4 Ergebnisse
4.2 Charakterisierung des G1/S‐Checkpoints mittels Durchflusszytometrie und
4.2.1 G1/S‐Checkpoint‐Messung nach IR mittels Durchflusszytometrie
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Für die Betrachtung des Zellzyklusverhaltens mittels Durchflusszytometrie wurden exponentiell wachsende Zellen zunächst 1 h mit 5‐Brom‐2`‐desoxyuridin (BrdU) pulsmarkiert. BrdU ist ein Thymidinanalogon und wird während der Replikation statt des Thymidins in die DNA eingebaut.
Nach Detektion des BrdUs mit spezifischen Antikörpern in fixierten Zellen konnten Zellen identifi‐
ziert werden, die sich zum Zeitpunkt der Markierung in der Replikationsphase (S‐Phase) des Zellzyk‐
lus befanden. Das BrdU wurde nach der Inkubationszeit von den Zellen gewaschen und frisches Medium zugegeben. Die Zellen wurden anschließend mit 0,5 Gy, 1 Gy, 2 Gy und 5 Gy bestrahlt und zu jeder Probe eine unbestrahlte Kontrolle mitgeführt. Nach Bestrahlung wurde Nocodazol zu den Zellen gegeben. Nocodazol hemmt den Aufbau der Mikrotubuli und somit die Ausbildung des Spin‐
delapparates, wodurch die Zellen in der Mitose arretiert werden. Auf diese Weise sollte verhindert werden, dass nach längeren Reparaturzeiten in der G2‐Phase bestrahlte Zellen über die Mitose in die G1‐Phase gelangen und sich mit den in der G1‐Phase bestrahlten Zellen mischen. Nach Repara‐
turzeiten von 2 h bis 16 h wurden bestrahlte und unbestrahlte Proben in Intervallen von 2 h fixiert und mittels BrdU‐Antikörper zur Identifizierung der BrdU‐positiven S‐Phase‐Zellen und Propidiumiodid (PI) zur Differenzierung der einzelnen Phasen des Zellzyklus gefärbt und anschlie‐
ßend im Durchflusszytometer vermessen.
Abb. 33: Repräsentative DotPlots von BrdU‐markierten 82‐6hTert‐Zellen
Für die Durchführung einer durchflusszytometrischen Analyse mit BrdU zur Untersuchung des G1/S‐Checkpoints wurde zunächst eine asynchron wachsende Zellpopuation 1 h mit BrdU (5‐Brom‐2`‐desoxyuridin) pulsmarkiert. Das BrdU wurde von sich in der S‐Phase befindlichen Zellen eingebaut. Diese Zellen wurden bei der späteren Analyse ausgegrenzt. Von Interesse waren die BrdU‐negativen S‐Phase‐Zellen, deren Progression durch den Zellzyklus in den DotPlots dargestellt ist (siehe Rechtecke).
Die DotPlots stellen exemplarisch die Population von fixierten 82‐6hTert‐Zellen zu den entsprechenden Zeitpunkten dar, wobei jeder Punkt einer fixierten Zelle entspricht. Der DNA‐Gehalt der Zellen ist auf der Abszisse linear aufgetragen. G1‐
Zellen besitzen einen einfachen DNA‐Gehalt (2n), G2‐Zellen einen doppelten DNA‐Gehalt (4n). Die Ordinate zeigt in loga‐
rithmischer Skalierung die BrdU‐Intensität der Zellen. Je höher die Zellen im Diagramm liegen, desto höher ist ihr Gehalt an eingebautem BrdU. Das eingezeichnete Rechteck in den DotPlots zeigt die Population BrdU‐negativer S‐Phase‐Zellen an, die Zahl rechts neben dem Rechteck gibt die Prozentzahl der BrdU‐negativen S‐Phase‐Zellen an der gesamten Zellpo‐
pulation an. Die Population links der BrdU‐negativen S‐Phase‐Zellen stellt die BrdU‐negativen G1‐Phase‐Zellen dar, die Population rechts davon die BrdU‐negativen G2‐Phase‐Zellen. Oberhalb der BrdU‐negativen S‐Phase‐Zellen befinden sich die BrdU‐positiven S‐Phase‐Zellen.
