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5.1 Material und Methode

5.1.3 Einschätzung der Zufriedenheit

In der vorliegenden Untersuchung wurden verschiedene Parameter zur Bewertung der Anwendung des Impfstoffes Ingelvac CircoFLEX® (Y-Variablen) nicht quantitativ anhand definierter Indices (z. B. zur Gleichmäßigkeit des Wachstums vor und seit

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Impfstoffanwendung oder zur Verträglichkeit) erhoben, sondern anhand von nicht objektivierbaren, teilweise auch retrospektiv erhobenen, persönlichen Einschätzungen. Diese wurden anhand der Schulnotenskala (scoring) erfasst, die sich als allen Befragten vertraut erwies.

Der kritische Leser könnte folgendes einwenden: Die Bedeutung derselben Schulnote kann für zwei Personen abhängig von ihrer persönlichen (Schul-) Vergangenheit, vom Anspruch an die eigene Arbeit und die Leistungen der Herde sowie abhängig von nur im Idealfall vorhandenen Vergleichen des eigenen mit anderen Beständen völlig unterschiedlich sein (Schulnote 2 ist für Person A Ausdruck höchster Zufriedenheit, bei Person B bleiben noch Wünsche offen).

Folglich könnte man anmerken, dass hier subjektive Urteile, getroffen von Personen unterschiedlicher Berufsgruppen anhand verschiedenster, nicht definierter Maßstäbe für die weitere Auswertung zusammengefasst und verglichen wurden. Zur Klärung dieses Einwands sollte das Ziel der Untersuchung in Erinnerung gerufen werden: Die Benennung von Einflussfaktoren auf die Zufriedenheit mit einem Impfstoff.

Zufriedenheit - bzw. Unzufriedenheit (satisfaction - dissatisfaction) wird im Marketing als „das Gefühl von Freude oder Enttäuschung aufgrund eines Vergleiches zwischen den Erwartungen an ein Produkt/ eine Dienstleistung und der tatsächlich erbrachten Leistung“ definiert bzw. als „Abwesenheit von Unzufriedenheit“, wobei die Unzufriedenheit ihrerseits als „Nichterfüllung der gestellten Erwartungen“ definiert ist (ANONYM 2009b). Es handelt sich also per se um eine hochgradig subjektive Empfindung, die maßgeblich durch die eigene Erwartungshaltung beeinflusst wird.

Daraus folgt im Umkehrschluss auch, dass es nach dieser Definition nicht im Sinne des Untersuchungszieles gewesen wäre, Leistungsdaten quantitativ zu erfassen und anschließend beispielsweise aus objektiv hervorragenden Zahlen automatisch eine hohe Zufriedenheit der Tierärzte und Tierbesitzer abzuleiten. Auf diese Weise wäre der persönliche Erwartungshorizont, der die subjektive Empfindung Zufriedenheit maßgeblich beeinflusst, vollständig unberücksichtigt geblieben.

Ein solches Vorgehen hätte außerdem vorausgesetzt, dass für alle Bestände verlässliches und vergleichbares Datenmaterial zu den Leistungsparametern zur Verfügung gestanden hätte (beispielsweise durchschnittlicher Zuwachs pro Tier und

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Tag im Mastbereich erfasst über mehrere Monate). Diese Forderung wäre nicht erfüllbar gewesen, da für zahlreiche Herden schon Angaben zu Mortalitäten im Mastbereich nicht ausreichend sorgfältig aufgezeichnet worden waren. Außerdem kann man einem scoring anhand der Schulnotenskala zugestehen, dass dieses, trotz einer potentiellen Voreingenommenheit (bias) bei der Vergabe, zumindest Tendenzen ausdrückt. Man kann bspw. ausschließen, dass die Schulnote 2 Ausdruck größter Unzufriedenheit ist.

