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Neben den bereits erwähnten neuroprotektiven Eigenschaften des NF-κB, sowie den direkten und indirekten neuroprotektiven Wirkungen einiger Zytokine, gibt es im ZNS eine Reihe weitere Faktoren, die eine Neuronen schützende Wirkung entfalten können. Unter diesen nehmen Neurotrophine eine zentrale Rolle ein.

2.4.1 Brain-derived neurotrophic factor (BDNF)

Neurotrophine (NT) sind vertebratenspezifische Wachstumsfaktoren, die überwiegend mit Nervenzellen interagieren. Während der Entwicklung regulieren sie die neuronale Differenzierung, das Überleben und die chemotropische Orientierung der Axone in vivo (TUCKER et al., 2001). Auf zellulärer Ebene sind die durch Neurotrophine ausgelösten Reaktionen sehr unterschiedlich. Neurotrophine stimulieren Zellen zur Proliferation, führen zum Stopp des Zellzyklus, Wachstum, Zelltod oder schützen die Zellen vor Apoptose.

BDNF wurde im Jahre 1989 als zweites Mitglied der Neurotrophin-Familie entdeckt (LEIBROCK et al., 1989). Seitdem ist BDNF eine wichtige Rolle bei der Regulation von Überleben und Differenzierung von verschiedenen neuronalen Populationen zugewiesen

worden (LEWIN und BARDE, 1996). Neuronen sind das wichtigste Reservoir von BDNF im Nervensystem (LEWIN und BARDE, 1996; HOFER et al., 1990). BDNF entfaltet seine biologische Funktion über die Volllängen-Form des TrkB-Rezeptors (gp145trkB; KLEIN et al., 1991), dessen Expression auf neuronale Zellpopulationen beschränkt zu sein scheint (LOMEN-HOERTH und SHOOTER, 1995).

Verschiedene Studien zeigten, dass die therapeutische Applikation von BDNF eine neuronale Degeneration nach Axotomie und anderen Formen von neuronalen Schädigungen verhindert (SENDTNER et al., 1992; YAN et al., 1992; GRAVEL et al., 1997; KOBAYASHI et al., 1997; MCTIGUE et al., 1998). Zusätzlich wurde von unterstützenden Effekten des BDNF für Tiermodelle neurodegenerativer Erkrankungen berichtet (MITSUMOTO et al., 1994). BDNF kann ZNS-Neuronen, z.B. spinale und bulbäre Motoneuronen, nach axonaler Durchtrennung retten und unterstützt somit die axonale Erhaltung und Regeneration (WEIBEL et al., 1995;

GRAVEL et al., 1997; KOBAYASHI et al., 1997). BDNF-mRNA wurde außerdem in Ganglienzellen des Dorsalstranges detektiert, wobei die endgültige Verifizierung eines vermuteten autokrinen oder parakrinen Mechanismus noch aussteht (ERNFORS et al., 1990, 1991).

Für die MS beim Menschen wurde gezeigt, dass Immunzellen ebenfalls in der Lage sind, BDNF zu synthetisieren, um axonalen und neuronalen Schaden nach verschiedenen pathologischen Insulten zu verhindern (KERSCHENSTEINER et al., 1999). Dabei konnte verdeutlicht werden, dass BDNF nicht nur durch neuronale Zellen und reaktive Astrozyten, sondern auch durch nahezu alle Zelltypen des humanen peripheren Immunsystems, wie z.B.

CD4+ und CD8+ T-Lymphozyten, B-Lymphozyten und Monozyten, in vitro produziert werden kann (KERSCHENSTEINER et al., 1999). Vorstellbar ist, dass Immunzellen auch die Zielzellen bei autokrinen oder parakrinen NT-Mechanismen sind, da einige von ihnen in der Lage sind, NT-Rezeptoren zu exprimieren. Auf diese Weise können Neurotrophine als bidirektionale Mediatoren zwischen dem ZNS und dem Immunsystem fungieren (KERSCHENSTEINER et al., 2003). In einer Studie wurden BDNF-immunreaktive T-Zellen und Makrophagen/Mikroglia in aktiven und inaktiven MS-Läsionen gefunden. Herde mit weitergehender Demyelinisierung zeigten höhere Raten von BDNF-positiven Immunzellen, wobei BDNF ebenfalls in Neuronen und Astrozyten nachgewiesen werden konnte. Der BDNF-Rezeptor TrkB ist in Neuronen und Astrozyten gleichermaßen präsent, jedoch nicht in Entzündungszellen oder Oligodendrozyten (STADELMANN et al., 2002).

