2 Einleitung
2.7 Mikroskopie
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Ein Nachteil der Immunfluoreszenz‐Mikroskopie liegt darin, dass nur mit toten Zellen gearbeitet werden kann, die zu einem bestimmten Zeitpunkt fixiert wurden. Dadurch lassen sich dynamische Prozesse eines Proteins innerhalb des Zellkerns nur schlecht verfolgen. Eine Weiterentwicklung, mit der diese Probleme umgangen werden können, stellt die Methode des Live Cell Imagings (LCI) dar.
2.7.2 Live Cell Imaging
Seit vor über 50 Jahren von David Rogers die Jagd einer neutrophilen Zelle auf ein Bakterium auf 16 mm Film aufgenommen wurde, hat sich das LCI beständig weiter entwickelt. Neue Techniken, Unterstützung der Prozesse durch Computer und hochentwickelte, stabile fluoreszierende Proteine erlauben es, komplexe biologische Vorgänge detailliert zu untersuchen.
Beim LCI werden mit Hilfe inverser Mikroskope dynamische Prozesse in lebenden Zellen über einen Beobachtungszeitraum, der wenige Minuten bis mehrere Tage betragen kann, verfolgt. Dabei kann das Verhalten einer einzelnen Zelle in Intervallen von wenigen Sekunden bis Stunden über eine Kamera dokumentiert werden. Die Digitalkamera wird über eine Computersoftware gesteuert und durch Aneinanderreihung der aufgenommenen Bilder ergibt sich ein Zeitrafferfilm. Dieser ermög‐
licht es z.B. die Bewegungen und das Verhalten der Zelle während ihres Zellzyklus sichtbar zu ma‐
chen. Die Säugerzellen benötigen streng definierte Umgebungsbedingungen, um optimal wachsen zu können und keine Stress‐Antwort zu induzieren (Frigault et al., 2009). Dies gelingt durch die Ver‐
sorgung mit einem optimiertem Medium, einem Inkubator, in dem die Luftfeuchtigkeit reguliert wird, die Zellen mit 5 % CO2 begast werden und eine einheitliche Temperatur von 37°C herrscht. Der entscheidende Vorteil dieser Methode im Vergleich zur konventionellen Immunfluoreszenz‐
Mikroskopie besteht in der Möglichkeit, dass Zellen nicht fixiert werden müssen, sondern das Ver‐
halten von Proteinen in lebenden Zellen permanent und in kurzen Zeitabständen „live“ verfolgt werden kann.
Ein bedeutender Einschnitt in der Verwendung von LCI‐Systemen war die Entdeckung und Entwick‐
lung fluoreszierender Proteine, die als molekulare Marker dienten. Als erstes wurde GFP (Green Fluorescent Protein) entdeckt (Shimomura et al., 1962), ein verwandtes Protein zu Aequorin, dem chemilumineszenten Protein der Qualle Aequoria victoria. Die Besonderheit dieses Proteins war, dass es nach Anregung mit einer Wellenlänge des Lichts zwischen 400‐500 nm selbst fluoreszierte und weder Substrate noch Coenzyme benötigte. Osamu Shimomura erhielt zusammen mit Martin Chalfie und Roger Tsien 2008 den Nobelpreis für Chemie für die Entdeckung und Weiterentwicklung des grün fluoreszierenden Proteins. Bei Verwendung von Fusions‐Konstrukten bestimmter Gene mit fluoreszierenden Proteinen (Prasher et al., 1992) dürfen die Eigenschaften des Ursprungsproteins durch den angehängten Fluoreszenz‐tag nicht verändert werden, was bei GFP erfüllt wurde. Im Lau‐
fe der Zeit wurden die Eigenschaften des GFP durch gezielte Mutationen immer weiter verbessert, sodass die Geschwindigkeit der Fluorophor‐Bildung, die korrekte Faltung und Stabilität bei 37°C, sowie die Helligkeit verbessert werden konnten. Dadurch war es möglich, lebende Zellen auch mit geringen, weniger belastenden Lichtintensitäten über einen längeren Zeitraum zu beobachten und gleichzeitig das Fluorophor nur geringfügig auszubleichen. Die Weiterentwicklung von GFP brachte
Seite 33 zusätzlich andere Farbvarianten wie YFP (Yellow Fluorescent Protein) oder CFP (Cyan Fluorescent Protein) hervor, wodurch die gleichzeitige Untersuchung mehrerer Proteine in der lebenden Zelle möglich wurde (Lippincott‐Schwartz und Patterson, 2003). Eine rote Farbvariante, das DsRed, wird aus Anthozoa discosoma, einer Scheibenkoralle gewonnen.
