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Die Zeitungen der Parteien und Bewegungen

SDAP

Die Partei konnte österreichweit die beachtliche Zahl von „127 Zeitungen und Zeitschriften mit einer Auflage von 3 Millionen Stück“305 vorweisen, was die Bedeutung der Sozialdemokratie als gegenkulturelle Bewegung und alternative Gesellschaftsform gegenüber der christlich-konservativen Lebensart in besonderer Weise hervorhebt. Ihre Wiener Parteizeitung und zugleich das bedeutendste sozialdemokratische Massenmedium österreichweit war die 1889 gegründete und am zwölften Februar 1934 verbotene, großformatige AZ, die besonders in Intellektuellenkreisen Anerkennung fand und die höchste Auflage unter den liberalen, seriösen Blättern vorweisen konnte.306 Daneben erschien ab 1927 das reißerisch geschriebene und vom selben Verlag in hohen Stückzahlen herausgegebene Kleine Blatt, das trotz der politischen Umstände bis 1938 überlebte. Im Februar 1934 ebenfalls eingestellt, deshalb der „linken“

Presse zuordenbar, aber nicht dezidierte Parteiblätter waren die sozialdemokratisch-boulevardeske Wiener Allgemeine Zeitung, der ab 17. Februar unter Telegraf am Mittag erschienene linksradikal-kommunistische Abend307 und das Illustrierte Wiener Extrablatt, das mit der Sozialdemokratie sympathisierte308.

Sozialdemokratische Blätter außerhalb Wiens:

In Graz wurde ebenfalls bis 1934 das steirische Pendent zur AZ, der Arbeiterwille gedruckt, der hinsichtlich seiner Auflagenzahlen zwar eher im mittleren Bereich einzustufen ist, nichts desto trotz aber das erfolgreichste Blatt der sozialistischen Länder-Presse darstellte.309 Neben den beiden größten Parteizeitungen AZ und Arbeiterwille konnten weiters das Linzer Tagblatt, die Innsbrucker Volkszeitung, die Salzburger Wacht und die nicht durchgehend als Tageszeitung aufgelegte Vorarlberger Wacht als sozialdemokratische Printmedien vorgefunden werden.

305 Kriechbaumer, Erzählungen, S. 418. Vgl. auch Hanisch, Schatten, S. 137.

306 Vgl. Csoklich, Presse und Rundfunk, S. 719f.

307 Vgl. Melischek, Seethaler, Wiener Tageszeitungen, S. 83f.

308 Vgl. Paupié, Handbuch Pressegeschichte, S. 172.

309 Vgl. Csoklich, Presse und Rundfunk, S. 722.

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CSP

In Bezug auf Printmedien kann auf eine dezidierte christlichsoziale Parteipresse wie etwa bei der Sozialdemokratie nicht zurückgegriffen werden. Der dreigeteilte politische Katholizismus – Partei, katholische Kirche, katholische Vereine – macht zwar beispielsweise die Zuordnung über katholische Pressvereine oder katholisch geführte Redaktionen möglich, die Eigenständigkeit dieser Institutionen lässt aber eine Zusammenfassung unter „die Partei“

bezüglich Inhalt oder Richtung der Berichterstattung nicht zu. Auch die größte katholisch-konservative Tageszeitung Österreichs, die Reichspost, kann nicht als Parteizeitung angeführt werden, allerdings erhielt sie einerseits stets große finanzielle Unterstützung durch den „Pius-Verein“, dem zahlreiche angesehene Geistliche angehörten,310 andererseits gehörte sie „zu jenen katholischen Presseorganen, die die Kirche für die tagepolitischen Kontroversen offiziell in den Dienst der Christlichsozialen Partei (die ihrerseits über kein eigenen Presseorgan verfügte) stellte.“311 Weitere christlichsoziale Wiener Zeitungen waren das Neuigkeits-Welt-Blatt312 mit einer weitgehend demokratischen Blattlinie und ab 1934 offiziöses Regierungsblatt und die bis 1934 erschienene, dem christlichen Arbeiterverein zugehörige Neue Zeitung313.

