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Beschreibung der Lernumgebung

Im Dokument Lehrkräftebildung neu gedacht (Seite 84-88)

Kathrin Ziepprecht

2. Beschreibung der Lernumgebung

Durch einen zunehmenden Einbezug der Konzepte NoS und NoSI (Säule 1) in Fach und Fachdidaktik (Säule 2) wird als übergeordnetes Ziel der im Folgenden beschrie-benen Lernumgebung die Förderung professioneller Überzeugungen (siehe hierzu u. a. Gimbel et al., 2021), d. h. eine Annäherung an die naturwissenschaftliche Realität, verfolgt. Eine Übersicht über die Ausgestaltung der drei Säulen innerhalb der Lern-umgebung findet sich in Tabelle 1; ausführliche Beschreibungen zu Säule 1 und 2 sind den folgenden Abschnitten zu entnehmen.

2.1 Explizite Thematisierung von NoS und NoSI

‚Mit CRISPR/Cas lassen sich alle medizinischen Probleme einfach lösen.‘

‚Naturwissenschaften und deren Methoden können alle Fragen beantworten.‘

In der Einstiegsphase werden die Studierenden in Kleingruppen dazu aufgefordert, zu diesen und weiteren fachbiologischen und -methodischen Thesen zu naturwis-senschaftlicher Forschung und ihren fachlichen Erkenntnissen (s. Onlinematerial A1) Argumente zur Annahme oder Ablehnung der Thesen (z. B. „Es gibt Fragen die noch nicht beantwortet werden können, da die Methoden dafür fehlen“ – Gegenargument von Studierenden zu These 2) zu formulieren. In einer Zusammenführung dessen werden übergeordnete Argumentationskanäle für die erkenntnistheoretische Entwicklung von Wissen und Theorien (z. B. Evidenzen, Logik) identifiziert. Zentrales Anliegen hierbei ist ein Bewusstmachen des eigenen Naturwissenschaftsverständnisses. Darauf folgt eine explizite Auseinandersetzung mit NoS über Leitfragen (z. B. Wie entwickelt sich Wis-sen?) und fachbezogene Kurztexte zu unterschiedlichen Themen (z. B. Watson-Crick-Modell, s. Onlinematerial B), die sich zur Thematisierung der NoS-Aspekte Entwicklung und Sicherheit von Wissen und Rolle von Kreativität in den Naturwissenschaften eignen.

Anschließend wird die theoretische Fundierung von NoS vorgestellt, wobei die Ergeb-nisse der vorangegangenen Arbeitsphase an entsprechenden Stellen (z. B. Sicherheit des Wissens) von den Studierenden diskursiv eingebracht werden.

Das Konzept NoSI wird gemeinsam analytisch in den Blick genommen. Dabei werden forschendes Arbeiten in Wissenschaft und Unterricht, mit Einbezug der 1 Ergänzendes Material steht online unter https://www.waxmann.com/buch4349 zum

Download zur Verfügung.

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Tab. 1: Konzeption, Ausgestaltung und Ziele der Lernumgebung. Konzeptionelle SäuleSitzungBeschreibung der InhalteÜbergeordnetes Ziel (1) Explizite Thematisierung1NoS I & NoSIErarbeitung von Argumenten und Argumentationsmustern zu Aussagen/Thesen rund um na- turwissenschaftliche Forschung und fachliche Erkenntnisse Ableitung von (weiteren) NoS-Kriterien mit Leitfragen und fachbezogenen Kurztexten Erkenntnisgewinnung in Schule (NoSI) und Wissenschaft im Vergleich

rderung der professio- nellen Überzeugungen von Biologielehramts- studierenden zu NoS und NoSI 2NoS IIAnalyse der Darstellung von Forschung in den Medien Sclervorstellungen zu NoS, Genetik und Gentechnik in den Kontext von NoS in Schule ein- binden und reflektieren (2) Verzahnung von fachlichem und fach- didaktischem Wissen

//Vorlesung & LaborpraktikumVermittlung und Aneignung fachlichen Wissens zu molekularbiologischen Inhalten und Me- thoden (im Fachstudium)Aufbau von vernetztem Professionswissen zu Fach und Fachdidaktik unter Einbezug von NoS und NoSI