Auch bei verschiedenen Tiermodellen gibt es Hinweise auf eine neuroprotektive Rolle der Neurotrophine (VILLOSLADA et al., 2000). So wurde die Produktion von BDNF durch T-

und NK-Zellen bei EAE ebenfalls als neuroprotektiv angesehen (HAMMARBERG et al., 2000). T-Lymphozyten, die Glatiramerazetat, ein MS-Mittel, produzierten, zeigten im Gehirn von EAE-Mäusen in situ eine Expression von BDNF und den zwei antiinflammatorischen Zytokinen IL-10 und TGF-β, jedoch nicht des proinflammatorischen Zytokins IFN-γ (AHARONI et al., 2003). Einen Zusammenhang der BDV-Infektion und Neurotrophine konnte bereits in einer Studie von CARBONE et al. (1993) nachgewiesen werden. Dort führte die Zugabe von Neurotrophinen zu einer glialen Zelllinie zu einer vermehrten BDV Replikation. Den gleichen Einfluss von Neurotrophinen konnte in einer BDV-infizierten humanen Oligodendrogliomzellinie nachgewiesen werden (IBRAHIM et al., 2002). In einer Studie zur Neurotrophin-Expression in BDV-infizierten Rattengehirnen konnte gezeigt werden, dass neben einer signifikanten Abnahme des mRNA-Levels von BDNF im Ammonshorn zusätzlich ebenfalls eine Reduktion von TrkB-mRNA vorlag. Eine Abnahme wurde ab dem 21.Tag p.i. neonataler Ratten festgestellt (ZOCHER et al., 2000). Zudem konnte in BDV-infizierten hippocampalen neuronalen Zelllinie aus Rattengehirnen eine Unempfindlichkeit gegen die Behandlung mit BDNF und NT-3 gezeigt werden, die zu einer fehlenden Phosphorilierung von ERK führte (HANS et al., 2004).

2.4.2 Activity-dependent neuroprotective protein (ADNP)

Das activity-dependent neuroprotective protein (ADNP) ist ein vasoactive intestinal peptide (VIP)-reguliertes Gen, welches ein wichtige Rolle während der Gehirnentwicklung spielt (PINHASOV et al., 2003). ADNP besitzt eine 8 Aminosäuren lange Sequenz, genannt NAP, die starke Ähnlichkeiten zu einem aktiven Peptide, dem ADNF-14, besitzt. Dieses Peptid stammt vom ADNF, einen glialen Faktor, der ein Mediator der VIP-vermitelten Neuroprotektion darstellt (BRENNEMAN und GOZES, 1996; BRENNEMAN et al., 1998).

Da ADNF-14 eine starke neuroprotektive Eigenschaft besitzt, wurde eine derartige Eigenschaft auch beim NAP angenommen. Inzwischen konnte diese Eigenschaft in einer Reihe verschiedener Modell bestätigt werden (GOZES et al., 2000; BENI-ADANI et al., 2001; SPONG et al., 2001; LEKER et al., 2002; ROMANO et al., 2002; ASHUR-FABIAN et al., 2003). Allerdings konnte NAP bisher in vivo nicht gefunden werden. Aufgrund dieser Beobachtungen wird ADNP als ein neuroprotektives Molekül angesehen (GOZES et al., 1999, 2000)

Studien, die Veränderungen der ADNP mRNA-Werte nach Stress und Insulten zeigen, bestärken diese Hypothese (SIGALOV et al., 2000; ZALTZMAN et al., 2004). Die

Mechanismen durch die ADNP seine neuroprotektiven Eigenschaften entfalten sind bisher allerdings noch nicht geklärt. ADNP mRNA wurde in verschiedenen Gehirnregionen, wie Hippocampus, Cortex cerebri und Cerebellum, sowie in einer Reihen nicht neuraler Gewebe gefunden (BASSAN et al., 1999; ZAMOSTIANO et al., 2001). Studien, die beschreiben, welche Zellen des Gehirns ADNP exprimieren, liegen noch nicht vor.