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Förderung der peripheren Nervenregeneration durch "Tissue engineering"

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Academic year: 2022

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Tierärztliche Hochschule Hannover

Aus dem Institut für Neuroanatomie, Medizinische Hochschule Hannover und dem Zentrum für systemische Neurowissenschaften Hannover

Förderung der peripheren Nervenregeneration durch "Tissue engineering" - In vivo-Applikation von PolySia-basierten

Biomaterialien

Dissertation

zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Naturwissenschaften - Doctor rerum naturalium (Dr. rer. nat.) -

am Zentrum für systemische Neurowissenschaften durch die Tierärztliche Hochschule Hannover

vorgelegt von Janett Kreth aus Gifhorn

Hannover, 2010

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Referent: Prof. Dr. Claudia Grothe

1. Gutachter: Prof. Dr. Claudia Grothe Institut für Neuroanatomie

Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1

30625 Hannover

2. Gutachter: Prof. Dr. Rita Gerardy-Schahn Institut für Zelluläre Chemie

Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1

30625 Hannover

3. Gutachter: PD Dr. Manuela Gernert

Institut für Pharmakologie, Toxikologie und Pharmazie Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

Bünteweg 2 30559 Hannover

Externer Gutachter: Prof. Dr. Cordula Matthies

Neurochirurgische Klinik und Poliklinik Universitätsklinikum Würzburg

Josef-Schneider-Straße 2 97080 Würzburg

Datum der mündlichen Prüfung: 09.10.2010

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I - Teile der vorliegenden Arbeit wurden bereits veröffentlicht:

HAASTERT-TALINI,K., J.SCHAPER-RINKEL, R.SCHMITTE, B.RODE, M.MÜHLENHOFF, D.

SCHWARZER, G.DRÄGER, Y.SU, T.SCHEPER, R.GERARDY-SCHAHN and C.GROTHE (2010).

"In vivo evaluation of polysialic acid as part of tissue engineered nerve transplants." Tissue engineering 16: 3085 - 98.

II – Teile der vorliegenden Arbeit wurden bereits auf Tagungen vorgestellt:

SCHAPER-RINKEL,J., Y.HAILE, B.RODE, R.GERARDY-SCHAHN, T.SCHEPER, C.GROTHE

and K.HAASTERT (2008). In vivo evaluation of polysialic acid (polySia) effects on peripheral nerve regeneration. Brainstorming IV-Kongress des Zentrums für Systemische

Neurowissenschaften.

Schaper-Rinkel, J., C. Grothe and K. Haastert (2008). In vivo evaluation of polysialic acid (polySia) as part of bio-engineered nerve transplants. Jährliches Kolloquium des Zentrums für

Systemische Neurowissenschaften, Braunlage.

Schaper-Rinkel, J., R. Schmitte, B. Rode, R. Gerardy-Schahn, T. Scheper, C. Grothe and K.

Haastert (2009). In vivo effects of exogenous polysialic acid on peripheral nerve regeneration across nerve gaps. 26. Arbeitstagung der Anatomischen Gesellschaft, Würzburg.

Schaper-Rinkel, J., R. Schmitte, B. Rode, R. Gerardy-Schahn, T. Scheper, C. Grothe and K.

Haastert (2009). In vivo effects of exogenous polysialic acid on peripheral nerve regeneration across nerve gaps. Jährliches Kolloquium des Zentrums für Systemische

Neurowissenschaften, Braunlage.

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Annegret in liebevoller Erinnerung gewidmet!

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Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG... 1

1.1 DAS NERVENSYSTEM... 3

1.1.1 Aufbau und Entstehung des Nervensystems ... 3

1.1.2 Zelltypen des Nervensystems ... 3

1.1.2.1 Schwann-Zellen... 4

1.1.3 Aufbau peripherer Nerven... 6

1.2 VERLETZUNG UND REGENERATION PERIPHERER NERVEN... 7

1.2.1 Klinische Einteilung und Ursachen von Nervenläsionen ... 7

1.2.2 Wallersche Degeneration und axonale Regeneration ... 9

1.3 BEHANDLUNG PERIPHERER NERVENVERLETZUNGEN... 11

1.3.1 Klinischer Standard... 11

1.3.2 Biohybride Nerveninterponate mittels „Tissue engineering“ ... 12

1.4 POLYSIALINSÄURE (POLYSIA) ... 14

1.5 ZIELSETZUNG DER ARBEIT/WISSENSCHAFTLICHE FRAGESTELLUNG... 18

2 MATERIAL UND METHODEN ... 20

2.1 MATERIALIEN... 20

2.1.1 Geräte... 20

2.1.2 Verbrauchsmaterialien, Chemikalien und Lösungen ... 21

2.2 ZELLKULTURTECHNIK... 25

2.2.1 Kultur-Medien ... 25

2.2.2 Gewinnung von neonatalen Schwann-Zellen der Ratte... 26

2.2.3 Aufreinigung von neonatalen Schwann-Zellen der Ratte ... 26

2.2.4 Kulturbedingungen der neonatalen Schwann-Zellen ... 27

2.2.5 Passagieren der neonatalen Schwann-Zellen... 28

2.2.6 Einfrieren und Auftauen von neonatalen Schwann-Zellen ... 28

2.2.7 Fixieren von neonatalen Schwann-Zellen ... 28

2.2.8 PKH-GL 26 Färbung von neonatalen Ratten-Schwann-Zellen... 29

2.3 TIEREXPERIMENTELLE ARBEITEN... 29

2.3.1 Das Rattenmodell ... 29

2.3.2 Versuchsdesign... 30

2.3.3 Implantation von Silikon-Röhrchen... 33

2.3.3.1 Befüllen der Silikon-Röhrchen... 34

2.3.4 Autotransplantation... 34

2.3.5 Epineurale Tasche... 35

2.3.6 Das Crush-Modell ... 36

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2.3.7.1 Rotarod-Test... 37

2.3.7.2 Sciatic FunctionIndex (SFI)... 38

2.3.7.3 Pinch-Test... 40

2.3.7.4 Withdrawal-Test... 41

2.3.8 Elektrodiagnostische Messungen ... 41

2.3.9 Retrograde Markierung der sensiblen Neurone und der Motoneurone ... 42

2.3.10 Explantation und Gewebeaufarbeitung für Epon-Einbettung ... 43

2.3.11 Explantation und Aufarbeitung der Proben für Gefrier-Schnitte ... 44

2.3.12 Explantation der markierten DRGs/ des markierten Rückenmarks... 44

2.4 HISTOLOGISCHE FÄRBUNGEN... 45

2.4.1 Hämatoxilin-Eosin-Übersichtsfärbung ... 45

2.4.2 Immunhistochemische Färbungen... 46

2.4.3 PolySia-Nachweis mittels EndosialidaseN-APC ... 46

2.5 QUANTITATIVE UND QUALITATIVE EVALUATION DER HISTOLOGISCHEN PRÄPARATE... 46

2.5.1 Morphometrische Auswertung der Semidünnschnitte ... 46

2.5.2 Bestimmung des g-ratio... 46

2.5.3 Auszählen der Überlebensrate PKH-GL 26-markierter Schwann-Zellen ... 46

2.5.4 Auszählen der markierten DRGs/des markierten Rückenmarks... 46

2.6 STATISTISCHE AUSWERTUNG... 46

3 ERGEBNISSE... 46

3.1 GELÖSTE POLYSIA IN SILIKON-RÖHRCHEN:10 MM-STUDIE... 46

3.1.1 Makroskopische Regeneration ... 46

3.1.2 Überleben der implantierten Schwann-Zellen... 46

3.1.3 Retrograde Markierung der regenerierten sensiblen und motorischen Fasern ... 46

3.1.4 Elektrophysiologie... 46

3.1.5 Anzahl und Größe regenerierter myelinisierter Axone ... 46

3.1.6 G-ratio... 46

3.1.7 Zusammenfassung der Ergebnisse ... 46

3.2 GELÖSTE POLYSIA IN SILIKON-RÖHRCHEN:13 MM-STUDIE... 46

3.2.1 Verhaltenstests ... 46

3.2.1.1 Rotarod-Test... 46

3.2.1.2 Sciatic Function Index (SFI)... 46

3.2.1.3 Pinch-Test... 46

3.2.1.4 Withdrawal-Test... 46

3.2.2 Makroskopische Regeneration ... 46

3.2.3 Elektrophysiologie... 46

3.2.4 Anzahl regenerierter myelinisierter Axone... 46

3.2.5 G-ratio... 46

3.2.6 Zusammenfassung der Ergebnisse ... 46

3.3 POLYSIA-BASIERTE MATERIALIEN: IN VIVO-VORVERSUCHE... 46

(8)

