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2.3 T IEREXPERIMENTELLE A RBEITEN

2.3.6 Das Crush-Modell

Im Crush-Modell wurde eine Nervenquetschung, also eine vergleichsweise geringe Verletzung der Nerven durchgeführt, die eine schnellere und funktionell bessere Regeneration als die anderen verwendeten Läsionsmodelle ermöglicht. Das Crush-Modell wurde verwendet, um PolySia-umhüllte Nanopartikel (Beads), in Natriumchlorid suspendiert, auf ihre Bioverträglichkeit zu testen. Diese Beads wurden von Frau Dipl.-Chem. Sina Williams vom Institut für Anorganische Chemie der Universität Hannover zur Verfügung gestellt. Es handelt sich um Silikate, die über ein Linkersystem aus 3-Aminopropyltriethoxysilan und Bernsteinsäureanhydrid mit PolySia gekoppelt wurden.

Die OP-Vorbereitung, das Öffnen des Operationsfeldes und das Freilegen des N. ischiadicus sind in Absatz 2.3.3 beschrieben. Anschließend wurde der Nerv mit einer Uhrmacherpinzette (Dumont No. 5) 3 Mal für je 10 sec und jeweils einer Pause von 5 sec gequetscht, 10 µl der Nanopartikel-Lösung wurden mit einer Hamilton-Spritze in die gequetschte Stelle des Nervs gespritzt, nachdem das Epineurium mit einer VANNAS-Mikroschere punktförmig zur

Schaffung eines Stichkanals eröffnet wurde. Diese Öffnung wurde mit einem 9-0-Knopfheft verschlossen und so die Quetschungsstelle dauerhaft markiert. Die OP-Nachbereitung entsprach der in Absatz 2.3.3. In diesem Versuch wurden 3 Tiere operiert, die nach einer Regenerationszeit von 3 Wochen perfundiert wurden. Die Nerven wurden entnommen, gefriergeschnitten (s. Absatz 2.3.11) und immunhistochemisch (s. Absatz 2.4.2) untersucht wurden.

2.3.7 Verhaltensstudien

Um die funktionelle Regeneration über die Zeit bestimmen zu können, wurden in der 13 mm-Studie verschiedene Tests mit den Tieren während der gesamten Regenerationsdauer durchgeführt. Nach zwei, vier, sechs und acht Wochen wurde der Status der motorischen Regeneration auf dem Rotarod und durch Berechnung des Sciatic Function Index (SFI) sowie der Status der sensorischen Regeneration mit Hilfe des Withdrawal- und des Pinch-Tests ermittelt.

2.3.7.1 Rotarod-Test

Beim Rotarod-Test wird die motorische Regeneration der Tiere nicht invasiv getestet. Der Rotarod wurde erstmals 1957 von Dunham und Miya beschrieben (DUNHAM and MIYA 1957), um neurologische Defizite in Mäusen und Ratten zu erkennen. Dazu müssen die Tiere auf rotierenden Rollen laufen. Die Dauer, die sich die Ratten auf der Rolle halten können, spiegelt die Koordinationsfähigkeit der Tiere wider. Das verwendete Gerät besteht aus fünf Kammern, in denen in der oberen Hälfte jeweils eine Rolle speziell für Ratten oder für Mäuse angebracht werden kann (s. Abbildung 2-3). Diese kann in verschiedenen Geschwindigkeiten, sowie vorwärts oder rückwärts rotieren. Am Boden der Kammern befindet sich je eine Wippe, die aus dem Gleichgewicht gebracht wird, wenn die Tiere von den Rollen springen oder fallen.

Daraufhin wird ein magnetischer Kontaktschalter am Boden der Kammer ausgelöst, so dass die mit Rotationsbeginn startende Stoppuhr angehalten wird und die Verweildauer der Tiere auf den Rollen, die zurückgelegte Distanz und die Geschwindigkeit der Rollen zum Zeitpunkt des Absprungs dokumentiert werden kann.

Abbildung 2-3: Rotarod.

Um Fortschritte in der motorischen Regeneration und Koordinationsfähigkeit zu evaluieren, wurde die Rotationsgeschwindigkeit der Rollen bei jedem Durchgang über eine Zeitspanne von 180 sec von 5 rpm auf 20 rpm erhöht. Vor der Läsion wurden die Tiere 3 Tage hintereinander an das Rotarod gewöhnt, indem sie jeweils 3 Runden trainiert wurden. Nach der Läsion wurden die Tiere alle 2 Wochen 3 Mal hintereinander getestet. Außerdem wurden die Tiere während der gesamten Rotationszeit beobachtet, um feststellen zu können, ob sie freiwillig von den Rollen auf die Wippe sprangen, oder sich tatsächlich nicht länger auf den Rollen halten konnten.