CSP-nahe Blätter außerhalb Wiens:

In der Steiermark kann das Grazer Volksblatt, im Besitz des Katholischen Pressvereines der Diözese Graz-Seckau,314 gedruckt von der im katholischen Besitz gestandenen Styria und

„regiert“ von Chefredakteuren, die während der Ersten Republik stets Geistliche waren,315 als das Pendant der Wiener Reichspost bezeichnet werden. Die Kleine Zeitung hingegen galt zwar als „einzige katholisch ausgerichtete Tageszeitung mit einem durchschlagenden finanziellen Erfolg“316, war aber weniger Kirchensprachrohr als anspruchslose Gazette mit unpolitischer Grundhaltung.317 Österreichweit waren das Kärntner Tagblatt, das Linzer Volksblatt, die Linzer Zeitung, die Salzburger Chronik und das Vorarlberger Volksblatt katholische Tagblätter und

310 Vgl. Iber, Christlichsoziale Partei, S. 266.

311 Ebda.

312 Vgl. Paupié, Handbuch Pressegeschichte, S. 102f.

313 Vgl. ebda, S. 176f.

314 Vgl. Karner, Steiermark im 20. Jh, S. 81.

315 Vgl. ebda, S. 200.

316 Ebda.

317 Vgl. Csoklich, Presse und Rundfunk, S. 722.

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standen unter geistlicher Führung.318 Weiters zählten die Neuen Tiroler Stimmen beziehungsweise der (Allgemeine) Tiroler Anzeiger bis 1933319 und die Gmundener Neueste Post320 dazu.

GDVP

Ähnlich der CSP konnten Tageszeitungen unter direkter großdeutscher Parteiführung nicht vorgefunden werden, allerdings galten die Wiener Neuesten Nachrichten, bis ihre Führung ab 1934 von einem Regierungskommissär übernommen wurde, als offizielles Organ der Großdeutschen.321 Bei einigen Wiener Blättern wurden deutschnationale Tendenzen festgestellt – das bis 1922 gedruckte Deutsche Volksblatt war „das bedeutendste deutschnationale antisemitische Organ Österreichs.“322 Dem 1933 nur fünf Monate erschienenen Österreichischen Morgenblatt wurde eine deutschnationale Blattlinie zugeschrieben,323 das bis März 1919 existierende Fremden-Blatt und der von 1918 bis 1922 gedruckte Wiener Mittag waren deutschradikal324 beziehungsweise wiesen Tendenzen in diese Richtung325 auf.

Den Großdeutschen nahestehende Zeitungen außerhalb Wiens:

In den Regionen konnten keine direkt den Großdeutschen zuordenbare Tageszeitungen eruiert werden, deutschliberale, deutschnationale beziehungsweise deutschradikale Blätter finden sich jedoch häufig. In der Steiermark war die in der Monarchie noch als bürgerlich-liberal geltende Grazer Tagespost kurz nach Kriegsende bereits Unterstützerin der Deutschdemokraten,326 durch die Verbindung ihrer Besitzerin, der Leykam, zu den südsteirischen Bauernwehren und einen aggressiven Schreibstil gegen Slawen und Juden geriet die Zeitung rasch in ein deutschnationales Milieu.327 Das Tagblatt war in seiner Blattlinie ebenfalls deutschnational,328 sowie auch die bis 1921 von der Buchdruckerei Heinrich Stiasny herausgegebene Grazer

