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Paramilitärische Wehrverbände: Heimwehr, Heimatschutz und Republikanischer

Heimwehr, Heimatschutz und Republikanischer Schutzbund

Eine Besonderheit des damaligen Parteiensystems aus heutiger Sicht stellte die harte gesellschaftspolitische Trennlinie zwischen den einzelnen Fraktionen dar. „[Die Lager]

basierten auf gesellschaftlichen Subsystemen, denen es gelungen war, sich weitestgehend voneinander abzuschotten.“192 An diesem Umstand waren maßgeblich die paramilitärischen Wehrverbände beteiligt, „[d]ie hohe Gewaltbereitschaft an der Basis, der Aufbau von Selbstschutzverbänden vertieften die Kluft zwischen den Lagern.“193

Nach Kriegsende war der Schutz der Bevölkerung durch den instabilen Staat nicht oder nur rudimentär gewährleistet, ein funktionierendes Exekutivorgan war speziell in ländlichen

188 Csoklich, Presse und Rundfunk, S. 716.

189 Karner, Steiermark im 20. Jh, S. 126.

190 Vgl. Wiltschegg, Heimwehr, S. 21.

191 Vgl. Karner. Steiermark im 20. Jh, S. 127.

192 Dachs, Parteiensystem, S. 152.

193 Hanisch, Schatten, S. 286.

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Gebieten nicht gegeben, und das 1920 zur Erfüllung des Vertrages von Saint Germain aus der Volkswehr heraus gegründete Berufsheer war „auf maximal 30.000 Mann mit sechsjähriger Dienstzeit und stark eingeschränkter Bewaffnung“194 begrenzt. Um sich gegen Plünderer aus dem Ausland, freigelassene Kriegsgefangene im Inland und die mittellosen Kriegsheimkehrer, die besonders im Süden und Westen ins Land strömten, zur Wehr zu setzen, bildeten Bäuerinnen und Bauern beziehungsweise LandarbeiterInnen, aber auch frühere Soldaten anfangs kleine Wachen, dann einzelne Wehren, die oftmals unter der Führung ehemaliger Offiziere standen.195 Die Wehren sollten diesen fehlenden Schutz vor allem mit den zahlreichen Waffen, die nach 1918 noch existierten, gewährleisten.196 In den Industriegebieten formierten sich die ArbeiterInnen zu sogenannten „Arbeiterhilfskorps“, im städtischen Bereich übernahmen zusätzlich Studentenverbindungen diese Aufgabe. 1920 spitzte sich die politische Lage durch den Bruch der Koalition zu, und eine (partei-)politische Instrumentalisierung der Wehrverbände ließ nicht lange auf sich warten, was auch zu einem ersten Erstarken der Wehrverbände im Allgemeinen zur Folge hatte.197 „Die politischen Lager entrissen dem Staat das Gewaltmonopol und stellten Wehrverbände auf.“198 Dies zeigte sich auch in der steigenden Gewaltbereitschaft der Bevölkerung im Laufe der 1920er Jahre:

Hand in Hand mit der innenpolitischen Konfrontation ging die Aufstellung der jeweiligen Wehrverbände, hier die Heimwehr, dort der Republikanische Schutzbund, einher. Beide gaben vor, das jeweils eigene Lager gegen Angriffe des anderen zu schützen, und waren die einen gegen den Marxismus aufgebaut, so richteten sich die anderen gegen den Faschismus.199

Die Heimwehren entstanden hauptsächlich im agrarischen Raum aus verschiedenen Selbstschutzverbänden und Bauernwehren, die sich zu größeren Organisationen zusammenschlossen und zum Teil auch landesweit operierten, wie etwa die „Tiroler Heimatwehr“ unter dem Landtagsabgeordneten Richard Steidle. Durch die Distanz der einzelnen Heimwehren voneinander und der Selbständigkeit in der Ausübung ihrer Aufgaben war ein Zusammenschluss nicht nötig. Allein der Kampf gegen den ihrer Ansicht nach drohenden Marxismus war das einigende Element zwischen den ansonsten unabhängig

