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CSP: Die Christlichsoziale Partei

Die Christlichsoziale Partei wurde 1890/91 ähnlich der SDAP durch die Zusammenfassung verschiedener katholisch-konservativer Vereine von Karl Lueger gegründet und hatte als Basis anfangs das Wiener Kleinbürgertum versammelt,43 das während der Wirtschaftskrise Ende des 19. Jahrhunderts besonders von großer Armut geprägt war. Mit dem Beginn der Krise, dem Wiener Börsenkrach in den 1870er Jahren, wurde die Schuldfrage mit Kapitalismus und Liberalismus beantwortet, „die Interessen von Christlichsozialer und Sozialdemokratischer Partei [waren sich] zunächst […] näher, als man annehmen möchte.“44 Als Verantwortliche wurden hierbei aber meist jüdische Bankiers und Industrielle aus dem Wiener Großbürgertum genannt,45 was bei den Christlichsozialen als VertreterInnen des Kleinbürgertums bereits bei ihrem Entstehen den „parteioffiziellen Antisemitismus“46 etablierte, zusätzlich wurde dieser auch in der katholischen Tradition des Antijudaismus begründet.47 Besonders Lueger bediente sich antisemitischer Parolen in seinem Wahlkampf 1896/1897, Leopold Kunschak, Gründer des

„Christlichsozialen Arbeitervereins“, erarbeitete 1919 ein Judendiskriminierungsgesetz, und im Parteiprogramm von 1932 schließlich konnte man nachlesen, „daß der Antisemitismus von jeher Teil ‚des geistigen Inhaltes‘ der Partei gewesen sei“.48

Der erste große politische Erfolg der jungen Partei stellte sich mit dem Einzug ihres Gründers Lueger ins Wiener Rathaus ein, wo dieser ab 1895 Vizebürgermeister, von 1897 bis zu seinem Tod 1910 Bürgermeister war und mit seinem „christlichen Sozialismus“49 eine Vielzahl an Reformen für die Millionenmetropole der Donaumonarchie durchbringen konnte.50 Bis nach Kriegende konnte die CSP ihre Position in der Hauptstadt erhalten, obwohl bei den Reichsratswahlen 1911 die Sozialdemokraten die meisten Stimmen und Sitze erreichten. Die

42 Vgl. ANNO, Arbeiterwille, abrufbar unter: http://anno.onb.ac.at/info/awi_info.htm, 11.10.2016, 21.14 Uhr, Microsoft Internet Explorer.

43 Vgl. Staudinger, Christlichsoziale Partei, S. 249.

44 Iber, Antimarxismus/Antisozialismus, S. 520.

45 Vgl. Kriechbaumer, Erzählungen, S. 244.

46 Staudinger, Christlichsoziale Partei, S. 266.

47 Vgl. Wohnout, Christlichsoziale, S. 186.

48 Vgl. Staudinger, Christlichsoziale Partei, S. 266.

49 Iber, Christlichsoziale Partei, S. 260.

50 Vgl. Staudinger, Christlichsoziale Partei, S. 249.

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Mehrheit im Gemeinderat erlaubte es Lueger zuvor, die Einführung des allgemeinen Wahlrechts (seit 1907) in Wien bis nach Kriegsende zu verhindern.51

Die Fusion der Christlichsozialen mit der „Katholisch-Konservativen Partei“ 1907 prägte die Bewegung nachhaltig. Der Einfluss wurde zwar durch die nunmehr besondere Nähe zur Katholischen Kirche auf ganz Österreich ausgeweitet, jedoch wurde sie damit auch zum politischen Werkzeug der Kirche.52 Die Mehrzahl der Führungsmitglieder waren Priester, die den katholischen Lehren treu waren und die politischen Wünsche der Kirche in die Partei einbrachten. Dieser sich etablierende „Politische Katholizismus im Österreich der Esten Republik sollte sich aus drei Elementen zusammensetzen: der Amtskirche, der Christlichsozialen Partei und den katholischen Verbänden und Vereinen.“53

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts konnte die CSP neben der Reichshauptstadt auch den Großteil der österreichischen Landbevölkerung für sich gewinnen und in den meisten Regionen Bauernbünde gründen,54 was aber eine Verschiebung der „innerparteilichen Gewichte zugunsten neuer sozialer Gruppierungen“55 zur Folge hatte.

