5 Diskussion
5.2 Die Checkpoint‐Regulation nach UVC‐Bestrahlung
5.2.4 Der G2/M‐Checkpoint nach UVC‐Bestrahlung
Um den G2/M‐Checkpoint und dessen genetische Abhängigkeit nach UVC‐Bestrahlung zu untersu‐
chen und zu charakterisieren, wurde zunächst das Einsetzen des Checkpoints nach IR‐ und nach UVC‐Bestrahlung über die Auswertung des Mitotischen Index (MI) verglichen. Schon 1 h nach Be‐
strahlung mit 1 Gy und 2 Gy sank der MI aufgrund der G2/M‐Checkpoint‐Induktion bei der WT‐
Zelllinie (82‐6hTert) und der ATR‐defizienten Zelllinie (F02‐98hTert) unabhängig von der applizierten Dosis ab. Es wurde bereits gezeigt, dass das Einsetzen des Checkpoints schon 1 h nach Bestrahlung mit IR gemessen werden kann und bei Bestrahlung zwischen 1‐10 Gy dosisunabhängig ist (Xu et al., 2002). Weiterhin zeigen diese Ergebnisse, dass das Einsetzen des G2/M‐Checkpoints in diesem Dosisbereich und in der G2‐Phase bestrahlte Zellen unabhängig von ATR ist. Bei ATM‐defizienten AT7Bi‐Zellen hingegen nahm der MI nach Bestrahlung kaum ab. Dieses Ergebnis entsprach den Er‐
wartungen, da in Zellen von AT‐Patienten nachgewiesen wurde, dass der G2/M‐Checkpoint nach
Bestrahlung in der G2‐Phase ATM‐abhängig ist, da AT‐Zellen nach Bestrahlung in der G2‐Phase wei‐
ter in die Mitose eintraten (Nagasawa und Little, 1983, Beamish et al., 1996, Xu et al., 2002, Yan et al., 2007, Melixetian et al., 2009).
Durch Bestrahlung mit UVC wurde, wie auch nach IR, der G2/M‐Checkpoint innerhalb 1 h induziert.
Eine weitere Abnahme des MI konnte 2 h nach UVC‐Bestrahlung festgestellt werden. Dabei zeigte sich eine Fluenzabhängigkeit bei der Induktion des G2/M‐Checkpoints. Ein nahezu vollständiger Arrest bei WT‐Zellen und AT7Bi‐Zellen wurde erst bei der höchsten verwendeten Fluenz von 12 J/m2 beobachtet. Wie WT‐ und AT‐Zellen zeigte auch die Zelllinie F02‐98hTert einen mit Zunahme der Fluenz abnehmenden MI. Allerdings waren die jeweiligen Checkpoint‐Effekte bei Bestrahlung mit den entsprechenden Fluenzen deutlich geringer als bei den ATR‐profizienten WT‐ und AT‐Zellen (Abb. 51), was auf eine Beteiligung von ATR bei der Induktion des G2/M‐Checkpoints nach UVC‐
Bestrahlung schließen lässt.
Trotz allem verläuft die Aktivierung des Checkpoints in WT‐Zellen sowohl nach IR als auch nach UVC‐Bestrahlung schnell und es wurde bereits gezeigt, dass durch UVC‐Bestrahlung in frühen G2‐
synchronisierten Zellen ein fluenzabhängiger, kurzer G2‐Arrest induziert wird (Orren et al., 1995, Bulavin et al., 2001). Franchitto et al. (1998) wiesen in Hamster‐Zellen nach UVC‐Bestrahlung mit 8 J/m2 und 15 J/m2 in der G2‐Phase eine ebenfalls fluenzabhängige Abnahme des MI 1,5 h nach Bestrahlung und eine maximale Inhibierung des MI um 80 % der Gesamtzellzahl nach 2,5 h nach.
Kürzlich wurde beobachtet, dass G2‐Phase‐Zellen nach Bestrahlung mit UV einen ATR‐abhängigen G2/M‐Checkpoint induzieren (Stiff et al., 2008). Die Autoren erklären diese Beobachtung damit, dass nach UV‐Bestrahlung vor allem Thymidin‐Dimere und 6‐4PPs als Schäden an der DNA auftre‐
ten, welche überwiegend über NER repariert werden. Während des Reparaturvorgangs wird der DNA‐Schaden beiderseits der Läsion auf dem DNA‐Strang über 24‐32 Nukleotide ausgeschnitten. Es folgt die Anlagerung von RPA an den entstandenen einzelsträngigen Bereich, was als Signal für die Aktivierung von ATR gilt. Demzufolge sollten ATR‐defiziente Zellen nicht mehr fähig sein, einen G2/M‐Checkpoint nach UV‐Bestrahlung zu aktivieren, was im Rahmen dieser Arbeit in der bei Stiff et al. (2008) beschriebenen Deutlichkeit nicht gefunden werden konnte.
Einen weiteren Hinweis für die Vermutung, dass ein Reparatur‐Intermediat der NER in der Lage ist, den G2/M‐Checkpoint zu aktivieren, lieferte die Untersuchung XPA‐defizienter Zellen. Die Rekrutie‐
rung von XPA ermöglicht die Stabilisierung der entstehenden einzelsträngigen Region während des Reparaturvorgangs. War XPA nicht vorhanden, wurde keine Aktivierung von ATR beobachtet (Mari‐
ni et al., 2006, Stiff et al., 2008). Entgegen dieser Meinung wurde diskutiert, dass eine ATR‐
Aktivierung nur in replizierenden Zellen erfolgen kann und die Checkpoint‐Proteine fähig sind, auch ohne Prozessierung der Schäden durch NER direkt an die Läsionen zu binden (Ward et al., 2004, Jiang und Sancar, 2006). Da in den durchgeführten Versuchen dieser Arbeit die Fixierung der Zellen bereits 1 h nach Bestrahlung erfolgte, kann ein Einfluss replizierender Zellen auf die Ergebnisse größtenteils ausgeschlossen werden. In der G2‐Phase bestrahlte Zellen induzieren somit einen Checkpoint und es wäre möglich, dass dieser durch ATR‐Aktivierung nach der Prozessierung durch NER aktiviert wurde.