194 Karner, Steiermark im 20. Jh, S. 135.

195 Vgl. Wandruszka, Nationales Lager, S. 296.

196 Vgl. Edmondson, Heimwehren, S. 262–264.

197 Vgl. Ableitinger, Unentwegt Krise, S. 73f.

198 Hanisch, Schatten, S. 126.

199 Naderer, Schutzbund, S. 13.

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operierenden Gruppierungen. „Den gemeinsamen politischen Nenner der […] Heimwehren bildete der Antibolschewismus, der in der Ablehnung der Arbeiter- und Soldatenräte und der

„Bolschewisierung Österreichs“ schon bald eine klare innenpolitische Ausrichtung erhielt.“200 Dies verband sie politisch mit den Christlichsozialen, die, wie bereits erwähnt, im Kampf gegen den Marxismus sehr bald versuchten, die Wehrverbände für sich zu gewinnen und damit ein schlagkräftiges Mittel gegen die Sozialdemokratie zu erhalten.

Das politische und paramilitärische Gegengewicht zu den zersplitterten und teils zerstrittenen Heimwehren stellte der wie seine Mutterpartei SDAP österreichweit als Einheit auftretende und straff organisierte Republikanische Schutzbund dar. Die ArbeiterInnen aus den Städten, allen voran aus Wien, aber auch anderen Industriestädten, organisierten sich Anfang der 1920er Jahre, um den aggressiv auftretenden Heimwehren entgegenzutreten. „Aus den von der damaligen Regierung bewaffneten Arbeiterwehren, Fabrikswachen und Arbeiter-Alarmbataillonen [wurde] im Frühjahr 1923 der „Republikanische Schutzbund“ aufgestellt, der zum Zeitpunkt seiner größten Macht 80 000 militärisch organisierte Mitglieder besaß, über beträchtliche Waffenbestände verfügte und von der Partei geführt, organisiert und finanziert wurde.“201

Die österreichische Heimwehrbewegung hatte eine starke steirische Komponente, die bald nach Ende des Krieges auf drei Wehrverbände in jeweils geographisch bedeutenden Arealen unterteilt werden konnten. Das untersteirische Bauernkommando, installiert, um die steirische Bevölkerung bei den Grenzstreitigkeiten mit Slowenien zu schützen, wurde seit dem

„Marburger Bluttag“ im Jänner 1919 zur wichtigsten Wehrorganisation der Südsteiermark.202 Die Heimwehren in der Mittel- und Weststeiermark beziehungsweise dem Ennstal und der

„Deutsche Volksrat“ in Judenburg waren das Gegengewicht zu den sozialdemokratischen Arbeiterhilfskorps und den Gewerkschaften in den Großbetrieben.

Die mittelsteirischen Heimwehren unter dem christlichsozialen Landeshauptmann Anton Rintelen stellten zwar steiermarkweit die kleinere Gruppe dar, profitierten aber von seinem nationalen und internationalen Netzwerk und den damit verbundenen großzügigen Geld- und Waffenlieferungen.203 Rintelen war maßgeblich für deren Erstarken verantwortlich und konnte

200 Ebda.

201 Wiltschegg, Heimwehr, S. 32.

202 Vgl. Ableitinger, Unentwegt Krise, S. 49.

203 Vgl. ebda, S. 75.

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„seinen“ Heimwehren bis 1921 Kriegsmaterial in Form von 17.000 Gewehren, 286 Maschinengewehren, Granatwerfern, Gebirgskanonen und sogar Flugzeugen zukommen lassen,204 was ihm erlaubte, sich im Laufe der 1920er Jahre mit zahlreichen Heimwehrgruppen außerhalb der Steiermark verbünden zu können.

