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2.2 Tumor-Nekrose-Faktor-α (TNF)

2.2.2 Funktionen des TNF und seiner Rezeptoren im ZNS

Im ZNS sind Mikroglia, Astrozyten und einige Neuronen sowie eingewanderte Lymphozyten und Makrophagen in der Lage, TNF zu produzieren (LEE et al., 1993; HOPKINS et al., 1995). TNF wiederum induziert die Proliferation von Astrozyten (SELMAJ et al., 1990).

Rezeptoren für TNF finden sich auf Mikroglia, Astrozyten, Neuronen und Oligodendrozyten, sowie Endothelzellen (DOPP et al., 1997). Bei Mäusen konnte eine konstitutive TNF-Expression in Neuronen, Glia und Mikroglia-ähnlichen Zellen im Gehirn nachgewiesen

werden, welche durch extrinsische und intrinsische Faktoren beeinflusst wurde (GAHRING et al., 1996). Eine hohe konstitutive Expression des TNFR1 wurde in vielen Neuronen im Hirnstamm, Kerngebieten motorischer Neuronen und Neuronen in den sensorischen Endkernen des Trigeminus beobachtet, während eine TNFR2-Expression nur in Endothelzellen und in einzelnen Mikroglia-ähnlichen Zellen gezeigt werden konnte (DOPP et al., 1997; BETTE et al., 2003).

Eine Überproduktion von TNF wird im ZNS bei einer Reihe von neurodegenerativen Erkrankungen beobachtet. Eine Übersicht über die vielfältigen neurotoxischen und neuroprotektiven Effekte einer verstärkten TNF-Synthese am Beispiel einer HIV-Infektion des ZNS gibt Abb. 2. Deutlich erhöhte Werte von TNF und anderen proinflammatorischen Zytokinen werden bei dem AIDS-Dementia-Komplex, Schlaganfall, Trauma, bei cerebraler Malaria, Multipler Sklerose (MS) und Alzheimer-Krankheit beobachtet (TYOR et al., 1992;

MINAGAR et al., 2002; NELSON et al., 2002; WILLIAMS und HICHKEY, 2002). In akuten MS Läsionen konnte eine Aufregulation sowohl von TNF als auch von seinen beiden Rezeptoren gezeigt werden und die Menge des TNF in der Zerebrospinalflüssigkeit korreliert hierbei mit der Schwere der Erkrankung (HOFMAN et al., 1989; SELMAJ et al., 1991;

SHARIEF and HENTGES, 1991; RAINE et al., 1998). Wichtig für die Rolle des TNF im Zuge von Demyelinisierungsprozessen ist, dass TNFR1 und TNFR2 selektiv auf Oligodendrozyten am Rand von akuten MS exprimiert wird und TNF in der Lage ist Apoptose in Oligodendrozyten einzuleiten (D´SOUZA et al., 1995; SELMAJ and RAINE, 1998). Zudem führte die transgene TNF-Überexpression in Mausmodellen im ZNS auch zu progressiven neurodegenerativen Erkrankungen (PROBERT et al., 1995; AKASSOGLOU et al., 1997; TAUPIN et al., 1997). Bei zwei verschiedenen Mausmodellen entwickelten sich dabei spontane Apopotosen der Oligodendrozyten, Vakuolisierungen des Myelins und eine primäre Demyelinisierung, welche unter der Anwesenheit einer großen Anzahl von T-Lymphozyten fortschritt und phagozytierende Makrophagen anlockte (AKASSOGLOU et al., 1998). In einem Mausmodell (Tg6074) wurde eine hohe TNF-Überexpression unter der Kontrolle des endogenen TNF-Promoters durch den zufälligen Einbau des Genkonstruktes in das Genom induziert (PROBERT et al., 1995; AKASSOGLOU et al., 1998). Im anderen Mausmodell (TgK21) wurde eine spezifische, nur in Astrozyten transmembran vorkommende, Expression des human TNF unter der Kontrolle des sauren Gliafaser-Protein (GFAP) Promoters erzeugt (AKASSOGLOU et al., 1997). Eine wichtige Rolle der Signalübertragung über den TNFR1 bei der Entstehung der Entzündung und Demyelinisierung in diesen beiden Modellen konnte durch Rückkreuzung in einen TNFR1-

bzw. in einen TNFR2-knockout-Hintergrund gezeigt werden. Dabei kam es bei der Rückkreuzung in einen TNFR1-knockout-Hintergrund zu einer kompletten Unterdrückung der entzündlichen und demyelinisierenden Erscheinungen, während die Rückkreuzung in den TNFR2-knockout-Hintergrund keine Wirkung auf die Veränderungen im Gehirn hatte (AKASSOGLOU et al., 1998). Im Gegensatz dazu wurde für TNF auch eine Rolle bei der

yten exprimiertes transmembranes TNF nur über den Proliferation von Oligodendrozytenvorläuferzellen und der Remyelinisierung gefunden, wobei dieser Effekt vorrangig über den TNFR2 übermittelt zu werden scheint (ARNETT et al., 2001).