3.3.1 Nanofasern ... 46

3.3.2 Nanopartikel... 46

4 DISKUSSION ... 46

4.1 DAS MODELL... 46

4.1.1 Das Tiermodell... 46

4.1.2 Das Interponatsmodell ... 46

4.2 GELÖSTE POLYSIA IN SILIKONRÖHRCHEN... 46

4.2.1 Verhaltenstests ... 46

4.2.1.1 Motorische Regeneration... 46

4.2.1.2 Sensorische Regeneration... 46

4.2.2 Überleben der implantierten Zellen ... 46

4.2.3 Retrograde Markierung der regenerierten sensiblen und motorischen Fasern ... 46

4.2.4 Elektrophysiologie... 46

4.2.5 Morphometrische Auswertung ... 46

4.2.5.1 Anzahl und Größe regenerierter myelinisierter Axone... 46

4.2.5.2 G-ratio ... 46

4.2.6 Zusammenfassung der Ergebnisse ... 46

4.3 POLYSIA-BASIERTE MATERIALIEN... 46

4.3.1 Nanofasern ... 46

4.3.2 Nanopartikel... 46

4.4 ABSCHLUSSBETRACHTUNG UND AUSBLICK... 46

5 ZUSAMMENFASSUNG... 46

6 SUMMARY... 46

7 LITERATUR ... 46

8 ANHANG ... 46

8.1 VERWENDETE COMPUTERPROGRAMME/INTERNETSEITEN... 46

8.2 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS... 46

8.3 ABBILDUNGSVERZEICHNIS... 46

8.4 TABELLENVERZEICHNIS... 46

8.5 DANKSAGUNG... 46

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1 Einleitung

Im Gegensatz zum zentralen Nervensystem (ZNS) hat das periphere Nervensystem (PNS) nach einer Verletzung die Fähigkeit zur Regeneration. Die Verletzungen eines peripheren Nervs können dabei in verschiedene Schweregrade unterteilt werden. Bei der Neurapraxie wird der Nerv gequetscht, die Struktur bleibt jedoch erhalten. Dies ist eine milde Verletzung, die vollständig regenerieren kann. Die Axonotmesis ist eine Durchtrennung der Nervenfaser, wobei die Hülle erhalten bleibt. Bei der Neurotmesis schließlich wird der gesamte Nerv inklusive Nervenhülle durchtrennt. Eine solche Verletzung regeneriert meist funktionell nicht vollständig. Die Therapie der Wahl ist daher eine End-zu-End-Anastomose. Diese ist jedoch nur dann möglich, wenn die beiden Nervenstümpfe spannungsfrei aneinander genäht werden können. Eine häufige Verletzung des PNS ist ein Plexus brachialis-Abriss durch Verkehrsunfälle oder während der Geburt. Auch aufgrund einer Hüftprothesen-Implantation kann es zu Verletzungen des Nervus (N.) femoralis sowie in selteneren Fällen auch des N.

ischiadicus kommen. Bei diesen Verletzungen ist eine End-zu-End-Anastomose aufgrund des großen Substanzverlustes nahezu unmöglich. Die Standardtherapie in diesem Fall ist ein autologes Nerventransplantat. Dabei wird in der Regel ein sensibler Nerv des Patienten entnommen und die Defektstrecke damit überbrückt. Diese Methode hat jedoch verschiedene Nachteile. Zum einen kommt es zum Funktionsverlust an der Stelle des Spendernervs, zum anderen stimmt die Zusammensetzung bezüglich motorischer und sensibler Fasern und die Dicke zwischen Spendernerv und Akzeptor häufig nicht überein. Ein Allotransplantat, also ein körperfremder Spendernerv, hat den Nachteil, dass eine Immunsuppression notwendig wird, die zu starken Nebenwirkungen führen kann. Eine Alternative zu diesen Therapien ist das „Tissue engineering“. Dabei soll ein biohybrides Nerventransplantat die Defektstrecke überbrücken und den auswachsenden Axonen als Leitschiene dienen. Das Gerüst dieses Transplantats muss dazu aus einem biokompatiblen, permeablen Material bestehen und möglichst degradierbar sein. Zusätzlich enthält es idealerweise Wachstumsfaktoren, extrazelluläre Matrix und Schwann-Zellen, um eine wachstumsfördernde Umgebung zu schaffen. Es gibt bereits eine Vielzahl unterschiedlicher Materialien, die auf ihre regenerationsfördernde Wirkung getestet und in Kombination mit verschiedenen Wachstumsfaktoren im Tiermodell untersucht werden. Auch Schwann-Zellen werden in diesen Untersuchungen verwendet, da bereits seit längerem bekannt ist, dass diese für die Regeneration peripherer Nerven eine entscheidende Rolle spielen.

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In der vorliegenden Arbeit wurde Polysialinsäure (PolySia) als mögliche Gerüstsubstanz im Transsektionsmodell des N. ischiadicus der Ratte getestet. PolySia ist ein Polymer der N-Acetylneuraminsäure und ist in der Entwicklung des Nervensystems unter anderem mitverantwortlich für die Zellmigration. Sie wird während der Embryonalentwicklung sowohl in Neuronen als auch in Gliazellen exprimiert. Später ist sie nur noch in Regionen mit hoher Plastizität vorhanden, wird aber in Verletzungsgebieten hochreguliert. Im Rahmen dieser Doktor-Arbeit wurde eine Studie durchgeführt, bei der eine 10 mm-Defekstrecke im Regenerationsmodell des N. ischiadicus der Ratte mittels Silikonröhrchen überbrückt wurde.

Die Röhrchen wurden mit gelöster PolySia oder mit einer Mischung aus PolySia und neonatalen Schwann-Zellen gefüllt und die Regeneration über 3 Wochen und 6 – 8 Wochen verfolgt. Als Positivkontrolle dienten Schwann-Zell-gefüllte Silikonröhrchen, bei der Negativkontrolle waren die Röhrchen mit Matrigel befüllt. In dieser Studie wurde die Regeneration anhand elektrodiagnostischer Messungen, morphometrischer Daten und mittels retrogradem Tracing evaluiert. In einer weiteren Studie sollte eine lange Defektstrecke von 13 mm mit einem Silikonröhrchen überbrückt werden, das wieder mit gelöster PolySia, Schwann-Zellen oder PolySia und Schwann-Zellen gefüllt war. Als Positivkontrolle diente in dieser Studie ein Autotransplantat. Die Regeneration wurde über einen Zeitraum von 10 Wochen gemessen. Zusätzlich zu den elektrodiagnostischen Messungen und der Morphometrie wurden in dieser Studie Verhaltenstests für die motorische und sensorische Regeneration durchgeführt, die die funktionelle Wiederherstellung überprüfen sollten.

In diesen Studien wurden Interponate aus Silikon verwendet. Das ist jedoch nicht durchlässig für das umgebende Milieu. Es findet somit kein Nährstoffaustausch statt und auch die Revaskularisierung des Regenerates kann behindert werden. Die Verwendung der gelösten PolySia war daher nur ein erster Schritt, um die regenerationsfördernde Wirkung von PolySia auf die periphere Nervenregeneration zu testen. Als endgültiges Ziel soll PolySia als Gerüstsubstanz verwendet werden, die als biohybrides Nerventransplantat auch über lange Defektstrecken die Regeneration ermöglicht. Es wurden daher weitere Versuche mit zwei PolySia-basierten Materialien gemacht. Zum einen wurden gerichtete Nanofasern, die mit PolySia beschichtet waren, in das Model der epineuralen Tasche der adulten Ratte implantiert.

Zum anderen wurden PolySia-beschichtete Nanopartikel in den gequetschten Nerv der Ratte gespritzt, um die Biokompatibilität und das Regenerationsverhalten der beiden Materialien zu testen.

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1.1 Das Nervensystem

1.1.1 Aufbau und Entstehung des Nervensystems

Das Nervensystem kann in das zentrale Nervensystem, das aus Gehirn und Rückenmark besteht, und das periphere Nervensystem untergliedert werden. Dieses umfasst alle efferenten motorischen Nervenfasern, die vom Rückenmark in die Peripherie führen und alle afferenten sensiblen Nervenfasern, die den umgekehrten Weg nehmen. Die Perikarien der motorischen Fasern liegen im Vorderhorn des Rückenmarks und ziehen von dort aus in die Peripherie. Die Zellkörper der sensiblen Fasern liegen in Spinalganglien außerhalb des Rückenmarks. Dort werden die aus der Peripherie ankommenden Impulse auf ein zweites Neuron umgeschaltet, dessen Axon über das Rückenmark ins ZNS zieht.

Das Nervensystem wird vom Ektoderm gebildet. Während der Embryonalentwicklung bildet sich zunächst durch eine Induktion vom benachbarten Gewebe das Neuroektoderm aus.

Dieses entwickelt sich zur Neuralplatte, die sich dann zur Neuralrinne verdickt. Von dieser spaltet sich am Rand die Neuralleiste ab, die unter anderem das PNS bildet. Die Neuralrinne schließt sich zum Neuralrohr. Aus dem Neuralrohr entwickelt sich das gesamte ZNS (JUNQUEIRA and CARNEIRO 2005; TREPEL 2008).