318 Vgl. ebda.

319 Vgl. Kogler, Tagespresse Tirols, S. 153f.

320 Vgl. ORBI III, S. 66.

321 Vgl. Paupié, Handbuch Pressegeschichte, S. 111f.

322 Ebda, S. 107.

323 Vgl. ORBI III, S. 155.

324 Vgl. Paupié, Handbuch Pressegeschichte, S. 125.

325 Vgl. ebda, S. 178.

326 Vgl. Graff, Karner, Leykam, S. 160.

327 Vgl. ebda.

328 Vgl. etwa ALA 1925, S. 300.

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Mittagszeitung.329 Auch eine der beiden auflagenstärksten Kärntner Zeitungen, die Freien Stimmen, verfolgte eine großdeutsche Blattlinie330 und nachhaltig den Anschlussgedanken331. Als „Sprachrohr des oberösterreichischen Deutschnationalismus“332 galt die im Libertas-Verlag erschienene Linzer Mittagspost beziehungsweise ab September 1922 die Linzer Morgenpost.333 Ebenfalls als deutschnational galt die Ober-Oesterreichische Tageszeitung, die ab 1. Juli 1931 als Ober-Oesterreichisches Morgenblatt erschien.334 Auch das Salzburger Volksblatt, die auflagenstärkste und beliebteste Salzburger Tageszeitung,335 vertrat eine deutschnationale336 beziehungsweise deutsch-freiheitliche Linie337. Das ab 1920 in Innsbruck erschienene Alpenland, ab 1922 zum Wochenblatt der Tiroler GDVP mutiert, war großdeutsch und antiklerikal.338 Die Innsbrucker Neueste Zeitung, vor 1921 die Neueste Morgenzeitung, erfuhr durch die „Wagner’sche Universitäts-Buchdruckerei“ großdeutschen Einfluss und galt ab den 1930er Jahren als NS-freundlich.339 Im westlichsten Bundesland „wandte sich [das Vorarlberger Tagblatt] gegen alle Anschlußbestrebungen an die Schweiz und schlug einen entschiedenen großdeutschen Kurs ein.“340

LB

Als offizielle Parteizeitung fungierte von Dezember 1928 bis Juni 1933 das ehemalige sozialdemokratische Illustrierte Wiener Extrablatt341, das von Winkler unter dem Titel Neues Wiener Extrablatt neu ausgerichtet wurde.342 Ab Juni 1933 existierte das Blatt als Abendausgabe der sozialdemokratischen343 Wiener Allgemeinen Zeitung weiter, bis beide am 12. Februar 1934 ihr Erscheinen einstellen mussten.344 Der printmediale Schwerpunkt des LB lag jedoch auf Fachzeitschriften, Monatskalendern oder die genannten Ratgeberbücher, „da

329 Vgl. Thonhofer, Grazer Mittags-Zeitung, S. 11.

330 Vgl. etwa ALA 1925, S. 296.

331 Vgl. Csoklich, Presse und Rundfunk, S. 720.

332 Kriechbaumer, Erzählungen, S. 484.

333 Vgl. ORBI II, S. 469.

334 Vgl. ORBI III, S. 90.

335 Vgl. Kerschbaumer, Salzburgs Massenmedien, S. 397.

336 Vgl. Csoklich, Presse und Rundfunk, S. 721.

337 Vgl. Mosse: 1922.

338 Vgl. Kogler, Tagespresse Tirols, S. 206f.

339 Vgl. ebda, S. 100–105.

340 Csoklich, Presse und Rundfunk, S. 723.

341 Vgl. Melischek, Seethaler, Wiener Tageszeitungen, S. 147.

342 Vgl. Burkert, Landbund, S. 212.

343 Vgl. Paupié, Handbuch Pressegeschichte, S. 158f.

344 Vgl. Melischek, Seethaler, Wiener Tageszeitungen, S. 192–194.

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Zeitunglesen nicht zu den alltäglichen Aktivitäten der Bauern gehörte.“345 Dementsprechend konnte keine weitere bauernständische oder auf agrarischem Schwerpunkt liegende Tageszeitung ausfindig gemacht werden.

NSDAP

Wolfgang Duchkowitsch führt in seiner Arbeit über die österreichische NS-Presse der Ersten Republik zwar 93 nationalsozialistische Zeitungen und Zeitschriften auf, meist handelte es sich dabei aber um Wochen-, Monats- oder unregelmäßig erschienene Blätter, selten um Tageszeitungen.346 Das offizielle Parteiorgan der NSDAP (Hitler-Bewegung) war die Deutsch-österreichische Tages-Zeitung (DÖTZ),347 dessen Spuren sich bis zur Ostdeutschen Rundschau und dem Alldeutschen Tagblatt verfolgen lassen,348 beide wurden im Juli 1920 zur Wiener Deutschen Tageszeitung zusammengelegt.349 Deren Name wurde einen Monat später in Deutsche Tageszeitung geändert,350 im April 1921 schließlich entstand die DÖTZ und lag bis zum Parteiverbot im Juli 1933 auf.351 Weitere Wiener NS-Parteiblätter waren die Abendpost, die im Mai 1933 in Der Kampfruf umbenannt und im Juni desselben Jahres eingestellt wurde,352 der von März bis Juli 1933 existierende Nachtfunk353 und der nur vier Tage im Jänner 1933 erschienene Abend-Express354. Eine nationalsozialistische Blattlinie vertraten der von Jänner bis April 1934 in zwei Ausgaben herausgegebene Österreichische Beobachter355 und der von Oktober bis Dezember gedruckte Nachtexpress356. Die der Sozialdemokratie nahestehende Welt am Morgen wies später nationalsozialistische Tendenzen auf,357 ebenso das Organ des christlichen Arbeitervereines, die Neue Zeitung.358