Mit diesen fluoreszierenden Markern fusionierte Proteine konnten in lebenden Zellen sichtbar ge‐
macht, lokalisiert und innerhalb der Zelle zu verfolgt werden. Durch diese Methode war es möglich, auch Proteine der DSB‐Reparatur an Fluoreszenz‐Farbstoffe zu koppeln und die nach Bestrahlung resultierenden Foci zu detektieren. Ebenso kann die Mobilität von Proteinen und Diffusionsge‐
schwindigkeit von Molekülen über FRAP (Fluorescence Recovery After Photobleaching) und FLIP (Fluorescence Loss In Photobleaching) in lebenden Zellen gemessen werden. Hierbei wird ein defi‐
nierter Bereich einer fluoreszierenden Probe ausgebleicht und gemessen, mit welcher Geschwin‐
digkeit ungebleichte Fluorochrome aus der Umgebung in den gebleichten Bereich wandern. Letzt‐
endlich kann die Antwort jeder einzelnen Zelle untersucht werden (Zetterberg et al., 1995).
Die Methode des LCI bietet neue Möglichkeiten in Bezug auf die zeitliche Auflösung von Experimen‐
ten und die Untersuchung von Vorgängen in einzelnen Zellen. Dabei muss allerdings immer der Kompromiss zwischen guter Bildqualität und optimalen Umgebungsbedingungen gefunden werden.
So sind Zellen in ihrer natürlichen Umgebung selten Licht ausgesetzt. Die Anregung der fluoreszie‐
renden Proteine bei der Aufnahme mit UV‐Licht kann die DNA schädigen, Infrarot‐Licht kann Medi‐
um und Zellen zusätzlich erwärmen oder es können sich freie Radikale bilden (Pattison und Davies, 2006). Dies kann unerwünschte Reaktionen der Zellen hervorrufen. Die beste Möglichkeit, dem entgegenzuwirken ist die Reduzierung des Anregungslichts auf ein Minimum und die Optimierung der Detektion über die Kamera und das optische System des Mikroskops.
2.7.2.1 PCNA und DNA‐LigaseI als Marker zur Identifikation des G1/S‐Übergangs
Zur Untersuchung des G1/S‐Checkpoints muss es möglich sein, den Übergang von der G1‐ in die S‐
Phase genau zu bestimmen, was vor allem für die Beobachtung der Zellen in Live Cell Imaging‐
Anwendungen von Bedeutung ist. Beim G1/S‐Übergang gibt es keinen markanten Erkennungspunkt im Zellzyklus, wie es beim G2/M‐Übergang der Fall ist. Hier beendet die Mitose die G2‐Phase, ein Vorgang, der auch im Durchlichtmodus bei Live Cell Imaging‐Aufnahmen gut zu verfolgen ist. Neben klassischen S‐Phase‐Markern wie BrdU (5‐Brom‐2`‐desoxyuridin) wurden zusätzlich die Marker PCNA in der Immunfluoreszenz‐Mikroskopie und DNA‐LigaseI gekoppelt an das Fluorochrom RFP (Red Fluorescent Protein) in LCI‐Experimenten zur Erkennung der S‐Phase in der vorliegenden Arbeit verwendet.
2.7.2.2 PCNA
Zur Reproduktion und Weitergabe genetischer Informationen muss eine Zelle ihr Genom verdop‐
peln, bevor es schließlich bei der Mitose auf die Tochterzellen aufgeteilt wird.
Ein Enzym, das vor allem bei der Replikation involviert ist, ist das Proliferating Cell Nuclear Antigen (PCNA). Es rekrutiert entscheidende Faktoren wie replikative Polymerasen für diesen Vorgang an
die Replikationsgabel. PCNA wurde bei Patienten mit der Autoimmun‐Erkrankung Lupus erythematosus als ein Autoantigen entdeckt (Jonsson und Hübscher, 1997). Zusätzlich dient PCNA als Proliferations‐Marker für die Prognose bei Tumorentwicklungen (Jain, 1991).