1.1.2 Zelltypen des Nervensystems

Die funktionellen Einheiten im NS sind die Nervenzellen oder Neurone. Sie dienen der Informationsverarbeitung und der Reizweiterleitung. Sie bestehen aus einem Zellkörper (Perikaryon), einem Axon und mindestens einem Dendriten. Ausnahmen sind die unipolaren Nervenzellen, die anstelle von Dendriten Sinnesrezeptoren besitzen. Sie kommen beispielsweise als Stäbchen oder Zapfen in der Netzhaut vor. Nervenzellen, die neben dem Axon nur einen Dendriten besitzen, können unterteilt werden in bipolare Nervenzellen und in pseudounipolare Nervenzellen. Bei letzteren sind Axon und Dendrit am Zellkörper miteinander verschmolzen und zweigen sich hinterher auf. Dieser Zelltyp kommt z. B. in den Spinalganglien vor. Der häufigste Typ ist die multipolare Nervenzelle, die ein Axon und mehrere Dendriten besitzt (LIPPERT 1995). Die Dendriten verzweigen sich unterschiedlich stark und sind für den Erregungsempfang zuständig und leiten diesen dann zum Zellkörper weiter. Im Perikaryon laufen alle Stoffwechselvorgänge ab, wie in anderen Zellen auch. Das Axon verlässt den Zellkörper am Axonhügel und kann sich danach weiter verzweigen. Die

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Axone sind für die Erregungsweiterleitung verantwortlich. An ihren Enden sitzen die sogenannten synaptischen Endknöpfchen, die zusammen mit der nachfolgenden Zelle die Synapse bilden. Mehrere Neurone werden so miteinander verbunden. An der Synapse wird eine Transmittersubstanz vom Axon ausgeschüttet und gelangt in den synaptischen Spalt. An der postsynaptischen Membran der nachfolgenden Zelle binden die Transmittermoleküle an Rezeptoren, wodurch es in dieser postsynaptischen Zelle durch Kalzium-Einstrom zur Auslösung eines Aktionspotentials kommt. Synapsen gibt es nicht nur zwischen Neuronen.

Die Motoneurone bilden Synapsen an den Skelettmuskeln aus, an denen die Information zu den Muskeln weitergeleitet wird. Diese Synapsen werden motorische Endplatten genannt. Die glatte Muskulatur, die für die Kontrolle der inneren Organe zuständig ist, wird ebenfalls über synaptische Kontakte von den Nerven innerviert.

Im Nervensystem gibt es kaum extrazelluläre Matrix. Stattdessen werden sowohl die Zellkörper der Neurone als auch die Axone und die Dendriten von Gliazellen umhüllt. Diese bestimmen somit das Mikromilieu des Nervensystems. Von den Gliazellen sind im ZNS mehrere Typen vorhanden, die unterschiedliche Funktionen haben und sich auch in ihrer Morphologie unterscheiden (JUNQUEIRA and CARNEIRO 2005). Oligodendrozyten sind für die Myelinisierung der Axone verantwortlich. Eine Zelle umhüllt dabei mit ihren Fortsätzen mehrere Axone. Die Astrozyten sind sternförmige Zellen, die zum einen eine Stützfunktion haben und zum anderen für die Nährstoffversorgung der Neurone wichtig sind. Außerdem sind sie an der Ausbildung der Blut-Hirn-Schranke beteiligt und spielen eine Rolle in der Aufnahme von Neurotransmittern aus dem synaptischen Spalt sowie der Homöostase von verschiedenen Ionen. Ein weiterer Gliatyp im ZNS sind die Mikroglia. Diese Zellen sind eingewanderte Makrophagen und als solche für die Phagozytose von abgestorbenen Zellen sowie für die immunologische Abwehr von Mikroorganismen im ZNS zuständig. Folglich sind diese Zellen nicht ektodermaler Herkunft sondern stammen aus dem Mesoderm. Im PNS gibt es neben den Satelliten-Zellen, die die Perikarien der sensiblen Neurone in den Ganglien umhüllen, nur eine weitere Art von Gliazellen, die Schwann-Zellen (TREPEL 2008).

1.1.2.1 Schwann-Zellen

Während der Embryonalentwicklung entstehen aus den Zellen der Neuralleiste verschiedene Zelltypen. Unter anderem entstehen durch den Kontakt zu auswachsenden Axonen die Schwann-Zell-Vorläufer, die sich am Tag E16/E17 der Embryonalentwicklung in der Ratte zu

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unreifen Schwann-Zellen weiterentwickeln. Diese reifen schließlich bis zur Geburt zu zwei verschiedenen Typen von Schwann-Zellen heran: die nicht-myelinisierenden Schwann-Zellen und die myelinisierenden Schwann-Zellen (MIRSKY and JESSEN 1996; MIRSKY et al. 2002).

Letztere bilden die Myelinscheide um die Axone. Die Schwann-Zelle legt sich dazu mit ihrem gesamten Zellkörper an das Axon und umwickelt es mehrere Male. Dabei entsteht aufgrund der übereinander liegenden Zellmembranen eine im Querschnitt lamellenartige Struktur, die Mark- oder Myelinscheide. Das Zytoplasma der Schwann-Zellen wird dabei in die äußere Schicht verdrängt. Ein Axon wird auf seiner gesamten Länge von mehreren Schwann-Zellen umhüllt. Diese lagern sich hintereinander an das Axon an, sodass an den Kontaktstellen kleine Zwischenräume entstehen, die Ranvier’schen Schnürringe. Die Bereiche dazwischen werden als Internodien bezeichnet. Da die Myelinscheide elektrisch isolierend wirkt, kann die Zellmembran dort nicht erregt werden. Die Weiterleitung eines Aktionspotentials ist daher nur an den Ranvier’schen Schnürringen möglich, sodass es von Schnürring zu Schnürring springt. Die Leitungsgeschwindigkeit wird durch diese saltatorische Erregungsleitung deutlich schneller. Es gibt jedoch auch marklose Fasern. Dabei werden mehrere Axone von einer Schwann-Zelle einfach umhüllt (LIPPERT 1995). Im PNS sind Axone mit einem Durchmesser von mehr als 1 µm in der Regel myelinisiert, kleinere meist nicht (BIRCHMEIER and NAVE

2008).

Die Myelinschicht hat ein besonders hohes Lipid-zu-Protein-Verhältnis. Sie besteht zu 70 - 80 % aus Lipiden und 20 – 30 % Proteinen. Bei den Lipiden sind alle Lipidklassen vorhanden, die auch in anderen Membranen gefunden werden. Die Zusammensetzung der Proteine zeigt jedoch spezifische Myelin-Komponenten. Dabei ist in der Myelinschicht ein auffällig hoher Anteil an Glykoproteinen vorhanden. Die vier wichtigsten Proteine, deren Synthese angeschaltet wird, sobald die Schwann-Zellen sich zum myelinisierenden Typ entwickeln, sind die Glykoproteine P0, Peripheral Myelin Protein-22 (PMP22) und Myelin- Associated Glycoprotein (MAG) sowie Myelin Basic Protein (MBP) (GARBAY et al. 2000;

MIRSKY and JESSEN 1996; MIRSKY et al. 2002). Die Entwicklung von unreifen Schwann- Zellen zum myelinisierenden Typ ist abhängig von axonalen Signalen und kann z. B. nach Verletzungen rückgängig gemacht werden, so dass sich die Zellen dedifferenzieren, wieder den unreifen Schwann-Zellen ähneln und anfangen zu proliferieren (s. Absatz 1.2.2). Im Gegensatz zu den Schwann-Zell-Vorläufer-Zellen können reife Schwann-Zellen auch ohne Kontakt zu Axonen überleben (MIRSKY et al. 2002).

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Der Phänotyp myelinisierender Schwann-Zellen ist außerdem noch abhängig von der Qualität des umhüllten Axons. Schwann-Zellen, die Motoneurone myelinisieren, weisen ein anderes Expressionsmuster an Wachstumsfaktoren auf als Schwann-Zellen in rein sensorischen Nerven. In Nervenfasern, die sowohl sensorische als auch Motoneurone besitzen, ist auch der Phänotyp der Schwann-Zellen gemischt (HÖKE et al. 2006).

1.1.3 Aufbau peripherer Nerven

Der periphere Nerv untergliedert sich in mehrere Schichten. Er ist zunächst von Bindegewebe umhüllt, dem Epineurium. Dieses verankert den Nerv in seiner Umgebung und grenzt ihn von weiteren Geweben ab. In das Epineurium eingebettet lagern mehrere Nervenbündel. Die Bündel sind umgeben von einer weiteren Bindegewebsschicht, die Perineurium genannt wird.