3/4Kurzvorträge & VideovignettenAufbau von Fachexpertise im kollegialen Austausch mittels Kurzreferate Analyse von Videovignetten zur Verknüpfung von Fachinhalten und -methoden sowie implizi- ter NoS-Vermittlung im Unterricht //VideoproduktionVerzahnung von NoS-Dimensionen mit Fachwissen und -methoden (NoSI) in der Produktion eines Erklärvideos (3) Lehr-Lern-Labor- Arbeit5/6Planung & Vorbereitung Erstellen eines Konzepts für eine Unterrichtseinheit zu einem Labortag, Aufteilung der Unter- richtsphasen und Abstimmung der Inhalte Vorstellen und Abstimmen der Unterrichtsphasen des Labortags (inkl. wiederholtes Üben und Erklären der Fachmethoden)Aufbau von multiplem, transferhigem, anwen- dungsbezogenem Wissen 7/8Durchführung & Reflexion Durchführung und Reflexion eines ganztägigen Labortags mit Schülerinnen und Schülern der gymnasialen Oberstufe zu einem molekularbiologischen Thema Anmerkung. Die kursiv gekennzeichneten Elemente liegen außerhalb der Psenszeit für das fachdidaktische Seminar (s. Abschnitt 2.2). Dieses Seminar ist als teilgeblockte Veranstaltung angelegt mit acht Psenzterminen. Die Videoproduktion findet in der Vorbereitung und Reflexion anteilig an den Psenzterminen 4–6 sowie 8 statt und wird vornehmlich im Selbststudium umgesetzt. Das Videoprodukt ist neben einem Unterrichtsskript zum Labortag und dessen Reflexion Teil der zu erbringenden Prüfungsleistung. Eine Seminarsitzung hat einen Umfang von 120 Minuten. Vorlesung und Laborpraktikum werden ganztägig in einem zweiwöchigen Blockpraktikum durchgeführt.

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Prozessschritte naturwissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung, miteinander vergli-chen. Die Notwendigkeit der expliziten Thematisierung von NoS und NoSI (Khishfe

& Abd-El-Khalick, 2002) soll in dieser Phase von den Studierenden auch in Bezug auf ihren eigenen Unterricht in ihrer Bedeutsamkeit zur Ausbildung naturwissen-schaftlicher Grundbildung erkannt werden. Zudem werden mediale Einflüsse auf das Wissenschaftsverständnis von Lernenden und den daraus resultierenden Fehlvor-stellungen über Wissenschaft und aktuelle Forschungsthemen (z. B. CRISPR/Cas9) als eine mögliche Ursache für die Entstehung von Schülervorstellungen analysiert.

Ein Aufbau von professionellen NoS- und NoSI-Überzeugungen bei angehenden Naturwissenschaftslehrkräften sowie ihren zukünftigen Lernenden sollte mit dem Verständnis und Wissen darüber verbunden werden, wie wissenschaftliche Informa-tionen im Allgemeinen vermittelt werden (science media literacy, Höttecke & Allchin, 2020). Lernende besitzen konkrete und festverankerte Überzeugungen zu NoS und NoSI (z. B. zum Abbildcharakter naturwissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung), und Genetik (z. B. zu Wirkweisen von Genen) sowie Einstellungen gegenüber Gentechnik, die über Informationstexte (Hammann & Asshoff, 2014; Mühlemeier, 2017) von den Studierenden fachlich geklärt und in ihrer Bedeutsamkeit für den Unterricht unter Einbezug der Argumente für die Bedeutung von NoS für den Unterricht nach Driver et al. (1996) analysiert werden.

2.2 Verzahnung von fachlichem und fachdidaktischem Wissen

Die Verzahnung der Professionswissensbereiche Fachwissen und Fachdidaktik, unter Einbezug von NoS und NoSI, bildet die zweite konzeptuelle Säule dieser Lernumge-bung (Tabelle 1). Die Verzahnung erfolgt strukturell in Form von miteinander ver-schränkten Modulen zweier Fachdisziplinen der Biologie (Tandem-/Brückenmodell nach Mayer et al., 2018). Ein (Fach-)Modul ist in der Fachwissenschaft verortet und beinhaltet neben einer molekularbiologischen Vorlesung und einem Laborpraktikum das hier beschriebene fachdidaktische Seminar (= Lernumgebung). Das Modul kann sowohl von Lehramtsstudierenden als auch von Bachelor-Studierenden belegt werden und umfasst 12 Credits. Zudem kann das fachdidaktische Seminar ausschließlich von Lehramtsstudierenden als eigenständiges Modul als Vertiefung in der Fachdidaktik besucht werden (2 Credits). Die folgenden Ausführungen gehen auf die Ausgestaltung des fachdidaktischen (Vertiefungs-)Seminars zurück.

