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Organisatorische, institutionelle und konzeptionelle Schwachstellen

Teil I Von der funktionalen Zusam- Zusam-menarbeit zur regionalen

6 Reformprozeß der SADC

6.1 Organisatorische, institutionelle und konzeptionelle Schwachstellen

53 The Star (2000), S. 17.

54 Vgl. Dückers (1999).

6 Reformprozeß der SADC

6.1 Organisatorische, institutionelle und konzeptionelle Schwachstellen

Die SADC verfolgt den Ansatz einer integrierten Entwicklung (development integration), indem sie durch Sektorprojekte die ökonomischen und sozi-alen Entwicklungsengpässe in der Region zu ü-berwinden sucht. Sie beschränkt sich bewußt nicht auf die Handelsliberalisierung, die etwa für die COMESA den Integrationsprozeß schlechthin ausmacht.

Die SADC ersetzte 1992 die SADCC, die südafri-kanische Koordinationskonferenz, deren Ziel es seit 1980 war, die soziale und ökonomische Un-abhängigkeit vom Apartheidstaat Südafrika haupt-sächlich mittels Geberunterstützung zu stärken.

Das neue Selbstverständnis der SADC zielt auf die Schaffung eines einheitlichen Marktes nach dem Vorbild der EU, ab 1994 unter Einschluß des vormaligen Opponenten Südafrika.

Bei genauer Betrachtung stellt man allerdings fest, daß sich der Wandel bislang zwar im Vertragstext, weit weniger jedoch in der Realität niederschlug.

Denn nach wie vor wird seitens der Mitgliedstaa-ten am Ziel der sozialen und ökonomischen Un-abhängigkeit festgehalten. Die Wahrnehmung Südafrikas durch die anderen Mitgliedstaaten hat sich de facto wenig verändert. Wegen seiner öko-nomischen Übermacht wird es nach wie vor mit Argwohn und Neid betrachtet. Dies um so mehr, als es auch unter einer ANC-Regierung sehr be-wußt seine nationalstaatlichen Interessen gegen-über den übrigen SADC-Staaten verfolgt, obwohl man seitens letzterer gehofft hatte, daß die RSA ihre „politischen Schulden“ für die Unterstützung während der Apartheid-Ära den SADC-Ländern in Form ökonomischer Zugeständnisse zurückbe-zahlen werde. Die Mehrzahl der Mitgliedstaaten bedient sich auch heute noch der SADC als Mittel zur Verfolgung nationalstaatlicher Interessen, statt sich selbst politisch und wirtschaftlich in die SADC einzubringen. Institutionen und Arbeits-weise von SADC und SADCC gleichen sich weit-gehend.

Der SADC steht also eine effektive Transformati-on zu einer IntegratiTransformati-onsgemeinschaft, die 1992 de jure auf dem Papier vollzogen wurde, de facto erst noch bevor. Was bedeutet dieser Umstand für den angestrebten Integrationsprozeß?

Die sektorale Kooperation und Integrationsagenda wird nach wie vor primär durch die dezentralen, über die Budgets der jeweiligen Ministerien in den Mitgliedsländern finanzierten Sector Co-ordinating Units (SCU) gesteuert. Gleichzeitig beansprucht auch das SADC-Sekretariat Steue-rungskompetenz. Dies bedingt

eine unklare Aufgabenteilung und unscharfe Verantwortlichkeiten zwischen SCUs und SADC-Sekretariat, was zu Lasten der Sektor-arbeit geht und die Effizienz und Effektivität der SADC-Institutionen beeinträchtigt;

eine unterschiedliche Qualität der Sektorar-beit der Sektorkoordinierungseinheiten, da die für ihre Arbeit von den jeweiligen Minis-terien zur Verfügung gestellten materiellen und humanen Ressourcen von Mitgliedsland zu Mitgliedsland sehr unterschiedlich sind (SCUs sind ausschließlich mit nationalen Mi-nisterialbeamten besetzt, nicht mit aus der Region rekrutierten Mitarbeitern). Darin spiegelt sich die völlig unterschiedliche nati-onale Budgetsituation der Mitgliedsländer wider. Für die SADC bedeutet dies das Feh-len eines level playing field zwischen den SCUs und, daraus resultierend, unterschiedli-che Integrationsbemühungen von Sektor zu Sektor. In für die Integration entscheidenden Sektoren kann sich dies fatal auswirken (Bei-spiel: SCU für Handel und Industrie, von Tansania koordiniert, s. Kap. II, 2);

