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Neuere Erfahrungen und Erwartungen

Teil I Von der funktionalen Zusam- Zusam-menarbeit zur regionalen

1 Erwartungen an und Erfahrungen mit Vorhaben der Regionalintegration

1.3 Neuere Erfahrungen und Erwartungen

Auch neueste Veröffentlichungen, die bereits die Entwicklungen und ersten Erfahrungen der Integ-rationswelle der 90er Jahre berücksichtigen, kommen bisher sowohl weltweit als auch in bezug auf Subsahara Afrika zu keinem wesentlich revi-dierten Urteil – soweit sie nicht vorausschauend Möglichkeiten in Betracht ziehen, wie sie die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen heute bieten; aber sie stellen immerhin eine genaue Di-agnose der Engpässe und beleuchten grundsätz-lich neue Möggrundsätz-lichkeiten.10 Oyejide nennt vor dem Hintergrund neuerer Erfahrungen im subsahari-schen Afrika folgende Hemmfaktoren der Han-delsintegration:

6 Langhammer / Hiemenz (1990), S. 74.

7 Blomquist et al. (1993), S. 67.

8 Oestergard (1993), S. 37 ff.

9 Bhagwati (1992).

10 Ng’ong’ola (1999).

Konflikte unter den Mitgliedstaaten aufgrund von Mitgliedschaften in mehreren Organisa-tionen der Regionalintegration,

Verhinderung von Entscheidungen durch konsensuelle Entscheidungsverfahren,

fehlende Überprüfung der Umsetzung von Entscheidungen regionaler Gremien in den Mitgliedstaaten,

fehlender Wille der Regierungen zur Abtre-tung von hoheitlichen Funktionen und Rech-ten an eine Regionalorganisation,

dementsprechende Machtlosigkeit der Sekre-tariate der Regionalorganisationen,

fehlende Vorkehrungen zur Kompensation einseitiger Integrationsvorteile bezüglich Handel und Investitionen,

Weigerung der Regierungen, das handelspoli-tische Instrumentarium (als Mittel der Makro-stabilisierung) aus der Hand zu geben.

Es überrascht deshalb nicht, daß die erhofften handelsschaffenden Effekte regionaler Integrati-onsvorhaben bisher ausgeblieben sind. “Despite the proliferation of regional groupings in Africa it appears from the growth of intra-regional trade shares that in most instances they have achieved little by the way of promoting regional trade inte-gration.“11 Diese Einschätzung wurde kürzlich durch Yeats in einer Studie, die auf der breitesten verfügbaren Datenbasis beruht, unter handelspoli-tischem Gesichtspunkt bestätigt und vertieft.12 Mangelnde Komplementarität des Außenhandels afrikanischer Staaten untereinander und kompara-tive Kostenvorteile bei nur ganz wenigen weiter-verarbeiteten Produkten begrenzen die Möglich-keiten von Handelsschaffung durch präferentiellen Regionalhandel. Yeats schätzt, daß bei Nichterd-ölprodukten komparative Kostenvorteile bzw.

Wettbewerbsvorteile subsaharischer Länder nur bezüglich 5 % des gesamten subsaharischen

11 Foroutan (1998), S. 15.

12 Yeats (1999).

ports vorliegen. Dabei handelt es sich im wesent-lichen um agrarische und mineralische Rohstoffe.

Entsprechend konzentriert sich der subsaharische Export auf nur wenige Produkte, für die kaum Importnachfrage subsaharischer Länder besteht.

Eine hervortretende Ausnahme ist der Außenhan-del der RSA/SACU: “Its regional exports contain a disproportionately high share of machinery and transport equipment while its imports are concen-trated in foodstuffs and labor intensive manufac-tures.“13 Dementsprechend ist die Komplementa-rität der Produkte im intraregionalen Handel der SADC seit Beitritt der RSA wesentlich höher als zwischen anderen subsaharischen Ländern.

