausscheidender Eber ist nicht beeinträchtigt. PATTERSON et. al (PCV-2009) konnten zwischen den PCV-2 Genotypen 1 und 2 keine Unterschiede hinsichtlich der nasalen,

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Erregerausscheidung über die verschiedenen Exkretionsrouten liegt offensichtlich noch nicht vor.

2.1.5 Erregerübertragung (Routen)

Die Übertragung des Erregers erfolgt horizontal durch direkten Kontakt und zwar entweder oronasal, über Fäzes oder über Urin (OPRIESSNIG et al. 2007). Am häufigsten ist die oronasale Übertragung, sie wurde experimentell und unter Feldbedingungen nachgewiesen (ALBINA et al. 2001; SIBILA et al. 2004). Das Vorkommen und die Bedeutung einer Erregerübertragung von PCV-2 über den Samen von infizierten Ebern werden diskutiert. Zusammenfassend gibt es zwar DNA Nachweise im Samen (vgl. 2.1.4), der experimentelle Nachweis einer PCV-2 Übertragung auf die Sau über die künstliche Besamung steht allerdings noch aus.

OPRIESSNIG et al. (2007) und auch GRASLAND et al. (2008) gelang dies nicht.

Die vertikale Übertragung des Erregers über die Plazenta wurde nach experimenteller intranasaler Infektion von Sauen nachgewiesen (ALLAN et al. 1995;

PARK et al. 2005). Schon früh wurden PCV-2 Antigennachweise in verschiedenen Organen von Ferkeln eines Spätabortes beschrieben (WEST et al. 1999). Die Häufigkeit des Vorkommens einer transplazentaren Übertragung sowie deren Bedeutung für das Auftreten von Reproduktionsstörungen sind aber umstritten.

MALDONADO et al. (2005) sehen den Einfluss des PCV-2 auf Reproduktionstörungen als gering an. PENSAERT et al. (2004) stellen das Vorkommen transplazentarer Infektionen in endemisch infizierten, d.h. weitgehend immunen Sauenherden in Frage.

2.1.6 Einfluss der Immunreaktion auf den Verlauf der Infektion

Die Reaktion und die Mechanismen des Immunsystems auf die Infektion mit PCV-2 sowie der Immunstimulation, die Einfluss auf Ausprägung des PMWS nimmt, sind noch weitgehend unbekannt (SEGALES et al. 2004; SEGALES et al. 2005a).

SEGALES u. MATEU (2006) beschreiben PMWS als erworbenes Immundefizienz Syndrom (acquired immunodeficiency syndrome). Diese Bewertung basiert auf: 1)

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klinischen Aspekten (Anfälligkeit betroffener Tiere gegenüber Erregern geringerer Pathogenität und opportunistischen Keimen, wiederkehrenden Erkrankungen, Therapieresistenz, etc.), 2) pathohistiologischen Befunden (OPRIESSNIG et al.

2007), 3) Veränderungen der peripheral blood mononuclear cells (PBMC) sowie 4) veränderten Expressionsmustern der Zytokine im lymphozytären Gewebe (BRUNBORG et al. 2004; OLVERA et al. 2004).

Ungeklärt ist, welche Zellen die Replikation von PCV-2 unterstützen (OPRIESSNIG et al. 2007). Die Häufung von PCV-2 Antigen im Zytoplasma dendritischer Zellen und Makrophagen ist anscheinend das Ergebnis einer Akkumulation und weniger einer aktiven Replikation (SEGALES et al. 2005a). Die Ursache der Reduktion der Lymphozyten (OPRIESSNIG et al. 2007) sowie der Weg des Virus in seine Zielzellen und Einfluss viraler Proteine auf die Immunfunktionen des Wirtes sind derzeit noch völlig spekulativ.

Neben den erwähnten Mechanismen der angeborenen Immunabwehr, gehören mit der Bildung von Antikörpern (humorale Immunität) auch Mechanismen der adaptiven Immunantwort zur Abwehrreaktion gegen PCV-2. Bei experimentell infizierten Schweinen wurde eine Serokonversion 14 bis 28 Tage nach der Infektion beschrieben (ALLAN et al. 1999; BALASCH et al. 1999; KRAKOWKA et al. 2001). In endemisch infizierten Herden folgt dem Rückgang der Konzentration maternaler Antikörper während der Saugferkel- und Aufzuchtphase eine aktive Serokonversion zwischen der 7. und 12. Lebenswoche bzw. zwischen dem zweiten und vierten Lebensmonat (LAROCHELLE et al. 2003; SEGALES et al. 2005a). Neutralisierende und nicht-neutralisierende Antikörper sind vom Zeitpunkt der Serokonversion an bis mindestens zur 28. Lebenswoche nachweisbar (RODRIGUEZ-ARRIOJA et al. 2002).

Nach SEGALES et al. (2009) können Mastschweine gleichzeitig seropositiv und virämisch sein.

Die Antikörper gegen PCV-2 allein sind folglich nicht ausreichend, um den Erreger zu eliminieren. MEERTS et al. (2006) beschreiben ähnlich hohe Gesamtantikörperkonzentrationen subklinisch PCV-2 infizierter und klinisch betroffener Schweine, sehen aber eine Korrelation zwischen der hohen Virusreplikation klinisch betroffener Tiere und dem Fehlen neutralisierender

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Antikörper. Inwieweit sich hier für das Virus ein möglicher Mechanismus zur verstärkten Replikation bei verminderter Antikörperkonzentration auftut und inwieweit diese Beobachtungen das Verständnis der Pathogenese der PCVD voranbringen, bedarf weiterer Untersuchungen. PODGORSKA et al. (2008) formulierten, basierend auf einem Feldversuch, die Hypothese, dass eine sehr hohe Replikation des PCV-2 eine verminderte humorale Immunabwehr und damit PMWS zur Folge hat.

Über die Mechanismen der zellvermittelten Immunabwehr, als zweitem Baustein der adaptiven Immunantwort gegen das PCV-2, ist wenig bekannt. SEGALES et al.

(2009) vermuten, dass das Versagen eines Teils der adaptiven Immunantwort zur Entwicklung von PMWS führt.

2.1.7 Überlebensfähigkeit des Erregers in der Tierumgebung

Generell sind die Circoviren als kleine kompakte Viren ohne lipidhaltige Hülle bedeutend widerstandsfähiger als größere, behüllte und weniger dichte Virusarten (ROLLE u. MAYR 2002). Das Virus hält einem pH-Wert von 3, einer Exposition von Chloroform sowie Temperaturen von 56°C und 70°C für 15 Minuten stand (ALLAN et al. 1994). PCV-2 wurde aus Gewebe isoliert, das zuvor bei -70°C gelagert worden war. Zu der Dauer der Lagerung wird keine Angabe gemacht (ELLIS et al. 1998).

2.1.8 Offene Fragen

Viele offene Fragen gibt es noch in Bezug auf die sich abzeichnenden Virulenzunterschiede der PCV-2 Isolate. Bislang ist es nicht möglich die Virulenz eines Isolates zu bestimmen. Es wird allerdings für eher unwahrscheinlich gehalten, dass allein mit Hilfe dieser möglichen Virulenzunterschiede die bemerkenswerten Variationen im klinischen Verlauf der PCV-2 bedingten Erkrankungen vollständig erklärt werden könnten (OPRIESSNIG et al. 2007). Weiterhin sind die Mechanismen der Erregerpersistenz im Schwein, die Ausscheidungsdauer, die Bedeutung des PCV-2 für Reproduktionsstörungen sowie Fragen zum Einfluss des Erregers auf das Immunsystem ungeklärt.

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