Seite 99 2 h nach Bestrahlung bzw. mock‐Behandlung (keine Bestrahlung) waren nur BrdU‐positive S‐Phase‐
Zellen, welche als Bogen über den BrdU‐negativen G1‐ und G2‐Phase‐Zellen lagen, zu erkennen (Abb. 33). Diese BrdU‐positive Population progressierte bei bestrahlten als auch unbestrahlten Zel‐
len in die G2‐Phase und akkumulierte dort aufgrund der Zugabe von Nocodazol. Nach 2 h waren noch keine BrdU‐negativen S‐Phase‐Zellen vorhanden, erst nach 4 h hatten sie genügend DNA repli‐
ziert, um sich deutlich von der G1‐Phase abzusetzen. Nach Reparaturzeiten von 6 h, 10 h und 12 h war das Fenster der BrdU‐negativen S‐Phase‐Zellen gefüllt, die Zellen progressierten gleichmäßig von der G1‐ durch die S‐ in die G2‐Phase. Nach 16 h nahm der Anteil der S‐Phase‐Zellen ab, da aktiv proliferierende Zellen durch Nocodazol am Durchlaufen eines weiteren Zellzyklus gehindert wur‐
den. Die weiterhin sichtbare Population mit einfachem DNA‐Gehalt bestand aus G0‐Zellen, die nicht proliferierten. Bei bestrahlten Zellen war bis zum Zeitpunkt 4 h noch kein wesentlicher Unterschied zu der unbestrahlten Probe zu erkennen. Ab 6 h nach Behandlung wurde deutlich, dass die Popula‐
tion BrdU‐negativer S‐Phase‐Zellen in der bestrahlten Probe im Gegensatz zur unbestrahlten Probe erst langsam, ab 10 h deutlich abnahm. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Zellen am G1/S‐
Checkpoint festgehalten wurden und nicht mehr in die S‐Phase eintreten konnten. Zusätzlich progressierten Zellen, die sich noch in der S‐Phase befunden hatten, weiter in die G2‐Phase, wo‐
durch sich nach 10 h kaum Zellen im Fenster der BrdU‐negativen S‐Phase Population befanden.
Nach 12 h bzw. 16 h waren wieder vereinzelt BrdU‐negative S‐Phase‐Zellen bei den bestrahlten Proben zu erkennen. Dies könnte auf ein Aufheben des G1/S‐Checkpoints hindeuten.
Zur Messung des G1/S‐Checkpoints wurde der Anteil der BrdU‐negativen Zellen von 82‐6hTert und 2BNhTert nach IR zu verschiedenen Zeiten bestimmt. In der unbestrahlten Kontrolle stieg der Anteil der BrdU‐negativen S‐Phase‐Zellen an der Gesamtpopulation von 82‐6hTert bis zum Zeitpunkt 6 h kontinuierlich bis auf etwa 12 % an (Abb. 34). Die Prozentwerte zu den Zeitpunkten 8 h bis 14 h lagen konstant zwischen 10 % und 12 % BrdU‐negativer S‐Phase‐Zellen. Nachdem die unmarkierten Zellen in den ersten Stunden in die S‐Phase eingetreten waren, stellte sich zu späteren Zeitpunkten ein Gleichgewicht zwischen Zellen, welche in die S‐Phase eintraten, und Zellen, die sie wieder ver‐
ließen, ein. Bei 16 h nahm die Anzahl der Zellen in dieser Population ab. Der Rückgang der BrdU‐
negativen S‐Phase‐Zellen zum Zeitpunkt 16 h kam dadurch zustande, dass die Zellen durch Nocodazol am Ende der G2‐Phase arretiert wurden, sie nicht mehr in die G1‐Phase gelangten und weiter in die S‐Phase progressieren konnten. Bei den mit 0,5 Gy, 1 Gy, 2 Gy und 5 Gy bestrahlten Proben ähnelte der Verlauf des S‐Phase‐Eintritts der Zellen zunächst dem der unbestrahlten Pro‐
ben. Mit steigender Dosis konnte innerhalb der ersten 6 h nach Bestrahlung lediglich eine leichte Verlangsamung des S‐Phase‐Eintritts feststellt werden, zum Zeitpunkt 6 h lagen die Proben zwi‐
schen 1 % (1 Gy) und 4 % (5 Gy) niedriger als unbestrahlte Proben. Bei Reparaturzeiten länger als 6 h nahm die Anzahl der BrdU‐negativen S‐Phase‐Zellen bei allen bestrahlten Proben ab. Zum Zeit‐
punkt 8 h lag der Anteil der BrdU‐negativen S‐Phase‐Zellen bei der mit 5 Gy bestrahlten Probe bei 2,5 %, bei der mit 0,5 Gy bestrahlten Probe bei 4,4 %. Die Abnahme der bestrahlten Zellen nach 6 h zeigte, dass die Zellen durch den einsetzenden G1/S‐Checkpoint nicht mehr in die S‐Phase eintreten konnten, während die sich bereits in der S‐Phase befindlichen Zellen weiter in die G2‐Phase progressierten. Die Höhe der Bestrahlungsdosis schien dabei keinen Einfluss auf den Zeitpunkt des
Einsetzens des Checkpoints zu haben. Durch den erneuten Anstieg der BrdU‐negativen S‐Phase‐
Zellen nach unterschiedlichen Zeiten wurde das Aufheben des G1/S‐Checkpoints angezeigt. Aller‐
dings schien sich die Dauer des G1‐Arrestes mit der Dosis zu erhöhen.
