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Hinweise zur Umsetzung

Im Dokument Lehrkräftebildung neu gedacht (Seite 172-176)

Biologieunterricht in Blogs kompetenzorientiert reflektieren

4. Hinweise zur Umsetzung

4.1 Mikroartikel

Das Schreiben der Mikroartikel in der erforderlichen Form braucht Zeit und Übung, ehe Studierende explizit biologiedidaktische Problemstellungen adressieren können.

Sie neigen gerade bei ihren ersten Mikroartikeln dazu, vorwiegend deskriptiv und wenig analytisch-reflexiv die eigene Unterrichtstätigkeit zu schildern und dabei ihre eigenen Ansichten selbst zu bestärken statt zu dekonstruieren (Killeavy & Moloney, 2010). In ihren Geschichten schildern sie zu Beginn häufig ganzheitliche Stunden-beschreibungen oder chronologische Nacherzählungen. Die Fokussierung auf einen kondensierten Moment, der problematisch war oder nicht erklärt werden kann, fällt zunächst schwer. Deswegen haben wir es als vorteilhaft angesehen, den Reflexionsbe-griff nach Clarà (2015) explizit einzuführen, um Studierende für die vielen Momente der Irritation, Planänderung usw. zu sensibilisieren, die sie gewiss im Praxissemester erleben, aber anfangs offensichtlich noch nicht als Reflexionsanlässe wahrnehmen.

In den Einsichten und den Folgerungen zeigt sich, dass häufig keine biologiedidakti-sche Literatur herangezogen und Handlungsalternativen entwickelt werden, sondern eher ein zumeist positives Resümee der Unterrichtsstunde gezogen wird. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, exemplarische Mikroartikel im Begleitseminar zu bespre-chen und Verknüpfungen zwisbespre-chen den geschilderten Praxiserfahrungen und theo-retischen Erklärungsmustern herzustellen, wie z. B. dem Modell der didaktischen Re-konstruktion (Kattmann, 2007) und der Conceptual-Change-Theorie (Krüger, 2007).

Auf diese Weise wird eine stärkere Verknüpfung des biologiedidaktischen Wissens gefordert, die über das meist ausschließlich adressierte Wissen über die Lerngruppe und ausgewählte Instruktionsstrategien hinausgeht und auch andere Wissensfacetten miteinbezieht (Park & Oliver, 2008).

4.2 Bloggen

Da ein nicht angeleitetes Bloggen kein hinreichender Ansatz ist, um Studierende zu einer kritischen Reflexion zu befähigen, sollte darauf geachtet werden, dass Dozie-rende das Bloggen aktiv mitgestalten und begleiten müssen (Hall, 2018). Dies beginnt damit, dass wir aufgrund der anfänglichen Schwierigkeiten beim Verfassen der Mik-roartikel prüfen, ob das Textformat weitgehend korrekt umgesetzt wurde. Nach der Veröffentlichung der geeignetsten Mikroartikel im Blog schalten wir uns mit gezielten Impulsen in die Diskussionen über die Kommentarfunktion ein, um z. B. eine affir-mative Haltung zu irritieren, eher unkritische Kommentare noch einmal kritischer zu beleuchten oder die von den Studierenden formulierten Anschlussfragen mit einem ergänzenden Vorschlag zu beantworten. Im Verlauf des Seminars wurden die Dis-kussionsbeiträge der Studierenden aber immer besser und gezielte Impulse unserer-seits wurden weniger nötig. Der Blog bietet somit die Möglichkeit, kontinuierlich im Verlauf des Praxissemesters zu diagnostizieren, inwiefern es den Studierenden ge-lingt, Biologieunterricht kritisch und fokussiert zu reflektieren. Die Verzahnung der

173 Biologieunterricht in Blogs kompetenzorientiert reflektieren asynchronen Arbeit am Blog und den synchronen Begleitseminarsitzungen ist also entscheidend dafür, dass die Studierenden durch das Bloggen über Mikroartikel ihre Fähigkeit, Biologieunterricht fachdidaktisch zu reflektieren, erweitern. Die auf diese Weise kontinuierlich wachsende Menge an Mikroartikeln in unserem Blog kann zu diesem Zweck auch für Studierende und Dozierende anderer Fächer eine ergiebige Quelle darstellen.

5. Fazit

Insgesamt wurde die Verschränkung von Blog, Mikroartikeln und Seminar als sehr positiv wahrgenommen. Die Nutzung des Blogs war – sowohl für die Studierenden als auch die Dozierenden – zu Beginn gewöhnungsbedürftig und benötigte eine ge-wisse Einarbeitungszeit, wurde im Laufe des Seminars aber immer selbstverständ-licher. Jedoch wurde auch kritisch angemerkt, dass ein mündlicher Austausch als bes-ser erachtet wird, anstatt über die Kommentarfunktion zu kommunizieren. Zudem wurden einzelne Diskussionsthemen, die im Seminar wieder aufgegriffen wurden, als redundant wahrgenommen. Als Weiterentwicklung dieses Formats empfahlen die Studierenden, die Diskussionsbeiträge im Blog und die Einbindung dieser im Semi-nar noch besser abzustimmen. Die von uns verwendete Form von Mikroartikeln bot einen niederschwelligen Einstieg in die Reflexion von eigenem Unterricht und wurde als äußerst hilfreich beschrieben. Dies lag vor allem daran, dass man sich z. B. auf we-sentliche Punkte einer Unterrichtsstunde beschränkte und diese dann unter Berück-sichtigung der fachdidaktischen Reflexionsschwerpunkte diskutieren konnte. Dabei haben insbesondere die genauen Vorgaben und die klare Unterteilung der Mikroarti-kel geholfen. Einen Mehrwert des gesamten Seminarkonzepts erkannten Studierende vor allem darin, dass echte, selbst erlebte Unterrichtssituationen mithilfe von Mikro-artikeln eingebracht werden konnten und Bestandteil des zielorientierten Austauschs waren. Abschließen möchten wir den Beitrag deswegen mit einer Rückmeldung aus dem Seminar: „Durch das Diskutieren im Seminar und besonders auch durch die Arbeit mit den Mikroartikeln kam ich zu neuen Erkenntnissen und Ideen, die ich als sehr hilf-reich mit Blick auf das Referendariat betrachte. Für mich kamen viele Fragen auf, die durch meine Kommilitonen beantwortet werden konnten.“

Förderhinweis

Das Projekt K2Teach wird im Rahmen der gemeinsamen „Qualitätsoffensive Lehrer-bildung“ von Bund und Ländern aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01JA1802 gefördert.

174 Leroy Großmann & Stefan H. Nessler

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Wyss, C. (2013). Unterricht und Reflexion: Eine mehrperspektivische Untersuchung der Unter-richts- und Reflexionskompetenz von Lehrkräften. Waxmann.

Zusatzmaterial: Biologieunterricht a

Zusatzmaterial: Biologieunterricht b

„Oh Gott, was mach’ ich jetzt?“

Unerwartete Unterrichtssituationen reflektieren und bewältigen –

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