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2.4. Neospora-Infektionen bei Hunden

2.4.7. Pathologie und Pathogenese

N. caninum ist ein intrazellulärer Parasit, der die Wirtszellen schnell durch Vermehrung der Tachyzoiten töten kann (DUBEY 1990). Der Erreger kann sichtbare schwere nekrotische Veränderungen innerhalb weniger Tage verursachen (DUBEY 1992, DUBEY u. LINDSAY 1993). Es ist unklar, ob der Erreger primär pathogen ist.

Einerseits scheint er primär pathogen zu sein, weil bei natürlich infizierten Hunden mit fataler Neosporose keine anderen ätiologischen oder modifizierenden Agenzien identifiziert wurden (DUBEY et al. 1988a), andererseits gibt es im Verhältnis zur Zahl der seropositiven Hunde nur wenige Berichte von an Neosporose erkrankten Hunden. DUBEY und LINDSAY (1990b) stellten fest, dass die exogene Zufuhr von Kortikosteroiden eine latente N.-caninum-Infektion aktivieren kann. Hieraus kann man folgern, dass eine Immunsuppression bei seropositiven Hunden möglicherweise auch unter natürlichen Bedingungen zu einer klinischen Neosporose führen kann.

N. caninum kann schwere neuromuskuläre Erkrankungen bei Hunden verursachen (DUBEY 1992, DUBEY u. LINDSAY 1996), indem der Erreger verschiedene Nervenzellen einschließlich derer der Kopf- und Spinalnerven zerstört und sich auf die Leitfähigkeit der infizierten Zellen auswirkt (MAYHEW et al. 1991, DUBEY 1992, DUBEY u. DE LAHUNTA 1993). Die Ursache der Hintergliedmaßenhyperextension ist nicht bekannt. Als Ursache denkbar ist die Kombination einer Paralyse der oberen Motoneurone und einer Myositis, die zu einer schnell fortschreitenden fibrösen Kontraktur der Muskeln und somit zu einer Fixation der Gelenke führt (MAYHEW et al. 1991).

Gewebezysten werden meistens nicht von einer Zone umgeben, in der eine Reaktion des Wirtes stattfindet. Wie lange die Zysten im ZNS persistieren ist unbekannt, jedoch können Gewebezysten bei experimentell infizierten Swiss-Webster-Mäusen mindestens noch ein Jahr p. i. gefunden werden (LINDSAY et al. 1992). Die Bildung von Granulomen um degenerierende Gewebezysten und Bradyzoiten (DUBEY et al.

1990a, 1992a, 1996b, MAYHEW et al. 1991) legt nahe, dass einige Gewebezysten zerstört werden und die nachfolgende Wirtsreaktion Entzündungsherde verursacht (DUBEY 1990, 1992).

N. caninum kann makroskopisch sichtbare Veränderungen wie Nekrosen im ZNS und in der Leber (DUBEY et al. 1988a), Granulome in den Eingeweiden (DUBEY et al. 1988a), gelblich-weiße Streifen in der Skelettmuskulatur und teilweise im Zwerchfell (DUBEY et al. 1988b, DUBEY u. LINDSAY 1990b), zerebelläre Atrophie (BJERKÅS u. PRESTHUS 1989, JACKSON et al. 1995) sowie ulzerative Dermatitis (DUBEY et al. 1988a, 1995) verursachen.

Mikroskopisch findet man eine nicht eitrige, multifokale Meningoenzephalitis mit kleinen Nekroseherden in der grauen und weißen Substanz mit Mikrogliaknötchen.

Die Entzündung der Muskulatur ist nicht eitriger Natur. Tachyzoiten lassen sich oft in den Myozyten finden. Myokarditis, Pneumonie und Hepatitis sind häufige Befunde bei der Sektion. Die Veränderungen in diesen Organen sind oft diffus und bestehen aus einer nicht eitrigen Entzündung mit Parasiten, die in den Zellen gefunden werden (DUBEY et al. 1988a, RUEHLMANN et al. 1995).

2.4.8. Behandlungsversuche

Viele Hunde, die an Neosporose erkrankten, wurden zunächst unspezifisch entsprechend der jeweils gezeigten klinischen Symptome behandelt. Hierzu wurden häufig Chloramphenicol, Kortikosteroide und Vitamin-B-Komplex-Präparate verwendet (DUBEY et al. 1990b, BURKHARDT et al. 1992, SRÉTER et al. 1992, COCHRANE u. DUBEY 1993, WOUDA et al. 1993, MORALES et al. 1995, LA PERLE et al. 2001). Diese Behandlungsversuche führten in der Regel nicht zur Genesung des Tieres.

Spezifische Behandlungsversuche wurden bei Hunden aufgrund der Ergebnisse von Studien mit Chemotherapeutika an Tachyzoiten in vitro und in vivo (LINDSAY u.

DUBEY 1990b, LINDSAY et al. 1994) sowie aufgrund der Erfahrung bei der Therapie der Toxoplasmose (MAYHEW et al. 1991) durchgeführt (BARBER u. TREES 1996).

