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Für meine Eltern. Für meine Großeltern.

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Für meine Eltern.

Für meine Großeltern.

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Gernot Gölles, Bakk.phil.

Die politische Berichterstattung der Ersten Republik in Österreich

unter besonderer Berücksichtigung der regionalen Tagesprintmedien am Beispiel

Graz

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Arts

im Rahmen des Universitätslehrganges

„Medienlehrgang“

Univ.-Prof. Dr. Stefan Karner

Karl-Franzens-Universität Graz und UNI for LIFE

Graz, Dezember 2016

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Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

Ort, Datum: Unterschrift:

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Abstract

Die vorliegende Masterarbeit, die im Zuge des Medienlehrganges der Universität Graz verfasst wurde, beschäftigt sich mit der Tagespresse in Österreich zwischen 1918 und 1933/34.

Österreichs Erste Republik zeichnet sich durch große und vor allem temporeiche gesellschaftliche und politische Umbrüche aus, die sich, beginnend mit dem Wiederaufbau nach dem Ersten Weltkrieg und endend mit dem Verfall des demokratischen Systems im Austrofaschismus, in den Massenmedien jener Zeit widerspiegeln. Im Zentrum der Arbeit steht die Frage, ob beziehungsweise inwieweit die Medien jener Zeit unter dem Einfluss der etablierten politischen Parteien standen. Dazu wird zunächst eine Aufstellung aller im relevanten Zeitraum erschienenen österreichischen Tageszeitungen und – soweit verfügbar – ihrer jeweiligen Auflage erstellt, der Schwerpunkt liegt dabei auf die regionalen Titel. Daraus werden exemplarisch ausgewählte Tageszeitungen aus der Haupt- und ehemaligen Residenzstadt Wien und Zeitungen aus der steirischen Landeshauptstadt Graz herangezogen, deren Berichterstattung über besondere politische Ereignisse analysiert und mit der damaligen politischen Situation in Verbindung gebracht.

Um eine repräsentative Auswahl von politischen Ereignissen einerseits und Tageszeitungen für die Analyse andererseits treffen und damit die Frage fundiert beantworten zu können, ist die Arbeit inhaltlich in drei Teile gegliedert: Zu Beginn wird ein Überblick über die Parteien und politischen Bewegungen geschaffen, als zweiten Arbeitsschritt werden alle auffindbaren Tageszeitungen hinsichtlich Erscheinungsort, Blattlinie und Auflagenzahlen mit Fokus auf die regional aufgelegten Blätter zusammengefasst, zuletzt wird die Textanalyse durchgeführt, wobei das Hauptaugenmerk auf die politische Färbung von Meinungsbeiträgen wie Kommentaren fällt. In einem umfassenden Anhang finden sich schließlich alle im Rahmen der Arbeit zusammengetragenen Auflagenzahlen zu den österreichischen Regionaltageszeitungen bis 1938 und stehen damit für weitere Forschungsarbeiten zur Verfügung.

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Abstract (english)

The master thesis at hand, which was written for the “Medienlehrgang” study course at the University of Graz, is intended to give an overview over Austria’s daily press between 1918 and 1933/34. Austria’s First Republic is characterized by profound and, above all, fast social and political changes. Beginning with the reconstruction after the First World War and ending with the collapse of the democratic system during Austrofascism, mass media at the time were mirroring those changes. Therefore, this paper primarily focuses on the question whether the established political parties influenced the media of the time, and if so, to what extent. For this purpose, a listing of every Austrian daily newspaper (with the main focus on regional issues) relevant at the time as well as – wherever available – the respective circulation volume will therefore precede a more detailed analysis, where select daily newspapers issued in the capital and former royal seat, Vienna, as well as the state capital Graz will be analysed regarding their coverage of special political events and will then be put into context looking at the political situation at the time.

In order to representatively select political events on the one hand and daily newspapers relevant to the analysis on the other, and to answer the question above in a well-founded manner, this paper will be divided into three main parts. Firstly, an overview over the single parties and political movements will be given. Secondly, all available daily papers will be summarized, focusing on their places of publication, their editorial policies and circulation volumes in regional newspapers. Lastly, a textual analysis will give deeper insights into political undertones of opinion-forming texts such as editorials or commentaries. In an extensive appendix, circulation volumes of all Austrian regional newspapers issued before 1938 analysed in this thesis, will be listed and hence become available for further research.

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Dankesworte

Für das Gelingen dieser Masterarbeit gebührt meinem Betreuer Walter M. Iber besonderer Dank. Bei der Ideenfindung und während des gesamten Verlaufes der Arbeit konnte ich nicht nur auf seine Unterstützung und seinen konstruktiven Input zählen, sondern auch auf seine Kollegialität und motivierenden Worte, wenn die Energie schwand.

Meinem Begutachter Stefan Karner danke ich für seine stets interessanten und lehrreichen Vorlesungen, die mich für dieses historische Thema inspirierten und motivierten.

Meinen KollegInnen des Medienlehrganges möchte ich für die vielen gemeinsamen Stunden der Diskussion und des Meinungsaustausches in der „dritten Halbzeit“ danken.

Mein Dank gilt auch jenen KollegInnen, die mir nicht nur Ressourcen in Form von Platz, Geräten und viel Zeit sondern auch Zerstreuung nach langen Arbeitstagen geliefert haben und damit ebenfalls einen wichtigen Teil zur Entstehung dieser Arbeit beitrugen, Christian, Julius, Katja, Peter, Rudolf, Simone und Stefan.

Danken möchte ich besonders allen Freundinnen und Freunden, die korrekturgelesen, übersetzt, Ideen gegeben, Inhalte überprüft und in der Bibliothek Leid geteilt haben, Angelika, Anna, Isabella, Verena, Viktoria, Katharina, Martin, Theresa, Barbara, Magdalena, Marco, Maria, Stefanie, Ursula, Aida, Carina, Carmen, Nevena, Sabine, Stefanie und Tina.

Mein größter Dank gilt schließlich den Menschen, die mich begleitet, unterstützt und in Zeiten großen Zweifels nicht im Stich gelassen haben, Christiane, Nina und Paula.

Danke.

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ... 1

2 Die politische Landschaft zwischen 1918 und 1934: Die wichtigsten Parteien und Bewegungen ... 6

2.1 SDAP: Die Sozialdemokratische Deutsche Arbeiterpartei ... 7

2.2 CSP: Die Christlichsoziale Partei ... 11

2.3 GDVP: Die Großdeutsche Volkspartei ... 19

2.4 LB: Der Landbund für Österreich ... 25

2.5 NSDAP: Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei ... 28

2.6 KPÖ: Kommunistische Partei Österreichs ... 32

2.7 Paramilitärische Wehrverbände: Heimwehr, Heimatschutz und Republikanischer Schutzbund ... 33

3 Die österreichische Tagespresse der Zwischenkriegszeit mit besonderer Berücksichtigung der regionalen Tageszeitungen ... 39

3.1 Die Zeitungen der Parteien und Bewegungen ... 45

3.2 Gleiche Zeitung, wechselnde Titel ... 51

3.3 Auflagenzahlen ... 54

4 Berichterstattung über regionale Geschehnisse mit nationaler Reichweite... 57

4.1 Der „Marburger Bluttag“ während einer Kundgebung der deutschen Slowenen am Montag, dem 27. Jänner 1919 ... 58

4.2 Der Rücktritt von CSP-Bundeskanzler Michael Mayr wegen einer geplanten Volksabstimmung zum Anschluss an Deutschland am Mittwoch, dem 1. Juni 1921 .. 63

4.3 Die Ausreise des Landtagsabgeordneten und ehemaligen Finanzministers Jakob Ahrer nach Bekanntwerden mehrerer Bankenskandale Ende September 1926 ... 68

4.4 Das Ende der wegen des Schattendorfer Urteils begonnenen Streiks in der Obersteiermark am Montag, dem 18. Juli 1927 ... 72

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6

4.5 Ein Zusammenstoß zwischen Steirischem Heimatschutz und Republikanischem

Schutzbund in St. Lorenzen im Mürztal am Sonntag, dem 18. August 1929 ... 78

4.6 Der gescheiterte Putsch des Steirischen Heimatschutzes unter Walter Pfrimer am Wochenende des zwölften und 13. September 1931 ... 85

5 Zusammenfassung ... 93

6 Anhang: Auflagenzahlen österreichischer Tageszeitungen der Zwischenkriegszeit (ausgenommen Wien) ... 96

7 Abkürzungsverzeichnis ... 105

8 Quellen- und Literaturverzeichnis ... 106

8.1 Sammlungen und publizierte Quellen ... 106

8.2 Literatur ... 106

8.3 Auflagenkataloge ... 111

8.4 Zeitungen ... 114

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1

1 Einleitung

Die Zeit der Ersten Republik von 1918 bis 1934 gehört zu den prägendsten Kapiteln in der Geschichte Österreichs. Vom Ende des Ersten Weltkrieges bis zur Ausrufung des

„Ständestaates“ und der Etablierung des „Austrofaschismus“ war das Land großen gesellschaftlichen Veränderungen und Umbrüchen unterworfen. Definiert man Medien als Spiegel von Zeitgeist und Gesellschaft, so zeigt sich, über welche Macht diese verfügten und noch heute verfügen, aber auch, welche Verantwortung aus dieser Macht erwächst. Ein Missbrauch dieser Macht im politischen Sinne gipfelt schlussendlich in einer Instrumentalisierung der Medien zu Propagandazwecken wie etwa der Wiedereinführung der Zensur im Austrofaschismus oder der Gleichschaltung sämtlicher Massenmedien in der NS- Zeit. Medien sind mitunter Teil eines Machtgefüges und können politisch instrumentalisiert werden, jedoch umgekehrt auch über ihre Berichterstattung und ihre Möglichkeit, Meinungen entscheidend mitzugestalten, politische Macht ausüben.