Diese entsteht aus mehreren Schichten flacher Zellen, unter anderem Fibroblasten. In diesen Bündeln werden mehrere Axone zusammengefasst. Eingebettet darin liegen außerdem Gefäße, die unter anderem der Versorgung des Nerven dienen. Ein Axon samt Myelinscheide wird als Nervenfaser bezeichnet. Die einzelnen Nervenfasern sind jeweils von einer weiteren Schicht aus retikulärem Bindegewebe umhüllt, dem Endoneurium. Es besteht hauptsächlich aus Kollagen (JUNQUEIRA and CARNEIRO 2005; LIPPERT 1995; SCHMIDT and LEACH 2003).

Die Nerven des PNS sind fast alle gemischt. Das heißt es verlaufen sowohl motorische als auch sensorische Fasern innerhalb eines Nervs. Die motorischen Fasern enden an den motorischen Endplatten der Muskeln, die sie innervieren, während die sensorischen Fasern ihre Informationen von den Rezeptoren der Sinneszellen erhalten. Die Fasern der peripheren Nerven werden schließlich über das Rückenmark weitergeleitet. Die Zellkörper der motorischen Axone sind dabei im ventralen Horn des Rückenmarks lokalisiert, die Zellkörper der sensiblen Fasern liegen in den Spinalganglien entlang dem Wirbelkanal. Dort werden die Impulse auf ein zweites Neuron umgeschaltet, das über das Rückenmark ins Gehirn zieht.

(TREPEL 2008). Der Aufbau eines peripheren Nerven ist in Abbildung 1-1 dargestellt.

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1 2 3

4

5 6

7 1 Rückenmark

2 ventrale Nervenwurzel

3 dorsale Nervenwurzel mit Spinalganglion 4 peripherer Nerv

5 Endoneurium 6 Epineurium 7 Axon 8 Blutgefäße 9 Perineurium

9

8 Abbildung 1-1: Aufbau peripherer Nerven.

Die motorischen Fasern werden über die ventrale Nervenwurzel aus dem Rückenmark über den Nerv zu den Muskeln geleitet, während die sensorischen Fasern von den Rezeptoren über die dorsale Nervenwurzel zum Rückenmark geführt werden. Die Fasern sind samt den Myelinschicht-formenden Schwann-Zellen von einer Schicht Bindegewebe umgeben, dem Endoneurium. Mehrere Fasern zusammen werden durch das Perineurium zusammengefasst, während der gesamte Nerv von einer weiteren Bindegwebsschicht, dem Epineurium, umhüllt ist.

1.2 Verletzung und Regeneration peripherer Nerven

1.2.1 Klinische Einteilung und Ursachen von Nervenläsionen

Periphere Nerven haben nach Verletzungen anders als die Fasern des ZNS die Fähigkeit zur Regeneration. Der Grad der Regeneration ist jedoch von der Art der Verletzung abhängig.

Seddon und Kollegen haben diese 1943 in drei Kategorien eingeteilt (SEDDON et al. 1943).

Die Neurapraxie ist eine temporäre Blockade der Reizweiterleitung, die nicht mit der Degradation von Nervengewebe einhergeht. Dabei wird meist die Myelinschicht beschädigt.

Diese Form der Nervenschädigung kommt z. B. durch eine Quetschung zustande und kann schnell und vollständig wieder abheilen. Bei der Axonotmesis wird die axonale Kontinuität unterbrochen, das umgebende Bindegewebe bleibt jedoch erhalten und bildet so eine

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Leitschiene für das erneute Auswachsen der Axone. Dieses dauert in Abhängigkeit von der Distanz zum Zielorgan mehrere Wochen bis Monate, da der distale Bereich eine Wallersche Degeneration (s. Absatz 1.2.2) durchmacht. Die Neurotmesis schließlich beschreibt die komplette Durchtrennung des Nervs inklusive Endoneurium, Perineurium und Epineurium.

Eine spontane Regeneration ist in diesem Fall kaum möglich und eine operative Adaptation ist indiziert (DORNSEIFER et al. 2007; SEDDON et al. 1943). Diese Unterteilung wurde von Sunderland modifiziert. Die Neurapraxie wird von ihm als Verletzung 1. Grades beschrieben, die Axonotmesis entspricht einer Verletzung 2. Grades. Die Neurotmesis unterteilt er weiter.

Bei einer Verletzung 3. Grades handelt es sich um eine Durchtrennung sowohl der Axone als auch des Endoneuriums. Bei einer Verletzung 4. Grades ist zusätzlich noch das Perineurium durchtrennt und eine Verletzung 5. Grades beschreibt schließlich eine komplette Durchtrennung von Axonen, Endo-, Peri- und Epineurium (SUNDERLAND 1951). Der Grund für Verletzungen des PNS sind häufig Verkehrsunfälle, bei denen es zum Abriss des Armnervengeflechts (Plexus brachialis) kommt. Hiervon sind in 80 – 90 % der Fälle vor allem junge Motorradfahrer betroffen. Diese Verletzungen können zu einer vollständigen Lähmung des Arms führen (CARVALHO et al. 1997; NIKKHAH et al. 1997). Insgesamt kommt es bei 5 % aller offenen Wunden an den Extremitäten, die z. B. durch Sport- oder Verkehrsunfälle verursacht werden, zu Nerventraumata (IJKEEMA-PAASSEN et al. 2004).

Weiterhin kann eine Verletzung des Plexus brachialis auch bei Neugeborenen während der Geburt auftreten. In 0,05 – 0,3 % der Geburten kommt es z. B. durch ein Geburtsgewicht des Kindes über 4000 g, eine Steißlage oder einem zu engen Geburtskanal der Mutter zu Schädigungen der Nerven. Da diese Kinder lebenslange schwere Beeinträchtigungen zurückbehalten können, ist eine operative Behandlung nötig (BERGER et al. 1997).

Auch endoprothetische Operationen der Hüfte können durch Traktion, Kompression oder Ischämie zu Nervenläsionen führen. Bei den meisten dieser Läsionen kommt es nicht zu klinischen Symptomen, obwohl bei ca. 50 % der Operationen elektrophysiologisch Schäden nachgewiesen werden können (DELLA VALLE and DI CESARE 2001 - 2002; GOETZ et al.

2010). In etwa 90 % der Hüftgelenksimplantationen mit Nervenschädigung ist der N.

ischiadicus meist mit seinem peronealen Anteil betroffen. Weiterhin können der N. femoralis und sehr selten der N. obturatorius verletzt werden. Die Regeneration dieser Schädigungen ist zum einen abhängig von der Schwere der Verletzung und zum anderen vom betroffenen Nerv und der Qualität der geschädigten Nervenfasern. Grundsätzlich heilen Verletzungen des N.

femoralis besser als solche des N. ischiadicus. Die Prognose ist ebenfalls besser für

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sensorische Neuropathien als für solche, bei denen die motorische Funktion eingeschränkt ist (DELLA VALLE and DI CESARE 2001 - 2002). Generell ist eine Indikation zur Operation immer dann gegeben, wenn bei einer (Teil-)Lähmung innerhalb von ca. 3 – 4 Monaten keine Anzeichen einer Regeneration erkennbar sind (MILLESI 1997).

1.2.2 Wallersche Degeneration und axonale Regeneration

Das Potential peripherer Nerven zur Regeneration ist zwar generell gegeben, jedoch ist die Funktionalität nach einer kompletten Durchtrennung meist stark eingeschränkt. Diese Vorgänge sind abhängig von dem Grad der Schädigung, dem Alter, der Spezies und der Entfernung der Läsion zum Zellkörper (DIETZMANN 1990; PFISTER et al. 2007).

Nach einer Transsektion kommt es durch die Unterbrechung der axonalen Struktur zu einer Reihe morphologischer und molekularer Veränderungen. Im Zellkörper kommt es zur Chromatolyse. Diese beinhaltet die Auflösung der Nissl-Substanz, Anhäufung von Mitochondrien, Lysosomen und Mikrotubuli sowie die Dezentralisation des Zellkerns.

Gleichzeitig schwillt das Perykarion an und die DNA- und Protein-Synthese werden erhöht.

