• Keine Ergebnisse gefunden

Beschreibung des Lehrkonzepts und der Funktionalitäten der eingebundenen Tools

Im Dokument Lehrkräftebildung neu gedacht (Seite 139-142)

Von der Videographie mit Live-Feedback zur kollaborativen Videoanalyse Christoph Thyssen & Arash Tolou

2. Beschreibung des Lehrkonzepts und der Funktionalitäten der eingebundenen Tools

2.1 Grundlegende Beschreibung der Konzeptidee und -struktur

Um zeitaufgelöstes, kategorisiertes Feedback zu einzelnen Situationen direkt live im Prozess ohne größere Ablenkung erfassen zu können, wird das Tool livefeedback (Thyssen et al., 2019; Eigenentwicklung, Link: https://didaktik.biologie.uni-kl.de) ein-gesetzt, mit dem unter Fokussierung auf frei definierbare Kategorien alle Beobachten-den die Situationen als positiv, negativ oder ohne Wertung als diskussionswürdig mar-kieren können. Diese Markierungen dienen funktional gleichzeitig als synchronisierte Sprungmarken zu korrespondierenden Positionen eines zeitgleich aufgenommenen Videos. Aus der Darstellung und Summation aller eingegebenen Markierungen der verschiedenen Beobachtenden ergeben sich über einen ‚Stundenverlauf‘ Profile für die adressierten Feedback-Kategorien, die auch als zeitaufgelöste Säulendiagramme graphisch dargestellt werden können. Eine eingeschränkte Kommentierung markier-ter Situationen ohne strukturierte Blogfunktionen o.ä. ist ebenfalls möglich. Das Tool smallPART (Eigenentwicklung, Open Source, Kooperation mit EGroupware GmbH, Link: https://smallpart.de) bietet komplexere Möglichkeiten zur nachträglichen, zeit-aufgelösten Annotierung von aufgenommenen Videos mittels Textkommentaren und deren Re-Kommentierung sowie einer graphischen Markierung von Elementen im Videobild selbst. Beide Tools sind webbasiert und dadurch ortsunabhängig nutzbar.

Durch einen gemeinsamen Einsatz von livefeedback und smallPART (Abbildung 1) im Sinne einer Kompetenzentwicklungskette kann somit der Problematik des ver-zögerten Feedbacks entgegengewirkt werden. Beide Tools liefern bzw. verwenden als zentrales Medium Videos und ermöglichen durch ihren kombinierten Einsatz das Geben von sowohl unmittelbarem als auch nachträglichem, ausführlichem Feedback unter Vermeidung von Nachteilen wie z. B. der Störung des Ablaufs, fehlerhaften oder mangelnden Erinnerungen, reduzierter Multiperspektive oder zeit- und orts-abhängigen Determinanten. Ein entsprechendes Lehrkonzept (Abbildung 1) ist z. B.

im Rahmen eines fachdidaktischen Moduls im Studiengang Bachelor of Education zu verorten.

Abb: 1: Strukturierung des Lehrkonzeptes aus der Fachdidaktik Biologie.

140 Christoph Thyssen & Arash Tolou

2.2 Das Tool livefeedback und sein Einsatz

Wie der Name livefeedback vermuten lässt, wird mit der Hilfe dieses Tools das Geben von direktem, unmittelbarem Feedback mit z. B. einem Smartphone ermöglicht (Ref-lection in Action, Schön, 1987). Ein Ziel bei der Entwicklung des Tools war es, dies mit möglichst geringer Einflussnahme auf den Ablauf der jeweiligen Lehrprozesse unter Realisierung einer multiperspektivischen Beobachtung inklusive einer video-grafischen Aufzeichnung der Veranstaltung für anschließende Reflexionsprozesse zu realisieren. Als Feedback gebende Beobachtende sollten auch die Lernenden des Lehr-Lern-Prozesses eingebunden werden (Abbildung 2). Um deren Ablenkung und die Gesamtbeeinflussung so gering wie möglich zu halten, werden für das Feedback in livefeedback eine begrenzte Anzahl inhaltlich vorab festlegbarer Kategorien zur bi-nären Bewertung von Situationen (als sog. Votes) über Buttons freigegeben. Damit soll zum einen eine Überforderung durch eine Fokussierung auf zu viele Aspekte und zum anderen durch eine zu starke Beanspruchung bei der Entscheidung im Hinblick auf eine graduelle Bewertung vermieden werden. Bei Bedarf können zudem Votes im Nachgang mit ausführlichen Kommentaren versehen werden. Dozierenden ist dies und auch der Einblick in die Bewertungen schon während der Beobachtungsphase möglich. Diese Rollentrennung wurde aufgrund der mit der Kommentierung einher-gehenden Einschränkung der Aufmerksamkeit für die Verfolgung des Live-Prozesses vorgenommen. Die Multiperspektive bildet livefeedback durch automatisch generierte Zusammenfassungen von Daten zum gegebenen Feedback ab. Dies erfolgt sowohl graphisch in Form von zeitaufgelösten Balkendiagrammen (Abbildung 2) als auch mittels tabellarischer Aufbereitung zu einzelnen Phasen und als Gesamtstatistiken zum Feedback. Diese abgebildeten Feedbackdaten stehen unmittelbar in Abhängig-keit zur Videozeit und liefern auf einen Blick Markierungen der perspektivischen Einordnung von Situationen. Dies erleichtert die Identifikation von Feedback-Hot-Spots und sonstiger z. B. durch sehr konträre Bewertungen ausgezeichnete und damit für Analysen besonders interessante Situationen und Zeitpunkte (Abbildung 2). Die Säulen der Diagramme sind gleichzeitig Sprungmarken zu den korrespondierenden Positionen im Video, so dass die entsprechende Situation zügig (und möglichst voll-ständig) wieder in Erinnerung gerufen werden kann.