Als das Massenmedium des beginnenden 20. Jahrhunderts schlechthin sollen in dieser Masterarbeit ausgewählte österreichische Printmedienprodukte, genauer Tageszeitungen mit einer mindestens viermaligen Erscheinung pro Woche, unter dem Aspekt der politischen Berichterstattung in Abhängigkeit vom Erscheinungsort analysiert werden. Auf die ebenfalls massenmediale Wochenpresse, deren Anteil zwischen 52 Prozent 1914 und 69 Prozent 1930 lag1 und in der Steiermark mit über fünfzig Wochenzeitungen zwischen 1918 und 1938 noch höher gewesen sein dürfte,2 wird nicht eingegangen. Als einziges meinungsbildendes Massenmedium hatte die Presse große Macht, Audio- und Videonachrichten steckten – technisch noch unausgereift – in den Kinderschuhen,3 das Radio befand sich im Anfangsstadium einer zivilen Nutzung, die ersten deutschen TV-Nachrichtensendungen wurden erst weit nach dem Zweiten Weltkrieg ausgestrahlt. Davor konnten sich Menschen visuell nur mittels Wochenschauen in den Kinos informieren, die, wie der Name schon verrät, nicht den Anspruch auf Beschaffung tagesaktueller Informationen befriedigen konnten.

Österreich verfügt noch heute über eine weltweit einzigartige Medienlandschaft, in der der Printbereich, hierbei speziell die tagesaktuelle Presse, nach wie vor gegenüber den

1 Vgl. Paupié, Handbuch Pressegeschichte, S. 42.

2 Vgl. ORBI IV.

3 Vgl. Jagschitz, Presse in Österreich, S. 45.

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audiovisuellen und elektronischen Medien eine besonders wichtige Position einnimmt.

Während andernorts die Auflagenzahlen von Zeitungen meist zu Gunsten der Online-Ausgaben stetig sinken und die Printausgaben sogar eingestellt werden,4 konnten in den letzten Jahren diejenigen der österreichischen Zeitungen im Großen und Ganzen gehalten werden.5 Eine Analyse der politischen Machtverhältnisse in der österreichischen Printmedienlandschaft der Ersten Republik kann daher auch die Basis einer Analyse zur heutigen Rolle von Zeitungen als kritische Beobachter und Meinungsmacher einerseits, als Vehikel politischer Instrumentalisierung andererseits Aufschluss geben.

Ein Blick auf diverse Publikationen zeigt, dass die österreichische Massenmedienlandschaft der Ersten Republik wissenschaftliche Resonanz in der Aufarbeitung von Parteizeitungen6, in einer Dokumentation von Wiener Tageszeitungen7 beziehungsweise nationalsozialistischer periodischer Blätter in Österreich8 findet, weiters beschäftigen sich mehrere Aufsätze in Sammelbänden mit den Zeitungen zwischen 1918 und 1934 und darüber hinaus.9 Eine Herausarbeitung der politischen Abhängigkeiten von Tageszeitungen speziell im regionalen Segment fehlt aber nach Ansicht des Autors, was exemplarisch mit der vorliegenden Masterthese versucht werden soll.

In dieser Arbeit soll nun die Frage beantwortet werden, inwieweit die Tagespresse tatsächlich von den Parteien dominiert wurde, was durch einen Vergleich der politischen Situation in Österreich mit der Berichterstattung – exemplarisch aus den beiden Städten Wien und Graz – bewerkstelligt wird. Um die Forschungsfrage fundiert beantworten zu können, sollen vorab Überblicke sowohl über die Politik der Ersten Republik als auch die österreichische Printmedienlandschaft gegeben werden. Dabei soll einerseits nicht nur Wien und Graz, sondern die Gesamtheit der österreichischen Tageszeitungen mit dem Schwerpunkt auf regionale Erscheinungen, andererseits die gesamte Zwischenkriegszeit, das heißt auch die Zeit des österreichischen Ständestaates, Berücksichtigung finden. Aus dem geschaffenen Überblick sind in weiterer Folge regionale politische Ereignisse beziehungsweise repräsentative

4 Vgl. ZEIT ONLINE, „Newsweek“ veröffentlicht letzte Printausgabe, abrufbar unter:

http://www.zeit.de/kultur/2012-12/newsweek-us-medien, 11.5.2016, 16.25 Uhr, Microsoft Internet Explorer.

5 Vgl. dazu die archivierten Auflagenzahlen der Österreichischen Auflagenkontrolle (ÖAK) von 2008 bis 2015, abrufbar unter: http://www.oeak.at/auflagedaten/download_auflagenlisten/, 11.5.2016, 16.28 Uhr, Microsoft Internet Explorer.

6 Vgl. Iber, Vom Syllabus zum Ständestaat.

7 Vgl. Melischek, Seethaler, Wiener Tageszeitungen.

8 Vgl. Duchkowitsch, NS-Presse.

9 Vgl. Csoklich, Presse und Rundfunk, Jagschitz, Presse in Österreich beziehungsweise Gehler, Medien Tirol – Vorarlberg.

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Tageszeitungen auszuwählen, um für die durchzuführende Textanalyse im Rahmen einer Masterthese zu verbleiben. Für eine Auswahl an repräsentativen Medien für die Analyse bieten sich verschiedene Möglichkeiten an, etwa ob die Blätter den Untersuchungszeitraum über durchgehend erschienen sind, oder ob ihre Auflagenzahlen eine Berücksichtigung rechtfertigen.

Letztere stellen diesbezüglich insofern einen Schwerpunkt dar, als hierzu für einen österreichweiten Vergleich keine beziehungsweise nur unzureichende Daten vorhanden sind, weshalb auch diese Recherche um die gesamte Zwischenkriegszeit vervollständigt werden soll.

Die regionale Festsetzung auf Wien und Graz wird die Auswahl der in Frage kommenden Blätter zusätzlich einschränken.

Die vorläufig definierten zeitlichen Eckpunkte für die Textanalyse sollen, beginnend mit der Gründung der Republik 1918/1919 und endend mit dem Parteienverbot im Februar 1934, einen angemessenen printmedialen Querschnitt abzeichnen. Auf Grund der Zensur und des Parteienverbotes im Ständestaat mussten zahlreiche Tageszeitungen ihre Redaktionen schließen beziehungsweise ihre journalistische Arbeit in die Illegalität verlagern. Besonders schwer traf dies die ArbeiterInnenpresse. Die Wiener Arbeiter-Zeitung10, die Salzburger Wacht11, das Steyrer Tagblatt12 in Oberösterreich oder auch der steirische Arbeiterwille13 stellten ihr offizielles Erscheinen im selben Jahr ein. Die JournalistInnen der Arbeiter-Zeitung verlagerten ihre Tätigkeit in die damalige Tschechoslowakei nach Prag und vertrieben ihr Blatt illegal in Österreich weiter.14 Während des Ständestaates von 1934 bis 1938 kann nicht mehr von einer vielfältigen Presselandschaft ausgegangen werden, weshalb jene Zeit in der Bearbeitung nicht miteinbezogen werden soll.

Bei der Auswahl der Ereignisse soll darauf geachtet werden, dass diese nicht nur in direktem Zusammenhang mit der Steiermark beziehungsweise mit Graz standen, sondern auch so hohe Priorität hatten, um auch in den Wiener Zeitungen Resonanz gefunden zu haben. Ein in Frage kommendes Thema dürften in diesem Zusammenhang die Grenzstreitigkeiten zwischen Österreich und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS-Staat) Ende 1918 bis Mitte 1919 gewesen sein. Eine wichtige Rolle dabei spielte der slowenische Kommandant Rudolf Majster (Maister), der Ende 1918 die Stadt Marburg (Maribor) unter seine Kontrolle

10 Vgl. Melischek, Seethaler, Wiener Tageszeitungen, S. 91.

11 Vgl. Kerschbaumer, Salzburgs Massenmedien, S. 397.

12 Vgl. ORBI III, S. 285.

13 Vgl. ANNO, Arbeiterwille, abrufbar unter: http://anno.onb.ac.at/info/awi_info.htm, 11.10.2016, 21.14 Uhr, Microsoft Internet Explorer.