Aus dem obersteirischen Deutschen Volksrat trat bereits 1918 der Judenburger Rechtsanwalt Walter Pfrimer hervor, der sich bei den sogenannten „Deutschen Volkstagen“ aktiv betätigte, in denen klassische deutschnationale Forderungen wie der Anschluss an den „großen Bruder“

und die Herstellung der monarchischen „alten Ordnung“ propagiert wurden.205 Pfrimer, parteipolitisch „einst Alldeutscher, dann Landbündler, […] dann Großdeutscher,“206 konnte mit dem von ihm bald darauf gegründeten „Steirischen Heimatschutz“ einen Großteil der deutschnationalen Heimwehren im Bundesland vereinigen,207 dessen Führungsmitglieder

„erprobte rechtsradikale Abenteurer [waren], die bei fast allen konterrevolutionären Unternehmen seit 1919 ihre Hand im Spiel gehabt hatten“208. „1920/21 verfügten die Bauern- und Heimwehren zusammen mit dem Wehrverband Pfrimers über rund 20.000 Freiwillige […].“209

Im Laufe der 1920er Jahre führten die Heimwehren, auch auf Grund ihrer Zersplitterung, ein Schattendasein. Dies änderte sich, als die Sozialdemokratie 1926 das „Linzer Programm“

beschloss – die Angst vor der „Diktatur des Proletariats“ trieb die Mitgliederzahlen der Heimwehren in die Höhe und ließ den Kampf gegen den Marxismus erneut aufblühen.210 Der Höhepunkt dieser Auseinandersetzungen zwischen den paramilitärischen Verbänden der beiden Lager „sozialdemokratisch“ und „antimarxistisch“ wurde im Juli 1927 erreicht, als nach dem Justizpalastbrand die österreichweiten, vom Republikanischen Schutzbund organisierten Arbeiterstreiks teils scharfe Reaktionen der Heimwehren hervorriefen. In der Obersteiermark ging dabei Pfrimers Heimatschutz besonders aggressiv vor, und nur durch zähe Verhandlungen konnte der Verkehrsstreik in der für die Sozialdemokratie wichtigen Industriezone Bruck an

204 Vgl. Karner, Steiermark im 20. Jh, S. 135f.

205 Vgl. Ableitinger, Unentwegt Krise, S. 33f.

206 Reichspost, 14.9.1931, S. 1.

207 Im Steirischen Heimatschutz wurden etwa der obersteirische Deutsche Volksrat, das Bauernkommando in der Südsteiermark, zahlreiche Wehrverbände aus dem Ennstal beziehungsweise dem Ausseerland und mehrere Grazer und Leobener Studentenverbindungen integriert.

208 Vgl. Schafranek, NS-Putsch, S. 55.

209 Karner, Steiermark im 20. Jh., S. 136.

210 Vgl. Wiltschegg, Heimwehr, S. 38.

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der Mur zu einem gewaltlosen Ende gebracht werden.211 Zwei Jahre später, am 18. August 1929 brachen bei Kundgebungen im obersteirischen Sankt Lorenzen erneut Kämpfe zwischen Schutzbund und Heimatschutz aus, die mit drei Toten und 57 Verletzten endeten. Dabei gerieten jedoch auch die Bezirksbehörden unter Druck, da sie beiden Seiten die Genehmigung für ihre Kundgebungen im selben Ort und zur selben Zeit erteilten, was einen Zusammenstoß unvermeidlich machte.212