Seite 159 Nach UVC‐Bestrahlung zeigten ATM‐ und ATR‐profiziente WT‐Zellen den niedrigsten MI, ATM‐
defiziente Zellen einen etwas höheren MI und ATR‐defiziente Zellen einen wiederum höheren MI.
Entsprechend dieser Daten könnte gefolgert werden, dass neben ATR auch ATM einen zwar gerin‐
gen, jedoch messbaren Anteil zur Induktion der Checkpoint‐Antwort nach UVC‐Bestrahlung bei‐
steuert. Um dies zu überprüfen wurde ATM in WT‐Zellen und F02‐98hTert inhibiert. Die ATMi‐
Behandlung hatte keinen Einfluss auf das Checkpoint‐Verhalten von AT7Bi‐Zellen nach UVC‐
Bestrahlung. Dies war zu erwarten, da die Zellen bereits eine ATM‐Defizienz aufweisen. Allerdings bewirkte die Zugabe von ATMi in 82‐6hTert‐Zellen eine leichte Erhöhung des MI nach Bestrahlung mit 6 J/m2 und 12 J/m2 im Vergleich zu unbehandelten Zellen auf fast exakt die Werte, die AT7Bi‐
Zellen zeigten. Die Inhibierung von ATM führte bei F02‐98hTert zur vollständigen Aufhebung des G2/M‐Checkpoints auch nach hohen Fluenzen. Dies lässt vermuten, dass die Aktivierung des G2/M‐
Checkpoints nach UVC‐Bestrahlung zwar zum größten Teil ATR‐abhängig ist, ATM aber als zweite Kinase für eine vollständige Aktivierung des Checkpoints nach UVC‐Bestrahlung benötigt wird (Abb.
53). Über eine γ‐H2AX‐Färbung wurde ausgeschlossen, dass ATM durch DSBs aktiviert wurde. Nach Bestrahlung konnte eine minimale Erhöhung der DSBs beobachtet werden. Da der G2/M‐
Checkpoint aber als eher insensitiv gilt, sollte die geringe Erhöhung der DSBs keinen Einfluss auf die Induktion des Checkpoints haben.
Es wurde nachgewiesen, dass ATM essentiell für die Vermittlung der Checkpoint‐Kontrolle nach IR‐
Bestrahlung oder anderen Agenzien, welche die Induktion von DSBs bewirken, ist. ATM bewirkt die Phosphorylierung von Chk1, Chk2 und p53 (Helt et al., 2005). Es gibt Hinweise darauf, dass ATM auch durch Änderung der Chromatinstruktur der DNA, einmal abhängig und einmal unabhängig von der Induktion von DSBs aktiviert werden kann (Bakkenist und Kastan, 2003, Helt et al., 2005). Zu‐
sätzlich konnte eine Aktivität von ATM als Antwort auf UV‐Bestrahlung nachgewiesen werden, was mit dem minimalen oxidativen Schaden durch UV‐Bestrahlung in Zusammenhang stehen könnte (Tyrrell, 1991). Helt et al. (2005) zeigten, dass ATM nach UVC‐Bestrahlung Chk2 phosphoryliert, wodurch ebenfalls ein Hinweis auf eine Aktivierung von ATM nach UV besteht. Die Untersuchung von AT‐defizienten Zellen zeigte auch, dass die Defekte in der Prozessierung von UVC‐Schäden im Zusammenhang mit dem ATM‐Gen stehen und daher ATM in der Exzisions‐Reparatur von UVC‐
induzierten DNA‐Schäden eine Rolle zu spielen scheint (Hannan et al., 2002). Es konnte außerdem gezeigt werden, dass ATM benötigt wird, um nach UVC‐Bestrahlung RPA zu hyperphosphorylieren (Oakley et al., 2001). Daher könnte RPA das Bindeglied zwischen ATM und NER darstellen. Die Inhi‐
bierung von ATM würde sich so in einer schlechteren Aktivierung des G2/M‐Checkpoints nach UVC‐
Bestrahlung äußern. Die Signalwege von ATR und ATM scheinen sich nach Bestrahlung mit UVC zu überlappen oder zu ergänzen, und möglicherweise wird eine gemeinsame Antwort auf genotoxischen Stress induziert (Helt et al., 2005). Zudem ist bekannt, dass die Phosphorylierung und Aktivierung von ATM als Antwort auf UV‐Bestrahlung oder Blockierung von Replikationsgabeln in der S‐Phase ATR‐abhängig ist (Stiff et al., 2006). Die Beteiligung von ATM an der G2/M‐Checkpoint‐
Antwort nach UVC könnte somit das leichte Einsetzen eines Checkpoint‐Arrests in F02‐98hTert‐
Zellen nach Bestrahlung mit Fluenzen von 6 J/m2 und 12 J/m2 ohne ATMi‐Behandlung und den voll‐
ständigen Verlust des Checkpoints nach ATMi‐Behandlung erklären.
Khanna und Lavin (1993) zeigten im Gegensatz dazu, dass ATM nicht als Antwort auf UV‐
Bestrahlung aktiviert wird. Dies konnte anhand der vorliegenden Daten nicht bestätigt werden.