14 Vgl. Melischek, Seethaler, Wiener Tageszeitungen, S. 91f.

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brachte und in weiterer Folge entscheidend zur Grenzziehung zu Gunsten des SHS-Staates beitrug. Die Versuche der österreichischen Politik, die Stadt zurückzuerobern, blieben wegen der Abhängigkeit von Lebensmittellieferungen aus Slowenien halbherzig beziehungsweise wurden unterlassen, was die deutschen MarburgerInnen zur Eigeninitiative und zu einer Kundgebung während des Besuches einer Kommission der Pariser Friedenskonferenz bewegte.15 Der Demonstrationszug am 27. Jänner 1919 sollte die deutsche Zugehörigkeit Marburgs demonstrieren und endete in einem Blutbad, wofür hauptsächlich Majster verantwortlich gemacht wurde. Der „Marburger Bluttag“ fand starke mediale Resonanz zumindest im Grazer Arbeiterwille,16 was zur Untersuchung weiterer Zeitungen anhält. Das Jahr 1927 erscheint ebenso beachtenswert, als im Zuge einer Kundgebung im burgenländischen Schattendorf zwei Personen, darunter ein achtjähriges Kind, erschossen wurden. Die mediale Ausschlachtung des im Juli folgenden Prozesses und der Freisprüche der Täter besonders auf sozialdemokratischer Seite war folgenschwer. Die anschließenden Protestmärsche der Arbeiterschaft, die am 15. Juli 1927 im Justizpalastbrand gipfelten, forderten 89 Tote.17 Im Hinblick auf das medial hohe Interesse dieses in einem kleinen burgenländischen Dorf stattgefundenen Vorfalles kann sich dies auch als Gradmesser für die Unterschiede zwischen Ballungszentrum und Region, zwischen Hauptstadt und Provinz erweisen. Es soll hierbei besonders auf die anschließenden Streiks der Arbeiterschaft in der Obersteiermark eingegangen werden.

Die Analyse der einzelnen veröffentlichten Artikel schließlich soll sich möglichst auf Kommentare fokussieren, da angenommen wird, dass eine politische Färbung am besten in einem Meinungsbeitrag zu finden ist.18 Unter Berücksichtigung der oben genannten Prämissen ist aus dem Pool der österreichischen Tageszeitungen eine gezielte Auswahl zu treffen, die ein möglichst breites Spektrum der damaligen Zeitungslandschaft und damit auch einen repräsentativen Querschnitt durch die damalige zeitungslesende Gesellschaft bietet. Die Zahl der zu analysierenden Blätter soll in Kombination mit der Reihe der politischen Ereignisse ein wissenschaftlich fundiertes, aber dennoch nicht den Umfang dieser Arbeit sprengendes Bild zeigen.

15 Vgl. Ableitinger, Unentwegt Krise, S. 48f.

16 Vgl. Karner, Steiermark im 20. Jh, S. 132.

17 Vgl. Botz, Territorialkämpfe, S. 11.

18 Weiters könnte auch das in den zu analysierenden Printmedien verarbeitete Bildmaterial eine Schlüsselrolle in der Analyse einnehmen, um so die Einheit aus Text und dazugehöriger Pressefotografie in der

Berichterstattung eingehender zu betrachten, dies würde aber den Umfang dieser Arbeit übersteigen.

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Die Masterthese soll im Aufbau in drei Schwerpunkte gegliedert werden. Zu Beginn wird ein Überblick über die wichtigsten Parteien und Bewegungen gegeben, was den folgenschweren politischen Verhältnissen der Ersten Republik geschuldet ist – diese Periode stellt die wohl bewegteste des vorigen Jahrhunderts, wenn nicht der gesamten Geschichte Österreichs dar. Der zweite Teil der Arbeit soll den Überblick über die österreichische Presselandschaft schaffen, dies inkludiert neben der besonderen Berücksichtigung der regionalen Tageszeitungen auch die Herausarbeitung einer in der Sekundärliteratur möglicherweise genannten Parteilinie. Bei dezidierten Parteizeitungen dürfte diese Aufgabe kein Hindernis darstellen, besonders aber bei den häufig „nur“ parteinahen Printmedien sollen jene Umstände näher betrachtet werden, die eine parteiliche Zuordnung eines Printmediums zulassen. Weiters sollen Titel zusammengefasst werden, die auf Grund von Erscheinungszeitraum und/oder Namensgleichheit oder -ähnlichkeit Vorläufer oder Nachfolger von anderen Blättern darstellen. Ebenfalls in diesem Abschnitt sollen die für die Auswahl der Zeitungen wichtigen Auflagenzahlen mit der Priorität auf österreichische Tageszeitungen außerhalb Wiens erarbeitet werden, um einen diesbezüglich fehlenden Überblick über die Presselandschaft in den Bundesländern zu ermöglichen. Den dritten Schwerpunkt stellen die Auswahl der Zeitungen beziehungsweise der politischen Ereignisse und die Analyse der ausgewählten Texte dar. Bei der Ausarbeitung soll besonders auf eine mögliche Erkennbarkeit von Parteilichkeit durch den Gebrauch bestimmter Schlagwörter oder Phrasen eingegangen werden. Im Appendix werden die im Zuge der Arbeit gesammelten Auflagenzahlen zusammengefasst und sollen damit als Grundlage weiterer Forschung in diesem Bereich dienen.

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2 Die politische Landschaft zwischen 1918 und 1934: Die wichtigsten Parteien und Bewegungen

Die parteipolitischen Lager waren im Großen und Ganzen geographisch unterteilt in die Großstadt und „rote“ Hochburg Wien und das „schwarze“ Restösterreich. Bei näherer Betrachtung müssen bedeutende Industriezentren außerhalb Wiens, wie etwa die Eisen produzierende und verarbeitende Mur-Mürz-Furche und das Mürztal in der Obersteiermark oder der Kohlebergbau in und um Köflach in der Weststeiermark bis zur Mitte der 1920er Jahre ebenfalls der Sozialdemokratie hinzugezählt werden – politisch gesehen am beständigsten blieb allerdings die Bundeshauptstadt. Der politische Dualismus „schwarze“ Provinz und „rote“

Metropole verursachte eine „Schwächung zwar nicht der territorialen, aber doch der mentalen Integrität der Republik“19. Die gelebte Mentalität „alle gegen Wien“ hatte sich früh etabliert, die bäuerliche Bevölkerung wollte die ohnehin knappen Rohstoffe und Nahrungsprodukte nach Kriegsende nicht mit dem „Wasserkopf“ Wien teilen, Straßensperren an den Landesgrenzen stoppten die Lebensmittellieferungen in die Bundeshauptstadt, die Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern, was die Versorgung Wiens betraf, wurden boykottiert. Mit dem Austritt der Sozialdemokratie aus der Bundesregierung wurde dieser Dualismus auch auf die politische Ebene gehoben, was zur Folge hatte, dass nun offiziell die Großstadt, das „rote“ Wien, mit Beschlüssen des „schwarzen“ Österreich diskriminiert wurde. Speziell durch den Finanzausgleich, also die regelmäßigen Zahlungen der Länder an den Bund, hungerte man die Hauptstadt regelrecht aus und zwang sie zu Einsparungen in ihrer Sozialpolitik.

Das Verhältnis zwischen den beiden Großparteien, das nach Kriegsende noch von koalitionären Bemühungen geprägt war, stand ständig unter Spannung, und unter dem Aspekt des Wahlkampfes wurden immer wieder Scharmützel ausgetragen. Die jeweiligen Weltanschauungen der beiden Systeme – einerseits revolutionär, andererseits konservativ – waren zu verschieden, als dass die Entscheidung der einen Seite nicht eine mitunter heftige Reaktion der anderen Seite nach sich zog, die wiederum noch heftigere Gegenstöße der ersteren Partei zur Folge hatte und so weiter. So ließ etwa der sogenannte „Glöckel-Erlass“ des damaligen SDAP-Unterrichtsministers Otto Glöckel, der die Teilnahmepflicht an religiösen

19 Lechner, Schule, S. 505.

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Übungen wie Schulgebet und Schulgottesdienst für SchülerInnen und LehrerInnen aufhob,20 naturgemäß die emotionalen Wogen bei der katholischen CSP-Führung hochsteigen, was zu groben Verstimmungen zwischen den beiden Parteien führte.21 Weitreichende gesellschaftspolitische Folgen hatten diese politischen Konfrontationen ab dem Juli 1927, „[i]n der öffentlichen Erinnerung Österreichs gilt der Brand des Justizpalastes als der Anfang vom Ende der demokratischen Epoche der Republik.“22 Ab etwa diesem Zeitpunkt konnten auch die bis dahin nur am politischen Rand existierenden nationalsozialistischen Gruppen starke Zuwächse ihrer Anhängerschaft verzeichnen. Einerseits trieben die steigenden Arbeitslosenzahlen auf Grund der herrschenden Weltwirtschaftskrise die Menschen zu den Nationalsozialisten, andererseits wurden nicht nur die mit internen Auseinandersetzungen kämpfenden Großdeutschen, sondern auch die rechts außen stehenden, radikalen Elemente der CSP und der ihnen nahestehenden Heimwehrbewegung Ende der 1920er und Anfang der 1930er von den Parolen der in Deutschland bereits an der politischen Spitze stehenden NSDAP unterminiert.