Entsprechend diesen Überlegungen und der Definition der Zufriedenheit bildete der über Schulnoten ausgedrückte Grad der Zustimmung zu dem Resümee: „Meine positiven Erwartungen an die Anwendung des Impfstoffes Ingelvac CircoFLEX® in diesem Bestand haben sich erfüllt“ (Fragen I.18 und II.35) direkt die Zufriedenheit von Tierarzt und Tierhalter ab.

In der Humanmedizin wurde in Befragungen beobachtet, dass die positive Bewertung eines Medikaments verstärkt werden kann, wenn im Umfeld des Befragten gängige Methoden des Pharmamarketing zugelassen sind (GRANDE et al.

2009). Ob und in welchem Umfang diese Beobachtung auch auf die Veterinärmedizin übertragbar ist, kann derzeit nicht abgeschätzt werden. Allerdings wird in der Nutztiermedizin die Effektivität eines Medikamentes vor allem über dessen Wirtschaftlichkeit beim Einsatz in einer größeren Tiergruppe bewertet und weniger über den Behandlungserfolg beim Individuum. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Tierarzt und Tierhalter in dieser Untersuchung unabhängig voneinander zu übereinstimmend positiven Einschätzungen gelangt sind.

5.1.4 Auswertung

Ziel der ersten Auswertungsschritte war es auf Grund des unerwartet einheitlichen, positven response, die Herden hinsichtlich der Zufriedenheit der Befragten mit dem Impfstoff Ingelvac CircoFLEX® zu diskriminieren. Eine solche Unterscheidung der Herden war Voraussetzung für die Identifizierung potentieller Einflussfaktoren aus der hohen Anzahl unabhängiger Variablen (X-Variablen).

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5.1.4.1 Hauptkomponentenanalyse und Clusteranalyse

Überlegungen zur Bewertung der Zufriedenheit von Kunden wurden im vorangehenden Abschnitt angestellt. Entsprechend der Definition der Zufriedenheit wurde für die vorliegende Untersuchung der Parameter „Grad der Zustimmung zum Resümee: Meine positiven Erwartungen an den Einsatz des Impfstoffes Ingelvac CircoFLEX® in diesem Bestand haben sich erfüllt“ (Frage I.18 und II.35) als direktes Abbild der Zufriedenheit der Tierärzte und Tierhalter mit dem Impfstoff Ingelvac CircoFLEX® bewertet. Dieser Parameter wurde mehrheitlich sehr positiv bis positiv (score 1 oder 2) bewertet. Die Einseitigkeit dieser Bewertung ermöglichte es nicht, eine Abgrenzung der Herden anhand dieses einzelnen Parameters vorzunehmen.

Da außerdem auch andere Parameter, die als bedeutend für die Einschätzung der subjektiven Zufriedenheit mit der Impfung definiert worden waren (Y-Variablen, responses), einbezogen werden sollten, wurden die Beziehungen dieser zueinander mittels einer Hauptkomponentenanalyse untersucht. Das Verfahren konstruierte aus den ursprünglichen Y-Variablen automatisiert neue, nicht direkt messbare Variablen, die Hauptkomponenten. Diese neuen Variablen waren unkorreliert und wurden automatisiert so angeordnet, dass ausgehend von der ersten jede nachfolgende Hauptkomponente einen geringeren Anteil der Gesamtvarianz der Variablen erklärte.

Den größten Anteil der Gesamtvarianz der Y-Variablen deckte die erste Hauptkomponente ab, alle Hauptkomponenten zusammen 100%. Bei DOHOO et al.

(1997) erklärten in einer Studie zu Risikofaktoren für Pneumonien beim Schwein die ersten sieben Hauptkomponenten 50 % der Gesamtvariablität unter den Variablen, bei ROTTHÄUSER et al. (1998) beschrieben in einer Untersuchung zum Vergleich von Schmiermitteln für Brausetabletten die ersten zwei Hauptkomponenten knapp 71 % der Varianz. Im Vergleich dazu wird das Ergebnis der vorliegenden Untersuchung (die ersten beiden Hauptkompnenten erklärten 46,92 % der Datenvariabilität) als zufriedenstellend bewertet. DOHOO et al. (1997) bewerteten es allgemein als Nachteil des Verfahrens, dass die Entscheidung, wie viele Hauptkomponenten einbezogen werden, ein willkürlicher Prozess sein könne. Der

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Multikollinearität, d. h. der sehr starken Korrelation von zwei oder mehr erklärenden Variablen.