Der neurotoxische Effekt des TNF kann über zahlreiche Mechanismen vollführt werden. Eine Möglichkeit liegt darin, dass TNF an den Endothelzellen des Gehirns die Expression des vascular adhesion molecule (VCAM)-1, an das aktivierte T- Zellen binden, bevor sie in das ZNS einwandern können, erhöht und somit den Influx von Immunzellen ermöglicht (LIEBERT, 2001; NOTTET, 2005). Bei der Aktivierung der Endothelzellen wird vor allem dem TNFR2 bei der Signalübertragung eine wichtige Rolle beigemessen. Dieses liegt zum einen darin begründet, dass der TNFR2 immunhistologisch vorrangig in Endothelzellen gefunden wurde (DOPP et al., 1998). In einem weiteren Versuch kam es in einem transgenen Mausmodell, in dem von Astroz

überexprimierten membrangebundenen TNFR2 eine Signalkaskade auslösen konnte, zu Vaskulopathien, die durch Fibrose und zu späteren Zeitpunkten durch entzündliche Reaktionen und ischämischen Prozessen charakterisiert waren (PROBERT und AKASSOGLOU, 2001).

Ein weiterer neurotoxischer Effekt des TNF ergibt sich dadurch, dass TNF die Glutamat-Aufnahme der Astrozyten inhibiert und über einen erhöhten extrazellulären Glutamatspiegel neurotoxisch wirkt (FINE et al., 1996). Ein weiterer Weg, auf dem TNF neurodegenerativ wirken kann, verläuft über die Aktivierung von Astrozyten, Makrophagen und Mikroglia. In Astrozyten wird beispielsweise über die Aktivierung des NF-κB die Synthese von proinflammatorischen Zytokinen angeregt (HAN et al., 2001). In einer Studie mit fetalen humanen Astrozyten wurde zudem eine konstitutive Expression des TNFR1 gefunden, wohingegen die Expression des TNFR2 erst durch die Zugabe von TNF induziert wurde (CHOI et al., 2005). In einer weiteren Studie konnte die Induktion von TNFR2 nach Gabe von TNF in primären Astrozytenkulturen von Ratten gezeigt werden (LUNG et al., 2001). In fetalen humanen mikroglialen Zellen wurde nach Zugabe von TNF eine Produktion von IL-1β nachgewiesen (LEE et al., 1993).

Neben diesen schon lange bekannten neurotoxischen Effekten von TNF, konnte in jüngeren Studien ebenfalls ein neuroprotektiver Effekt des TNF im ZNS nachgewiesen werden. So konnte CHENG et al. (1994) in Gehirnzellkulturen von embryonalen Ratten eine TNF-abhängige Stabilisierung der Ca2+-Homöostase nachweisen, welche der Ca2+-abhängigen Neurotoxizität entgegenwirkt. Eine Vorbehandlung mit TNF schützte neuronale Zellkulturen auch vor NMDA-induzierter Exzitotoxizität (HOUZEN et al., 1997). Diesen Beobachtungen konnten in vivo bestätigt werden. Bei transgenen Mäusen mit neuronaler TNF-Überexpression konnte ein deutlicher Schutz der Neuronen gegen Glutamat-induzierte Neurotoxizität in Abhängigkeit der TNF-Spiegel nachgewiesen werden (MARCHETTI et al., 2004). Nach intrazerebraler Mikroinjektion von TNF in SJL- und BALB-Mäuse waren erhöhte Werte der proinflammatorischen Mediatoren RANTES, MIP-1α und MIP-1β nachweisbar, interessanterweise wurde nach dieser lokalen TNF-Applikation jedoch keine Infiltration von Lymphozyten ins Gehirn beobachtet (GLABINSKI et al., 2003), so dass anscheinend TNF allein nicht ausreichend ist, eine Infiltration von Entzündungszellen in das Gehirn zu erreichen. TNFR-knockout-Mäuse, denen beide TNF-Rezeptoren fehlten, zeigten nach zerebraler Ischämie und Kainic-Säure-induzierten Verletzungen vermehrt oxidativen Stress und reduzierte Mengen an antioxidativen Enzymen im Vergleich zu Kontrolltieren, welches auf die fehlende neuroprotektive Wirkung des TNF zurückzuführen ist. Weiterhin war bei diesen TNFR-knockout-Mäusen die Mikrogliaaktivierung reduziert, was die Bedeutung des TNF für die Immunreaktion unterstreicht (BRUCE et al., 1996).

Abb. 2: Überblick über die neuroprotektiven und neurodegenerativen Eigenschaften des TNF am Beispiel der HIV-Infektion

Grüne Pfeile: Neuroprotektive Effekte, rote Pfeile: neurodegenerative Effekte, orange Pfeile: neuroprotektive und -degenerative Effekte, nach BRABERS und NOTTET (2006)