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Um das Überleben der implantierten Schwann-Zellen verfolgen zu können, wurden diese mit dem Fluoreszenzfarbstoff PKH-GL26 markiert (HAASTERT et al. 2006; VERDU et al. 1999).

Dieser Farbstoff wird stabil in die Zellmembran eingebaut. Nach einem Beobachtungszeitraum von 3 bzw. 6 Wochen wurden in der 10 mm-Studie die Regenerate entnommen und gefriergeschnitten. Anhand dieser Schnitte wurde die Zahl an PKH-positiven Zellen für die beiden Transplantationsbedingungen (SZ und PolySia + SZ) bestimmt.

3 Wochen nach der Transplantation betrug die Anzahl PKH-positiver Zellen 192 ± 112,59 Zellen in Gruppe E und 177,46 ± 65,76 Zellen in Gruppe F. Nach einem Beobachtungszeitraum von 6 Wochen waren nur noch 53,50 ± 10,14 Zellen in Gruppe E und 57,11 ± 6,23 Zellen in Gruppe F vorhanden. Es sind keine signifikanten Unterschiede in der Zellzahl zwischen den beiden Transplantationsbedingungen vorhanden und die Zellen waren gleichmäßig über das Regenerat verteilt. PolySia hat keinen Einfluss auf das Überleben der implantierten Schwann-Zellen gehabt. Auch in vitro konnte gezeigt werden, dass exogene PolySia als Oberflächenbeschichtung das Überleben von neonatalen Schwann-Zellen nicht behindert (HAILE et al. 2007). Die Anzahl PKH-positiver Zellen ist in der vorliegenden Studie

nach 6 Wochen jedoch wesentlich niedriger als nach 3 Wochen. Ein Grund hierfür ist die Reduktion der Fluoreszenz-Intensität aufgrund von Zellteilungen (PARISH 1999). In einer aktuellen in vitro-Studie waren 2 Wochen nach der Markierung von olfaktorischen Hüllzellen mit dem Fluoreszenzfarbstoff noch 55 % der Zellen PKH-positiv. Nach 4 Wochen in Kultur zeigten nur noch 11 % der Zellen eine PKH-Markierung, nach 6 Wochen waren es noch 8 % (PETTERSSON et al. 2010). Dies bedeutet eine Reduktion der Zellzahl um etwa 25 % und stimmt etwa mit den Werten überein, die in der vorliegenden Studie nach 3 bzw. nach 6 Wochen detektiert wurden.

Errechnet man aus der anfänglich implantierten Zellzahl von 1,7 x 106 Zellen, einem Röhrchen von 10 mm Länge und einem Durchmesser von 1,5 mm die Zelldichte, so kommt man bei einer Markierungseffizienz von 97,2 % auf einen Wert von 1888 markierten Zellen/mm2. Die Zellzahl nach 6 Wochen betrug etwa 55 Zellen/mm2. Dieser Wert entspricht nur etwa 3 % der ursprünglich implantierten Zellen. Diese Differenz kommt dadurch zustande, dass der Färbeprozess zu einem Absterben der Zellen in den ersten 2 Wochen führt (MOSAHEBI et al. 2000). Da dieser Fehler in beiden Gruppen gleich groß war, verfälscht er den Einfluss von PolySia auf das Überleben der implantierten Zellen aber nicht.

Die Markierung mit dem Fluoreszenzfarbstoff PKH-GL26 ist eine geeignete Methode, um Zellen sowohl in vitro als auch in vivo zu markieren und deren Überleben zu verfolgen. Sollen die Zellen jedoch über einen längeren Zeitraum verfolgt werden, ist ein anderer Farbstoff wie z. B. Fast Blue eine geeignete Alternative (PETTERSSON et al. 2010).

4.2.3 Retrograde Markierung der regenerierten sensiblen und motorischen Fasern

Bei den meisten peripheren Nerven handelt es sich um gemischte Nerven. Das heißt, dass sowohl motorische als auch sensorische Fasern darin verlaufen. Eine häufig verwendete Methode, um nach einer Verletzung den Anteil an regenerierten motorischen und sensorischen Axonen zu bestimmen, ist die Markierung der Zellkörper (BYERS et al. 2002;

PUIGDELLIVOL-SANCHEZ et al. 2000). Dazu wird der Zelle ein meist fluoreszenter Farbstoff appliziert, der axonal transportiert wird. Dieses Verfahren wird im Englischen als Tracing bezeichnet. Das Tracing kann sowohl anterograd, vom Zellkörper über das Axon bis zur Synapse, als auch retrograd, vom Axon zum Zellkörper, erfolgen (HONIG and HUME 1986;

SPARKS et al. 2000).