Abb. 2: Funktionsprinzip von livefeedback.

141 Videobasierte Kompetenzentwicklungskette in fachdidaktischen Praktika und Seminaren Den Beobachtenden bzw. Lernenden steht eine auf mobilen Geräten gut nutzbare Eingabemaske für das Geben von Feedback zur Verfügung (Abbildung 2). Dozieren-de können zu beobachtenDozieren-de Lehr-Lern-Veranstaltungen zu Modulen und Kursen zu-sammenfassen und damit ganze Lehrveranstaltungen mit wöchentlichen Terminen für studentische Lehrversuche im System abbilden. Mit den integrierten Funktionen ist auch ein Vergleich verschiedener, mit dem Tool bewerteter Lehr-Lern-Veranstal-tungen innerhalb eines Kurs-Moduls möglich. Eine Nutzung des Systems ist kosten-frei und unter Einhaltung der DSGVO-Vorgaben möglich. Hervorzuheben ist, dass aufgenommene Videos nicht auf einem Server abgelegt werden, sondern lokal ge-speichert und eingebunden werden können. Der Datenverkehr beschränkt sich auf die Übermittlung des Zeitpunkts, der Kategorie und der binären Bewertung einzelner Votes.

2.3 Das Tool smallPART und sein Einsatz

Die weiterführende Analyse aufgenommener Videos erfolgt im Lehrkonzept anschlie-ßend zeit- und ortsunabhängig mit smallPART, so dass auch Personen eingebunden werden können, die in der Livesituation nicht anwesend waren. Basierend auf dem er-stellten Videomaterial ermöglicht smallPART ein videozeitgenaues Annotieren, Ana-lysieren und das interaktive, kollaborative Geben von Feedback auch in asynchronen Formaten. Des Weiteren können in smallPART bequem für einzelne Situationen oder Vorkommnisse sogar Elemente im Videobild markiert (In-picture-Markierungen), thematisiert und durch Reaktionen auf Beiträge diskutiert werden, ähnlich wie in Blogs (Abbildung 3).

Das OpenSource-Tool smallPART erlaubt (ebenso wie ähnliche, kommerzielle Alternativen) somit ein komfortables und interaktives, d. h. multiperspektivisches, Kommentieren und damit auch Reflektieren im Nachgang (Reflection on Action, Schön, 1987) zu den studentischen Lehrversuchen. Durch die mit dem Video ermög-lichte Dokumentation und Wiederholbarkeit einer Situation muss im Gegensatz zu Livesituationen keine Abwägung zwischen dem Verzicht auf eine konzentrierte Fort-führung der Beobachtung und dem Verzicht auf ein ausführliches Kommentieren oder Diskutieren, evtl. sogar mittels einer Unterbrechung des Lehr-Lern-Prozesses, erfolgen. Dozierenden ist es möglich, videoübergreifende Beobachtungs- und Refle-xionsaufgaben zu stellen oder auch durch Kommentare zu einzelnen Videopositionen situationsbezogene Analyseimpulse zu geben. Dadurch können kollaborativ unter Einbindung aller Beteiligten auch sehr konkrete, individuelle Analysen und Refle-xionen zur Kompetenzentwicklung auf Seiten der bzw. des im Lehrversuch videogra-phierten Studierenden aber auch bei den kommentierenden Studierenden unterstützt werden. Da die Sichtbarkeit von Kommentaren konfiguriert werden kann, sind auch voneinander unabhängige Analysen und Reflexionen möglich, die erst anschließend für alle als Peer-Feedback transparent gemacht werden und dann Grundlage für eine zweite Reflexionsrunde sein können. Das Tool erlaubt mittels LTI eine Anbindung an verschiedene Lernmanagementsysteme wie Moodle, ILIAS oder OpenOLAT.

142 Christoph Thyssen & Arash Tolou

3. Diskussion des videobasierten Konzeptes und

Im Dokument Lehrkräftebildung neu gedacht (Seite 139-142)