Mair und Kopfmüller heben in einer vergleichen-den Studie subsaharischer Regionalorganisationen zwei Engpässe hervor, nämlich erstens die organi-satorische Schwäche, die den anspruchsvollen Zielsetzungen nicht gerecht werden kann, und zweitens die Furcht der schwächeren Länder vor Handelsumlenkung und Konzentration der Aus-landsinvestitionen zugunsten der jeweiligen wirt-schaftlich-politisch stärksten Länder. Positive Entwicklungen auf der funktionalen Kooperati-onsebene werden jedoch bestätigt: „Kaum meßba-ren Fortschritten bei der Vertiefung wirtschaftli-cher Integration in afrikanischen Regionalorgani-sationen stehen durchaus positive Entwicklungen beim Ausbau sektorpolitischer Kooperation ge-genüber. Die Einsicht, daß zentrale Entwick-lungshemmnisse nur mit Hilfe grenzüberschrei-tender Zusammenarbeit zu überwinden sind ...

und das beruhigende Gefühl, daß mit derartiger Kooperation nicht die Aufgabe nationaler Souve-ränität verbunden ist, wirkten sich positiv aus.“14 Den o.a. Beurteilungen subsaharischer Regional-initiativen während der letzten Dekade ist natür-lich entgegenzuhalten, daß angesichts der an-spruchsvollen Zielsetzungen und komplexen poli-tischen Aufgabe der Regionalkooperation auf so kurze Sicht ein sicheres Urteil nicht getroffen

13 Yeats (1999), S. 54.

14 Mair / Kopfmüller (1998), S. 7.

werden kann. Außerdem kommen im Zuge der Globalisierung in Zukunft dynamische Nutzenas-pekte der Regionalintegration hinzu, die in den 80er Jahren und zu Beginn der 90er noch nicht gegeben bzw. abzusehen waren (s. Kap. II, 2).

Die neuere, insbesondere auf Lateinamerika bezo-gene Literatur betont diesbezüglich, Vorhaben der Regionalintegration könnten Standortverhältnisse derart verändern, daß sie attraktiv für ausländische Direktinvestitionen werden. Diese Überlegungen gelten à priori auch für subsaharische Regionalin-tegrationsvorhaben, sobald sie das Stadium der Freihandelszone erreicht haben. Ausländische Firmen bringen das entscheidende Paket von Vor-aussetzungen internationaler Wettbewerbsfähig-keit mit sich: moderne Technologien und Mana-gementmethoden, Exportnetzwerke und Markt-kenntnisse sowie Zugang zu langfristigem Kre-dit.15 Ist dieser Prozeß erst einmal in Gang ge-kommen, kann er Eigendynamik entwickeln und sich beschleunigen; denn Investoren neigen dazu, zwecks Schaffung und Nutzung systemischer Wettbewerbsvorteile “... to cluster and locate to-gether.“ Angesichts der bisherigen strukturellen Wettbewerbsschwäche subsaharischer Länder und der Begrenztheit ihrer Märkte ist diese Möglich-keit, mit der Regionalintegration ernst zu machen (zur idealtypischen Stufenabfolge des Integrati-onsprozesses s. Kasten 1) in der Tat ein starkes Argument. Die Direktinvestoren werden aber an-gesichts der Wettbewerbsschwächen, die eine kaum differenzierte Wirtschaftsstruktur mit sich bringt, auf ein Mindestmaß an wirtschaftlicher, rechtlicher und politischer Stabilität nicht verzich-ten wollen bzw. können.

Die neue empirisch fundierte Literatur weist auf eine Reihe regionalpolitischer Voraussetzungen hin, die erfüllt sein müßten, damit die Integration erfolgreich realisiert werden kann:

Erstens sind regionale Konzentrationsprozesse im Handel und bei den Investitionen struktur-politisch abzumildern und benachteiligte

15 Devlin / Ffrench-Davis (1999), S. 277.

ten zu kompensieren bzw. beim Aufbau eige-ner Standortvorteile zu unterstützen. Dies er-fordert geeignete organisatorische und rechtli-che Voraussetzungen der Regionalpolitik so-wie ausreichende und nachhaltige Finanzie-rung entsprechender Maßnahmen.