Mit dieser Methode sollte in der 10 mm-Studie überprüft werden, ob exogene PolySia auf die Regeneration der motorischen und der sensorischen Fasern einen unterschiedlichen Einfluss hat. Da die Zellkörper der sensiblen Neurone in den DRGs L4 – L6 liegen und die Perikarien der Motoneurone sich in den Rückenmarkssegmenten L4 – L6 befinden, konnte für beide die Anzahl an der Regeneration beteiligter Zellen für jeweils 3 Tiere pro Gruppe ermittelt werden.

Der verwendete Tracer, DiI, ist ein Carbocyanin-Farbstoff, der fettlöslich ist und somit in die Zellmembran inkorporiert wird. Durch Internalisation gelangt der Farbstoff in die Zelle und wird schließlich retrograd transportiert. Honig und Hume konnten zeigen, dass es dabei nicht zu einem transneuronalen Transport kommt (HONIG and HUME 1986). Die Fluoreszenz ist über einen Zeitraum von mehreren Wochen stabil und die physiologischen Eigenschaften der Zellen werden durch den Farbstoff nicht verändert (HONIG and HUME 1986). In einer weiteren Studie konnte außerdem gezeigt werden, dass bei der Doppelmarkierung mit zwei verschiedenen Tracern, die Effizienz von DiI verglichen mit einer Reihe anderer Farbstoffe relativ hoch ist (ZELE et al. 2010). DiI ist somit ein geeigneter Farbstoff für die Markierung der Zellkörper regenerierter Axone. Ein Nachteil besteht jedoch in der geringen Transportgeschwindigkeit. Diese wurde von Godement und Kollegen mit 6 – 8 mm/Tag angegeben (GODEMENT et al. 1987). In einer weiteren Studie wurde dieser Wert jedoch auf unter 5 mm/Tag korrigiert (RICHMOND et al. 1994). Da in der vorliegenden Studie sowohl im Rückenmark als auch in den DRGs markierte Zellkörper gefunden wurden, kann davon ausgegangen werden, dass ein Zeitraum von 10 Tagen für den Transport von der Läsionsstelle bis zum Zielgebiet (Lumbalmark bzw. DRGs) ausreichend war.

Die Anzahl an sensiblen Neuronen, deren Axone durch die Läsionsstelle gewachsen sind, ist in der vorliegenden Studie für alle Gruppen gleich bei etwa 6 %. In einer vergleichbaren Studie, in der der Einfluss der Elektrostimulation des distalen Stumpfes auf die periphere Nervenregeneration in einer 13 mm langen Defektstrecke gemessen wurde, sind nach einem Beobachtungszeitraum von 8 Wochen vergleichbare Werte von 6 – 7 % gemessen worden (SCHMITTE 2009).

Auch die Anzahl markierter Motoneurone zeigte keine Unterschiede zwischen den Gruppen.

Die Anzahl an motorischen Nervenzellen, die im distalen Ende des Regenerates Axone aufwiesen lag bei etwa 5000. In diesem Fall konnte die Gesamtzellzahl nicht bestimmt werden, da die nicht markierten Zellen im Hellfeld nicht unterscheidbar waren. PolySia hat sowohl in den sensorischen als auch in den Motoneuronen keinen Einfluss auf die Anzahl der

regenerierenden Zellen gehabt. Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zu den Ergebnissen der morphometrischen Analyse, bei der die Anzahl regenerierter myelinisierter Axone distal der Läsionsstelle in den PolySia-transplantierten Gruppen höher ist (s. Absatz 4.2.5). Es scheint daher, dass PolySia zwar nicht die Anzahl an regenerierenden Zellen erhöht, aber das Sprouting der Axone fördert.