PCNA ist ein ringförmiges Protein, das zur Familie der DNA sliding β‐clamps zählt und evolutionär von der Hefe bis zum Menschen hoch konserviert ist (Bravo, 1987, Kelman, 1995, Wyman und Botchan, 1995). Es ist symmetrisch und aus drei identischen Monomeren aufgebaut (Krishna, 1994, Maga und Hübscher, 2003, Ivanov, 2006). Die innere Schicht dieses ringförmigen Proteins besteht aus positiv geladenen α‐Helices, welche den Kontakt zum Phosphat‐Rückgrat der DNA herstellen, die Außenseite setzt sich aus β‐Faltblättern zusammen. Die Funktion von PCNA besteht darin, inter‐
agierenden Partnern wie DNA‐Replikationsproteinen, Proteinen, die in der Zellzyklus‐Kontrolle eine Rolle spielen und Proteinen, die der Chromatinregulation und Transkription dienen, eine stationäre
„loading platform“ zu bieten und sie so in der Nähe der DNA zu halten (Prosperi, 2006). Außerdem rekrutiert PCNA Elongationsfaktoren wie DNA‐LigaseI (Görisch, 2008), DNA‐Polymerasen und DNA‐
Reparatur‐Proteine (Maga und Hübscher, 2003). Eine der Hauptstellen für die Wechselwirkung mit Proteinen ist die Domänen‐verbindende Schleife an der Seite von PCNA, die sich von den Resten L121 bis E132 zieht. Sie wird unter anderem von Polymerase δ, p21, FLAP‐Endonuklease 1 (Fen1) und DNA‐LigaseI (LigI) erkannt.
A
B
Abb. 12: Dreidimensionale Struktur von PCNA (Proliferating Cell Nuclear Antigen)
(A) Monomer des Proteins PCNA. (B) Zusammengefügte Monomere zu einem symetrischen trimeren Ring. Die Außenseite des Proteins besteht aus β‐Faltblättern, die Innenseite mit Kontakt zur DNA setzt sich aus positiv geladenen α‐Helices zusammen. PCNA dient als „loading platform“, Proteine der Zellzyklus‐Kontrolle und der DNA‐Reparatur werden so nach einem DNA‐Schaden in der Nähe der DNA gehalten (Rottach et al., 2008).
PCNA ist somit eine zentrale Komponente der Replikationsmaschinerie in der Zelle. Dort, wo Repli‐
kation im Zellkern stattfindet, kann man Komplexe aus DNA und Replikationsproteinen als „Replika‐
tions‐Foci“ mikroskopisch sichtbar machen (Hozak et al., 1993). Sie sind fest im Zellkern verankert und sehr heterogen in Größe und Lebensdauer. Das typische Muster in der S‐Phase, ähnlich dem LigaseI‐Muster (siehe Kapitel 2.7.2.3), entsteht durch allmähliche asynchrone Aggregation und Ab‐
bau des Proteins während dieser Phase (Leonhardt et al., 2000).
Wie zuvor erwähnt, findet sich eine Funktion für PCNA auch bei der DNA‐Reparatur. Bei der Nukleo‐
tid‐Exzisions‐Reparatur bindet PCNA die Endonuklease XPG, welche am 3´‐Ende eines DNA‐
Schadens schneidet (Gary et al., 1997). Außerdem wird für diesen Reparaturweg die Polymerase δ zur Strangsynthese benötigt, welche durch PCNA an die DNA gebracht wird.
Seite 35 Die Frage, welchen Bereich der S‐Phase PCNA abdeckt, untersuchten Coltrera und Gown (1991).
Hierzu wurde die Markierung der Zellen mit PCNA mit der von BrdU, einem Standard‐Marker für die S‐Phase im Zellzyklus, in unterschiedlichen Zelllinien verglichen. In schnell proliferierenden Zellen, wie beispielsweise HeLa‐Zellen, überlappten die Signale von PCNA und BrdU vollständig. In langsam proliferierenden Zelllinien, wie HUVE‐Zellen zeigte sich eine unvollständige Überlappung beider Populationen. Die Nomenklatur für die Einteilung der Zellen in PCNA‐positiv und ‐negativ wurde von Celis und Celis (1985) vorgenommen.
Bei UV‐Bestrahlung von Zellen wurde ein PCNA‐Signal auch in Zellen, welche sich außerhalb der S‐
Phase befanden, gemessen. Dieses war in G1‐ und G2‐Phase‐Zellen mit steigenden UV‐Dosen (16 J/m2 bis 30 J/m2) immer deutlicher zu beobachten. Der Grund ist die einsetzende NER, auch in G1‐ und G2‐Zellen (Celis und Madsen, 1986). Aus diesem Grund scheidet PCNA als S‐Phase‐Marker nach UV‐Bestrahlung von Zellen aus.
A
B C D E
Abb. 13: Zellzyklus‐abhängige Verteilung von PCNA
In der frühen S‐Phase (A) ist PCNA über den ganzen Zellkern verteilt und zeigt die initialen Replikations‐Foci an. In der mittleren S‐Phase (B) wird das Euchromatin repliziert, dementsprechend wandern die PCNA‐Foci vor allem an die Periphe‐
rie und rund um die Nucleoli des Zellkerns. Wird in der späten S‐Phase (C) Heterochromatin repliziert, werden die Foci größer und beginnen langsam zu verschwinden. Außerhalb der S‐Phase (D) sowie während der Mitose (E) sind keine PCNA‐Foci nachweisbar (Rottach et al., 2008).