Der gemeinsame Feind war mit der Sozialdemokratie zwar klar gezeichnet, die vielseitigen Entstehungsorte machten aber eine Solidarisierung schwierig. „Als die Heimwehrbewegung 1929/30 auf dem Höhepunkt ihrer Macht stand und einem entscheidenden Sieg nahe schien, begann sich der Mangel eines gemeinsamen politischen Programms besonders fühlbar zu machen.“213 Der „Korneuburger Eid“, in dem die Ablehnung der Demokratie und des Parteiensystems und die Forderung eines autoritären Staates unter der Führung der Heimwehren niedergeschrieben wurden, führte zum Streit mit der CSP und Bundeskanzler Schober, der die Heimwehren entwaffnen wollte. 1930 gründeten die Heimwehren entgegen ihres Eides eine eigene Partei, den „Heimatblock“, um ihren Plan eines faschistischen Österreichs „von innen heraus“ verwirklichen zu können, was intern heftig kritisiert wurde. Nichtsdestotrotz erreichte der Heimatblock bei den Nationalratswahlen im selben Jahr mit 6,2 Prozent der Stimmen acht Mandate214 und zog in den Nationalrat ein. Besonders beim Heimatschutz empfand man die Regierungsbeteiligung als Verrat an der Ideologie, und Pfrimer wollte 1931 unter Beteiligung der steirischen CSP den christlichsozialen Bundeskanzler Karl Buresch215 stürzen und „seinen“

Heimatschutz als faschistische Alleinregierung mit Gewalt etablieren. Der „Pfrimer-Putsch“

scheiterte aber mangels Unterstützung der anderen österreichischen Heimwehren, das Lager teilte sich in einen regierungstreuen und einen faschistischen Block. Pfrimer wechselte 1932 zu den Nationalsozialisten, der Steirische Heimatschutz schloss ein Jahr später unter Führung seines Nachfolgers Konstantin Kammerhofer ein Abkommen mit der NSDAP, was 1933 das Verbot beider Organisationen zur Folge hatte.216 Im Zuge der Regierungsneubildung 1932 unter Engelbert Dollfuß wurde der Heimatblock Teil der Koalition mit der CSP und dem Landbund, was die Spaltung weiter vorantrieb. Während sich der wesentlich größere regierungsfeindliche

211 Vgl. Ableitinger, Unentwegt Krise, S. 98f.

212 Vgl. Hasiba, St. Lorenzen, S. 9.

213 Wandruszka, Nationales Lager, S. 299.

214 Vgl. Dachs, Parteiensystem, S. 150.

215 Buresch war ebenso ein erklärter Feind der faschistischen Heimwehren und wollte jene entwaffnen. Vgl.

Wiltschegg, Heimwehr, S. 62f.

216 Vgl. Wandruszka, Nationales Lager, S. 308f.

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Flügel immer näher den Nationalsozialisten zuwandte und sukzessive in der ab 1933 verbotenen NSDAP aufging, arbeiteten die regierungstreuen Heimwehren als Hilfsexekutive für die Staatsführung des Austrofaschismus im „Freiwilligen Schutzkorps“ und wurden 1936 mit dem Verbot der Wehrverbände in die „Vaterländische Front“ integriert.

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3 Die österreichische Tagespresse der Zwischenkriegszeit mit besonderer Berücksichtigung der regionalen Tageszeitungen

Das Ende des Zweiten Weltkrieges und der Zerfall der Monarchie 1918 bedeutete auch den Beginn einer stark wachsenden Printmedienlandschaft in Österreich, nämlich mit dem Schaffen eines Nährbodens, auf dem die journalistische Arbeit blühen und gedeihen konnte, in welcher Qualität auch immer. „Besonders markant im Jahre 1918 war die völlige und plötzliche Aufhebung der Zensur, die die sogenannten „Revolverjournalisten“ hervorbrachte.“217 Dies hatte weitreichende Folgen, denn zwischen 1918 und 1934 erschienen so viele Tageszeitungen wie nur ein einziges Mal zuvor, als Kaiser Ferdinand I im März 1848 erstmals die Zensur abschaffte und dieser neuen Pressefreiheit folgend allein in Wien 86 Tageszeitungen gegründet wurden.218 Wirtschaftliche und fachliche Unkenntnis der Gründer einerseits und politische Entscheidungen im Zuge der Belagerung Wiens andererseits ließen allerdings den Großteil der Blätter ihr Gründungsjahr nicht überleben.219 Auch in der Zweiten Republik konnte die Zahl der Erscheinungen nicht mehr erreicht werden: „Es gab […] im Jahre 1929 in Wien nicht weniger als 27 Tageszeitungen (1984: 6!) […].“220 Der Trend der mannigfaltigen Presselandschaft hielt bis Anfang der 1930er Jahre an und endete erst mit dem Ständestaat und den rapide sinkenden Zeitungs- und Auflagenzahlen ab 1934. Auch inhaltlich veränderte sich die Berichterstattung dahingehend, dass sie sich den Gegebenheiten anpasste: „Die gespannten politischen Verhältnisse führten […] zu einer gewaltigen Aufwertung des Leitartikels, der Glosse und des Kommentars in jeder Form.“221