War die Christlichsoziale Partei bis etwa 1907 eine Partei des Wiener Kleinbürgertums und wenigstens im Ansatz sozialreformatorisch orientiert, veränderte sie sich danach zu einer konservativen Reichspartei des deutschsprachigen besitzenden katholischen Bauern- und Bürgertums.56

Diese Änderung der Zielgruppe vom Kleinbürgertum zum Ländlichen, bedingt durch den Kurswechsel weg vom christlichen Sozialismus und hin zum katholischen Konservativismus,57 hatte zur Folge, dass bei den ersten freien Wiener Gemeinderatswahlen 1919 die Macht der Christlichsozialen gebrochen wurde. Die Sozialdemokraten konnten, wie auch in der steirischen Landeshauptstadt, jede weitere frei durchgeführte Wiener Wahl für sich entscheiden. Dieser Umstand prägte die CSP nachhaltig in ihrem Kampf gegen den Bolschewismus, der sich nun als Kampf gegen das „Rote Wien“ manifestierte. Im selben Jahr fanden die Wahlen zur konstituierenden Nationalversammlung statt, bei denen die

51 Vgl. Czeike, Lexikon Wien, S. 496.

52 Vgl. Iber, Christlichsoziale Partei, S. 260.

53 Iber, Antimarxismus/Antisozialismus, S, 519.

54 Vgl., Wohnout, Christlichsoziale, S. 181.

55 Kriechbaumer, Erzählungen, S. 251.

56 Staudinger, Christlichsoziale Partei, S. 250.

57 Vgl. Iber, Christlichsoziale Partei, S. 260.

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Christlichsozialen aus Niederösterreich, Steiermark und Oberösterreich die meisten Stimmen und mehr als die Hälfte ihrer Mandate bekamen, was sie zur zweitstärksten Kraft im Land machte.58 Eine Koalition mit der SDAP folgte, „zumal sich die deutschnationalen Parteien einer Regierungsbeteiligung verweigerten.“59 Die Hauptaufgabe des Bündnisses war die Durchführung des nötigen Umbaus der Monarchie in eine selbständige Republik, was ihr im letzten Moment, nach dem Scheitern der Koalition während der Übergangsregierung bis zur Neuwahl, auch gelang.60 Seitens der CSP war ein weiterer Grund zur Zusammenarbeit die mögliche Verhinderung einer Staatsentwicklung in eine für sie nicht gewünschten Richtung.61 Vor allem die durchzusetzenden Sozialreformen konnten die Christlichsozialen, die im eigentlichen Sinne eine Standesvertretung darstellten (beispielsweise beinhaltete der Bauernstand Großbauern und Landarbeiter), mit Parolen, die die moralische Verantwortung der Reichen, das Eigentum für alle, die Zusammenarbeit im Sinne des Gemeinwohles oder den Kampf gegen die unethischen, kapitalistischen Auswüchse der (jüdischen) Finanzwelt forderten, vertreten.62

Wegen der sich mittlerweile diametral gegenüber stehenden Ideologien63 scheiterte dieses Arbeitsbündnis aber bereits ein Jahr später, und nach den (ersten) Nationalratswahlen 1920 konnte die CSP die Führung an sich bringen und bis zum Ende der Ersten Republik halten.

Politisch waren die Christlichsozialen in ganz Österreich erfolgreich, allerdings verfehlte die Partei die absolute Mehrheit bei allen Nationalratswahlen der Ersten Republik, weshalb man auf instabile Minderheitsregierungen setzte oder auf Koalitionen angewiesen war. Dies erschwerte die Arbeit, da man die personellen Wünsche der Koalitionspartnerin in Bezug auf etwaige Ministerposten berücksichtigen musste. Im selben Jahr 1920 (bis 1930) wurde die zentrale Figur in der CSP, Ignaz Seipel, der gemeinsam mit dem Sozialdemokraten Otto Bauer die neue Verfassung ausarbeitete,64 Parteiobmann. „Der Reichsparteiobmann der Christlichsozialen galt seit der Bildung der Regierung Schober [1921, Anm.] bei Freund und Feind als der eigentlich starke Mann der österreichischen Innenpolitik.“65 Durch fortwährende

58 Vgl. Wahlen 1919, S. 40f.

59 Kriechbaumer, Erzählungen, S. 255.

60 Vgl. Wohnout, Christlichsoziale, S. 183f.

61 Vgl. Kriechbaumer, Erzählungen, S. 255.

62 Vgl. Staudinger, Christlichsoziale Partei, S. 255.

63 Wichtige Mitglieder beider Fraktionen fanden sich vor Entstehung ihrer Parteien in denselben Vereinen wie etwa Lueger und Adler bei den „Demokraten“. Vgl. dazu Kriechbaumer, Erzählungen, S. 243f.