Die Anordnung der Y-Variablen in beiden biplots (Abbildung 4 und 5) weist auf mehrere Grüppchen korrelierter Y-Variablen (responses) hin. Voraussetzung für die Auswahl einer Variablen als repräsentativer Vertreterin aller responses wäre eine starke Korrelation aller Y-Variablen gewesen. Entsprechend war eine derartige Auswahl mittels der Hauptkomponentenanalyse hier nicht möglich, d.h. mittels dieses Verfahrens konnten keine Variablen aufgedeckt werden, anhand derer ein unterschiedliches scoring Verhalten hinsichtlich der responses repräsentativ weiter hätte untersucht werden können.

Aus diesem Grund wurde unabhängig von der Hauptkomponentenanalyse eine Clusteranalyse mit denselben Y- Variablen (responses) durchgeführt. Das Clustering resultierte in der Festlegung von zwei möglichen Ausprägungen einer kategoriellen Ergebnisvariable: Eine Herde wurde entweder dem green cluster oder dem red cluster zugeordnet. Diese Zuordnung bildete folglich die Zufriedenheit der Anwender mit dem Impfstoff Ingelvac CircoFLEX® ab und war Ausgangspunkt aller weiteren Analyseschritte.

In die Hauptkomponentenanalyse und das Clustering wurden nur diejenigen Herden einbezogen werden, die keine missing values für definierte Y-Variablen enthielten, da fehlende Angaben die Berechnungen verzerrt hätten. Deshalb erfolgte an dieser Stelle eine Reduktion der Anzahl der Datensätze (group 1: n = 125; group 2: n = 106).

Fazit

Das Prüfen und anschließende Verwerfen eines Analyseverfahrens (Hauptkomponentenanalyse) ist der unerwartet einseitigen, positiven response und der Vielzahl der Parameter, die der Einschätzung der Zufriedenheit dienten, geschuldet. Die Clusteranalyse bot die Möglichkeit, die Herden trotz dieser Einseitigkeit zu diskriminieren und auf dieser Grundlage in den Folgeschritten Einflussfaktoren auf die Zufriedenheit mit Ingelvac CircoFLEX® zu identifizieren.

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5.1.4.2 Identifizierung von Einflussfaktoren

DOHOO et al. (1997) und STEGE et al. (2001) weisen darauf hin, dass es keine einfachen Lösungen für das komplexe Problem der Datenanalyse bei Datensätzen mit einer großen Anzahl unabhängiger Variablen (X-Variablen) gibt. Eine Identifikation der für die Fragestellung bedeutenden Einflussfaktoren erfordert vom Untersuchenden einerseits Kenntnisse zum Forschungsgegenstand und andererseits die Möglichkeit adäquate statistische Verfahren einbeziehen zu können. Auch für die vorliegende Untersuchung musste in Zusammenarbeit mit professionellen Statistikern zunächst ein Konzept zur Auswertung entwickelt werden, das einerseits der großen Anzahl der einbezogenen unabhängigen und abhängigen Variablen sowie andererseits der in dieser Deutlichkeit unerwarteten Einseitigkeit der Bewertungen Rechnung trug.