2.1 SDAP: Die Sozialdemokratische Deutsche Arbeiterpartei

Bei einem Treffen von verschiedenen ArbeiterInnenvereinen in Neudörfl 1874 wurden bereits erste Überlegungen zu einer österreichischen ArbeiterInnenpartei angestellt, gegründet wurde die SDAP schließlich am gemeinsamen Parteitag der verschiedenen Organisationen zum Jahreswechsel 1888/89 in Hainburg. Victor Adler wurde im Zuge dessen zum ersten Parteivorsitzenden gewählt und gilt damit als Begründer der österreichischen Sozialdemokratie.23 Starken Rückenwind erhielt die Bewegung im Jahr 1917 durch die russische Oktoberrevolution der Bolschewiki unter Wladimir Iljitsch Lenin, dem späteren Regierungschef Russlands, nachdem der letzte russische Kaiser, Zar Nikolaus II unter Lenins Führung abgesetzt wurde. Die daraus resultierende Nähe zum Kommunismus sollte der Sozialdemokratie bis zu ihrem Verbot 1934 besonders unter den Konservativen fortwährend den Ruf einer gefährlichen bolschewistischen Bewegung einbringen, die das Gesellschaftsgefüge aufbrechen und die herrschende Ordnung stürzen wolle. Die Distanzierung von diesem Ruf und von der revolutionären KPÖ gelang der SDAP nie vollständig.

20 Vgl. Reichspost, 12.4.1919, Morgenblatt. S. 3.

21 Vgl. Lechner, Schule, S. 506f.

22 Ableitinger, Unentwegt Krise, S. 100.

23 Vgl. Maderthaner, Sozialdemokratie, S. 177f.

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Die Mitglieder der Partei formierten sich teils aus den Industriegebieten der Österreichisch- Ungarischen Monarchie, hauptsächlich aber, auf Grund der fortschreitenden Industrialisierung, aus dem Großraum Wien heraus. „In der Ersten Republik hatte die Sozialdemokratie […] eine absolut dominierende Position in der Arbeiterschaft inne, bei den Kernschichten der Industriearbeiterschaft fast ein Monopol.“24 Die immer größer werdende Zahl an qualifizierten und in einem stabilen sozialen Umfeld lebenden, emanzipierten ArbeitnehmerInnen entwickelte sich zu einer Bewegung und ermöglichte es schließlich, die verschiedenen, anfangs lose organisierten Gewerkschaften, Vertretungen und Vereine in einer hoch zentralisierten Einheit mit starker und streng geregelter Parteiführung zusammenzuführen. Dieser Schwerpunkt auf Führung und Organisation erschien wegen der hohen Zahl an Mitgliedschaften notwendig: In der Blütezeit der Partei 1929 konnte sie über 700.000 GenossInnen zählen, davon über 400.000 in Wien.25 Diese einzelnen, teils parteinahen Fraktionen blieben in der Basis der Partei bestehen und trugen maßgeblich dazu bei, die Sozialdemokratie als eigenen Gesellschaftsentwurf zu etablieren und den interessierten proletarischen Mitgliedern unter anderem Zugang zu Wissenschaft, Kunst und Kultur zu ermöglichen, der ihnen ohne Parteimitgliedschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit verwehrt geblieben wäre.

Volksbildungseinrichtungen, Sportvereine, Kultur- und Bildungsorganisationen, lebensreformerische Vereinigungen etc. eröffneten der Arbeiterschaft den Zugang zu den Erkenntnissen der modernen Wissenschaften, der Literatur und der durchgehend hochgehaltenen Tradition der (deutschen) Aufklärung im allgemeinen.26

Neben den rationellen Benefizien der Mitglieder durch Büchereien oder eigene Hochschulen wurde eine emotionale Bindung zur Partei und die Stärkung des Gemeinschaftsbewusstseins, ähnlich den Riten in religiösen Gemeinschaften, durch Bräuche, Feste und Feiern hergestellt.

Den wichtigsten Termin stellten die Aufmärsche am ersten Mai, dem Tag der Arbeit, dar. Das Verbot des Marsches auf der Wiener Ringstraße 193327 versetzte der Sozialdemokratie einen tiefen Schlag. Durch die antiklerikale Gesinnung, die damit verbundene Abgrenzung zu den Christlichsozialen beziehungsweise der Katholischen Kirche und die eingeführten Feste und

24 Ebda, S. 182.

25 Vgl. Wiltschegg, Heimwehr, S. 31.

26 Maderthaner, Sozialdemokratie, S. 179.

27 Vgl. Wiltschegg, Heimwehr, S. 73.

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Lieder entwickelte die Sozialdemokratie eine Parallelgesellschaft, eine „gegenkulturelle Bewegung“28. Diese Etablierung einer „Ersatzreligion“ als Gegenpol zum Konservatismus hat dazu beigetragen, die gesamtgesellschaftliche Entwicklung während der Ersten Republik nachhaltig zu beeinflussen.

Eine der größten Errungenschaften der SDAP war die Revolutionierung des Wahlrechts: Nach einem von Victor Adler initiierten Protestmarsch in Wien, an dem 250.000 Menschen teilgenommen hatten, wurde 1907 das allgemeine Wahlrecht für Männer eingeführt. Im Zuge der Ausrufung Deutschösterreichs 1918 und der Ausarbeitung dessen gesetzlicher Grundlage gemeinsam mit der CSP wurde das Wahlrecht für Frauen ergänzt. Weiters zählen der soziale Wohnbau, die Jugendfürsorge und die bereits erwähnte Fort- und Weiterbildung für ArbeiterInnen zu den großen Leistungen der Sozialdemokratie.

Politisches Gewicht erlangte die SDAP bereits vor dem Ersten Weltkrieg nach den Reichratswahlen 1910 mit dem Erwachsen zur stärksten Partei, allein ein Bündnis der liberalen und nationalen Parteien verhinderte eine Mehrheit im Reichsrat. Die Wahlen zur konstituierenden Nationalversammlung, den ersten freien Wahlen für alle Männer und Frauen mit einem Mindestalter von 21 Jahren, konnte die SDAP für sich gewinnen. Grund dafür waren die Ergebnisse aus Wien mit 55,43 Prozent29 der Stimmen und 3230 der 4831 Mandate, womit die SDAP fast die Hälfte ihrer Mandate aus der Bundeshauptstadt lukrieren konnte. Auf Grund der großen Bevölkerungszahl konnten auch in Niederösterreich trotz des zweiten Platzes 15 Mandate32 errungen werden, was für das österreichweite Ergebnis entscheidend war. Die Regierungszusammenarbeit mit der zweitplatzierten CSP folgte, ab 1920 übernahm die Christlichsoziale Partei die Regierungsgeschäfte, und die SDAP ging in Opposition, in der sie bis zu ihrem Verbot verblieb. Ihr politisches Gewicht behielt die Partei jedenfalls durch ihre extrem hohen Stimmenanteile in Wien bei. Auf Grund der EinwohnerInnenzahl der Bundeshauptstadt wirkte sich dies auch auf gesamtösterreichische Ergebnisse aus, etwa mit stets um die vierzig Prozent bei Nationalratswahlen. Ihren größten Rückschlag erfuhr die Sozialdemokratie 1929 mit dem Einsetzen der Weltwirtschaftskrise, der ins Exorbitante steigenden Arbeitslosenquote und dem damit verbundenen Verlust der politischen Macht durch

28 Maderthaner, Sozialdemokratie, S. 183.

29 Vgl. Wahlen 1919, S. 35.

30 Vgl. ebda, S. 40f.

31 Vgl. ebda, S. 19.

32 Vgl. ebda, S. 40f.

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die stark sinkende Zahl der ArbeiterInnen. „Ein immer krasserer Widerspruch entstand zwischen dem zähen Festhalten der Arbeiterbewegung an den sozialen Errungenschaften der Jahre 1918/20 und ihrer ständig kleiner werdenden politischen und gesellschaftlichen Machtstellung.“33

SDAP in der Steiermark:

Die steirische Sozialdemokratie hatte „ihre“ Hochburgen schon vor der Republik in den wichtigen Eisen-Industriezentren der Obersteiermark, den Kohlewerken in der Weststeiermark und in den Grazer Industriebetrieben. Durch die Schaffung von Arbeiterbildungs- und Arbeiterkonsumvereinen, Gewerkschaften, Arbeiterkammer und Sozialversicherung34 wurde die steirische Arbeiterschaft organisiert. „Als neue politische Kraft konnte sich die Sozialdemokratie in den letzten 20 Jahren der Monarchie […] in der Steiermark die zweite Position erobern.“35 Trotz der hohen Stimmenanteile hatte sie auf Grund des Kurienwahlrechtes eingeschränkte politische Möglichkeiten im Vergleich zu den mandatsstärksten Deutschfreiheitlichen,36 doch auf dem Weg der Arbeitsniederlegungen gelang es der Partei dennoch, sich Gehör zu verschaffen. Anfang 1918 wurde dies eindrucksvoll demonstriert, als ein in Wien beginnender Streik auch auf die Steiermark überschwappte, an dem etwa 40.000 ArbeiterInnen teilnahmen.37 Bei den Wahlen zur Nationalversammlung im Februar 1919 konnte die Sozialdemokratie in der Steiermark das drittbeste Ergebnis einfahren und stellte acht von 24,38 nach Miteinberechnung der besetzten Gebiete der Untersteiermark und Korrektur des Mandatsstandes im April neun von 27 steirischen MandatarInnen.39 In der Landeshauptstadt stellte die SDAP von 1919 bis 1934, also während der gesamten Ersten Republik, den Bürgermeister in der Person Vinzenz Muchitschs, der ab 1903 auch für die Parteizeitung Arbeiterwille verantwortlich war.40 In der Landesregierung war die steirische SDAP durch Josef Pongratz vertreten, der Mitbegründer des Arbeiterwille hatte bis 1930 die Funktion des Landeshauptmann-Stellvertreters inne. Ebenfalls Mitglied der steirischen Landesregierung, Gründer des ersten Grazer Arbeiterbildungsvereines und späteren Parteiverlages „Vorwärts“41

33 Ebda, S. 193.

34 Vgl. Reichl, Der große Aufstieg, S. 83–85.

35 Karner, Steiermark im 20. Jh, S. 43.

36 Vgl. ebda, S. 48.

37 Vgl. ebda, S. 119.

38 Vgl. Wahlen 1919, S. 40f.

39 Vgl. Kommissionsbericht besetzte Gebiete 1919, S. 54.

40 Vgl. Reichl, Der große Aufstieg, S. 80f.

41 Vgl. ebda, S. 45 beziehungsweise S. 47.

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und erster Redakteur der steirischen Parteizeitung42 war der gebürtige Niederösterreicher Hans Resel.

2.2 CSP: Die Christlichsoziale Partei

Die Christlichsoziale Partei wurde 1890/91 ähnlich der SDAP durch die Zusammenfassung verschiedener katholisch-konservativer Vereine von Karl Lueger gegründet und hatte als Basis anfangs das Wiener Kleinbürgertum versammelt,43 das während der Wirtschaftskrise Ende des 19. Jahrhunderts besonders von großer Armut geprägt war. Mit dem Beginn der Krise, dem Wiener Börsenkrach in den 1870er Jahren, wurde die Schuldfrage mit Kapitalismus und Liberalismus beantwortet, „die Interessen von Christlichsozialer und Sozialdemokratischer Partei [waren sich] zunächst […] näher, als man annehmen möchte.“44 Als Verantwortliche wurden hierbei aber meist jüdische Bankiers und Industrielle aus dem Wiener Großbürgertum genannt,45 was bei den Christlichsozialen als VertreterInnen des Kleinbürgertums bereits bei ihrem Entstehen den „parteioffiziellen Antisemitismus“46 etablierte, zusätzlich wurde dieser auch in der katholischen Tradition des Antijudaismus begründet.47 Besonders Lueger bediente sich antisemitischer Parolen in seinem Wahlkampf 1896/1897, Leopold Kunschak, Gründer des

„Christlichsozialen Arbeitervereins“, erarbeitete 1919 ein Judendiskriminierungsgesetz, und im Parteiprogramm von 1932 schließlich konnte man nachlesen, „daß der Antisemitismus von jeher Teil ‚des geistigen Inhaltes‘ der Partei gewesen sei“.48

Der erste große politische Erfolg der jungen Partei stellte sich mit dem Einzug ihres Gründers Lueger ins Wiener Rathaus ein, wo dieser ab 1895 Vizebürgermeister, von 1897 bis zu seinem Tod 1910 Bürgermeister war und mit seinem „christlichen Sozialismus“49 eine Vielzahl an Reformen für die Millionenmetropole der Donaumonarchie durchbringen konnte.50 Bis nach Kriegende konnte die CSP ihre Position in der Hauptstadt erhalten, obwohl bei den Reichsratswahlen 1911 die Sozialdemokraten die meisten Stimmen und Sitze erreichten. Die

42 Vgl. ANNO, Arbeiterwille, abrufbar unter: http://anno.onb.ac.at/info/awi_info.htm, 11.10.2016, 21.14 Uhr, Microsoft Internet Explorer.

43 Vgl. Staudinger, Christlichsoziale Partei, S. 249.

44 Iber, Antimarxismus/Antisozialismus, S. 520.

45 Vgl. Kriechbaumer, Erzählungen, S. 244.

46 Staudinger, Christlichsoziale Partei, S. 266.

47 Vgl. Wohnout, Christlichsoziale, S. 186.

48 Vgl. Staudinger, Christlichsoziale Partei, S. 266.

49 Iber, Christlichsoziale Partei, S. 260.

50 Vgl. Staudinger, Christlichsoziale Partei, S. 249.

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Mehrheit im Gemeinderat erlaubte es Lueger zuvor, die Einführung des allgemeinen Wahlrechts (seit 1907) in Wien bis nach Kriegsende zu verhindern.51

Die Fusion der Christlichsozialen mit der „Katholisch-Konservativen Partei“ 1907 prägte die Bewegung nachhaltig. Der Einfluss wurde zwar durch die nunmehr besondere Nähe zur Katholischen Kirche auf ganz Österreich ausgeweitet, jedoch wurde sie damit auch zum politischen Werkzeug der Kirche.52 Die Mehrzahl der Führungsmitglieder waren Priester, die den katholischen Lehren treu waren und die politischen Wünsche der Kirche in die Partei einbrachten. Dieser sich etablierende „Politische Katholizismus im Österreich der Esten Republik sollte sich aus drei Elementen zusammensetzen: der Amtskirche, der Christlichsozialen Partei und den katholischen Verbänden und Vereinen.“53

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts konnte die CSP neben der Reichshauptstadt auch den Großteil der österreichischen Landbevölkerung für sich gewinnen und in den meisten Regionen Bauernbünde gründen,54 was aber eine Verschiebung der „innerparteilichen Gewichte zugunsten neuer sozialer Gruppierungen“55 zur Folge hatte.

War die Christlichsoziale Partei bis etwa 1907 eine Partei des Wiener Kleinbürgertums und wenigstens im Ansatz sozialreformatorisch orientiert, veränderte sie sich danach zu einer konservativen Reichspartei des deutschsprachigen besitzenden katholischen Bauern- und Bürgertums.56

Diese Änderung der Zielgruppe vom Kleinbürgertum zum Ländlichen, bedingt durch den Kurswechsel weg vom christlichen Sozialismus und hin zum katholischen Konservativismus,57 hatte zur Folge, dass bei den ersten freien Wiener Gemeinderatswahlen 1919 die Macht der Christlichsozialen gebrochen wurde. Die Sozialdemokraten konnten, wie auch in der steirischen Landeshauptstadt, jede weitere frei durchgeführte Wiener Wahl für sich entscheiden. Dieser Umstand prägte die CSP nachhaltig in ihrem Kampf gegen den Bolschewismus, der sich nun als Kampf gegen das „Rote Wien“ manifestierte. Im selben Jahr fanden die Wahlen zur konstituierenden Nationalversammlung statt, bei denen die

51 Vgl. Czeike, Lexikon Wien, S. 496.

52 Vgl. Iber, Christlichsoziale Partei, S. 260.

53 Iber, Antimarxismus/Antisozialismus, S, 519.

54 Vgl., Wohnout, Christlichsoziale, S. 181.

55 Kriechbaumer, Erzählungen, S. 251.

56 Staudinger, Christlichsoziale Partei, S. 250.

57 Vgl. Iber, Christlichsoziale Partei, S. 260.

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Christlichsozialen aus Niederösterreich, Steiermark und Oberösterreich die meisten Stimmen und mehr als die Hälfte ihrer Mandate bekamen, was sie zur zweitstärksten Kraft im Land machte.58 Eine Koalition mit der SDAP folgte, „zumal sich die deutschnationalen Parteien einer Regierungsbeteiligung verweigerten.“59 Die Hauptaufgabe des Bündnisses war die Durchführung des nötigen Umbaus der Monarchie in eine selbständige Republik, was ihr im letzten Moment, nach dem Scheitern der Koalition während der Übergangsregierung bis zur Neuwahl, auch gelang.60 Seitens der CSP war ein weiterer Grund zur Zusammenarbeit die mögliche Verhinderung einer Staatsentwicklung in eine für sie nicht gewünschten Richtung.61 Vor allem die durchzusetzenden Sozialreformen konnten die Christlichsozialen, die im eigentlichen Sinne eine Standesvertretung darstellten (beispielsweise beinhaltete der Bauernstand Großbauern und Landarbeiter), mit Parolen, die die moralische Verantwortung der Reichen, das Eigentum für alle, die Zusammenarbeit im Sinne des Gemeinwohles oder den Kampf gegen die unethischen, kapitalistischen Auswüchse der (jüdischen) Finanzwelt forderten, vertreten.62

Wegen der sich mittlerweile diametral gegenüber stehenden Ideologien63 scheiterte dieses Arbeitsbündnis aber bereits ein Jahr später, und nach den (ersten) Nationalratswahlen 1920 konnte die CSP die Führung an sich bringen und bis zum Ende der Ersten Republik halten.