2.3.7.2 Sciatic FunctionIndex (SFI)

Eine weitere nicht-invasive Methode, um die motorische Regeneration zu testen, ist die Bestimmung des Sciatic Function Index (SFI). An der Fußstellung der Tiere beim Laufen kann anhand verschiedener Parameter die Funktionstüchtigkeit des N. ischiadicus bestimmt werden. Dieser innerviert motorisch den M. biceps femoris sowie die distalen Muskeln des Unterschenkels und des Fußes: M. gastrocnemius, M. soleus, M. tibialis anterior, M. extensor digitalis longus, M. extensor hallucis longus, M. fibularis tertius, M. fibularis longus und M.

fibularis brevis. Nach einer Nervenläsion sind die Tiere nicht mehr in der Lage die Zehen zu spreizen und setzen beim Laufen den gesamten Fuß von den Zehenspitzen bis zur Ferse auf.

Dadurch kommt es zu Unterschieden zwischen dem Fußabdruck der lädierten und der gesunden Pfote. Bei einem gesunden Tier ist daher keine Differenz messbar und der SFI liegt bei einem Wert von 0. Eine vollständige Läsion führt zu einem Wert von -100. Dieser Wert

wird mit der folgenden von de Medinaceli 1982 entwickelten und von Bain et al., 1989 modifizierten Formel 2-1 ermittelt (BAIN et al. 1988; DE MEDINACELI et al. 1982).

Formel 2-1: Berechnungsgrundlage des SFI

EPL = Experimental Print Length (Abstand zwischen dritter Zehe und Ferse), NPL = Normal Print Length,

ETS = Experimental Toe Spread (Abstand zwischen erster und fünfter Zehe), NTS = Normal Toe Spread,

EITS = Experimental Intermediate Toe Spread (Abstand zwischen zweiter und vierter Zehe), NITS = Normal Intermediate Toe Spread.

Zum Messen der Fußabdrücke wurden die Hinterpfoten auf Stempelkissen gedrückt, so dass die Ratten mit der rechten Hinterpfote blaue und mit der linken Hinterpfote rote Abdrücke hinterließen, wenn sie eine mit weißer Tapete ausgelegte Laufbahn hochliefen. Die Rampe wurde nach Literaturangaben von Dr. P. Seef gebaut (KLAPDOR et al. 1997; LIPOKATIC 2002;

ÖZMEN et al. 2002) und hatte eine Länge von 1 m, eine Breite von 15 cm und eine Steigung von 10°. Auf der Holzrampe wurde eine handelsübliche Regenrinne angebracht, um einen dunklen Tunnel zu formen, in dem die Tiere sich sicher fühlen.

Abbildung 2-4: Rampe zum Nehmen der Fußabdrücke für den SFI.

Nachdem die Tiere das obere Ende der Rampe erreicht hatten, wurde die Tapete entnommen und die Fußabdrücke mit einer Auflösung von 75 dpi eingescannt und als Bitmap-Datei gespeichert. Mit Hilfe des Computerprogramms Footprints® 1.22 (KLAPDOR et al. 1997)

wurden die in der Formel angegebenen Parameter vermessen: TS, IST und PL. In Abbildung 2-5 sind exemplarische Fußabdrücke gesunder und lädierter Ratten gezeigt.

Abbildung 2-5: Fußabdrücke zum Errechnen des SFI.

Links ist der Fußabdruck der gesunden Seite gezeigt, rechts der Abdruck nach Durchtrennung des N. ischiadicus.

2.3.7.3 Pinch-Test

Der Pinch-Test wird routinemäßig verwendet, um die Regeneration der Tiefensensibilität zu überprüfen (LINO et al. 2007; SICONOLFI and SEEDS 2001; VERDU and NAVARRO 1997). Da die Schmerzempfindungen der 3. – 5. Zehe über den sensorischen Ast des N. ischiadicus weitergeleitet werden, kann die Reaktion auf einen mechanischen Reiz als Maß für den Regenerationsstatus des Nerven genutzt werden. Bei diesem Test wurden die Tiere so gehalten, dass die Hinterpfoten frei beweglich waren. Als Positivkontrolle wurde zunächst die 3. Zehe des rechten Hinterbeins gereizt. Dann wurden die 3., 4. und 5. Zehe der lädierten Pfote nacheinander mit einer anatomischen Pinzette gereizt. Zog das Tier wie auf der Kontrollseite das Bein weg oder gab es eine Lautäusserung, wurde dies als positive Reaktion gewertet. Auch dieser Test wurde alle zwei Wochen durchgeführt.

2.3.7.4 Withdrawal-Test

Um die Regeneration einer weiteren sensiblen Qualität zu überprüfen, wurde schließlich eine Temperatursensibilitäts-Prüfung mittels Withdrawal-Test durchgeführt. Bei diesem Test wird die Zeit bis zum Zurückziehen der Pfoten nach einem Temperaturreiz gemessen (DE KONING

et al. 1986; HAASTERT et al. 2006). Dazu wurden zunächst die 3. – 5. Zehe der rechten Hinterpfote in 50°C warmes Wasser getaucht und die Zeit bis zum Zurückziehen der Pfote gemessen. Anschließend wurden die 3. – 5. Zehe der lädierten Pfote ins Wasserbad gehalten und ebenfalls die Zeit bis zum Zurückziehen gemessen. Erfolgte dieser Reflex nicht innerhalb von 5 Sekunden wurde die Pfote aus dem Wasserbad entfernt, um Gewebeschäden zu vermeiden.