A B
0 2 4 6 8 10 12 14 16
0 2 4 6 8 10 12 14 16
% BrdU-negative S-Phase-Zellen
Zeit nach Bestrahlung [h]
0 Gy 0,5 Gy 1 Gy 2 Gy 5 Gy
0 2 4 6 8 10 12 14 16
0 1 2 3 4 5 6 7 8
% BrdU-negative S-Phase-Zellen
Zeit nach Bestrahlung [h]
0 Gy 0,2 Gy 0,3 Gy 0,5 Gy 1 Gy
Abb. 34: Durchflusszytometrische Quantifizierung BrdU‐negativer S‐Phase‐Zellen nach IR
Exponentiell wachsende 82‐6hTert WT‐Zellen (A) und 2BNhTert‐Zellen (XLF‐/‐) (B) wurden 1 h mit BrdU pulsmarkiert. An‐
schließend wurden die 82‐6hTert‐Zellen mit 0,5 Gy, 1 Gy, 2 Gy oder 5 Gy bestrahlt bzw. unbestrahlt belassen und Nocodazol zugegeben. Die 2BNhTert‐Zellen wurden mit 0,2 Gy, 0,3 Gy, 0,5 Gy und 1 Gy bestrahlt oder ebenfalls unbestrahlt belassen und Nocodazol zugegeben. Nach Reparaturzeiten von 2 h, 4 h, 6 h, 8 h, 10 h, 12 h, 14 h und 16 h wurden die Zellen fixiert und der Anteil der BrdU‐negativen S‐Phase‐Zellen an der gesamten Zellpopulation durchflusszytometrisch bestimmt. Die BrdU‐negativen S‐Phase‐Zellen repräsentieren die Population an Zellen, welche nach Bestrahlung von der G1‐Phase in die S‐Phase eintrat. Aufgetragen wurde der prozentuale Anteil der BrdU‐negativen S‐Phase‐Zellen an der Gesamtpopulation gegen die Zeit nach Bestrahlung. Die Fehlerbalken zeigen den Standardfehler von 4 bis 6 unabhängigen Experimenten an.
2BNhTert‐Zellen wurden als Ergänzung zu den Ergebnissen mit 82‐6hTert‐Zellen eingeführt. Durch die schnelle Reparatur in 82‐6hTert‐Zellen könnten die Ergebnisse verfälscht werden, wogegen bei 2BNhTert die Schäden länger unrepariert verbleiben. Dadurch sollten sich Effekte, die abhängig von der Anzahl der DSBs sind, stärker manifestieren.
Bei Auswertung der 2BNhTert‐Zellen sind die Defekte in der Reparatur von DSBs schon kurz nach der Bestrahlung erkennbar (Beucher et al., 2009), dennoch zeigten sie wie auch die 82‐6hTert‐
Zellen während der ersten 6 h nach Bestrahlung einen stetigen Anstieg der BrdU‐negativen S‐Phase‐
Zellen. Aufgrund einer geringeren Proliferationsrate waren die Anteile der in die S‐Phase eintreten‐
den Zellen geringer als bei 82‐6hTert‐Zellen. Die Bestrahlung führte lediglich zu einer Verlangsa‐
mung des S‐Phase‐Eintritts, allerdings bei zunehmender Bestrahlungsdosis stärker ausgeprägt als bei 82‐6hTert‐Zellen. Auch hier zeigte sich nach 6 h Reparaturzeit ein Maximum BrdU‐negativer S‐
Phase‐Zellen. Ihr Anteil lag bei mit 0,2 Gy bestrahlten Zellen bei 4,6 % und bei mit 1 Gy bestrahlten Zellen bei 3,0 %. Unbestrahlte Zellen lagen zu diesem Zeitpunkt bei 5,3 %. Zudem wurden 2BNhTert‐
Zellen mit geringeren Dosen von 0,2 Gy bis 1 Gy bestrahlt, da diese aufgrund des Reparaturdefektes empfindlicher auf Bestrahlung reagieren. Das Herauslaufen aus der S‐Phase und die Aufhebung des G1‐Arrests bei bestrahlten Zellen dauerten länger und waren weniger stark ausgeprägt als bei 82‐
6hTert‐Zellen. Ein erneutes Eintreten der Zellen in die S‐Phase war außer bei der geringsten Dosis von 0,2 Gy innerhalb des Experimentzeitraums nicht erkennbar. Diese Beobachtungen könnten auf
Seite 101 den Reparaturdefekt von 2BNhTert zurückzuführen sein. Die Zellen reparierten DSBs nicht so effizi‐
ent wie 82‐6hTert‐Zellen, es zeigte sich ein höheres Schadenslevel, wodurch die Zellen vermutlich länger am G1/S‐Checkpoint arretierten bzw. langsamer durch die S‐Phase prolifierierten.
Diese Experimente zeigten nach Bestrahlung zunächst nur eine dosisabhängige Verlangsamung des S‐Phase‐Eintritts der Zellen und ein Einsetzen des G1/S‐Checkpoints nach 6 h, unabhängig von der Höhe der Bestrahlung. Zudem gab es erste Hinweise, dass die Dauer der Aufrechterhaltung von der Dosis abhängt. Über den Reparaturdefekt der XLF‐defizienten Zellen konnte gezeigt werden, dass die zeitliche Regulation des Einsetzens des G1/S‐Checkpoints anscheinend unabhängig vom Scha‐
denslevel der Zellen stattfand.