Diese printmediale Vielfalt war ein Merkmal der Bundeshauptstadt, auch international renommierte österreichische Zeitungen kamen bis auf sehr wenige Ausnahmen aus der Metropole. „Im Jahre 1925 hatten die Wiener Tageszeitungen 1,2 Millionen Druckauflage [lt.

Melischek, Seethaler 1,15 Mio.,222 Anm.], die gesamte Tagespresse der Bundesländer aber nur 280.000“223. Als Beispiel dafür soll die steirische Landeshauptstadt herangezogen werden,

217 Vgl. Jagschitz, Presse in Österreich. 43.

218 Vgl. Paupié, Handbuch Pressegeschichte, S. 1.

219 Vgl. ebda.

220 Wiltschegg, Heimwehr, S. 28.

221 Csoklich, Presse und Rundfunk, S. 717.

222 Melischek, Seethaler, Wiener Zeitungen, S. 12.

223 Jagschitz, Presse in Österreich, S. 46. Vgl. dazu auch Csoklich, Presse und Rundfunk, S. 719f.

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hierorts erschienen innerhalb des Zeitraumes von 1918 bis 1938 acht Grazer Tagblätter.224 Neben der boulevardesken Kleinen Zeitung225, der bürgerlich-liberalen, später deutschnationalen Tagespost226, dem sozialdemokratischen Arbeiterwille227, dem deutschnationalen Tagblatt228 und dem katholischen, sehr defizitären Grazer Volksblatt229 existierten nur kurz die deutschnationale Grazer Mittags-Zeitung230, die Grazer Zeit (am Mittag)231 und für nur einen Monat der Österreichische tägliche Kurier232. Im Gegensatz zu Wien, wo während der Zwischenkriegsjahre in Summe etwa 75 verschiedene Tageszeitungen auflagen, ist in Graz somit die Zahl der lokal erschienenen Zeitungen weitaus geringer. Die Recherchen zu den anderen Bundesländern lieferten ein teils differenziertes Ergebnis, obgleich die Zahlen aus Wien ebenfalls bei Weitem nicht erreicht werden konnten. In Klagenfurt wurden die großdeutschen Freien Stimmen, das christlichsoziale Kärntner Tagblatt und die amtliche Klagenfurter Zeitung aufgelegt,233 das nationalsozialistische Parteiblatt der Hitlerbewegung, Der Vormarsch,234 existierte nur kurz. Zusätzlich erschien in Villach, von 1920 bis 1922 täglich, danach bis 1930 zweimal wöchentlich, die Kärntner Tagespost235, somit zählte Kärnten fünf Tageszeitungen. Ebenfalls fünf Tagblätter konnten in Salzburg recherchiert werden, das meistverkaufte und meistgelesene Salzburger Volksblatt236, die antifaschistische und 1934 eingestellte Salzburger Wacht237 und die katholische Salzburger Chronik238 zählten zu den bedeutendsten. Nur kurz erschienen als Mutation des Volksblattes die Neuesten Nachrichten239 und die Salzburger Arbeiter-Zeitung240.

Bemerkenswert, was die mediale Vielfalt betrifft, war die Situation in Westösterreich. Trotz der geringen Größe der beiden Bundesländer konnten dort insgesamt zwölf Tageszeitungen

224 Die Recherche ergab für Graz eine Summe von 15 Titeln, sechs waren auf Grund von Namensänderungen tatsächlich zwei Zeitungen und drei Titel waren Nebenausgaben.

