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Motivation der Studierenden

Im Dokument Lehrkräftebildung neu gedacht (Seite 58-62)

Martin Lindner, Teresa Fritsch, Jette Lippmann

3.3 Motivation der Studierenden

Wie Deci und Ryan in ihrem jüngsten Review (2020) zu Veröffentlichungen zur in-trinsischen Motivation betonen, ist die Realität für Lehren und Lernen immer noch entfernt von dem, was die Selbstbestimmungstheorie der Motivation seit Jahrzehnten belegt.

„Ironically, despite substantial evidence for the importance of psychological need satisfactions in learning contexts, many current educational policies and practices around the globe remain anchored in traditional motivational models that fail to sup-port students’ and teachers’ needs, a knowledge versus policy gap we should aspire to close.“, Ryan & Deci, 2020, S. 1)

Im MINTegrations-Projekt sind die Möglichkeiten zum Kompetenzerleben für die Studierenden hingegen an vielen Stellen offensichtlich gegeben.

59 MINTegration – Projektunterricht mit Geflüchteten Sehr deutlich wurde dieses Kompetenzerleben bei der Organisation der Projekt-wochen auf Samos, die zahlreiche Herausforderungen in Bezug auf Logistik, Mate-rialbeschaffung, Unterrichtsorganisation und sprachlicher Vielfalt hatten. Angesichts der Not, gerade der unbegleiteten Jugendlichen, aber auch der unter den ausbleiben-den Touristen leiausbleiben-denausbleiben-denausbleiben-den griechischen Anwohnerinnen und Anwohnern, reflek-tiert eine Studentin: „Allerdings denke ich, dass ich besser mit der aktuellen wie auch zukünftigen Situation der verstärkten Wanderung durch globale Probleme und dem stetigen Bevölkerungswachstum umgehen kann, nachdem ich live an einem Schnitt-punkt der Migration gearbeitet habe“. Aber auch im schulischen Alltag kommt es immer wieder zu Herausforderungen, in denen die Studierenden den Unterricht an unvorhergesehene Situationen anpassen müssen, wie sie etwa im oben geschilderten Beispiel (Abschnitt 4.2) auftreten können. Eine interviewte Studentin erläutert:

„Mir macht am meisten Spaß in dem Projekt, dass die Gruppen- die Klassen, zu denen wir kommen, eigentlich immer anders sind. Man hat jedes Mal neue Heraus-forderungen, die man meistern muss und die Schüler sind auch jedes Mal anders und reagieren auch immer anders“.

Zudem wird die soziale Eingebundenheit als wichtige Unterstützung wahrgenom-men: „Ich finde die tollsten Momente sind eigentlich die Feedbackrunden am Ende der Projektwoche, weil wir dann wirklich erfahren was den Kindern meistens Spaß gemacht hat. Aber sie geben auch Feedback zu uns als Person und Lehrperson“. Das Autonomieerleben schließlich stellt sich durch die relativ große Freiheit ein, die da-durch gegeben ist, dass weder die Unterrichtszeit eng getaktet ist, noch neue Ideen aus dem Grunde ausgeschlossen sind, dass keine Unterrichtszeit mehr zur Verfügung steht. So wurde beispielsweise im Thema Drogen eine Umfrage der Schülerinnen und Schüler unter Passanten durchgeführt.

4. Fazit und Ausblick

Nach fünf Jahren in der Arbeit mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen im MINT-Unterricht und in MINT-Projekten können wir feststellen, dass die Arbeit viel leichter ist, als wir es am Anfang gedacht hatten. Die im Unterricht zentralen MINT-Lern-gegenstände und die zu ihrer Erschließung notwendige Sprache ergänzen sich auf nahezu ideale Weise. Wir erleben es als sehr organisch, einen Unterricht mit Experi-menten, den daraus gewonnenen Ergebnisse und deren Interpretation zu gestalten, der dann zwangsläufig zu einem sprachlich basierten Austausch über das Vorgehen und die Ergebnisse führt.

Die Einbindung von Studierenden des Lehramtes in diese Lernprozesse ermög-licht es für sie, sich frühzeitig an heterogene Lerngruppen zu gewöhnen. Ein frontales Vorgehen ist zwar für die Einführung in bestimmte Unterrichtsabschnitte nötig, be-schränkt sich bei dem sehr heterogenen oder auch gar nicht vorhandenen Sprach-kompetenzen jedoch auf sehr kurze Phasen und erfordert von vorneherein eine hohe

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Anschaulichkeit sowohl in der Sprache als auch in den Anleitungen. Die Hauptpha-sen mit den Experimenten und der Datengewinnung sind nur in Gruppen- oder Einzelarbeit mit intensiver Unterstützung möglich. Die dafür notwendige Teamarbeit wird von den Studierenden als wesentlich empfunden und kann der späteren Heraus-formung eines Einzelkämpfers oder einer Einzelkämpferin im Klassenraum vorbeu-gen. Somit sind die von der Selbstbestimmungstheorie der Motivation umrissenen Faktoren: Autonomie/Kompetenzerleben/soziale Eingebundenheit ausreichend vor-handen.

Sehr fruchtbar hat sich auch das Ausbilden von Teams aus erfahreneren Studie-renden und Neueinsteigenden herausgestellt. Um solche Übergänge zu ermöglichen, ist eine kontinuierliche professionelle Koordination notwendig, die am Lehrstuhl zur Verfügung stehen muss. Sie organsiert auch die Teamsitzungen, sorgt für Material-beschaffung und die Vernetzung.

Für die Zukunft soll noch stärker in die Weiterbildung von Lehrkräften investiert werden. Die Kombination aus solchen Fortbildungen von Vortragenden aus dem aka-demischen Bereich mit Studierenden, die aus der Praxis berichten, hat sich dabei be-währt. Damit soll auch ein Beitrag zum Abbau von Vorbehalten gegenüber Migranten geleistet werden, die in den Bundesländern Sachsen-Anhalt und Sachsen noch nicht so zahlreich anzutreffen sind. Solche Vorbehalte werden auch von Lehrkräften trans-portiert.

Wesentlich aber bleiben zahllose bestätigende Erlebnisse der Studierenden, die Lehrerpersönlichkeiten in ihrem Initialstadium herausbilden, und zwar in Situatio-nen, die in ihrer Heterogenität kaum zu überbieten sind. Sie spiegeln sich beispiels-weise in diesem Zitat aus einem Interview: „Ich fand’s immer toll, wie engagiert die Schüler sind … wie begeistert sie über etwas sind, was wir ihnen beibringen.“

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