345 Burkert, Landbund, S. 212.

346 Vgl. Duchkowitsch, NS-Presse, S. 102–104.

347 Vgl. Jagschitz, Nationalsozialistische Partei, S. 242.

348 Vgl. Melischek, Seethaler, Wiener Tageszeitungen, S. 159f und S. 90f.

349 Vgl. ebda, S. 194f.

350 Vgl. ebda, S. 100f.

351 Vgl. Paupié, Handbuch Pressegeschichte, S. 110.

352 Vgl. Duchkowitsch, NS-Presse, S. 105 und S. 144f.

353 Vgl. ebda, S. 165f.

354 Vgl. Melischek, Seethaler, Wiener Tageszeitungen, S. 58.

355 Vgl. ORBI III, S. 146.

356 Vgl. ebda, S. 21.

357 Vgl. Melischek, Seethaler, Wiener Tageszeitungen, S. 115.

358 Vgl. ebda, S. 176f.

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Nationalsozialistische Blätter außerhalb Wiens:

In der Steiermark zeigte das bereits erwähnte deutschnationale Grazer Tagblatt im Laufe seines Bestehens bis September 1933 in seiner Berichterstattung Sympathien zum Nationalsozialismus.359 Täglich erscheinende NS-Parteiblätter waren vom Juli bis September 1932 der Klagenfurter Vormarsch360 und die im April 1934 nur etwa zwei Wochen herausgegebene Linzer Zeitung am Morgen,361 dessen Vorläuferin, die Alpenländische Morgenzeitung vom Dezember 1933 bis Februar 1934 bereits ein getarntes NS-Blatt war.362 Das ebenfalls in Linz von September 1935 bis Juni 1937 aufgelegte Heimatschutzblatt Die Neue Zeit galt ab 1936 als NSDAP-Sprachrohr.363 Das Vorarlberger Tagblatt wies ab 1933 nationalsozialistische Tendenzen auf,364 die Innsbrucker Nachrichten und ihre ab 1929 erschienene Abendausgabe, die Neueste Zeitung, waren ab den 1930er Jahren ebenfalls NS-freundlich, bevor die IN ab 1934 der Vaterländischen Front zuzuzählen war.365

KPÖ

Die kommunistische Parteizeitung Die Rote Fahne wurde im Juni 1919 gegründet366 und erschien ab Juli 1933 im Exil.367 Sie war, wie das öffentliche Auftreten der Partei selbst, im Ton aggressiv und polemisch,368 ihre Auflagenstärke von anfangs 10.000369 bis zu einem Maximum von 26.000 Stück370 lässt auf die relativ geringe Bedeutung im politischen Spektrum der Printmedien schließen.

Heimwehren

Die Heimwehren selbst verfügten über keine einheitliche Tagespresse, einige Zeitungen galten aber als Heimwehr-Blätter oder heimwehrfreundliche Blätter. In Wien waren dies das von März

359 Vgl. Karner, Steiermark im 20. Jh, S. 200f.

360 Vgl. Duchkowitsch, NS-Presse, S. 235.

361 Vgl. ORBI III, S. 479.

362 Vgl. Gustenau, Oberösterreichische Presse, S. 378.

363 Vgl. ebda, S. 378f.

364 Vgl. ORBI III, S. 375f.

365 Vgl. Kogler, Tagespresse Tirols, S. 71–79 und S. 100–105.

366 Vgl. Melischek, Seethaler, Wiener Tageszeitungen, S. 165.

367 Vgl. ebda, S. 169.

368 Paupié, Handbuch Pressegeschichte, S. 112f.

369 Vgl. Melischek, Seethaler, Auflagenzahlen Wiener Tageszeitungen, S. 10.

370 Vgl. ebda, S. 12.

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bis Juli 1933 erschienene371 Wiener Mittagsblatt372 und die von März 1919 bis Februar 1921 existierende373 Wiener Mittagspost374. In den Bundesländern galt der Tiroler Anzeiger von 1933 bis 1934 als heimwehrfreundlich, bevor er zum Organ der Vaterländischen Front wurde,375 die Innsbrucker Nachrichten ab 1934.376 Die Linzer Neue Zeit lag von September 1935 bis Juni 1937 auf und war bis 1936 Heimatschutz-Organ, bevor es ins NS-Fahrwasser geriet.377