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Da die Verwendung von gelöster PolySia in Silikonröhrchen nur ein erster Schritt war, um den Effekt von PolySia auf die periphere Nervenregeneration zu testen, wurden im Hinblick

auf eine Verwendung der PolySia als Gerüstsubstanz für ein biohybrides Nerventransplantat zwei verschiedene PolySia-basierte Materialien auf ihre Biokompatibilität getestet.

Nanomaterialien, deren Oberflächen-Strukturen im Bereich von 1 – 100 nm liegen, sind momentan Gegenstand intensiver Forschung für die Entwicklung therapeutischer Ansätze im Hinblick auf die zielgerichtete Wirkstofffreisetzung und in der Geweberegeneration (NAIR

and LAURENCIN 2008; SATO and WEBSTER 2004; VENUGOPAL et al. 2008). Nanomaterialien haben den Vorteil, dass sie aufgrund ihrer jeweiligen Oberflächen-Struktur und ihrer Größe sehr gut in biologische Gewebe eingepasst werden können. Es sind derzeit eine Reihe verschiedener Nanomaterialien vorhanden, z. B. Nanopartikel, Nanodrähte, Nanoröhrchen oder Nanofasern (EL-SAYED 2010). In den vorliegenden Versuchen wurden zunächst gerichtete, PolySia-beschichtete Nanofasern in das Modell der epineuralen Tasche implantiert und nach 1 und nach 3 Wochen histologisch und immunhistochemisch im Hinblick auf die Regeneration der Axone sowie das Einwandern von Makrophagen und die Proliferation von Schwann-Zellen als Anzeichen Wallerscher-Degeneration evaluiert. In einem zweiten Ansatz wurden suspendierte Nanopartikel, die auf ihrer Oberfläche mit PolySia vernetzt waren, in einen gequetschten Nerv gespritzt und die Läsionsstelle ebenfalls nach 3 Wochen histologisch und immunhistochemisch untersucht.

4.3.1 Nanofasern

Die Verwendung von Mikro- oder Nanofasern als Leitschienen für die Regeneration peripherer Nerven ist ein vielversprechender Therapieansatz, der bereits mit verschiedenen Materialien, wie Laminin, Kollagen, PLGA, Polyethylenoxid oder Poly-Acrylnitril-co-methylacrylat sowohl in vitro (KOH et al. 2008) als auch in vivo getestet wurde (CLEMENTS et al. 2009; KIM et al. 2008; KOH et al. 2010). Die Axone können dabei an einer dreidimensionalen Struktur auswachsen (BOUDRIOT et al. 2006). Es konnte gezeigt werden, dass die Zellen sich an den Fasern orientieren, sodass durch die Verwendung gerichteter Vliese die natürlicherweise vorkommende Ausrichtung der Zellen gefördert wird (MA et al.

2005). Die Struktur der Fasern ähnelt der extrazellulären Matrix und schafft somit eine natürliche wachstumsfördernde Umgebung (BOUDRIOT et al. 2006; MA et al. 2005). Die Fasern lassen sich in ihrer Oberflächen-Struktur, Porosität, Steifheit und ihrem Durchmesser beliebig variieren. Auch die Anordnung der Fasern im dreidimensionalen Gerüst kann den Bedürfnissen gut angepasst werden (BOUDRIOT et al. 2006).

Die Faservliese wurden in der vorliegenden Studie in das Läsionsmodell der epineuralen Tasche implantiert. Dieses Modell wurde bereits zur Überbrückung eines 20 mm langen Defektes mittels Kollagenimplantaten verwendet (BOZKURT et al. 2008a). In den vorliegenden Versuchen wurden über eine Länge von 5 mm die Nervenfasern innerhalb des Epineuriums entfernt und mit dem Faservlies ausgefüllt. Über diese relativ kurze Distanz ist eine spontane Regeneration sehr wahrscheinlich, da den Nervenfasern auch das Epineurium als Leitschiene zur Verfügung stand. Sowohl nach 1 Woche als auch nach 3 Wochen waren in den HE-Färbungen ungeordnete Strukturen und viele Zellkerne um das Vlies herum erkennbar. In den immunhistochemischen Färbungen konnten Schwann-Zellen, Neurone und Makrophagen identifiziert werden. Die Schwann-Zellen wurden mit dem anti-S100-Antikörper gefärbt. S100 ist ein Kalzium-bindendes Protein, das im Cytoplasma der Zellen lokalisiert ist (GONZALEZ-MARTINEZ et al. 2003). Es wird routinemäßig als Schwann-Zell-Marker eingesetzt (SUN et al. 2010). In den immunhistochemischen Färbungen waren die Schwann-Zellen über die gesamte Läsionsstrecke verteilt. Sie waren allerdings in der Peripherie am Epineurium lokalisiert und nicht zentral in die Nähe des Faservlieses eingewachsen. Die Axone wurden mit einem anti-Neurofilament-Antikörper angefärbt.