64 Vgl. Wohnout, Christlichsoziale, S. 184.

65 Kriechbaumer, Erzählungen, S. 258.

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Attacken der Sozialdemokratie auf den Obmann wurden die Christlichsozialen indirekt im Kampf gegen Marxismus und Bolschewismus unterstützt, und dieser sollte nicht nur politisch geführt werden.

Seipel war Vorsitzender bei „Herold“, jenem katholisch-konservativen Verein, der die Reichspost herausgab, was ihm über dessen Hauptschriftleiter Friedrich Funder Zugriff auf ein mediales Sprachrohr erlaubte, das im „roten“ Wien eine beträchtliche Auflage erreichte.66 Als physisches Mittel gegen die Sozialdemokratie schließlich erkannten die Christlichsozialen – mit dem Antibolschewismus als gemeinsamen Nenner – in den Heimwehren ihre Verbündeten.

Besonders Seipel strebte eine Zusammenarbeit beziehungsweise Eingliederung an, was die Heimwehren Anfang der 1920er Jahre aus ihrem politischen – und medialen – Schattendasein führte. Die CSP plante wegen der stagnierenden Wirtschaft Maßnahmen durchzusetzen, die die Gewerkschaften geradezu zum Handeln bewegen mussten und auf die Straße trieben. „Als sich die wirtschaftliche Lage Österreichs im Frühjahr 1922 gefährlich zugespitzt hatte […], sollten die Heimwehren die Funktion einer bewaffneten Macht zur Rückendeckung für die in Aussicht genommenen Regierungsmaßnahmen gegen für möglich gehaltene Streiks und Unruhen übernehmen […].“67 Die parteipolitische Umwerbung der Heimwehren erlangte gewisse Priorität, als ihr Parteiobmann Seipel im Mai 1922 erstmals zum Bundeskanzler ernannt wurde, dieses Unternehmen blieb allerdings erfolglos und wurde im selben Jahr vorerst wieder eingestellt.68 Die langjährige ambivalente Beziehung zwischen der CSP und den teils stark heterogenen Heimwehren wurde aber eingeleitet.

Die Eigenschaft der Partei, sich aus vielen vereinzelten, im Ursprung selbständigen Gruppen und Strömungen herauszubilden, die sich auf Grund des spezifischen WählerInnenpotentiales meist auf Länderebene organisierten, machte eine Bundesführung nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Auch der sich verhärtende Kurs der Bundespartei gegen die SDAP wurde von den Landesparteien mehrheitlich nicht mitgetragen.69 Dies zeigte sich im Laufe der Ersten Republik durch ständige Dissonanzen innerhalb der Partei, vor allem zwischen der Wiener Bundesorganisation und den Landesorganisationen. Im November 1924 erlangten diese

66 Vgl. Iber, Christlichsoziale Partei, S. 266.

67 Staudinger, Christlichsoziale Partei, S. 261.

68 Vgl. ebda, S. 261f.

69 Vgl. Wohnout, Christlichsoziale, S. 184. Die Zusammenarbeit CSP/SDAP etwa in der Steiermark gestaltete sich lange Zeit hindurch konstruktiv, selbst in den krisenhaften Jahren der späten 1920er. Vgl. dazu Ableitinger, Unentwegt Krise, S. 100–119.