2.7.2.3 DNA‐LigaseI
Ein entscheidender Schritt der DNA‐Replikation, ‐Reparatur und ‐Rekombination ist die Ligation von DNA durch DNA‐Ligasen. Säugerzellen besitzen drei dieser Enzyme, DNA‐LigaseI, III und IV, welche ATP‐abhängig die Verbindung von Brüchen im Phosphodiester‐Rückgrat der DNA katalysieren. Ob‐
gleich die katalytische Domäne aller drei Enzyme hochkonserviert ist und sie sich denselben grund‐
legenden Reaktionsmechanismus zunutze machen, sind ihre jeweiligen Funktionen unterschiedlich (Mortusewicz, 2006).
Durch Kristallstrukturanalysen (Pascal et al., 2004) konnte gezeigt werden, dass DNA‐LigaseI die DNA‐Doppelhelix „ordnet“, um die gebrochenen Enden für die strangverbindende Reaktion gut zugänglich zu machen. Außerdem wurde eine DNA‐bindende Domäne entdeckt, die es der DNA‐
LigaseI erlaubt, ihr DNA‐Substrat zu umgeben, die DNA in einer verdrehten Stellung zu stabilisieren und so das katalytische Zentrum an der Bruchstelle zu positionieren. DNA‐LigaseI ist hauptsächlich während der S‐Phase des Zellzyklus aktiv und wird für die Verbindung von Okazaki‐Fragmenten bei der semikonservativen Replikation der DNA benötigt (Mackenney et al., 1997). Zudem spielt die DNA‐LigaseI eine wichtige Rolle bei der BER, bei der NER und der Reparatur von DSBs über HR
(Goetz et al., 2005). Die End‐Joining‐Aktivtät von DNA‐LigaseI ist durch die Interaktion mit PCNA über eine N‐terminale PCNA‐bindende Domäne gegen DNA‐Replikations‐Stellen gerichtet (Montecucco et al., 1995, Cardoso et al., 1997). Wird das Enzym an ein Fluorochom, hier RFP (Red Fluorescent Protein), gekoppelt, kann es beim Live Cell Imaging Verwendung finden. Über Anregung mit Auflicht ist die Emmission von RFP auch in lebenden Zellen zu verfolgen.
Das typische LigaseI‐Muster entsteht während der DNA‐Replikation in der S‐Phase, wenn LigaseI‐
Enzyme, die zunächst diffus im Zellkern verteilt vorliegen, sich vermehrt an den Replikationsgabeln bzw. den Okazaki‐Fragmenten anlagern. Zudem ist es möglich, die S‐Phase durch Veränderung des LigaseI‐Musters in deren Verlauf, in eine frühe, mittlere und späte Phase einzuteilen. Der Grund hierfür liegt in der Chromatinstruktur der DNA begründet. In Versuchen mit künstlich synthetisier‐
ten Chromosomen von Brenda Grimes (Grimes et al., 2004) wurde festgestellt, dass Heterochroma‐
tin‐arme Chromosomen in der frühen S‐Phase repliziert wurden, Heterochromatin‐reiche hingegen erst in der mittleren bis späten S‐Phase. So beginnt die Replikation zunächst am weniger dicht kon‐
densierten Euchromatin, welches hauptsächlich im Inneren des Zellkerns vorliegt. Die DNA‐LigaseI‐
Foci sind hierbei noch über den gesamten Zellkern verteilt, woran die frühe S‐Phase zu erkennen ist.
Anschließend wird das stark kondensierte Heterochromatin am Rande des Zellkerns repliziert, wo‐
durch die DNA‐LigaseI‐Foci nun vor allem am Rand des Zellkerns und um die Nucleoli herum zu er‐
kennen sind und den Übergang zur mittleren S‐Phase anzeigen. In der sich anschließenden späten S‐
Phase stellen die DNA‐LigaseI‐Foci ebenfalls Heterochromatin‐Bereiche dar. Die Dynamik dieser Verteilung ist mit der von PCNA vergleichbar (Kapitel 2.7.2.2). Bei Eintritt in die G2‐Phase ver‐
schwindet dieses Muster, da das Protein im ganzen Kern der Zelle verteilt vorliegt. Nach der sich anschließenden, morphologisch leicht zu erkennenden Mitose folgt die G1‐Phase, in der das Protein ebenfalls über den gesamten Zellkern verteilt ist (Easwaran et al., 2005).