Zweitens dürften moderate und zeitlich klar befristete Erziehungszölle im Kontext subsa-harischer Regionalvorhaben letzten Endes un-verzichtbar sein, weil die gravierenden Defizi-te sysDefizi-temischer Wettbewerbsfähigkeit nur un-ter dieser Voraussetzung abgebaut werden können und sie ein zusätzlicher Anreiz für ausländische Direktinvestitionen sein können.

“...liberalization should not be construed as complete lack of trade controls. Some degree of protection is necessary as part of the pro- active measures aimed at encouraging the

ex-pansion of the region's manufacturing sec-tor.“16

Das erfordert drittens zügige Realisierung innerregionaler Handelspräferenzen und zur Vermeidung komplizierter Ursprungsregeln und zusätzlicher Zollbürokratie zwischen den Mitgliedstaaten auch den schnellen Übergang zur Zollunion.

Damit dieser Prozeß nicht an Handelsbilanz-ungleichgewichten oder Budgetdefiziten scheitert, sind viertens finanzielle Aus-gleichsmechanismen zwischen den Mitglied-staaten erforderlich, zu denen vor allem auch die multilateralen Geber beitragen müßten.

Wo die Herstellung des regionalen Zollre-gimes substantielle Importliberalisierung imp-liziert, muß zwecks Vermeidung von struktu-rellen Ungleichgewichten fünftens eine

16 Oyejide (1996), S. 5.

Kasten 1: Stufenschema zunehmender Regionalintegration

Der RI-Prozeß verläuft idealtypisch über folgende fünf Stufen zunehmender wirtschaftlicher und politischer Integration der Mitgliedstaaten einer Regionalorganisation:

Freihandelszone: nach Abbau tarifärer und nichttarifärer Handelshemmnisse der Mitgliedstaaten untereinander;

Zollunion: fügt der Freihandelszone einen gemeinsamen handelspolitischen Außenschutz hinzu;

Gemeinsamer Markt: liberalisiert auch die Arbeits- und Kapitalwanderung zwischen den Mitgliedstaaten;

Wirtschaftsunion: mit gemeinsamer Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten bis hin zu einer gemeinsamen Währung;

Politische Union: mit gemeinsamer Innen-, Außen- und Verteidigungspolitik.

Die USA sind ein Beispiel für die fünfte Stufe, und die EU ist dabei, die vierte Stufe zu bewältigen. Die RI-Beispiele im subsaharischen Afrika sind bisher über (weithin stagnierende bzw. gescheiterte) Versuche zu einer Freihandelszone nicht hinausgekommen. Allerdings hält sich die Praxis nicht strikt an dieses Stufenschema. So hat die SADC den ersten Schritt noch nicht getan, gleichwohl werden Vorstellungen sicherheitspolitischer Kooperation verfolgt. Die Schwierig-keiten bei Abbau und Harmonisierung innerregionaler Handelshemmnisse legen in der Praxis der entsprechenden Ver-handlungen nahe, daß es leichter sein könnte, als erstes die Zollunion anzustreben und danach den innerregionalen Handel zu liberalisieren.

Die für die Stufen der Freihandelszone und Zollunion erwarteten Vorteile sind bis auf den heutigen Tag heftig umstrit-ten. Die Literatur und die älteren Erfahrungen beziehen sich freilich durchweg auf Kooperationsansätze, die ein ausge-sprochen protektionistisches Verhältnis zum Weltmarkt hatten. Ob neuere, relativ weltmarktoffene Initiativen wie z.B.

G3 (Mexiko, Venezuela, Kolumbien) und MERCOSUR (Argentinien, Brasilien, Paraguay) am Ende erfolgreicher sein werden, bleibt abzuwarten. Schematische Analogieschlüsse aus den Erfahrungen von NAFTA, EU, MERCOSUR auf die Perspektiven von SADC oder anderer subsaharischer Regionalorganisationen sind wegen der grundverschiedenen polit-ökonomischen Voraussetzungen problematisch.

same Exportförderung einschließlich des Ab-baus von Angebotsengpässen betrieben wer-den. Je erfolgreicher die Exportförderung ist, um so zügiger können jedenfalls die Importe liberalisiert werden.17

Angesichts des strukturellen makroökonomi-schen Ungleichgewichts vieler subsaharischer Länder ist sechstens zu fragen, ob nicht über-haupt vor allem anderen eine erfolgreiche Phase der Förderung traditioneller Exporte stehen müßte. Ist der hierfür erforderliche Zeitvorlauf nicht vorgesehen, sind der Han-delsliberalisierung durch drohende makro-ökonomische Ungleichgewichte enge Grenzen gesetzt.