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Auseinandersetzungen einen Höhepunkt, nachdem die Landesorganisationen, allen voran der steirische Landeshauptmann Anton Rintelen, Seipel die Mitarbeit bei der Umsetzung eines Sparprogramms für die Länder verweigerten, der Bundeskanzler daraufhin zurücktrat und erst zwei Jahre später wieder in dieses Amt zurückkehrte.70 Mit den stärker werdenden innerparteilichen Differenzen und der Aufdeckung mehrerer Bankenskandale Mitte der 1920er Jahre, in die die Partei personell verwickelt war,71 sanken die Stimmenanteile bei den folgenden Landes- und Bundeswahlen, was die CSP immer abhängiger von anderen Parteien und Bündnissen machte. Das vermutlich bemerkenswerteste Wahlbündnis trat bei den Nationalratswahlen 1927 an, als sich die Christlichsozialen mit den Großdeutschen sowie dem Nationalsozialisten Walter Riehl und seinem „Deutschsozialen Verein“ zur „Einheitsliste“ aller antimarxistischen Parteien zusammenschlossen.72 Zum gleichen Zeitpunkt wurde auch der Wiener Landtag gewählt, aber trotz massiver (antimarxistischer) Wahlwerbung konnten die Sozialdemokraten sowohl bei den Nationalrats- als auch den Landtagswahlen Stimmenzuwächse verzeichnen.

Die immer gewaltsameren Zusammenstöße zwischen den paramilitärischen Lagern im Laufe der 1920er Jahre – hier der Republikanische Schutzbund der Sozialdemokraten, dort die den Christlichsozialen nahestehenden Heimwehren – und schließlich die folgenschweren Ereignisse im Juli 1927 veranlassten Seipel, der im Zusammenhang mit den Schattendorf-Urteilen von der sozialdemokratischen Presse besonders hart angegriffen wurde, seine politische Haltung von Grund auf zu ändern.

Das intensive und von vielen Fragen und Selbstzweifeln gekennzeichnete Ringen um eine christliche Antwort auf die politischen Ereignisse endete mit einer allmählichen Akkommodation Seipels und der Christlichsozialen Partei nach rechts in Richtung Heimwehren sowie in zunehmenden Zweifeln an der Funktionsfähigkeit des bestehenden parlamentarischen Systems.73

Die Teilung der Christlichsozialen Partei in einen rechten und einen gemäßigten Flügel kam nun als innerparteiliche Front dazu. Seipel lag nun umso mehr daran, die starken, aber ungreifbaren Heimwehren für sich zu gewinnen, auch im Hinblick auf die Etablierung einer

70 Vgl. Kriechbaumer, Erzählungen, S. 263.

71 Vgl. Ableitinger, Unentwegt Krise, S. 87f.

72 Vgl. Kriechbaumer, Erzählungen, S. 269.

73 Kriechbaumer, Erzählungen, S. 275.

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militärischen Macht zur Verteidigung des von ihm später als Alternative angedachten und von den Heimwehren schon länger geforderten autoritären Staates. Die Veröffentlichung des sozialdemokratischen „Linzer Programmes“ 1926 schürte die Angst besonders vor der

„Diktatur des Proletariats“ und trieb die Mitgliederzahlen der Heimwehren in die Höhe.74 Seipel erkannte die Chance für eine Eingliederung, wusste aber um deren politische Unwilligkeit.

„Durch die Aufforderung an die eigene Anhängerschaft zum Eintritt in die Heimwehren verfügten diese erstmals über eine Massenbasis, die jedoch von Seipel vor allem als Mittel zur Instrumentalisierung der Wehrverbände für die christlichsoziale Politik konzipiert war.“75 Nach den Nationalratswahlen 1930 kam es erstmals zur politischen Zusammenarbeit mit den Heimwehren, die als Heimatblock antraten, auf Anhieb acht Mandate erreichten und die kurzzeitige CSP-Minderheitsregierung unter Carl Vaugoin unterstützten.

Neben dieser inneren Front verhärtete sich zusätzlich jene zwischen Bundespartei und Landesorganisationen, was sich 1931 besonders an der Beteiligung der steirischen CSP am sogenannten „Pfrimer-Putsch“76 zeigte. 1932 wurden die gemäßigten Heimwehren erneut in die Regierungsbildung involviert, die Christlichsozialen unter Engelbert Dollfuß koalierten mit Heimatblock und Landbund, allerdings hatte diese Regierung nur eine hauchdünne Mehrheit, was die Regierungsarbeit weiter erschwerte.