Politisch waren die Christlichsozialen in ganz Österreich erfolgreich, allerdings verfehlte die Partei die absolute Mehrheit bei allen Nationalratswahlen der Ersten Republik, weshalb man auf instabile Minderheitsregierungen setzte oder auf Koalitionen angewiesen war. Dies erschwerte die Arbeit, da man die personellen Wünsche der Koalitionspartnerin in Bezug auf etwaige Ministerposten berücksichtigen musste. Im selben Jahr 1920 (bis 1930) wurde die zentrale Figur in der CSP, Ignaz Seipel, der gemeinsam mit dem Sozialdemokraten Otto Bauer die neue Verfassung ausarbeitete,64 Parteiobmann. „Der Reichsparteiobmann der Christlichsozialen galt seit der Bildung der Regierung Schober [1921, Anm.] bei Freund und Feind als der eigentlich starke Mann der österreichischen Innenpolitik.“65 Durch fortwährende

58 Vgl. Wahlen 1919, S. 40f.

59 Kriechbaumer, Erzählungen, S. 255.

60 Vgl. Wohnout, Christlichsoziale, S. 183f.

61 Vgl. Kriechbaumer, Erzählungen, S. 255.

62 Vgl. Staudinger, Christlichsoziale Partei, S. 255.

63 Wichtige Mitglieder beider Fraktionen fanden sich vor Entstehung ihrer Parteien in denselben Vereinen wie etwa Lueger und Adler bei den „Demokraten“. Vgl. dazu Kriechbaumer, Erzählungen, S. 243f.

64 Vgl. Wohnout, Christlichsoziale, S. 184.

65 Kriechbaumer, Erzählungen, S. 258.

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Attacken der Sozialdemokratie auf den Obmann wurden die Christlichsozialen indirekt im Kampf gegen Marxismus und Bolschewismus unterstützt, und dieser sollte nicht nur politisch geführt werden.

Seipel war Vorsitzender bei „Herold“, jenem katholisch-konservativen Verein, der die Reichspost herausgab, was ihm über dessen Hauptschriftleiter Friedrich Funder Zugriff auf ein mediales Sprachrohr erlaubte, das im „roten“ Wien eine beträchtliche Auflage erreichte.66 Als physisches Mittel gegen die Sozialdemokratie schließlich erkannten die Christlichsozialen – mit dem Antibolschewismus als gemeinsamen Nenner – in den Heimwehren ihre Verbündeten.

Besonders Seipel strebte eine Zusammenarbeit beziehungsweise Eingliederung an, was die Heimwehren Anfang der 1920er Jahre aus ihrem politischen – und medialen – Schattendasein führte. Die CSP plante wegen der stagnierenden Wirtschaft Maßnahmen durchzusetzen, die die Gewerkschaften geradezu zum Handeln bewegen mussten und auf die Straße trieben. „Als sich die wirtschaftliche Lage Österreichs im Frühjahr 1922 gefährlich zugespitzt hatte […], sollten die Heimwehren die Funktion einer bewaffneten Macht zur Rückendeckung für die in Aussicht genommenen Regierungsmaßnahmen gegen für möglich gehaltene Streiks und Unruhen übernehmen […].“67 Die parteipolitische Umwerbung der Heimwehren erlangte gewisse Priorität, als ihr Parteiobmann Seipel im Mai 1922 erstmals zum Bundeskanzler ernannt wurde, dieses Unternehmen blieb allerdings erfolglos und wurde im selben Jahr vorerst wieder eingestellt.68 Die langjährige ambivalente Beziehung zwischen der CSP und den teils stark heterogenen Heimwehren wurde aber eingeleitet.

Die Eigenschaft der Partei, sich aus vielen vereinzelten, im Ursprung selbständigen Gruppen und Strömungen herauszubilden, die sich auf Grund des spezifischen WählerInnenpotentiales meist auf Länderebene organisierten, machte eine Bundesführung nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Auch der sich verhärtende Kurs der Bundespartei gegen die SDAP wurde von den Landesparteien mehrheitlich nicht mitgetragen.69 Dies zeigte sich im Laufe der Ersten Republik durch ständige Dissonanzen innerhalb der Partei, vor allem zwischen der Wiener Bundesorganisation und den Landesorganisationen. Im November 1924 erlangten diese

66 Vgl. Iber, Christlichsoziale Partei, S. 266.

67 Staudinger, Christlichsoziale Partei, S. 261.

68 Vgl. ebda, S. 261f.

69 Vgl. Wohnout, Christlichsoziale, S. 184. Die Zusammenarbeit CSP/SDAP etwa in der Steiermark gestaltete sich lange Zeit hindurch konstruktiv, selbst in den krisenhaften Jahren der späten 1920er. Vgl. dazu Ableitinger, Unentwegt Krise, S. 100–119.

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Auseinandersetzungen einen Höhepunkt, nachdem die Landesorganisationen, allen voran der steirische Landeshauptmann Anton Rintelen, Seipel die Mitarbeit bei der Umsetzung eines Sparprogramms für die Länder verweigerten, der Bundeskanzler daraufhin zurücktrat und erst zwei Jahre später wieder in dieses Amt zurückkehrte.70 Mit den stärker werdenden innerparteilichen Differenzen und der Aufdeckung mehrerer Bankenskandale Mitte der 1920er Jahre, in die die Partei personell verwickelt war,71 sanken die Stimmenanteile bei den folgenden Landes- und Bundeswahlen, was die CSP immer abhängiger von anderen Parteien und Bündnissen machte. Das vermutlich bemerkenswerteste Wahlbündnis trat bei den Nationalratswahlen 1927 an, als sich die Christlichsozialen mit den Großdeutschen sowie dem Nationalsozialisten Walter Riehl und seinem „Deutschsozialen Verein“ zur „Einheitsliste“ aller antimarxistischen Parteien zusammenschlossen.72 Zum gleichen Zeitpunkt wurde auch der Wiener Landtag gewählt, aber trotz massiver (antimarxistischer) Wahlwerbung konnten die Sozialdemokraten sowohl bei den Nationalrats- als auch den Landtagswahlen Stimmenzuwächse verzeichnen.

Die immer gewaltsameren Zusammenstöße zwischen den paramilitärischen Lagern im Laufe der 1920er Jahre – hier der Republikanische Schutzbund der Sozialdemokraten, dort die den Christlichsozialen nahestehenden Heimwehren – und schließlich die folgenschweren Ereignisse im Juli 1927 veranlassten Seipel, der im Zusammenhang mit den Schattendorf- Urteilen von der sozialdemokratischen Presse besonders hart angegriffen wurde, seine politische Haltung von Grund auf zu ändern.

Das intensive und von vielen Fragen und Selbstzweifeln gekennzeichnete Ringen um eine christliche Antwort auf die politischen Ereignisse endete mit einer allmählichen Akkommodation Seipels und der Christlichsozialen Partei nach rechts in Richtung Heimwehren sowie in zunehmenden Zweifeln an der Funktionsfähigkeit des bestehenden parlamentarischen Systems.73

Die Teilung der Christlichsozialen Partei in einen rechten und einen gemäßigten Flügel kam nun als innerparteiliche Front dazu. Seipel lag nun umso mehr daran, die starken, aber ungreifbaren Heimwehren für sich zu gewinnen, auch im Hinblick auf die Etablierung einer

70 Vgl. Kriechbaumer, Erzählungen, S. 263.

71 Vgl. Ableitinger, Unentwegt Krise, S. 87f.

72 Vgl. Kriechbaumer, Erzählungen, S. 269.

73 Kriechbaumer, Erzählungen, S. 275.

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militärischen Macht zur Verteidigung des von ihm später als Alternative angedachten und von den Heimwehren schon länger geforderten autoritären Staates. Die Veröffentlichung des sozialdemokratischen „Linzer Programmes“ 1926 schürte die Angst besonders vor der

„Diktatur des Proletariats“ und trieb die Mitgliederzahlen der Heimwehren in die Höhe.74 Seipel erkannte die Chance für eine Eingliederung, wusste aber um deren politische Unwilligkeit.