eine Rechenschaftspflicht der Sektorkoordi-nierungseinheiten einerseits gegenüber dem betreffenden Minister des Mitgliedslandes, andererseits gegenüber dem SADC-Exekutiv-sekretär, was zu Interessenkonflikten führt;

eine große Zahl von Sektorkoordinierungs-einheiten, deren Programme hinsichtlich der Integrationserfordernisse kaum koordiniert sind, sowie eine Ausrichtung der SADC auf Kooperation in Einzelprojekten, da die SCUs

ihr Projektportfolio im Auge haben, statt eine kohärente Integrationspolitik, die sich an den Prioritäten der Gemeinschaft orientiert;

eine fehlende Konzentration der Projektmittel auf Prioritätssektoren, da die Projektaktivitä-ten der einzelnen SCUs sowohl aus über das SADC-Sekretariat fließenden Mitteln, als auch von SCUs selbst mobilisierter bilateraler und multilateraler Unterstützung finanziert werden. Dies führt zu einer fehlenden Ge-samtsteuerung sowie einer großen Unüber-sichtlichkeit über den Mitteleinsatz für den SADC-Integrationsprozeß insgesamt.

Die Steuerungskompetenz des Integrationsprozes-ses durch das SADC-Sekretariat ist zwar im Windhoek Vertrag verankert,55 wird in der Praxis jedoch immer wieder von den Regierungen der Mitgliedstaaten und den SCUs in Frage gestellt.

Die Diskussion darüber, ob das Sekretariat nicht zu einem reinen Administrationsorgan degradiert werden könnte, verdeutlicht, daß die Mitglieds-länder eine Integration im Sinne des Verzichts auf nationale Hoheitsbefugnisse zugunsten eines regi-onalen Steuerungsorgans weder wünschen noch für erforderlich halten. Dadurch wird jedoch die Möglichkeit des Sekretariats, eine kohärente In-tegrationspolitik zu formulieren und wirksam um-zusetzen, entscheidend geschwächt.

Das Zögern der Mitgliedsländer, sich an einem effektiven Integrationsprozeß zu beteiligen, ist wenig verwunderlich, wenn man sich den in den meisten Ländern noch keineswegs abgeschlosse-nen Prozeß der Nationalstaatsbildung vor Augen hält. Der SADC fehlt eine gemeinsame politische Vision, die das Integrationsvorhaben über ein Zweckbündnis hinaus beflügeln könnte. In gewis-ser Weise entsprechen die Mitgliedsländer durch die Teilnahme am Integrationsvorhaben vor allem

55 SADC Treaty, Art. 14: “The Secretariat shall be the principal executive institution of SADC and shall be re-sponsible for a) strategic planning and management of the programme of SADC; f) co-ordination and harmoni-sation of the policies and strategies of member States.“

Gebererwartungen, die von diesen reich entlohnt werden. Einige mögen diesen Prozeß auch wegen ihrer geringen Bevölkerungszahlen und relativ unbedeutenden Marktgröße als unabdingbar in einer sich globalisierenden Weltwirtschaft be-trachten, doch sie lehnen die effektive Integration und die damit verbundene Übertragung von Sou-veränitätsbefugnissen auf eine supranationale E-bene ab.

Eine Folge hiervon ist, daß die Mehrzahl der SADC-Mitgliedsländer ohne zu zögern verschie-denen Integrationsguppierungen gleichzeitig an-gehört. Sie betreiben diese Politik, um die Vortei-le der verschiedenen Gruppierungen zu nutzen, ohne sich effektiv zu integrieren oder sich mit dem betreffenden regionalen Sekretariat zu identi-fizieren. Dies führt jedoch zu Inkompatibilitäten der sich überlappenden Integrationsstrategien (ins-besondere von COMESA und SADC), die den Integrationsprozeß beeinträchtigen. Relativ gerin-ge Integrationsgerin-gewinne für die Gemeinschaft ins-gesamt (in Form steigender Investitionen, höhe-rem Wachstum und gestärkter Wettbewerbsfähig-keit) sind die zu erwartende Folge.