Soll eine große Anzahl unabhängiger Variablen hinsichtlich ihres potentiellen Einflusses auf eine Erkrankung oder wie in der vorliegenden Untersuchung auf die Zufriedenheit mit einer Impfung überprüft werden, wird die Auswertung insbesondere dadurch kompliziert, dass zwei oder mehrere unabhängige Variablen untereinander sehr stark korreliert sein können (Multikollinearität). In diesem Fall kann es Schwierigkeiten bereiten die jeweiligen Effekte getrennt voneinander zu bewerten. Es wird deshalb, wie auch in vorliegender Untersuchung geschehen, empfohlen und als übliches Verfahren bewertet, zunächst vorbereitend mit Hilfe einfacher statistischer Verfahren (t-Test; Fisher´s exact Test oder x² Test) die Beziehungen zwischen abhängigen und unabhängigen Variablen zu bewerten, daraufhin die Anzahl der unabhängigen ursprünglichen Variablen zu reduzieren, diese eventuell neu zu kodieren und Zusammenhänge zwischen diesen und der abhängigen Variable anschließend in multivariaten Analysen simultan auszuwerten (validation, selection, recoding) (DOHOO et al. 1997; STEGE et al. 2001).

Wegen ihrer Beliebigkeit können Kategorisierungen von Variablenausprägungen mit einer Festlegung von cut-offs, die einen bias weiterer Auswertungen bedingen, einhergehen.

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Die Ergebnisse einer zweiten Hauptkomponenten- und Clusteranalyse (ausschließlich mit Datensätzen, die für diese selektierten Variablen vollständig waren) unterstrichen die Bedeutung dieser zehn Variablen für group 1 und neun X-Variablen für group 2 für die Diskriminierung der Herden (Abbildungen 10 und 11).

Die scharfe Abgrenzbarkeit der Cluster voneinander wird als Gütekriterium der Clusteranalyse bewertet, veranschaulicht es doch eine deutliche Unähnlichkeit der Gruppen hinsichtlich eines Merkmals (hier: red und green cluster). Die Objektnähe innerhalb des Clusters spiegelte dagegen die Ähnlichkeit der Herden innerhalb der Gruppen (STAHEL 2003).

Die Selektion der X-Variablen wird folglich als schlüssig bewertet.

Eine Korrespondenzanalyse wird als hilfreiche Ergänzung oben beschriebener univariater analytischer Verfahren bewertet (DOHOO et al. 1997). Als multivariates Verfahren diente sie hier dazu, simultan die komplexen Assoziationen zwischen den Ausprägungen der Ergebnisvariable (red und green cluster) und den Ausprägungen der selektierten X-Variablen in einem zweidimensionalen Raum grafisch darzustellen und zu bewerten. Die statistische Signifikanz der Assoziationen bleibt allerdings in diesem Verfahren unberücksichtigt, Effekte sind nicht quantifizierbar, und mögliche Interaktionen können unentdeckt bleiben, so dass das Verfahren immer ergänzend und im Zusammenhang mit den Ergebnissen anderer Verfahren bewertet werden muss.

Voraussetzung jeder Art von logistischer Regression ist nach DOHOO et al. (1997) die Unabhängigkeit der Variablen voneinander. Es wird betont, dass andernfalls unterschiedliche Verfahren der Modellbildung in sehr unterschiedlichen finalen Modellen resultieren können. Eine kategorielle Ergebnisvariable (red und green cluster) ist ebenfalls Voraussetzung einer logistischen Regressionsanalyse. Für die in der vorliegenden Untersuchung angewandte sequentielle Selektionsprozedur (stepwise logistic regression analysis) wird eine Berücksichtigung von Interaktionen und Haupteffekten der Variablen beschrieben (DOHOO et al. 1997).

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Fazit

Die dringende Empfehlung von DOHOO et al. (1997) für derartige Studien im Vorfeld eine strenge Begrenzung der zu untersuchenden Einflussfaktoren (unabhängigen Variablen) vorzunehmen, um die allein aus einer großen Anzahl unabhängiger Variablen resultierenden Schwierigkeiten bei der Identifizierung von relevanten Faktoren und die Abhängigkeit von Unterstützung in statistischen Fragen zu minimieren, ist gerechtfertigt. Die Umsetzung wird allerdings durch das Ziel erschwert, möglichst alle Eventualitäten in der Untersuchung zu berücksichtigen.

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