225 Vgl. Csoklich, Presse und Rundfunk, S. 721f.

226 Vgl. Graff, Karner, Leykam, S. 160.

227 Vgl. Csoklich, Presse und Rundfunk, S. 722.

228 Vgl. ORBI III, S. 564.

229 Vgl. Csoklich, Presse und Rundfunk, S. 721.

230 Vgl. Thonhofer, Grazer Mittags-Zeitung, S. 11 und S. 60.

231 Vgl. ORBI II, S. 317.

232 Vgl. ORBI III, S. 151.

233 Vgl. ALA 1927, S. 349.

234 Vgl. Duchkowitsch, NS-Presse, S. 235.

235 Vgl. ORBI II, S. 400.

236 Vgl. Kerschbaumer, Salzburgs Massenmedien, S. 397.

237 Vgl. ebda.

238 Vgl. Csoklich, Presse und Rundfunk, S. 721f.

239 Vgl. ORBI III, S. 65f.

240 Vgl. ebda, S. 226.

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recherchiert werden. In Tirol waren die wichtigsten Blätter die bürgerlich-nationalliberalen Innsbrucker Nachrichten (IN)241 mit der bis 1929 eigenständig erschienenen Nebenausgabe Neueste (Morgen)Zeitung242, der christlichsoziale (Allgemeine) Tiroler Anzeiger (TA)243 und die sozialistische Volks-Zeitung244. Kleinere Blätter waren die 1919 in der TA aufgegangenen monarchistischen Neuen Tiroler Stimmen245, das großdeutsche, 1920 gegründete Tagblatt und ab 1922 als Wochenblatt der GDVP erschienene Alpenland246 und der bis Anfang 1919 erschienene Bote für Tirol und Vorarlberg247. Neben der Vorarlberger Landeshauptstadt Bregenz mit den drei wichtigsten Zeitungen, dem katholischen Vorarlberger Volksblatt248, dem großdeutschen Vorarlberger Tagblatt249 und der amtlichen Vorarlberger Landeszeitung250 wurden auch in Dornbirn die bis 1923 sozialdemokratische und ab 1934 vaterländische Vorarlberger Wacht251 und in Feldkirch der ab 1933 werktäglich aufgelegte, antiklerikale Feldkircher Anzeiger252 produziert. In Niederösterreich ergab die Suche zwei Tageszeitungen, nämlich das 1922 erwähnte, freiheitliche St. Pöltener Tagblatt253 und der nur zwei Wochen lang nachgewiesene Bürgerliche Demokrat254, ausschlaggebend für die geringe Zahl dürfte die Nähe zu Wien gewesen sein. Im jüngsten Bundesland, dem Burgenland, konnte der 1923 gegründete Generalanzeiger für das Burgenland255 ausfindig gemacht werden, der im selben Jahr in Tagblatt256 umbenannt wurde. In Oberösterreich war die Zahl der Zeitungen mit 13 am höchsten. In Linz konnten neben der auflagenstärksten liberalen, später deutschnationalen Tages-Post257 das sozialdemokratische Tagblatt258, das katholische Linzer Volksblatt259 und die großdeutsche Ober-Oesterreichische Tageszeitung260, später Ober-Oesterreischisches