Die in Tab. 2.7. aufgeführten Medikamente und Dosierungen wurden bevorzugt verwendet (HAY et al. 1990, McGLENNON et al. 1990, MAYHEW et al. 1991, DUBEY et al. 1995, KNOWLER u. WHEELER 1995, BARBER u. TREES 1996, LÖSCHENBERGER et al. 2000, LA PERLE et al. 2001).

Die Medikamente wurden einzeln oder in Kombination von zwei oder auch drei Wirkstoffen gegeben. Bevorzugt wurde Clindamycin verabreicht (JACOBSON u.

JARDINE 1993, KNOWLER u. WHEELER 1995, VAN HAM et al. 1996, POLI et al.

1998, PLUYE 1999, HECKEROTH et al. 2000, LA PERLE et al. 2001).

Viele spezifische Therapieversuche, die nach erfolgter Diagnosestellung oder aufgrund des Verdachtes auf Neosporose durchgeführt wurden, verliefen erfolglos und die Hunde starben oder mussten euthanasiert werden (KNOWLER u.

WHEELER 1995, BARBER et al. 1996, VAN HAM et al. 1996, HECKEROTH et al.

2000, GONDIM et al. 2001). Konnte die spezifische Therapie mit Auftreten der ersten klinischen Symptome eingeleitet werden, war sie in manchen Fällen erfolgreich (McGLENNON et al. 1990, MAYHEW et al. 1991, PANNWITZ 2001). Auch bei

54 2. Literaturübersicht

Hautmanifestationen kam es zur klinischen Genesung (POLI et al. 1998, LA PERLE et al. 2001). Bei einigen Hunden, besonders bei denen, deren Hintergliedmaßen stark betroffen waren, konnte zwar das Fortschreiten der Erkrankung gestoppt werden und eine Besserung der klinischen Symptome erreicht werden, es blieben aber Defizite, z. B. eine Hyperextension der Beckengliedmaßen, Muskelatrophie und Ganganomalien (HAY et al. 1990, KNOWLER u. WHEELER 1995, PLUYE 1999).

Die Prognose ist ungünstig bei akuten disseminierten Fällen und spätem Behandlungsbeginn. Im günstigsten Fall erholen sich 20 % der Patienten voll, und bei etwa 60 % der Patienten wird eine Besserung erzielt. Rückfälle sind jederzeit möglich (SUTER 2001). Der Erfolg der Behandlung ist abhängig von der Geschwindigkeit, mit der die Erkrankung ausbricht, und der Schwere der anfänglichen klinischen Symptome. Bei Welpen, die schwere klinische Symptome in 2 bis 3 Tagen entwickeln, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, eine Besserung zu erreichen als bei Hunden mit langsam fortschreitenden Symptomen. Der frühzeitige Beginn der Behandlung verbessert die Prognose (BARBER u. TREES 1996).

Deshalb sollte eine spezifische Behandlung sofort eingeleitet werden, wenn ein Verdacht auf Neosporose besteht. Weil die Medikamente wenige Nebenwirkungen haben und relativ preiswert sind, sollte die Behandlung auch schon vor den Ergebnissen serologischer Tests begonnen werden. Wenn der Hund auf die Behandlung anspricht, kann man eine Besserung innerhalb weniger Tage nach Beginn der Behandlung feststellen. Die Behandlung sollte mindestens so lange fortgeführt werden bis der Hund vollständig genesen ist oder keine weitere klinische Besserung gesehen wird (BARBER 1998). In publizierten Fällen variiert die Therapiedauer von 2 Wochen bis über mehrere Monate (BARBER u. TREES 1996, KORNBERG u. KOSFELD 1997).

Zurzeit gibt es kein wirksames Medikament gegen Gewebezysten (DUBEY 1999) und es existiert auch noch kein Behandlungsplan, der die diaplazentare Übertragung von N. caninum verhindert (DUBEY u. LINDSAY 1996, HEMPHILL 1999).

Tab. 2.7. Medikamente und Dosierungen zur Therapie der Neosporose beim Hund Medikament Dosierung

Clindamycin 7,5-25 mg/kg zwei- oder dreimal täglich potenzierte Sulfonamide 15-30 mg/kg zweimal täglich

Pyrimethamin 1-1,3 mg/kg täglich

2.4.9. Differentialdiagnostik

Es gibt einige andere Erkrankungen, die zu ähnlichen klinischen Symptomen wie die Neosporose führen können. Hierzu zählen Traumata, Diskopathien, Toxoplasmose und andere Infektionserkrankungen, wie z. B. Staupe und Tollwut, angeborene Neuropathien, wie z. B. die progressive Axonopathie der Boxer, lysosomale Speicherkrankheiten oder Erkrankungen, die mit einer Hypomyelinisierung einhergehen, granulomatöse Meningoenzephalopathie und andere entzündliche Erkrankungen des ZNS, Thrombembolien, Neoplasien, Vergiftungen, z. B.

Botulismus, verschiedene Arten von Myopathien oder Myositiden, einschließlich metabolischer Myopathien und Muskeldystrophien sowie andere Ursachen von Myokarditis und Pneumonie (BARBER 1998).