Je näher die Verletzung am Zellkörper stattfindet, desto gravierender sind diese Veränderungen (DIETZMANN 1990; FU and GORDON 1997). Eine retrograde Degeneration findet jedoch nur minimal, in der Regel bis zum nächsten Ranvier’schen Schnürring, statt und wird durch Kalzium-Einstrom und die Aktivierung von Kalzium-abhängigen Proteasen vermittelt (FU and GORDON 1997; SCHMIDT and LEACH 2003). Im distalen Teil dagegen kommt es zu einem Zusammenbruch der Myelinscheide und der Axone. Makrophagen wandern ein und phagozytieren zusammen mit den Schwann-Zellen Myelin- und Axon-Reste (HAASTERT and GROTHE 2007; SCHMIDT and LEACH 2003). Diese Vorgänge werden nach dem Physiologen August Waller, der sie als erster beschrieb, Wallersche Degeneration genannt (WALLER 1850). Durch diese Phagozytose bleibt nur die leere Basalmembran in der endoneuralen Hülle zurück, die das ursprüngliche Axon umhüllt hat, mit den darin befindlichen Schwann-Zellen. Diese dedifferenzieren vom myelinisierenden reifen Phänotyp zu nicht-myelinisierenden Schwann-Zell-Vorläufer-ähnlichen Zellen und fangen an zu proliferieren (FAWCETT and KEYNES 1990; FU and GORDON 1997). Das Expressionsmuster der Schwann-Zellen ändert sich. Gene, die für Myelin-assozierte Proteine codieren, wie P0, MBP, MAG oder PMP22 werden herunterreguliert. Dagegen werden Gene, die in nicht- myelinisierenden Schwann-Zellen aktiv sind, hochreguliert. Zu ihnen gehören eine Reihe von

(18)

neurotrophen Faktoren, wie z. B. die Neurotrophine Nerve growth factor (NGF), Neurotrophin 4/5 (NT4/5), Brain derived neurotrophic factor (BDNF), aber auch Glial cell derived neurotrophic factor (GDNF), und Adhäsionsmoleküle wie das neurale Zelladhäsionsmolekül (Neural cell adhesion molecule, NCAM), sowie Komponenten der Basalmembran wie Laminin, Fibronektin oder Kollagen. Dadurch wird ähnlich wie während der Neuralentwicklung eine wachstumsfördernde Umgebung für die Axone geschaffen (FAWCETT and KEYNES 1990; FU and GORDON 1997). Außerdem lagern sich die Schwann- Zellen linear in der Basalmemran zu sogenannten Büngner-Bändern zusammen, die als Leitschiene für die einwachsenden Axone dienen (STOLL and MÜLLER 1999). Im proximalen Stumpf beginnen die Axone schon ein paar Stunden nach der Axotomie mit der Regeneration.

Dabei kommt es an den am weitesten distal gelegenen Ranvier’schen Schnürringen zu Aussprossungen und der anschließenden Bildung von Wachstumskegeln durch die Einwanderung von endoplasmatischem Retikulum, Mitochondrien und Mikrotubuli. Von jedem Axon können mehrere Aussprossungen auswachsen, die schließlich in die Läsionsstelle einwachsen. Dieser Vorgang wird im englischen als ‚Sprouting’ bezeichnet. Die Axone erreichen dabei in Abhängigkeit von der Spezies eine Wachstumsgeschwindigkeit von 1 - 5 mm/d (DORNSEIFER et al. 2007). Der Wachstumskegel heftet sich schließlich an die Basalmembran und die Schwann-Zellen auf der distalen Seite an und wächst zum Zielorgan aus. Haben die Axone ihr Ziel erreicht und neue Synapsen ausgebildet, beginnt die Remyelinisierung. Da dabei jedoch die internodalen Abstände zwischen den Ranvier’schen Schnürringen kürzer sind als vor der Verletzung, bleibt die Nervenleitgeschwindigkeit niedriger als vor der Verletzung (FU and GORDON 1997). Ist keine Leitschiene für die auswachsenden Axone vorhanden, kommt es zu einem ungerichteten Wachstum und schließlich zur Neurombildung. In diesem Fall ist eine erfolgreiche Reinnervation nicht gegeben (FU and GORDON 1997). Weiterhin kann es bei gemischt motorisch-sensorischen Nerven dazu kommen, dass die motorischen Axone zu den sensorischen Rezeptoren auswachsen und die sensorischen Axone Synapsen zu den Muskeln ausbilden. Eine solche Reinnervation ist ebenfalls nur bedingt funktionsfähig (BRUSHART 1993).

(19)

1.3 Behandlung peripherer Nervenverletzungen

1.3.1 Klinischer Standard

Da die spontane Regeneration peripherer Nerven abhängig vom Ort und der Schwere der Verletzungen nur bedingt die Funktionalität wiederherstellt, ist bei der vollständigen Durchtrennung eines Nerven eine operative Wiederherstellung angebracht. Eine Quetschung dagegen kommt meist ohne klinische Behandlung aus (IJKEEMA-PAASSEN et al. 2004). Ist der Nerv glatt durchtrennt, ohne dass es zu einem Verlust von Nervenmaterial kommt, kann das Epineurium beider Stümpfe spannungsfrei vernäht werden (DE MEDINACELI et al. 1982).

Dadurch bleibt das intraneurale Gewebe unberührt, was Fibrosen vermindert. Allerdings können sich einzelne Faszikel desorientieren und somit das Zielorgan verfehlen. Es ist inzwischen durch mikrochirurgische Techniken auch möglich Faszikel einzeln zu vernähen.

Dadurch werden allerdings intraneurale Fibrosen gefördert (GORDON et al. 2003; IJKEEMA- PAASSEN et al. 2004; MILLESI 1997). Wenn eines der beiden Nervenenden nicht zugänglich ist, kann auch eine End-zu-Seit-Anastomose durchgeführt werden (BATTISTON et al. 2007).

Ist das Nervengewebe stark beschädigt, ist eine spannungsfreie End-zu-End-Anastomose ebenfalls nicht möglich. Durch die Spannung würde es vermehrt zur Desorientierung der Axone, und somit zur Neurombildung kommen. Daher wird in diesen Fällen ein Autotransplantat verwendet. Dazu wird standardmäßig ein sensorischer Nerv des Patienten, meist der N. suralis, entnommen und in die Läsionsstelle eingesetzt. Auf diese Weise sind bereits Defekte von einer Länge bis zu 7 cm überbrückt worden. Ein Vorteil dieser Methode ist, dass sowohl Schwann-Zellen als auch Basallamina vorhanden sind, so dass eine wachstumsfördernde Umgebung sowie die Produktion von Wachstumsfaktoren gesichert sind.

Des Weiteren entfallen durch die Verwendung patienteneigenen Materials Immunreaktionen.

Auf der anderen Seite bedeutet die Verwendung autologer Transplantate eine weitere Operation für den Patienten mit dem Verlust der sensorischen Integrität an der Donor-Stelle.

Außerdem ist das zur Verfügung stehende Material begrenzt, was gerade bei der Wiederherstellung großer Defekte wie des Plexus brachialis-Abrisses ein Problem darstellt.

Zudem ist die Größe des Donor-Nervs häufig inkongruent und die Verwendung von rein sensorischen Nerven vermindert den Erfolg einer Wiederherstellung der motorischen Funktion (DORNSEIFER et al. 2007; IJKEEMA-PAASSEN et al. 2004; LUNDBORG 2004).

Alternative Strategien sind daher bereits in zahlreichen experimentellen und klinischen Studien getestet worden. Die Verwendung von allogenen Transplantaten, die von fremden

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Spendern der gleichen Spezies kommen, haben den Nachteil, dass eine Immunsuppression notwendig ist. Dadurch entstehende Komplikationen können die Regenerationserfolge mindern (NAVARRO et al. 2003). Auch Sehnen, Blutgefäße oder Muskelgewebe können als Nerveninterponat dienen. Die extrazelluläre Matrix der parallel angeordneten Muskelfasern bietet auswachsenden Axonen eine geeignete Leitschiene (FAWCETT and KEYNES 1990). Die tubuläre Form der Venen bietet sich ebenfalls als Leitstruktur an. Da die Venenwand jedoch relativ instabil ist, kann es durch den Druck des umgebenden Gewebes zum Kollaps kommen.

Es gibt daher Versuche, diese Venenimplantate mit Muskelgewebe zu befüllen. Mit diesem System ist es bereits gelungen, Resultate zu erzielen, die dem Autotransplantat recht nahe kommen (BATTISTON et al. 2007).

1.3.2 Biohybride Nerveninterponate mittels „Tissue engineering“

Auch mit einem Autotransplantat ist es nach komplexen Plexus brachialis-Läsionen bisher nur möglich Schulter und Ellbogen nicht jedoch Hände und Finger erfolgreich zu reinnervieren (NIKKHAH et al. 1997). Daher werden vermehrt artifizielle Gerüste als mögliche Interponate getestet. Diese Konstrukte bestehen in der Regel aus einem Röhrchen aus natürlichem oder synthetischem Material, das mit wachstumsfördernden Substanzen gefüllt ist (NAVARRO et al.

2003). Dieses überbrückt die Defektstrecke, grenzt dabei den Nerv vom umgebenden Gewebe ab um Narbenbildung zu verhindern und bildet gleichzeitig eine Leitschiene für die auswachsenden Axone (PFISTER et al. 2007). Es gibt mittlerweile eine Reihe von Materialien, die im Rahmen des „Tissue engineering“ als biohybride Nerveninterponate getestet werden.