„Durch die Aufforderung an die eigene Anhängerschaft zum Eintritt in die Heimwehren verfügten diese erstmals über eine Massenbasis, die jedoch von Seipel vor allem als Mittel zur Instrumentalisierung der Wehrverbände für die christlichsoziale Politik konzipiert war.“75 Nach den Nationalratswahlen 1930 kam es erstmals zur politischen Zusammenarbeit mit den Heimwehren, die als Heimatblock antraten, auf Anhieb acht Mandate erreichten und die kurzzeitige CSP-Minderheitsregierung unter Carl Vaugoin unterstützten.

Neben dieser inneren Front verhärtete sich zusätzlich jene zwischen Bundespartei und Landesorganisationen, was sich 1931 besonders an der Beteiligung der steirischen CSP am sogenannten „Pfrimer-Putsch“76 zeigte. 1932 wurden die gemäßigten Heimwehren erneut in die Regierungsbildung involviert, die Christlichsozialen unter Engelbert Dollfuß koalierten mit Heimatblock und Landbund, allerdings hatte diese Regierung nur eine hauchdünne Mehrheit, was die Regierungsarbeit weiter erschwerte.

Im März 1933 traten während einer Parlamentssitzung alle drei Nationalratspräsidenten zurück, und man musste unterbrechen, was eine nicht ordnungsgemäße Beendigung der Sitzung bedeutete. Diese Situation nahm die Parteiführung zum Anlass, auf Grundlage des

„kriegswirtschaftlichem Ermächtigungsgesetz“ von 1917 „vorerst autoritär zu regieren“77, wofür man sich neben der momentanen Regierungskrise aus weiteren Gründen veranlasst sah:

 Die Weltwirtschaftskrise von 1929 traf Anfang der 1930er Jahre Österreich mit voller Härte und sorgte für eine Abwanderung vieler WählerInnen zu den Nationalsozialisten.78

 Die Auseinandersetzungen auf der Straße zwischen Heimwehren und Schutzbund nahmen nach dem Juli 1927 in ihrer Gewalt weiterhin beispiellose Ausmaße an.

74 Vgl. Wiltschegg, Heimwehr, S. 38.

75 Kriechbaumer, Erzählungen, S. 276.

76 Vgl. S. 38.

77 Iber, Antimarxismus/Antisozialismus, S. 526.

78 Vgl. Kriechbaumer, Erzählungen, S. 280.

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 Die starken Länderorganisationen weigerten sich immer vehementer, den Kurs der Bundespartei mitzutragen und legten „seit den frühen 1930er Jahren in immer stärkerem Ausmaß eine antiparlamentarische und demokratiekritische Grundströmung“79 an den Tag.

Dollfuß sah keinen Ausweg, die Situation parlamentarisch zu bereinigen und plante, „anders als die christlichsoziale Parteiführung, zugunsten der Errichtung eines autoritären Ständestaates […] die Ausschaltung sämtlicher politischer Parteien“80 und verhinderte mit Polizeieinsatz das Zusammentreffen zur Neuwahl und zum ordnungsgemäßen Abschluss der Sitzung. Das Parlament wurde damit handlungsunfähig, und der CSP-Regierungschef konnte alleine agieren.

In weiterer Folge wurden, hauptsächlich gegen den Erzfeind und dessen Basisorganisationen, ein generelles Versammlungsverbot und die Vorzensur für sozialdemokratische Blätter eingeführt, der Republikanische Schutzbund verboten81 und nach den Aufständen im Februar 1934 schließlich die SDAP aufgelöst. Ende Mai 1933 wurde die „Vaterländische Front“

gegründet mit dem Ziel, als Einheitspartei die Christlichsoziale und alle mit ihr zusammenarbeitenden Parteien unter Dollfuß‘ Führung zusammenzufassen. Mit der Ausrufung des Ständestaates im Mai 1934 wurde das Parteiensystem und folglich auch die Christlichsoziale Partei aufgelöst.

CSP in der Steiermark:

Die Geschichte der steirischen CSP begann mit dem Zusammenschluss verschiedener, hauptsächlich bäuerlicher Gruppen zum „Katholisch-konservativen Volksverein“. Auch ArbeiterInnenvereine wurden zu dieser Zeit gegründet, und bis zum Beginn des neuen Jahrhunderts konnten die Christlichsozialen in der Steiermark zur zahlenmäßig stimmstärksten Fraktion wachsen.82 Unterstützt wurde die Bewegung, wie auch in den meisten anderen ländlichen Gebieten, von der katholischen Kirche als Basisorganisation, „deren Arm bis in die kleinste Landgemeinde reichte.“83 Bei den Landtagswahlen 1919 spiegelte sich das Ergebnis der zuvor stattgefundenen Wahlen zur Nationalversammlung wider, bei der die Christlichsozialen zwölf von 24,84 nach Berichtigung des Wahlergebnisses 13 von 27

79 Ebda, S. 281.

80 Iber, Antimarxismus/Antisozialismus, S. 526.

81 Vgl. Wiltschegg, Heimwehr, S. 72f.

82 Vgl. Karner, Steiermark im 20. Jh, S. 46.

83 Ebda.

84 Vgl. Wahlen 1919, S. 40f.

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steirischen Mandaten85 erhielten. Die steirische CSP war, wie die SDAP in Graz, stimmstärkste Partei und stellte mit Anton Rintelen den ersten frei gewählten Landeshauptmann auf,86 dessen Amt jener insgesamt fünf Mal während der Ersten Republik ausübte.87 Landeshauptmann- Stellvertreter neben dem Sozialdemokraten Josef Pongratz war Jakob Ahrer, der 1924 ins Finanzministerium wechselte. In die Bankenskandale, mit denen die CSP zu kämpfen hatte, war auch der steirische Finanzminister verwickelt. Ihm wurde vorgeworfen, bevorzugt CSP- nahe Banken wie die „Steirerbank“ durch Fusionierung mit anderen Bankhäusern zu retten,88 weshalb er sich im Jänner 1926 entschied, aus der Regierung auszuscheiden. Ahrer betonte, bei seiner Arbeit stets im Einvernehmen mit der Bundespartei gehandelt zu haben, der Rücktritt sei ihm „gar nicht ungelegen“89 gekommen, er „fühlte [s]ich verbraucht und ging.“90 Ahrer geriet im Herbst desselben Jahres in das mediale Kreuzfeuer durch eine Reise nach Amerika.

Verschiedene Zeitungen sahen die Gründe dafür im Untersuchungsausschuss zu den Sanierungsskandalen und zusätzlich in einer angeblichen amourösen Affäre. Der Austritt aus seiner katholischen Studentenverbindung „Traungau“ beziehungsweise das Zurücklegen seines CSP-Mandates als Zeichen des „Zelte Abbrechens“ sollten diese Behauptung unterstützen.91 Er selbst betonte allerdings, er sei nicht geflüchtet, sondern die Reise wäre schon Anfang jenes Jahres mit Freunden geplant worden92 und seine Abwesenheit „bei führenden Männern Österreichs“93 bekannt gewesen. Außerdem habe er währenddessen ständig Kontakt zu den österreichischen Behörden aufrechterhalten.94 Ahrer begründete seine Reise mit mehreren Faktoren: die berufliche Unzufriedenheit in der Anwaltskanzlei, in der er nach seinem Rücktritt seine Advokatenprüfung ablegen sollte, der Verlust des arbeitsreichen politischen Postens und das folgende Vakuum sowie eine private Krise.95 Einige Hinweise in seiner Biographie deuten

85 Vgl. Kommissionsbericht besetzte Gebiete, S. 53.

86 Vgl. Karner, Steiermark im 20. Jh, S. 128.

87 Sein politisches Ende leitete Rintelen übrigens selbst ein, als er 1934, obwohl er seine Teilnahme bestritt, mit den Verantwortlichen des NS-Juliputsches kooperierte und ihnen wichtige Informationen zukommen ließ.

Nach der geplanten Absetzung Dollfuß‘ und einer folgenden Regierungsumbildung sollte er, Rintelen, als neuer Kanzler eingesetzt werden, der Putsch schlug aber fehl, und Rintelen wurde verhaftet. Vgl. Bauer, Hitlers Putsch, S. 107f, S. 18f, S. 30f, S. 127 beziehungsweise Karner, Steiermark im 20. Jh, S. 158.

88 Vgl. Ableitinger, Unentwegt Krise, S. 87f,

89 Ahrer, Zeitgeschichte, S. 259.

90 Ebda, S. 260.

91 Vgl. Kapitel „Die Ausreise des Landtagsabgeordneten und ehemaligen Finanzministers Jakob Ahrer nach Bekanntwerden mehrerer Bankenskandale Ende September 1926„ S. 61f.