4.2.4 Elektrophysiologie

Mit Hilfe der elektrophysiologischen Messungen sollte eine funktionelle Reinnervation der Muskulatur nachgewiesen werden. Der N. ischiadicus wurde proximal und distal der Läsionsstelle stimuliert und ein Muskelsummenaktionspotential (MSAP) wurde, wenn möglich, am M. gastrocnemius abgeleitet. Elektrodiagnostische Messungen wurden am Ende des Beobachtungszeitraums in der 10 mm-Studie mit allen Tieren der 6/8 Wochen-Gruppen durchgeführt, sowie mit den Tieren der 13 mm-Studie nach 10 Wochen. Es wurden allerdings nur die Tiere getestet, die eine makroskopische Regeneration aufwiesen. In der 10 mm-Studie war es bei jeweils 3 Tieren in den beiden zellhaltigen Gruppen (C und D) möglich, ein EMG abzuleiten. Dabei konnten zwischen den beiden Transplantationsgruppen keine Unterschiede festgestellt werden. Allerdings sind sowohl die Nervenleitgeschwindigkeit als auch die Schwellenamplitude und die maximale Amplitude in den gesunden Kontrollnerven signifikant höher als in den lädierten Nerven der beiden Transplantationsgruppen. Da die Amplitude des MSAPs durch die Anzahl der innervierten Muskelfasern bestimmt wird (NAVARRO and UDINA 2009), scheint in diesem Fall die Anzahl der innervierten Muskelfasern in der lädierten Seite sowohl in der SZ-Gruppe als auch in der PolySia + SZ-Gruppe noch deutlich unter den physiologischen Werten zu liegen. Eine verminderte Nervenleitgeschwindigkeit nach der Regeneration durchtrennter Nerven ist auch in der Literatur beschrieben (VERDU et al. 2000).

Dies kommt unter anderem dadurch zustande, dass die regenerierten Axone eine dünnere Myelinschicht aufweisen als die gesunden Nerven (SCHRÖDER 1972). Außerdem ist der Abstand zwischen den Ranvier’schen-Schnürringen im Vergleich zum physiologischen Zustand verkürzt, wodurch es zu einer langsameren Erregungsweiterleitung kommt (FU and GORDON 1997).

Bei allen anderen Tieren war es aufgrund der starken Atrophie des Muskels nicht möglich, die Ableitelektroden so zu platzieren, dass ein EMG gemessen werden konnte. Es konnte jedoch bei vielen Tieren eine Reinnervation der Muskulatur dadurch festgestellt werden, dass die

Stimulation zu einer Kontraktion des Muskels und somit zu einer Bewegung des Fußes bzw.

der Zehen führte. Außer in der Matrigel-Gruppe konnte bei allen anderen Gruppen bei etwa 75 % der Tiere eine evozierte Bewegung festgestellt werden. PolySia scheint damit auch ohne die gleichzeitige Transplantation von Schwann-Zellen eine funktionelle Regeneration der Motoneurone zu ermöglichen. Dieser Befund korreliert mit Daten aus der Literatur. Dort konnte gezeigt werden, dass Motoneurone, die PolySia während der Entwicklung exprimiert haben, nach einer Verletzung des PNS wieder PolySia synthetisierten, was zu einer verbesserten motorischen Regeneration führte (FRANZ et al. 2008).

Auch in der 13 mm-Studie konnten evozierte Bewegungen der Pfote als Hinweis auf eine Reinnervation der Muskulatur festgestellt werden. Da in dieser Studie in der PolySia- und in der SZ-Gruppe nur 2 bzw. 1 Tier mit durchgehendem Gewebekabel vorhanden waren, konnten diese nicht statistisch evaluiert werden. In der Autotransplantat-Gruppe zeigten alle Tiere eine evozierte Bewegung. Dies ist signifikant besser als in der PolySia + SZ-Gruppe (33 %). Allerdings stellt das Autotransplantat eine ideale Umgebung für die auswachsenden Axone dar (LUNDBORG 2004). Die Verwendung gelöster PolySia in Silikonröhrchen kann bei einer langen Defektstrecke nicht mit diesem Modell konkurrieren.

Durch die Transplantation der Schwann-Zellen alleine oder in Kombination mit PolySia scheint es zu einer Reinnervation der Muskeln gekommen zu sein. Verglichen mit der 10 mm-Studie sind in der 13 mm-Studie allerdings weniger Tiere mit funktioneller Regeneration in der PolySia + SZ-Gruppe. Bei einer Defektstrecke von 10 mm kann in der Ratte noch spontane Regeneration stattfinden, bei einer Länge von 13 mm jedoch nicht mehr.

Die 13 mm-Defektstrecke stellt somit eine deutlich gravierende Herausforderung dar. Es ist somit denkbar, dass ein Beobachtungszeitraum von 10 Wochen für diese große Defektstrecke nicht ausreichend war, um funktionelle Verbindungen zwischen den Axonen und den Muskeln aufzubauen. Zusätzlich ist eine korrekte Innervation der Muskeln durch Motoneurone nicht immer gegeben (FU and GORDON 1995).