Neben verschiedenen synthetischen Materialien finden auch biologische Substanzen wie Hyaluronsäure, Fibrin, Agarose und Chitosan oder die ECM-Moleküle Laminin, Kollagen oder Fibronectin Anwendung in der Forschung (SCHMIDT and LEACH 2003). Diese haben den Vorteil, dass sie biokompatibel und damit weniger toxisch sind (CHALFOUN et al. 2006). Es gibt vier essentielle Eigenschaften, die alle Interponate besitzen sollten: 1. sie sollten röhrenförmig angeordnet sein, um die Axone zum Ziel leiten zu können, 2. sie sollten sterilisierbar sein, um Infektionen oder Abstoßungsreaktionen zu vermeiden, 3. sie müssen Zugkräften stand halten können und 4. sie müssen einfach in der Handhabung und Implantation sein (CHALFOUN et al. 2006; EVANS 2001; SCHMIDT and LEACH 2003). Der erste Punkt wird jedoch weiter diskutiert. Eine Leitschiene für die auswachsenden Axone ist zwar nötig, doch eine leere Hülle ist nicht ausreichend. Topografische Signale, um den Axonen ein

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Auswachsen zu ermöglichen müssen ebenfalls gegeben sein (CLEMENTS et al. 2009). Als erste haben Lundborg und Kollegen 1982 einen 10 mm langen Defekt im Transsektionsmodell des N. ischiadicus der Ratte mittels Silikonröhrchen überbrückt und damit eine axonale Regeneration zeigen können (LUNDBORG et al. 1982). Allerdings können mit einem impermeablen, inerten Material wie Silikon keine längeren Defekte überbrückt werden. Die Forschung konzentriert sich daher auf resorbierbare und semipermeable Interponate wie die Polyester Polyglykolsäure, Polylaktidsäure, Polylaktid-koglykolid oder Polycaprolacton. Diese synthetischen Materialien können in ihren chemischen und physikalischen Eigenschaften wie der Degradationsrate, ihrer Porosität oder ihrem Härtegrad dem Applikationsziel angepasst werden (SCHMIDT and LEACH 2003). Eine Reihe weiterer physikalischer Parameter des Interponat-Gerüstes beeinflussen zusätzlich den Erfolg der Regeneration. Hierzu zählen der Innendurchmesser, die Wandstärke, die Permeabilität und die Oberflächenbeschaffenheit der Innenwand (NAVARRO et al. 2003). Da diese Interponate allein jedoch nicht an die funktionelle Regeneration eines Autotransplantates heranreichen und auch in der maximalen Defektlänge, die sie erfolgreich überbrücken können, eingeschränkt sind, müssen die Interponate durch die Schaffung einer wachstumsfördernden Umgebung bereichert werden. Bellamkonda hat die Voraussetzungen, die für eine erfolgreiche Regeneration mittels biohybridem Nerveninterponat notwendig sind, zusammengefasst: 1. das Gerüst muss eine wachstumsfördernde Struktur aufweisen, z.B. ein Hydrogel oder Nanofasern, 2. es muss eine extrazelluläre Matrix mit ihren charakteristischen Proteinen vorhanden sein, 3. auch Gliazellen, wie z.B. Schwann-Zellen sind nötig, um eine wachstumsfördernde Umgebung zu schaffen, 4. und schließlich müssen neurotrophe Faktoren, wie der basische Fibroblastenwachstumsfaktor (FGF-2), NGF oder BDNF vorhanden sein (BELLAMKONDA 2006). Abbildung 1-2 zeigt schematisch ein solches ideales Nerveninterponat.

(22)

proximaler Stumpf distaler Stumpf biohybrides Nerventransplantat gefüllt mit Hydrogel

Schwann-Zelle Neurotropher Faktor ECM-Molekül Nanofaser

Abbildung 1-2: Ideales biohybrides Nerveninterponat.

Das Gerüst besteht aus einem biokompatiblen, möglichst resorbierbarem Material und ist gefüllt mit einem Hydrogel. Darin sind Nanofasern in der Wuchsrichtung der Axone, gespickt mit Molekülen der extrazellulären

Matrix, Schwann-Zellen und neurotrophen Faktoren, um eine wachstumsfreundliche Umgebung für die auswachsenden Axone zu schaffen.

1.4 Polysialinsäure (PolySia)

Polysialinsäure (PolySia) ist ein Kohlenhydrat, das erstmals 1982 von Finne als Bestandteil des embryonalen Vertebratenhirns beschrieben wurde (FINNE 1982). Sie besteht aus α- 2,8-verknüpften Sialinsäure-Resten. Als Sialinsäure werden Derivate der Neuraminsäure bezeichnet (SCHAUER 2009). In Säugetieren sind die in die PolySia eingebauten Monomere überwiegend 5-N-Acetylneuraminsäure-Reste (MÜHLENHOFF et al. 1998). Abbildung 1-3 zeigt die chemische Struktur der 5-N-Acetylneuraminsäure (Abbildung A) und in Abbildung B ein α-2,8-verknüpftes Dimer daraus. Im sich entwickelnden Hühnerembryo können die PolySia-Ketten eine Länge von 40 – 50 Sialinsäureresten erreichen (INOUE et al. 2000) und bilden eine helikale Sekundärstruktur aus (BRISSON et al. 1992).

HO HOH C2

OH

HO

O COOH

H C3 C O

OH N H

1 2

3 4 5 7 6 9 8

HO

HOH C2 O

HO O H C3 C COOH

O OH N H

HOH C2

OH

HO O H C3 C COOH

O OH

N H

Abbildung 1-3: Chemische Formel der 5-N-Acetylneuraminsäure.

Sie ist der Hauptbestandteil von PolySia in Säugetieren. Abbildung A zeigt das Monomer, Abbildung B ein α2,8-verknüpftes Dimer.

Als Träger von PolySia konnten in Vertebraten die α-Untereinheit des spannungsabhängigen Natriumkanals im Rattenhirn (ZUBER et al. 1992), das Klasse B Scavenger-Rezeptor-Protein

A B

(23)

CD36 in humaner und muriner Milch (YABE et al. 2003) sowie der Semaphorin-Rezeptor Neuropilin-2 in dendritischen Zellen (CURELLI et al. 2007) identifiziert werden. PolySia ist in Vertebraten jedoch überwiegend als posttranslationale Modifikation des neuralen Zelladhäsionsmoleküls (NCAM) vorhanden (CREMER et al. 1994). NCAM ist ein Zelladhäsionsmolekül, das zur Immunglobulin-Superfamilie gehört. Es vermittelt Zell-Zell- Kontakte sowohl zwischen Neuronen als auch zwischen Neuronen und Gliazellen (RUTISHAUSER 1998). Die durch NCAM vermittelten Interaktionen können entweder homophil zwischen zwei NCAM-Molekülen stattfinden oder heterophil zwischen NCAM und anderen Adhäsionsmolekülen. Des Weiteren können sowohl cis-Interaktionen zwischen zwei Molekülen derselben Zelle oder trans-Interaktionen zwischen zwei Molekülen benachbarter Zellen stattfinden (KISELYOV et al. 2005). Durch alternatives Splicing entstehen verschiedene Varianten. Die wichtigsten sind NCAM-120, NCAM-140 und NCAM-180, die eine Masse von 120, 140 bzw. 180 Kilodalton (kDa) besitzen. NCAM-140 und NCAM-180 unterscheiden sich in ihrer cytoplasmatischen Domäne. NCAM-120 besitzt keine cytoplasmatische Domäne, sondern heftet sich über einen Glycosylphosphatidyl-Inositol- Anker in der Zellmembran an (BONFANTI 2006). Allen drei Isoformen gleich ist der extrazelluläre Teil. Er besteht aus fünf Immunglobulin (Ig)-ähnlichen Domänen und zwei Fibronektin Typ III-Domänen. Es gibt insgesamt sechs potentielle Bindestellen für Glykosilierungen. PolySia bindet allerdings ausschließlich an den beiden C-terminal gelegenen Asparagin-Resten, die die Glykosilierungsstellen der fünften Ig-ähnlichen Domäne bilden und an den Positionen 430 und 459 liegen (BONFANTI 2006; HILDEBRANDT et al.