2.4.9.1. Toxoplasmose

Die Toxoplasmose ist eine besonders wichtige Differentialdiagnose zur Neosporose.

Bevor N. caninum bekannt war, wurde die Neosporose des Hundes häufig als Toxoplasmose fehldiagnostiziert. Retrospektive Studien konnten zeigen, dass es sich bei vielen als Toxoplasmose beim Hund diagnostizierten Fällen um eine Neosporose handelte. So fanden DUBEY et al. (1988a) N. caninum als Verursacher einer toxoplasmoseähnlichen Erkrankung bei zehn von 23 Hunden. DUBEY et al. (1990c) zeigten, dass N. caninum schon 1957 toxoplasmoseähnliche Erkrankungen bei Hunden in den USA verursachte.

Hunde infizieren sich mit T. gondii durch orale Aufnahme von zystenhaltigem Schweine-, Schaf- oder Ziegenfleisch, das weder tiefgekühlt (-18 °C) noch genügend erhitzt (66 °C) wurde. Auch kann eine Ansteckung durch Oozysten aus Katzenkot erfolgen. Die Pathogenität von T. gondii für Hunde ist gering, und die meisten angesteckten Hunde serokonvertieren, ohne klinische Symptome zu zeigen. Dabei können aber Toxoplasma-Zysten in der Muskulatur oder im Nervengewebe gebildet werden. Nur selten treten klinisch manifeste Erkrankungen bei Hunden unter einem Jahr, ferner bei immunsupprimierten, mit Glukokortikoiden behandelten oder an Begleiterkrankungen wie Staupe oder Neoplasmen leidenden Hunden auf. Je nach dem Verlauf der Erkankung und der Lokalisation der Erreger werden etwas andere Symptome verzeichnet (SUTER 2001). Die bei natürlich infizierten Hunden beschriebenen Erkrankungen lassen sich in drei Gruppen einteilen: (1) eine generalisierte Form, die bei 7 bis 12 Monate alten Tieren auftritt und mit intermittierendem Fieber, Tonsillitis, Dyspnoe, Diarrhöe und Erbrechen einhergeht;

(2) eine zentralnervöse Form, die bei über 4 Monate alten Hunden vorkommt; die Symptome wechseln je nach verändertem Gehirnabschnitt; beschrieben wurden Ataxie, Tremor, Hemiparese, Hemianopsie, Benommenheit und Schwäche; (3) die

56 2. Literaturübersicht

durch progressive Paralyse und Parese gekennzeichnete Radikuloneuritis; sie wird bei unter 3 Monate alten Welpen beobachtet (ROMMEL et al. 2000).

Da Radikuloneuritis und Polymyositis beim Hund nicht nur bei Toxoplasma-Infektionen, sondern auch bei Infektionen mit N. caninum auftreten, ist nicht auszuschließen, dass es sich zumindest bei einem Teil der in der älteren Literatur beschriebenen Toxoplasmose-Fälle in Wirklichkeit um Neosporose gehandelt hat (ROMMEL et al. 2000). Seit N. caninum bekannt ist, wurden nur noch wenige Toxoplasmose-Fälle bei Hunden publiziert. PIMENTA et al. (1993) fanden T. gondii in Geweben von zwei Hunden im Alter von 3 und 10 Monaten. Die Primärläsionen bestanden in nekrotisierender intestinaler Myositis in Verbindung mit vielen Tachyzoiten, die mit Anti-T.-gondii-Serum, nicht aber mit Anti-N.-caninum-Serum reagierten. MORALES et al. (1995) berichteten vom ersten dokumentierten Fall von Polyradikuloneuritis bei einem Hund aufgrund von Toxoplasmose nach der Entdeckung von N. caninum im Jahr 1988. BERNSTEEN et al. (1999) schrieben über die Toxoplasmose bei einem Beagle nach Nierentransplantation.

Für den Nachweis spezifischer Antikörper gegen T. gondii existieren viele Testsysteme. Der klassische, aufwendige SFT ist Referenztest, wird aber in der Praxis nur noch selten eingesetzt. Stattdessen werden der IFAT, der DAT sowie der ELISA verwendet (SUTER 2001).

Das Prinzip des SFT wird im Folgenden kurz erläutert (Abb. 2.3.).

Hitzeinaktiviertes Patientenserum wird nach Zusatz eines so genannten Aktivatorserums (accessory factor) zusammen mit lebenden Toxoplasmen bei 37 °C inkubiert. Sind Toxoplasma-Antikörper im Serum vorhanden, findet eine komplementvermittelte Zytolyse der Toxoplasmen statt und diese lassen sich mit der zugesetzten basischen Methylenblaulösung nicht mehr anfärben (positive Reaktion).

Ist das Patientenserum frei von Toxoplasma-Antikörpern, findet keine Zytolyse statt und der Farbstoff wird in die Zellen eingeschleust, die dann eine blaue Färbung (negative Reaktion) annehmen (BUNDESGESUNDHEITSBLATT 1989).