241 Vgl. Kogler, Tagespresse Tirols, S. 71f.

242 Vgl. ebda, S. 100f.

243 Vgl. ebda, S. 153f.

244 Vgl. Gehler, Medien Tirol – Vorarlberg, S. 424f.

245 Vgl. Kogler, Tagespresse Tirols, S. 144f.

246 Vgl. ebda, S. 206f.

247 Vgl. ORBI II, S. 156.

248 Vgl. Csoklich, Presse und Rundfunk, S. 721f.

249 Vgl. ebda, S. 723.

257 Vgl. Csoklich, Presse und Rundfunk, S. 720.

258 Vgl. ORBI III, S. 297.

259 Vgl. Csoklich, Presse und Rundfunk, S. 721.

260 Vgl. ORBI III, S. 87.

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Morgenblatt261 als wichtigste Tageszeitungen aufgefunden werden. Kleinere Blätter waren die vom Katholischen Pressverein bis 1925 herausgegebene Linzer Zeitung262, von 1920 bis 1924 die deutschbürgerliche Linzer Mittagspost/Morgenpost263, ab 1936 der nationalsozialistische Österreichische Beobachter264, von 1935 bis 1937 das Heimatschutz-Organ und spätere NS-nahe Blatt Die Neue Zeit265 sowie das nur kurz erschienene, getarnte NS-Blatt Alpenländische Morgenzeitung, später Zeitung am Morgen266. In Steyr erschien neben dem bis 1926 selbständig geführten sozialdemokratischen Steyrer Tagblatt267 von Jänner bis Juni 1937 die Steyrer Tageszeitung268. Weiters konnte in Gmunden die christlichsoziale Neueste Post269 und in Bad Ischl die 1925 nur zwei Wochen lang erschienene Radio-Depeschen-Zeitung270 ausfindig gemacht werden.

In Bezug auf die geographische Verbreitung der Grazer Zeitungen (ebenso aller anderen außerhalb Wiens) können diese nur als regional bezeichnet werden. „In der gesamten Ersten Republik ist es keiner einzigen Bundesländer-Zeitung gelungen, über die Landesgrenzen hinweg auch nur annäherungsweise gesamtösterreichische Beachtung zu gewinnen.“271 Einzige Ausnahme war die während der Monarchie und auch in der Republik bis in die ehemalige Untersteiermark verbreitete272 Tagespost. Umgekehrt waren aber viele der Wiener Titel in ganz Österreich verbreitet und sogar über die Staatsgrenzen hinweg bekannt, die Auflagenzahlen der wichtigsten Wiener Zeitungen in den einzelnen Bundesländern konnten dazu nicht eruiert werden. Trotz dieses medialen Schwergewichtes auf die Bundeshauptstadt – mehr als vier Fünftel der Gesamtauflage österreichischer Tageszeitungen waren dort zu finden beziehungsweise etwa zwei Drittel der für diese Arbeit recherchierten Datensätze waren Wiener Zeitungen – hatte das Ende des Kaiserreiches positive Auswirkungen auf die Regionalpresse.

„Infolge des Zerfalls der Monarchie verlor die Wiener Presse weite Absatzgebiete, gleichzeitig

261 Vgl. ebda, S. 90.

262 Vgl. ORBI II, S. 472.

263 Vgl. ebda, S. 469.

264 Vgl. ORBI III, S. 146.

265 Vgl. Gustenau, Oberösterreichische Presse, S. 378f.

266 Vgl. ebda, S. 378.

267 Vgl. ORBI III, S. 285f.

268 Vgl. ebda, S. 286.

269 Vgl. ebda, S. 66.

270 Vgl. ebda, S. 204f.

271 Csoklich, Presse und Rundfunk, S. 720.

272 Vgl. Sperl, Süd-Ost Tagespost, S. 287.

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führte die neue staatsrechtliche Lage zu einem Erstarken der Bundesländerpresse, so daß auch hier die Wiener Zeitungen an Verbreitung einbüßten.“273.