2008; KISS and ROUGON 1997; MÜHLENHOFF et al. 1998). Die Synthese von PolySia wird im Golgi-Apparat von zwei Sialyltransferasen, ST8SiaII und ST8SiaIV, durchgeführt. Diese Enzyme sind Typ II Transmembranproteine und verlängern auf der cytoplasmatischen Seite der inneren Membran gelegen mono-α-2,3 oder -6-sialisierte Oligosaccharide (KITAZUME- KAWAGUCHI et al. 2001; MÜHLENHOFF et al. 1998; MÜHLENHOFF et al. 2009). Beide Enzyme können sich selbst polysialisieren (CLOSE and COLLEY 1998). Die genaue Bedeutung davon ist unklar. Es scheint jedoch, dass die Autopolysialisierung und die Polysialisierung von NCAM funktionell zusammenhängen (MÜHLENHOFF et al. 2001). Die beiden Enzyme werden auf transkriptionaler Ebene reguliert, sodass es zu einem charakteristischen Muster in der PolySia-Synthese kommt. St8SiaII ist die vorherrschende Sialyltransferase im Embryo und während der postnatalen Gehirnentwicklung, St8SiaIV wird dagegen vorwiegend im adulten Gehirn exprimiert (MÜHLENHOFF et al. 2001). Während der Embryonalentwicklung der Maus

(24)

wird NCAM an Tag E8 erstmalig exprimiert und ist dann noch nicht polysialisiert. Kurz danach kommt es zur Expression der Polysialyltransferasen und damit zur PolySia-Synthese, sodass PolySia-NCAM im Laufe der Embryonalentwicklung die dominante Variante wird.

Am Tag 9 nach der Geburt ist beinahe das gesamte NCAM polysialisiert. Während die Expression der St8SiaIV nach der Geburt nur langsam sinkt, kommt es zu einem starken Abfall der St8SiaII-Expression. Der Anteil an PolySia fällt somit innerhalb einer Woche um etwa 70 % (ANGATA and FUKUDA 2003; HILDEBRANDT et al. 2008). Im adulten Hirn ist die Expression der beiden Sialyltransferasen und somit das Vorhandensein von PolySia-NCAM auf wenige Regionen beschränkt. Diese Regionen zeigen auch im Adulten eine hohe Plastizität und sind daher mit Funktionen wie Lernen und Erinnerungsspeicherung assoziiert.

Zu diesen Regionen gehören das olfaktorische System, die Hypophyse und der Hippocampus (DURBEC and CREMER 2001).

Die biochemischen Eigenschaften der PolySia werden vorwiegend von der Carboxylgruppe vermittelt. Dazu gehört zum einen ihre negative Ladung. Außerdem ist sie stark hydratisiert und beansprucht daher viel Raum (ANGATA and FUKUDA 2003). Die Polysialisierung von NCAM beeinflusst dessen Funktionen somit erheblich. Die Bindungseigenschaften von NCAM werden durch die große Volumenzunahme durch die Polysialisierung sterisch stark herabgesetzt. Eine Affinität von PolySia für bestimmte Rezeptoren konnte dagegen nicht festgestellt werden. PolySia dient daher als negativer Regulator für Zell-Zell-Interaktionen und PolySia-NCAM vermittelt im Gegensatz zu freiem NCAM Plastizität anstatt Adhäsion.

Die Hauptaufgabe der PolySia ist hierbei, NCAM in einem zeit- und ortspezifischen Muster zu präsentieren bzw. zu maskieren, um die von NCAM vermittelten Zell-Zell-Interaktionen organisiert ablaufen zu lassen (WEINHOLD et al. 2005). PolySia bzw. polysialisiertes NCAM spielen unter anderem bei Änderungen der Zellmigration, der Zielfindung von Axonen und in der Muskelentwicklung eine Rolle (RUTISHAUSER 1998). Aufgrund verschiedener Deletierungen von NCAM und der Polysialyltransferasen einzeln sowie aller drei Gene zusammen konnten die Funktionen von PolySia und NCAM getrennt werden. PolySia scheint daher während des Auswanderns der Vorläuferzellen aus der subventrikulären Zone in den Bulbus olfaktorius sowie bei der Strukturierung der Moosfasern die Zell-Kontakte unabhängig von NCAM zu modulieren, um eine ungewollte Interaktion der Zellen zu verhindern und deren Migration zum jeweiligen Zielort zu gewährleisten (WEINHOLD et al.

2005).

(25)

In neuroinvasiven Bakterien der Gattung Neisseria meningitidis ist PolySia als Glykolipid- Baustein in der Zellwand gefunden worden. Da sie im Wirtsorganismus als Eigen erkannt wird, maskiert sie das Bakterium und ermöglicht ihm somit das Eindringen in das Wirtshirn.

Das Bakterium löst bei Kindern und Jugendlichen Meningitis oder Sepsis aus (FREIBERGER et al. 2007). Außerdem wird PolySia in einer Reihe verschiedener Tumore reexprimiert, wie im kleinzelligen und nichtkleinzelligen Lungen-Karzinom, im multiplen Myelom, im Wilms’

Tumor, im Glioblastom oder im Neuroblastom. Eine hohe PolySia-Expression korreliert dabei mit einer schlechten Prognose und erhöhter Infiltrierung der Krebszellen in Nachbargewebe.

PolySia scheint dabei das Anhaften der Tumorzellen herabzusetzen und somit die Metastasierung zu fördern. Des Weiteren hält PolySia die Zellen in einem undifferenzierten Zustand. PolySia kann somit als Tumormarker gesehen werden (AMOUREUX et al. 2010;

HILDEBRANDT et al. 2008). Des Weiteren wird eine regulatorische Funktion von PolySia- NCAM in der Pathologie der Epilepsie vermutet (PEKCEC et al. 2010).

Auch im PNS wird PolySia während der Embryonalentwicklung ab dem Tag E12 in Neuronen der Maus exprimiert (BOISSEAU et al. 1991; JUNGNICKEL et al. 2009a). Eine Expression in sich entwickelnden Schwann-Zellen der Ratte konnte nicht nachgewiesen werden (LAVDAS et al. 2006). In der Maus ist die Expression von PolySia in neonatalen Schwann-Zellen jedoch beschrieben worden (MEHANNA et al. 2009). Im Laufe der Entwicklung wird die PolySia-Synthese auch im PNS herunterreguliert. Es konnte gezeigt werden, dass PolySia in einem Pool von Motoneuronen nach einer Verletzung wieder hochreguliert werden kann. Diese Reexpression führt vermutlich zu einer Verminderung der Axon-Axon-Interaktionen und erhöht somit die Präferenz der auswachsenden Axone für Leitsignale der Zielzellen. Zusätzlich erhöht sie das Sprouting der Axone. Dadurch kommt es durch die PolySia-Expression zu einer verbesserten Regeneration der Motoneurone (FRANZ et al. 2008). Jungnickel und Kollegen konnten zeigen, dass PolySia im PNS eine Rolle für das Neuritenwachstum und das radiale Axonwachstum in der Regeneration spielt (JUNGNICKEL et al. 2009a).

Die Tatsache, dass PolySia während der Entwicklung für organisiertes Auswachsen und Migration verantwortlich ist und auch nach Verletzungen hochreguliert wird, machen sie zu einem interessanten Material sowohl in der ZNS- als auch in der PNS-Regeneration. Es konnte bereits gezeigt werden, dass Schwann-Zellen, die mit St8SiaII transfiziert waren, in vitro eine erhöhte Motilität zeigten. Und auch ins Rückenmark transplantiert, konnte die Regeneration sowie die Remyelinisierung sowohl durch die transplantierten Schwann-Zellen

(26)

als auch durch Oligodendrozyten-Vorläuferzellen verbessert werden (LAVDAS et al. 2006;

PAPASTEFANAKI et al. 2007). Des Weiteren verminderte die lentiviral-vermittelte Expression von PolySia die Narbenbildung im lädierten Rückenmark und führte zu einem erhöhten Einwachsen der Axone in die Läsionsstelle (ZHANG et al. 2007). In einem weiteren Ansatz konnte gezeigt werden, dass exogene PolySia das Wachstum und Überleben von Neuronen und Schwann-Zellen in vitro nicht beeinträchtigt (HAILE et al. 2007). Auch PolySia- Hydrogele sind bereits als Substrat für das Wachstum von neuronalen und glialen Zelltypen getestet worden (BERSKI et al. 2008; HAILE et al. 2008). Eine chemische Verlinkung der PolySia auf Glasoberflächen zeigte ebenfalls das Potential der PolySia als Ausgangsmaterial für „Tissue engineering“-Applikationen (STEINHAUS et al. 2010). Somit scheint PolySia eine geeignete Gerüstsubstanz für biohybride Nerveninterponate zu sein.