Im März 1933 traten während einer Parlamentssitzung alle drei Nationalratspräsidenten zurück, und man musste unterbrechen, was eine nicht ordnungsgemäße Beendigung der Sitzung bedeutete. Diese Situation nahm die Parteiführung zum Anlass, auf Grundlage des

„kriegswirtschaftlichem Ermächtigungsgesetz“ von 1917 „vorerst autoritär zu regieren“77, wofür man sich neben der momentanen Regierungskrise aus weiteren Gründen veranlasst sah:

 Die Weltwirtschaftskrise von 1929 traf Anfang der 1930er Jahre Österreich mit voller Härte und sorgte für eine Abwanderung vieler WählerInnen zu den Nationalsozialisten.78

 Die Auseinandersetzungen auf der Straße zwischen Heimwehren und Schutzbund nahmen nach dem Juli 1927 in ihrer Gewalt weiterhin beispiellose Ausmaße an.

74 Vgl. Wiltschegg, Heimwehr, S. 38.

75 Kriechbaumer, Erzählungen, S. 276.

76 Vgl. S. 38.

77 Iber, Antimarxismus/Antisozialismus, S. 526.

78 Vgl. Kriechbaumer, Erzählungen, S. 280.

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 Die starken Länderorganisationen weigerten sich immer vehementer, den Kurs der Bundespartei mitzutragen und legten „seit den frühen 1930er Jahren in immer stärkerem Ausmaß eine antiparlamentarische und demokratiekritische Grundströmung“79 an den Tag.

Dollfuß sah keinen Ausweg, die Situation parlamentarisch zu bereinigen und plante, „anders als die christlichsoziale Parteiführung, zugunsten der Errichtung eines autoritären Ständestaates […] die Ausschaltung sämtlicher politischer Parteien“80 und verhinderte mit Polizeieinsatz das Zusammentreffen zur Neuwahl und zum ordnungsgemäßen Abschluss der Sitzung. Das Parlament wurde damit handlungsunfähig, und der CSP-Regierungschef konnte alleine agieren.

In weiterer Folge wurden, hauptsächlich gegen den Erzfeind und dessen Basisorganisationen, ein generelles Versammlungsverbot und die Vorzensur für sozialdemokratische Blätter eingeführt, der Republikanische Schutzbund verboten81 und nach den Aufständen im Februar 1934 schließlich die SDAP aufgelöst. Ende Mai 1933 wurde die „Vaterländische Front“

gegründet mit dem Ziel, als Einheitspartei die Christlichsoziale und alle mit ihr zusammenarbeitenden Parteien unter Dollfuß‘ Führung zusammenzufassen. Mit der Ausrufung des Ständestaates im Mai 1934 wurde das Parteiensystem und folglich auch die Christlichsoziale Partei aufgelöst.

CSP in der Steiermark:

Die Geschichte der steirischen CSP begann mit dem Zusammenschluss verschiedener, hauptsächlich bäuerlicher Gruppen zum „Katholisch-konservativen Volksverein“. Auch ArbeiterInnenvereine wurden zu dieser Zeit gegründet, und bis zum Beginn des neuen Jahrhunderts konnten die Christlichsozialen in der Steiermark zur zahlenmäßig stimmstärksten Fraktion wachsen.82 Unterstützt wurde die Bewegung, wie auch in den meisten anderen ländlichen Gebieten, von der katholischen Kirche als Basisorganisation, „deren Arm bis in die kleinste Landgemeinde reichte.“83 Bei den Landtagswahlen 1919 spiegelte sich das Ergebnis der zuvor stattgefundenen Wahlen zur Nationalversammlung wider, bei der die Christlichsozialen zwölf von 24,84 nach Berichtigung des Wahlergebnisses 13 von 27