Neurofilament (NF) ist der am häufigsten vorhandene Cytoskelett-Baustein in Nervenzellen (TEUNISSEN et al. 2005). Dieser färbt neben dem Zellkörper auch die Axone an. Diese waren sowohl nach 1 Woche als auch nach 3 Wochen nur vereinzelt durch die Läsionsstelle gewachsen. Sie wuchsen ebenfalls nicht am Vlies entlang, sondern orientierten sich an den Schwann-Zellen. Um sicher zu stellen, dass es sich bei diesen Axonen nicht um nicht durchtrennte Fasern handelt, wurden sie zusätzlich mit dem anti-GAP-43-Antikörper markiert. Dies ist ein Protein, das in Wachstumskegeln exprimiert wird. Es wird während der Entwicklung im peripheren Nervensystem gebildet, anschließend herunterreguliert und nach Verletzungen in auswachsenden Axonen reexprimiert. Darum ist es ein geeigneter Marker für neu auswachsende Axone (OESTEREICHER et al. 1997; TURNER et al. 2010). Es konnte dadurch gezeigt werden, dass in den lädierten Nerven eine Regeneration begonnen hat und sowohl Schwann-Zellen als auch erste Axone in die Läsionsstelle eingewachsen sind. Um das Faservlies herum waren allerdings viele Zellkerne angefärbt, deren Zellen S100-negativ waren. Während der Waller-Degeneration kommt es zu einem Einwandern von Makrophagen, die z. B. Axontrümmer phagozytieren (HAASTERT and GROTHE 2007; SCHMIDT and LEACH

2003). Aus diesem Grund wurde vermutet, dass es sich bei diesen Zellen um Makrophagen handeln könnte. Für deren Markierung wurde ein anti-ED1-Antikörper verwendet. ED1 ist ein

Glykoprotein der Lysosomen-Membran. Es wird durch phagozytische Aktivität der Makrophagen verstärkt exprimiert, ist jedoch auch in nicht aktiven Makrophagen vorhanden (DAMOISEAUX et al. 1994). In den nach 1 Woche entnommenen Nerven konnte eine Vielzahl von Makrophagen um das Faservlies herum detektiert werden. Dies deutet zunächst auf den normalen Ablauf der Waller-Degeneration hin, bei der ein Höchststand der Makrophagen 1 Woche nach der Läsion erreicht wird (FRANK and WOLBURG 1996). Nach einem Zeitraum von 3 Wochen war allerdings immer noch eine große Anzahl Makrophagen in der Läsionsstelle vorhanden. Zu diesem Zeitpunkt sind die Degenerationsvorgänge jedoch normalerweise weitestgehend beendet und es sind kaum noch Makrophagen nachweisbar (FRANK and WOLBURG 1996). Da außerdem in den DAPI-Färbungen neben den Kernen der Makrophagen auch Zelltrümmer um das Vlies herum erkennbar waren, deutet dies darauf hin, dass es zu einer inflammatorischen Reaktion gekommen ist, weil das Faservlies nicht biokompatibel ist. Ein Grund könnte die Verwendung toxischer Substanzen während des Spinning-Prozesses gewesen sein, deren Rückstände in dem Vlies verblieben sind. Die Färbung des Vlieses mit dem PolySia-spezifischen Antikörper mAB 735 war zudem negativ.

Aus diesem Grund kann keine Aussage darüber getroffen werden, ob die Beschichtung der Fasern mit PolySia in vivo über einen Zeitraum von 1 oder sogar 3 Wochen stabil ist. Es sind dementsprechend Modifikationen im Elektrospinning-Prozess nötig, um die Verwendung toxischer Substanzen zu ersetzen und die Beschichtung mit PolySia stabiler zu machen. Die modifizierten Faservliese sollten dann erneut im Regenerationsmodell der epinueralen Tasche getestet werden.

4.3.2 Nanopartikel

Die verwendeten Nanopartikel basieren auf einem Silikat, MCM-41, das erstmals 2001 als mögliches Vehikel zur zielorientierten Wirkstofffreisetzung beschrieben wurde (VALLET -REGI et al. 2001). In der Orthopädie werden Nanopartikel zur verbesserten Knochenregeneration erforscht (GARRETT et al. 2007). Silikat-basierte Nanopartikel werden bereits für verschiedene Fragestellungen in der Forschung verwendet, da sie sowohl an DNA/RNA, Proteine oder sogar ganze Zellen gebunden werden können. Sie haben den Vorteil, dass sie chemisch und thermisch stabil, unempfindlich gegenüber Bakterien und in wässriger Lösung gut suspendierbar sind (KNOPP et al. 2009).