1.5 Zielsetzung der Arbeit/Wissenschaftliche Fragestellung

Die spontane Regeneration peripherer Nerven ist nach großem Substanzverlust und komplexen Verletzungen, wie sie z. B. nach Motorrad-Unfällen vorkommen, stark eingeschränkt. Der klinische Standard, die Verwendung autologer Transplantate, ist unter anderem aufgrund eingeschränkter Verfügbarkeit von Spendernerven ebenfalls nicht ausreichend. Es gibt daher intensive Bemühungen mittels „Tissue engineering“ biohybride Nerventransplantate herzustellen, die eine geeignete Leitstruktur für regenerierende Axone bieten und gleichzeitig durch Schwann-Zellen und neurotrophe Faktoren eine wachstumsfördernde Umgebung bieten. Dass Schwann-Zellen essentiell für die Regeneration verletzter Nerven sind, konnte bereits mehrfach gezeigt werden (LUNDBORG et al. 1982). Bei der Suche nach einem geeigneten Gerüstmaterial sind eine Vielzahl von Substanzen sowohl in vitro und in vivo als auch in klinischen Studien getestet worden. Ein vielversprechender Kandidat ist PolySia, die im Rahmen der DFG-Forschergruppe 548 als potentieller Grundbestandteil für ein biohybrides Nerventransplantat untersucht wird. Es konnten bereits vielversprechende Ergebnisse in in vitro-Studien erzielt werden (HAILE et al. 2008; HAILE et al. 2007). In der vorliegenden Arbeit sollte der Effekt von PolySia auf die periphere Nervenregeneration in vivo untersucht werden. Es wurde daher das Regenerationsmodell des N. ischiadicus adulter Ratten verwendet. Zunächst wurde eine Defektstrecke von 10 mm mittels Silikonröhrchen überbrückt, das mit Schwann-Zellen, gelöster PolySia oder Schwann- Zellen und PolySia befüllt war. Als Negativkontrolle wurden mit Matrigel gefüllte

(27)

Silikonröhrchen verwendet. Nach einem Beobachtungszeitraum von 3 und 6 oder 8 Wochen wurden die Implantate entnommen und im Falle einer erfolgten Geweberegeneration weiter untersucht. Es wurde die Anzahl regenerierter myelinisierter Axone ermittelt und die Anzahl überlebender implantierter Schwann-Zellen. Mittels Tracing-Experimenten wurde die Anzahl regenerierter motorischer und sensorischer Nervenzellen bestimmt und außerdem wurde eine funktionelle Untersuchung mittels elektrodiagnostischen Messungen durchgeführt. In einer zweiten Studie wurde eine 13 mm lange Defektstrecke mit Schwann-, PolySia- oder Schwann-Zell + PolySia-haltigen Silikonröhrchen überbrückt. In diesem Fall diente das Autotransplantat als Positivkontrolle. Die funktionelle Regeneration wurde über einen Zeitraum von 10 Wochen mittels Verhaltensversuchen sowie ebenfalls elektrodiagnostischen Messungen untersucht und es wurde wieder die Anzahl regenerierter myelinisierter Axone ermittelt. Da das endgültige Ziel der Forschergruppe ein PolySia-basiertes Gerüst ist, das als Leitschiene für die auswachsenden Axone dienen kann, wurden in ersten Sondierungsversuchen PolySia-beschichtete Nanofasern und Nanopartikel in dem Regenerationsmodell des N. ischiadicus der Ratte auf ihre Bioverträglichkeit getestet.

Es sollten im Rahmen dieser Arbeit folgende Fragen geklärt werden:

1. Wie wirkt sich PolySia als lösliches Substrat auf das Auswachsen bzw. die Anzahl regenerierender Axone aus?

2. Wird die Regeneration motorischer und sensorischer Neurone von gelöster PolySia unterschiedlich beeinflusst?

3. Schafft lösliche PolySia ein förderndes Milieu, in dem die transplantierten Schwann-Zellen überleben können?

4. Wie wird die funktionelle Regeneration von löslicher PolySia beeinflusst?

5. Kann PolySia als Bestandteil verschiedener Gerüstkonstruktionen die periphere Nervenregeneration nach einer Quetschung bzw. im Regenerationsmodell der epineuralen Tasche ohne eine Immunreaktion auszulösen verbessern?

(28)

2 Material und Methoden 2.1 Materialien

2.1.1 Geräte

Cryostat: CM 3050, Leica, Nussloch, BRD

Heizplatte: BI, Barnstead Electrothermatic, UK

Mikroskope: Olympus IX70 mit Color View Soft

Imaging System, Olympus Optical Co.

GmbH, BRD

Olympus BX60 mit Color View Soft Imaging System, Olympus Optical Co.

GmbH, BRD

Olympus CK30-F200, Olympus Optical Co. GmbH, BRD

Mikrotom: RM 2155, Leica, Nussloch, BRD

Multifunktionsmischer: Roto-Shake Genie®, Scientific Industries, über Carl Roth GmbH + Co. KG,

Karlsruhe, BRD

OP-Mikroskop: Typ 613105, Nr. 177, Möller-Wedel, BRD

Zeiss

Rotarod: ROTO-ROD, IITC Life Science, Inc.,

Kalifornien, USA

Sterilbank: Thermo Fisher Scientific, Herasafe KS,

USA

Trockenschrank: Memmert GmbH&Co KG, Schwabach,

BRD

Wasserbad: GFL mbH, Burgwedel, BRD

Zellkulturinkubatoren: Sanyo CO2-Inkubator, Bad Nenndorf, BRD

Zentrifugen: Heraeus Varifuge 3.0R, HeraeusSepatech,

Hanau, BRD

(29)

2.1.2 Verbrauchsmaterialien, Chemikalien und Lösungen Zellkultur

Arabinosid-C (Ara-C): Sigma-Aldrich Chemie GmbH,

Taufkirchen, BRD

Bovines Serumalbumin (BSA): PAA Laboratories GmbH, Cölbe, BRD

Collagenase IV: PAA Laboratories GmbH, Cölbe, BRD

Cryo-Röhrchen: Cryotube 1,8ml, Nunc, A/S, Roskilde, DK

Dispase: Roche Diagnostics GmbH, Mannheim,

BRD

Dimethylsulfoxid (DMSO): Sigma-Aldrich Chemie GmbH, Steinheim, BRD

Dulbecco’s modified Eagle’s Medium (DMEM): PAA Laboratories GmbH, Cölbe, BRD

DMEM/F12: PAA Laboratories GmbH, Cöle, BRD

Dynabeads® Pan Mouse IgG: Dynal Biotech, ASA Oslo, Norwegen

Eppendorf-Tubes: Sarstedt AG & Co, Numrecht, BRD

Fötales Kälberserum (FCS): PAA Laboratories GmbH, Cölbe, BRD

Forskolin: Calbiochem®, Merck Biosciences Ltd.,

Nottingham, UK

Glutamin, 200mM: PAA Laboratories GmbH, Cölbe, BRD

Hanks balanced salt solution, Mg- und Ca-frei: PAA Laboratories GmbH, Cölbe, BRD

Insulin: Sigma-Aldrich Chemie GmbH,

Taufkirchen, BRD

Mehrlochplatten: NunclonSurface, Nunc GmbH & Co KG,

(96well, 24well, 6well) Wiesbaden, BRD

Natrium-Pyruvat: PAA Laboratories GmbH, Cölbe, BRD

Neubauerzählkammer: Superoir Marienfeld, Lauda-Königshausen, BRD

Paraformaldehyd (PFA): Fluka, Neu-Ulm, BRD

Pasteurpipetten: Brand GmbH, Wertheim, BRD

Penicillin/Streptomycin (Pen/Strep): PAA Laboratories GmbH, Cölbe, BRD Phosphat-gepufferte Salzlösung (PBS): Biochrom AG, Berlin, BRD

(30)

PKH26 red fluorescent cell linker-Kit: Sigma-Aldrich Chemie GmbH, Steinheim, BRD

Plastikpipetten: Becton Dickinson, GmbH, Heidelberg,

BRD

Poly-L-Lysin (PLL): Sigma-Aldrich Chemie GmbH,

Taufkirchen, BRD

Falcon®Röhrchen, 15ml und 50ml: Becton Dickinson GmbH, Heidelberg, BRD

Trypsin/EDTA: PAA Laboratories GmbH, Cölbe, BRD

Zellkulturflaschen: Greiner Bio-One GmbH, Frickenhausen, BRD

Operationstechnik

Arterienklemme: John Hopkins Bulldog Clamp, World

Precision Instruments, USA

Braunol: Braun, Melsungen, BRD

Bepanthen® Augen/Nasensalbe: Bayer Vital GmbH, Leverkusen, BRD

Chloralhydrat, reinst: Fluka-Chemie AG, Neu-Ulm, BRD

Futterpellets: Altromin Haltungsfutter, Altromin,

Altrogge, Lage, BRD

Heizdecke: AEG HK 5510, Electrolux, Stibel-Eltron,

Holzminden, BRD

Inzisionsfolie: Opraflex®, Lohman & Rauscher GmbH, Remsdorf, BRD

Kohlendioxid (CO2): Linde AG, Hamburg, BRD

Kragen: Elizabethan collar for rats, Kent Scientific

Corp., Conneticut, USA

Leovit Anti Bite Spray: Alvetra GmbH, Neumünster, BRD

Makrolonkäfige: Typ III und Typ IV S

Growth factor-reduced Matrigel-Matrix: BD Biosciences, Bedford, USA

Nahtmaterial: Ethilon®-Faden, Johnson & Johnson Int.

USA

Natrium-Chlorid: Braun, Melsungen, BRD

Referenzen

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