Schließlich sollte die relativ geringe Bedeu-tung der EZ für den Erfolg des Integrations-prozesses nicht aus den Augen verloren wer-den. Bei der Entwicklung von Vorhaben zwi-schenstaatlicher Regionalintegration im sub-saharischen Afrika (oder in anderen Weltge-genden) handelt es sich um einen offenen, d.h.

nicht prognostizier- und planbaren histori-schen Prozeß. Die EZ der EU, und erst recht die der Bundesrepublik für sich allein ge-nommen, ist hier von zweitrangiger Bedeu-tung. Die EZ-Administrationen sind nicht Herren des Prozesses. Auf lange Sicht ent-scheidend ist der kollektive politische Wille der subsaharischen Staaten und ihrer Zivilge-sellschaften selbst. Nachhaltiger Überzeu-gungsarbeit kommt allerdings zusammen mit Fördermaßnahmen der Regionalintegration eine hohe Priorität zu.

Als weiterer Vorteil/Nutzen der regionalen Integ-rationsvorhaben wird in der neuen Literatur der Einraste-Effekt (locking-in-Effekt) genannt. Auf-grund der eingegangenen handels- und zollpoliti-schen Verpflichtungen könnten die Mitgliedstaa-ten einer Regionalorganisation nicht mehr Han-dels- und Zollpolitik nach Belieben zur Makrosta-bilisierung einsetzen. Dies würde zur Verstetigung

17 Ebenda, S. 6.

und damit größeren Berechenbarkeit der wirt-schaftspolitischen Rahmenbedingungen führen.

Besonders stark müsse dieser locking-in-Effekt sein, wenn ein Nord-Süd-Handelspräferenzab-kommen hinzukäme. Ob jedoch präferentielle Freihandelsabkommen zwischen der EU und sub-saharischen Freihandelszonen, wie sie das Ver-handlungsmandat der EU-Kommission für Lomé V ins Auge faßt (s. Kap. I, 5.1), einen positiven Einraste-Effekt haben werden, ist noch nicht ab-sehbar. Schließlich bleibt die alte grundsätzliche Frage, ob die Eliten der einzelnen Staaten sich mit Blick auf ihre Interessenlage werden „einrasten“

lassen. Insbesondere divergierende Geld- und Währungspolitiken können die handelsschaffende Wirkung des Freihandels unterbinden und integra-tionshinderlich wirken, wie sich z.B. im MERCOSUR, der zum Jahr 2000 intendierten Freihandelszone zwischen Argentinien, Brasilien und Uruguay, im Herbst 1999 zeigt.18 Nach der Abwertung des brasilianischen Real im Januar 1999 hat die finanzielle Wettbewerbskraft der ar-gentinischen Unternehmen wegen der Dollarbin-dung des Pesos und angesichts der Real-Abwertung stark abgenommen. Prompt werden nichttarifäre Handelshemmnisse auf argentini-scher Seite aktiviert, und die Brasilianer treffen Gegenmaßnahmen. Die weitere Entwicklung die-ses Musterfalles neuer Regionalkooperation wird von erheblicher Bedeutung für die Einschätzung der Erfolgsaussichten anderer Initiativen sowie ihrer Organisation und Integrationspolitik sein.

Ein weiteres Problem, das in der Literatur noch kaum gewürdigt wird, ist der Dauerstreit zwischen Nettozahlern und -empfängern einer Regionalor-ganisation über die Höhe der Ausgleichszahlun-gen. Es ist keineswegs ausgemacht, daß er überall so glatt ablaufen wird wie bisher in der EU.

18 Handelsblatt (1999), S. 10.

2 Heterogenität der Mitgliedstaaten

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