In dem vorliegenden Versuch wurden suspendierte PolySia-beschichtete Nanopartikel in eine Quetschungsverletzung des N. ischiadicus injiziert, um mögliche Effekte auf die periphere Nervenregeneration sowie die Biokompatibilität der Partikel zu testen. Nach 3 Wochen wurden die Nerven entnommen und histologisch und immunhistochemisch untersucht. Die Quetschung ist eine leichte Verletzung, die innerhalb kurzer Zeit wieder vollständig verheilt (IJKEEMA-PAASSEN et al. 2004). Die dichte parallele Anordnung der Fasern war in der HE-Färbung gelockert. Die mit dem anti-Neurofilament-Antikörper markierten Axone sind durch die Läsionsstelle hindurchgewachsen, zeigen jedoch eine ungeordnete Struktur. Die Schwann-Zellen sind gleichmäßig im Nervenquerschnitt verteilt. Dies deutet auf einen normalen Regenerationsverlauf der Fasern hin. Die Nanopartikel waren im Hellfeld sowohl in den ungefärbten Schnitten als auch in den Färbungen nicht erkennbar. Es sind ebenfalls noch einige Makrophagen in den Nerven erkennbar. Nach einem Zeitraum von 3 Wochen sollten die während der Waller-Degeneration einwandernden Fresszellen nach einer Nervenquetschung nicht mehr nachweisbar sein (FRANK and WOLBURG 1996), es sei denn, es hat eine inflammatorische Reaktion auf Fremdkörper, wie die Nanopartikel stattgefunden. Der anti-ED1-Antikörper färbt fast alle Makrophagen-Populationen an (DIJKSTRA, C. D. et al.

1985; VARGAS and BARRES 2007). Im gesunden PNS sind residente Makrophagen vorhanden, die etwa 2 – 9 % der perineuralen Zellen ausmachen. Nach einer Verletzung proliferieren diese Zellen und zusätzlich wandern weitere Makrophagen ein. Alle diese Makrophagen tragen zur Phagozytose der Myelinreste bei (VARGAS and BARRES 2007). Aufgrund der relativ geringen Anzahl an Makrophagen, die in den Nerven gefunden wurden, kann es sich dementsprechend auch um residente Fresszellen handeln.

Die an die Nanopartikel gebundene PolySia sollte mittels APC-gebundener inaktiver EndoN sichtbar gemacht werden. Diese bindet PolySia ohne sie jedoch zu spalten. Da von der EndoN PolySia ab einer Kettenlänge von 3 Sialinsäure-Resten erkannt wird, ist sie sensitiver als der anti-PolySia-Antikörper, der zur Erkennung mindestens ein Oktamer benötigt (SCHWARZER et al. 2007; ZUBER et al. 1992). Es war in den Schnitten dennoch nur eine schwache Färbung erkennbar. Diese war allerdings flächig und nicht punktförmig, wie es für die Nanopartikel zu erwarten war. Außerdem war diese Färbung in der Negativkontrolle (nur PBS-Injektion) ebenfalls vorhanden. Es scheint sich daher bei dieser Färbung um endogene PolySia zu handeln, die aufgrund der Verletzung im Nerven reexprimiert wurde.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Nanopartikel nach 3 Wochen nicht mehr im Gewebe vorhanden sind. Es ist denkbar, dass sich die Suspension direkt nach der Injektion so

weit im Nerven verteilt hat, dass eine Detektion der einzelnen Partikel nicht mehr möglich war. Es ist aber auch möglich, dass die Nanopartikel über den Zeitraum von 3 Wochen im Gewebe vorhanden waren und erst während der Aufarbeitung der entnommenen Nerven

„ausgelaufen“ sind. Da eine normale Waller-Degeneration stattgefunden hat und die Anzahl der Makrophagen auch auf residente Fresszellen hinweisen könnte, ist eine abschließende Beurteilung des Regenerationserfolges oder der Biokompatibilität der Nanopartikel nicht möglich. Eine andere Applikationsform sollte gewählt werden, um ihre Effekte zu evaluieren.

Die Verwendung eines Trägerstoffes, wie z. B. GFR-Matrigel wäre eine Möglichkeit, um die Partikel am Ort zu halten. Da das GFR-Matrigel bei einer Temperatur von 4°C flüssig ist, könnten die Partikel im GFR-Matrigel suspendiert werden. Bei höheren Temperaturen besitzt es eine gelförmige Substanz und kann somit z.B. in ein Silikonröhrchen eingebracht werden.