Fachexpertise im kollegialen Austausch aufbauen

In der fachdidaktischen Lernumgebung wird das Strukturmerkmal der Verzahnung umgesetzt, indem Studierende der Fachwissenschaft und Studierende der Fachdidaktik ihre jeweilige Fachexpertise einbringen und synergetisch nutzen. Um einen kollegialen Austausch zwischen den Fachdisziplinen zu schaffen, werden Tandems von Studieren-den aus Fach und Fachdidaktik gebildet, welche im weiteren Seminarverlauf gemein-sam arbeiten. Von den jeweiligen studentischen Expertinnen und Experten werden u. a.

87 Aktuelle molekularbiologische Themen in der Schule vermitteln lernen Kurzvorträge über relevante Inhalte der Fachwissenschaft und Fachdidaktik vorberei-tet, vorgestellt und hinsichtlich der schulpraktischen Relevanz sowie deren Einbindung reflektiert. Mittels Videovignetten, die im Schüler- und Öffentlichkeitslabor Science Bridge mit Oberstufenklassen aufgenommen wurden, wird die unterrichtspraktische Thematisierung von fachwissenschaftlichen Inhalten fachdidaktisch analysiert und reflektiert. Gleichzeitig wird darüber ein Einstieg für den Entwicklungsprozess eines eigenen Labortags geschaffen. Für diesen konzipieren die Studierenden-Tandems zum einen eine unterrichtliche Phase (z. B. Phänomen-Einstieg, Generierung einer Leitfra-ge) und produzieren zum anderen ein in diese Phase zu integrierendes Erklärvideo zu einer Forschungsmethode bzw. Arbeitstechnik (z. B. Pipettieren).

Fachwissen und -methoden, NoS und NoSI in Erklärvideos verzahnen

Die Videoproduktion stellt eine Form der methodischen Umsetzung des Lehr-Lern-konzeptes Lernen durch Erklären (Hoogerheide et al., 2016: explaining to fictitious others on video) dar. Bei der Erstellung der Videos setzen sich die Studierenden in-tensiv mit ausgewählten Fachinhalten und deren fachdidaktischer Aufarbeitung sowie ihrer didaktischen Reduktion mit Blick auf die anvisierten Nutzerinnen und Nutzer auseinander und werden zudem in dem notwendigen technologiebezogenen Professionswissen gefördert (u. a. Bruckermann & Mahler, 2019). Im Umfang von 6 bis 8 Minuten werden in den Videos molekularbiologische Methoden im Tutorial-Stil visualisiert, mit zugehörigem Fachwissen erklärt und mit zu berücksichtigenden Teilthemen im Kontext von NoS in Verbindung gebracht (Tabelle 2). Über die Visua-lisierung der hier ausgewählten Fachmethodik, i.d.R. mit Realszenen aus dem Labor, sowie die Einbettung der Videos und damit der Fachmethodik in einen Forschungs-prozess wird NoSI aufgegriffen und didaktisch umgesetzt. Die Aufnahmen zum rea-len Laborsetting wurden von den studentischen Fachexpertinnen und -experten am Ende das Laborpraktikums angefertigt. Jedem Video liegt konzeptionell der für diese Lernumgebung zentrale Lehr-Lernansatz zur Verknüpfung von ausgewählten Über-zeugungen und Wissensbereichen zugrunde.

Tab. 2: Konzeptionelle Bausteine der Erklärvideos.

Molekularbiologische

Methode Fachmethodik (NoSI) Fachwissen NoS

Pipettieren mit der

Polymeraseketten-reaktion (PCR) Schritte der PCR als molekularbiologische

Agarosegelelektro-phorese Prinzip der Aufteilung

nach Fragmentlängen Ladung der DNA,

Primer Aussagekraft der

Ergebnisse (Grenzen)

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Didaktisch eingebunden werden die Videos in eine von den Studierenden konzipierte Unterrichtseinheit bzw. ausgewählte Phase in der Einheit (inkl. weiterer Lehr-Lern-materialien, wie Versuchsskripte und Präsentationen) zu einem Labortag mit Ober-stufenschülerinnen und -schülern.

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