Was den Erscheinungszeitraum betrifft, konnten in der Bundeshauptstadt neun Zeitungen, die populäre, kleinformatige und gehobene Illustrierte Kronen-Zeitung274, die Volks-Zeitung275 sowie ihre Nebenausgabe, die Kleine Volks-Zeitung276, das im selben Verlag erschienene liberale Neues Wiener Tagblatt277, die bürgerlich-liberale Neue Freie Presse (NFP)278, das linksradikale, kommerzielle Boulevardblatt Der Abend279, ab 1934 Telegraf am Mittag280, das radikal-bürgerliche Neue Wiener Journal281, das katholisch-demokratische, ab 1934 regierungsoffiziöse Neuigkeits-Welt-Blatt282 und die bis September 1938 erschienene, katholisch-konservative Reichspost283 recherchiert werden, die die gesamte Periode der Zwischenkriegszeit über auflagen. Drei Tageszeitungen, allen voran das ab März 1933 unter Vorzensur gestandene sozialdemokratische Parteiblatt Arbeiter-Zeitung (AZ)284, weiters das sozialdemokratische Boulevardblatt Wiener Allgemeine Zeitung285 mit ihrer Mittagsausgabe Wiener Mittags-Zeitung286 und das 1926 gegründete tschechoslowakische Vídeňské DĚLNICKÉ LISTY (Wiener Arbeiterblatt)287 mussten im Zuge des Parteienverbotes im Austrofaschismus ihr offizielles Erscheinen am oder um den zwölften Februar 1934 einstellen.

Exakt an jenem Tag eingestellt wurde das Neue Wiener Extrablatt, das zwar zeitlich dem linksliberalen, bis 1928 aufgelegten Illustrierten Wiener Extrablatt folgte,288 aber als offizielle Parteizeitung des „Landbundes für Österreich“ gegründet wurde.289

273 Paupié, Handbuch Pressegeschichte, S. 40.

274 Vgl. Csoklich, Presse und Rundfunk, S. 719.

275 Vgl. Melischek, Seethaler, Wiener Tageszeitungen, S. 186f.

276 Vgl. ebda, S. 125f.

277 Vgl. Jagschitz, Presse in Österreich, S. 44.

278 Vgl. Gehler, Politischer Wandel, S. 23.

279 Vgl. ebda, S. 24.

280 Vgl. Melischek, Seethaler, Wiener Tageszeitungen, S. 179f.

281 Vgl. Paupié, Handbuch Pressegeschichte, S. 155f.

282 Vgl. ebda, S. 102f.

283 Vgl. ebda, S. 97f.

284 Vgl. ebda, S. 91f.

285 Vgl. ebda, S. 158f.

286 Vgl. ORBI III, S. 427.

287 Vgl. Melischek, Seethaler, Wiener Tageszeitungen, S. 181f.

288 Vgl. Paupié, Handbuch Pressegeschichte, S. 172f.

289 Vgl. Burkert, Landbund, S. 212. Paupié dürfte das Blatt irrtümlicherweise als linksliberal und der

Sozialdemokratie nahe beschrieben haben (vgl. Paupié, Handbuch Pressegeschichte, S. 173). Unterstützt wird die Annahme weiters durch eine Mitteilung des ehemaligen Verlegers des Illustrierten Wiener Extrablattes, er würde sich von der Gründung des Neuen Wiener Extrablattes distanzieren (vgl. Melischek, Seethaler, Wiener Tageszeitungen, S. 147).

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Im Vergleich dazu erschienen in der steirischen Landeshauptstadt zumindest während der Zwischenkriegszeit das Grazer Volksblatt290 von 1868 bis 1939, die Kleine Zeitung291 seit 1904 und die Tagespost292 von 1856 bis 1945. Der 1890 gegründete Arbeiterwille musste als sozialdemokratisches Parteiblatt am 12. Februar 1934 sein Erscheinen einstellen.293 Was die weiteren Bundesländer betrifft, so erschienen alle aus Vorarlberg recherchierten Zeitungen durchgehend, der 1833 gegründete Feldkircher Anzeiger bis 1933 nicht als Tageszeitung, die 1910 als Tagblatt gegründete Vorarlberger Wacht zwischen 1923 und 1934 nicht tagesaktuell.

In Tirol wurden die 1892 gegründete Volks-Zeitung, ab 1934 Organ der staatlich kontrollierten

In Tirol wurden die 1892 gegründete Volks-Zeitung, ab 1934 Organ der staatlich kontrollierten