92 Vgl. Ahrer, Zeitgeschichte, S. 261.

93 Ebda, S. 279f.

94 Vgl. ebda, S. 279f.

95 Vgl. ebda, S. 264f.

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zwar auf eine amouröse Affäre hin,96 direkt angesprochen wird ein Zwischenfall in diese Richtung jedoch nicht. Den Austritt aus seiner katholischen Studentenverbindung zuvor habe er zum Schutz jener Verbindung vollzogen,97 und das Ersuchen zur Zurücklegung seines CSP- Mandates erhielt er am Beginn seiner Reise per Telegramm, dem er enttäuscht nachgekommen sei.98 Ahrer bezeichnete seine Reise als Fehler, da einerseits Amerika als typisches Fluchtland gegolten hätte99 und andererseits seine „Nerven versagt haben“100 und er mit dem Gedanken gespielt habe, tatsächlich nicht mehr zurückzukehren.101

2.3 GDVP: Die Großdeutsche Volkspartei

Die drittgrößte, dem deutschnationalen, antisemitischen Lager zuzuordnende Partei und wichtige Koalitionspartnerin während der Ersten Republik ist die Großdeutsche Volkspartei.

Ihre eigentlichen Wurzeln liegen in der Konstituierung des liberalen, meist jüdischen Großbürgertums Ende des 18. Jahrhunderts.102 Die Wandlung von diesem Deutschliberalismus hin zum späteren Deutschnationalismus vollzog sich in der Zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und hatte mehrere Gründe: die wachsenden Emanzipationsansprüche der slawischen Völker von Deutschösterreich mit der Revolution (1848), der Ausschluss Österreichs aus dem Deutschen Bund nach der Niederlage gegen Preußen (1866), der österreichisch-ungarische Ausgleich, der Ungarn die zumindest innenpolitische Unabhängigkeit vom Kaiser brachte (1867) und der Ausschluss Österreichs bei der Deutschen Reichsgründung (1871) schürten die Angst vor dem Verlust der deutschösterreichischen Identität. „Unter der 1870/71 entstehenden Defensivposition des Deutschliberalismus mutierte dieser auf Grund des sich nunmehr deutlich verschärfenden Nationalitätenkonflikts zum Deutschnationalismus.“103 Dies führte einerseits zur beständigen Forderung des Anschlusses an das Deutsche Reich und andererseits sukzessive zum Anschwellen des Antisemitismus. Mit dem „Linzer Programm“ wurden 1882 die Grundsätze des Deutschnationalismus – antiklerikal, antiliberal, national – niedergeschrieben, wobei national deutschnational bedeutete. Der Antiklerikalismus spitzte sich in weiterer Folge

96 Vgl. ebda, S. 287 und S. 296.

97 Vgl. ebda, S. 11.

98 Ebda, S. 266.

99 Vgl. ebda, S. 266f.

100 Ebda, S. 264.

101 Vgl. ebda, S. 264f.

102 Vgl. Kriechbaumer, Erzählungen, S. 120.

103 Ebda, S. 428.

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zu, „[i]m Transformationsprozess des Altliberalismus zum Deutschnationalismus mutierte der josephinisch liberale Antiklerikalismus zum aggressiven und kulturkämpferischen deutschnationalen Antikatholizismus.“104 Im Nationalismus erwuchsen auch der Antimodernismus und dessen Symbol, die Tracht. „Die vor allem vom deutschnationalen Milieu beherrschten Trachtenvereine wurden zur Fluchtburg der von der Schnelligkeit des Wandels Verunsicherten, die feste Anhaltspunkte für die eigene Identität suchten.“105 Diese Weltanschauung, nämlich „ein antiliberales, antisemitisches, antiklerikales, antimodernistisches und rückwärtsgewandtes Denken“106, wurde mit dem Wachsen der beiden neuen politischen Lager und dem Beginn großer gesellschaftlicher Veränderungen weiter verstärkt.

Das deutschnationale Klientel war akademisch, „[…] Professoren der Gymnasien und der berufsbildenden höheren Schulen, Ärzte, Rechtsanwälte und Notare, höhere Verwaltungsbeamte sowie Gewerbetreibende […]“107 vorrangig aus der Bundeshauptstadt.

Aber auch in den Landeshauptstädten und neben Graz in den größeren Städten der Obersteiermark fand der Nationalismus Einzug. „Das liberale Bildungsbürgertum der Provinz wurde im späten 19. Jahrhundert, als der Liberalismus in Cisleithanien bereits dem Konservatismus […] gewichen war, einem folgenschweren deutschnationalen Wandlungsprozess unterworfen.“ Besonders auf den Universitäten blühte der Nationalismus, genährt von den stark steigenden Studierendenzahlen und der schlechten Wirtschaftslage. Die Angst vor dem Verlust ihres elitären Status und die schlechten Berufsaussichten trieben die Mitgliederzahlen der Burschenschaften in die Höhe. Bei den Reichsratswahlen 1907 mussten die ohnehin zersplitterten deutschnationalen Parteien noch dazu auf Grund des reformierten Wahlrechts starke Verluste hinnehmen. Nach den letzten Reichsratswahlen 1911 schlossen sich die Deutschnationalen mit den liberalen Parteien zum „Deutschen Nationalverband“

zusammen, um wieder die relative Mehrheit im Abgeordnetenhaus zu erlangen.

Nach dem Ersten Weltkrieg mussten die Deutschnationalen auf Grund der verloren gegangenen deutschsprachigen Gebiete wiederum große Verluste hinnehmen,108 mit den Wahlen zur konstituierenden Nationalversammlung im Februar 1919 konnten die Deutschnationalen

104 Ebda, S. 123.

105 Ebda, S. 124.

106 Dostal, Großdeutsche Volkspartei, S. 195.

107 Kriechbaumer, Erzählungen, S. 122.

108 Vgl. Dostal, Großdeutsche Volkspartei, S. 196.

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Parteien insgesamt nur mehr 26 der 170 Mandate109 erreichen. 1920 wurde schließlich die Großdeutsche Volkspartei aus insgesamt 17 Kleinparteien und Wählergruppen aus der Notwendigkeit heraus gegründet, den drohenden Zerfall der Deutschnationalen zu verhindern und ein politisches Gegengewicht zur CSP und vor allem einen antimarxistischen Gegenpol zur SDAP bilden zu können.110 Die Statuten wurden im „Salzburger Programm“ festgehalten, das innenpolitisch die „Volksgemeinschaft“ als Arbeits- und Kulturgemeinschaft auf Basis einer Leistungsgesellschaft und sozialer Gerechtigkeit anstrebte, außenpolitisch auf Grund der Nationalitätenkämpfe im untergehenden Habsburgerreich den Anschluss an das „große Vaterhaus Deutschland“ forderte.111 Während die CSP kein klares Bekenntnis dazu ablegte und trotz „deutscher“ Partei das Selbstbestimmungsrecht Österreichs einforderte,112 strebte die SDAP ebenfalls den Anschluss an. Otto Bauer etwa trat noch während der Verhandlungen in St. Germain zurück, „[d]er führende Sozialdemokrat war einer der entschiedenen Verfechter der Anschlußidee gewesen und betrachtete die Entscheidung in Paris als eine persönliche Niederlage.“113 Während die SDAP darin aber die Vervollkommnung des Sozialismus sah,114 behielt die GDVP den Anschlussgedanken aus völkischer Sicht bei und war nach dem Krieg auch diejenige Partei, die sich in ihrem Programm besonders des offenen, rassischen Antisemitismus bediente.115 Die Religion als weltliche Macht wurde zwar bekämpft, aber (wie bei der SDAP116) als Privatsache einer jeder Bürgerin und eines jeden Bürgers akzeptiert,117 was eine spätere Zusammenarbeit mit den Christlichsozialen ermöglichte. Der Liberalismus wurde abgelehnt, da dieser den Individualismus und damit das Konkurrenzdenken fördere, und dies führe im Kampf „jeder gegen jeden“ zur Spaltung der Volksgemeinschaft.118 Die starke parteiinterne Heterogenität sowie das große Spektrum der Wählerschaft führten laufend zu internen Schwierigkeiten. Zum einen wurde wegen der Verweigerung der deutschnationalen Bauernbünde und der Nationalsozialisten nicht die Gesamtheit der Deutschnationalen in der GDVP vereinigt, zum anderen besetzten die Wiener „Nationaldemokraten“ personell mit

109 Vgl. Kriechbaumer, Erzählungen, S. 439.

110 Vgl. Dostal, Großdeutsche Volkspartei, S. 196.

111 Vgl. Wandruszka, Nationales Lager, S. 282f.

112 Vgl. Staudinger, Müller, Steininger, Christlichsoziale Partei, S. 172.

113 Karner, Steiermark im 20. Jh, S. 134.

114 Vgl. ebda.

115 Vgl. Wandruszka, Nationales Lager, S. 284f.

116 Vgl. dazu den Glöckel-Erlass von 1919, S. 7.

117 Vgl. ebda, S. 284.

118 Vgl. Kriechbaumer, Erzählungen, S. 479f.

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