79 Ebda, S. 281.

80 Iber, Antimarxismus/Antisozialismus, S. 526.

81 Vgl. Wiltschegg, Heimwehr, S. 72f.

82 Vgl. Karner, Steiermark im 20. Jh, S. 46.

83 Ebda.

84 Vgl. Wahlen 1919, S. 40f.

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steirischen Mandaten85 erhielten. Die steirische CSP war, wie die SDAP in Graz, stimmstärkste Partei und stellte mit Anton Rintelen den ersten frei gewählten Landeshauptmann auf,86 dessen Amt jener insgesamt fünf Mal während der Ersten Republik ausübte.87 Landeshauptmann-Stellvertreter neben dem Sozialdemokraten Josef Pongratz war Jakob Ahrer, der 1924 ins Finanzministerium wechselte. In die Bankenskandale, mit denen die CSP zu kämpfen hatte, war auch der steirische Finanzminister verwickelt. Ihm wurde vorgeworfen, bevorzugt CSP-nahe Banken wie die „Steirerbank“ durch Fusionierung mit anderen Bankhäusern zu retten,88 weshalb er sich im Jänner 1926 entschied, aus der Regierung auszuscheiden. Ahrer betonte, bei seiner Arbeit stets im Einvernehmen mit der Bundespartei gehandelt zu haben, der Rücktritt sei ihm „gar nicht ungelegen“89 gekommen, er „fühlte [s]ich verbraucht und ging.“90 Ahrer geriet im Herbst desselben Jahres in das mediale Kreuzfeuer durch eine Reise nach Amerika.

Verschiedene Zeitungen sahen die Gründe dafür im Untersuchungsausschuss zu den Sanierungsskandalen und zusätzlich in einer angeblichen amourösen Affäre. Der Austritt aus seiner katholischen Studentenverbindung „Traungau“ beziehungsweise das Zurücklegen seines CSP-Mandates als Zeichen des „Zelte Abbrechens“ sollten diese Behauptung unterstützen.91 Er selbst betonte allerdings, er sei nicht geflüchtet, sondern die Reise wäre schon Anfang jenes Jahres mit Freunden geplant worden92 und seine Abwesenheit „bei führenden Männern Österreichs“93 bekannt gewesen. Außerdem habe er währenddessen ständig Kontakt zu den österreichischen Behörden aufrechterhalten.94 Ahrer begründete seine Reise mit mehreren Faktoren: die berufliche Unzufriedenheit in der Anwaltskanzlei, in der er nach seinem Rücktritt seine Advokatenprüfung ablegen sollte, der Verlust des arbeitsreichen politischen Postens und das folgende Vakuum sowie eine private Krise.95 Einige Hinweise in seiner Biographie deuten

85 Vgl. Kommissionsbericht besetzte Gebiete, S. 53.

86 Vgl. Karner, Steiermark im 20. Jh, S. 128.

87 Sein politisches Ende leitete Rintelen übrigens selbst ein, als er 1934, obwohl er seine Teilnahme bestritt, mit den Verantwortlichen des NS-Juliputsches kooperierte und ihnen wichtige Informationen zukommen ließ.

Nach der geplanten Absetzung Dollfuß‘ und einer folgenden Regierungsumbildung sollte er, Rintelen, als neuer Kanzler eingesetzt werden, der Putsch schlug aber fehl, und Rintelen wurde verhaftet. Vgl. Bauer, Hitlers Putsch, S. 107f, S. 18f, S. 30f, S. 127 beziehungsweise Karner, Steiermark im 20. Jh, S. 158.

88 Vgl. Ableitinger, Unentwegt Krise, S. 87f,

89 Ahrer, Zeitgeschichte, S. 259.

90 Ebda, S. 260.

91 Vgl. Kapitel „Die Ausreise des Landtagsabgeordneten und ehemaligen Finanzministers Jakob Ahrer nach Bekanntwerden mehrerer Bankenskandale Ende September 1926„ S. 61f.

92 Vgl. Ahrer, Zeitgeschichte, S. 261.

93 Ebda, S. 279f.

94 Vgl. ebda, S. 279f.

95 Vgl. ebda, S. 264f.

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zwar auf eine amouröse Affäre hin,96 direkt angesprochen wird ein Zwischenfall in diese Richtung jedoch nicht. Den Austritt aus seiner katholischen Studentenverbindung zuvor habe er zum Schutz jener Verbindung vollzogen,97 und das Ersuchen zur Zurücklegung seines CSP-Mandates erhielt er am Beginn seiner Reise per Telegramm, dem er enttäuscht nachgekommen sei.98 Ahrer bezeichnete seine Reise als Fehler, da einerseits Amerika als typisches Fluchtland gegolten hätte99 und andererseits seine „Nerven versagt haben“100 und er mit dem Gedanken gespielt habe, tatsächlich nicht mehr zurückzukehren.101