Das SADC-Budget wird durch gleiche Beiträge der Mitgliedsländer finanziert, die also das unter-schiedliche wirtschaftliche Potential der Länder völlig außer Betracht lassen.56 Dies spiegelt eher das Verständnis von Mitgliedsbeiträgen gegen-über einem Verein wider, als daß es Basis der ausgewogenen Finanzierung eines Integrations-programms sein kann. Dabei könnte der Befürch-tung einiger Mitgliedsländer, daß höhere Beiträge mehr Macht für einzelne Länder implizieren, z.B.

mit einer one country – one vote-Regel begegnet werden. Die Unterfinanzierung des SADC Pro-gramme of Action und der SADC-Institutionen seitens der Mitgliedsländer ist unausweichliche Folge des gegenwärtigen Finanzierungsmodus.

56 So zahlen etwa Lesotho und Südafrika den gleichen Beitrag zum SADC-Budget, obwohl Lesothos BSP le-diglich 0,7 % desjenigen von Südafrika beträgt.

Südafrikas Haltung gegenüber der SADC bleibt ambivalent und ist durch eine multiple Zielfunkti-on bestimmt. Lippenbekenntnisse zur Bedeutsam-keit des SADC-Integrationsprozesses als Voraus-setzung für die politische und wirtschaftliche Sta-bilisierung der Region erfolgen häufig, doch spie-geln sie sich in der von Südafrika betriebenen Po-litik wenig wider. Im Bereich der Handelsintegra-tion ist die blockierende Haltung Südafrikas kaum mit dem Interesse der Gesamtregion zu vereinba-ren. Handelspolitische Vereinbarungen mit ande-ren Partnern außerhalb der SADC (EU, Brasilien) erwecken den Anschein, daß Südafrikas Prioritä-ten anderswo liegen. Südafrika verleiht einerseits durch sein strategisches, politisches und ökonomi-sches Gewicht der SADC ihre eigentliche interna-tionale Bedeutung und kann durch sein Know-how die Effizienz und Effektivität der SADC stärken. Andererseits verstärkt Südafrika aber auch die Heterogenität und Gespaltenheit inner-halb der SADC.

Die SADC hat 1996 eine Gruppe regionaler Con-sultants aus der SADC-Region damit beauftragt, den Reformbedarf der SADC hinsichtlich Politik, Strategien, Projekt- und Programmimplementie-rung und der institutionellen Strukturen zu unter-suchen und Empfehlungen für Veränderungsmaß-nahmen zu unterbreiten. Die wichtigsten Empfeh-lungen der Gutachter im sogenannten Chipeta-Report sehen vor (s. Kasten 4):57

die Zahl der Sektorprojekte der SADC deut-lich zu verringern und ledigdeut-lich Projekte mit genuin regionalem Charakter beizubehalten;

den Anteil des Finanzierungsbeitrags der SADC-Mitgliedsländer am SADC Pro-gramme of Action (Gesamtheit der Sektorpro-jekte) anzuheben;

die Zahl der Sektorkoordinierungseinheiten entweder drastisch zu verringern oder sie ganz zu beseitigen und durch fünf über das SADC-Budget finanzierte Directorates zu er-setzen;

57 Vgl. Chipeta / CSIR / IMANI Development (1997).

die Rolle des SADC-Sekretariats als Instru-ment der Politikkoordinierung und Harmoni-sierung zu stärken.

Bei der Gesamtbewertung der Schwachstellen der SADC muß allerdings immer berücksichtigt wer-den, daß der SADC-Integrationsprozeß erst vor acht Jahren begonnen und mit dem Beitritt der RSA eine wesentliche Zäsur erfahren hat. Die EU hat mehrere Jahrzehnte benötigt, um einen tief-greifenden Integrationsprozeß zustande zu brin-gen. Die SADC-Staaten erlangten zudem erst vor wenigen Jahrzehnten die Unabhängigkeit und be-finden sich noch im Prozeß der staatlichen Festi-gung. Eine wirksame Integration wird daher auch bei der SADC Zeit brauchen.

6.2 Aktueller Stand der SADC-Reform

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