• Keine Ergebnisse gefunden

Mikrobiom – die gesunden Darmbakterien

Im Dokument ERNAHRUNG HEUTE UND MORGEN (Seite 95-99)

Das Mikrobiom (auch Darmflora oder Mikrobiota) besteht aus Billionen Bakterien in unse-rem Darm und spielt für unsere Gesundheit eine wichtige Rolle. Die Bakterien befinden sich vor allem im Dickdarm. Das Wissen über die Darmflora ist in den letzten zehn Jahren explo-diert. Aktuell laufen Hunderte Studien, um mehr zu diesem Thema zu erforschen. Wir wissen heute, dass die Funktion und Zusammensetzung des Mikrobioms äußerst komplex sind. Es besteht aus zehn bis 100 Billionen Mikroorganismen – davon 99 Prozent Bakterien – und wiegt 1 bis 2 Kilogramm.206,207 Es hat etwa zehnmal mehr Zellen als der menschliche Körper und besteht aus unfassbaren zwei Millionen Genen. Das sind 100-mal mehr Gene, als sie das menschliche Genom hat.207 Das wichtigste Prinzip einer gesunden Darmflora ist die Vielfalt der Bakterien. Wir haben mindestens 1000 verschiedene Arten der winzigen Mitbewohner.202 Die Zusammensetzung der Bakterien spielt bei vielen Krankheiten eine Rolle.

Im Mutterleib ist der Mensch in der Fruchtblase steril, also völlig keimfrei. Während und nach der Geburt beginnt eine rapide Besiedlung mit Milliarden von Keimen. Im Alter von un-gefähr zwei Jahren ähnelt das kindliche Mikrobiom dann dem eines Erwachsenen. Die Darm-flora ändert sich zwar ständig durch Nahrung, Alter, geografische Einflüsse, Stress und Medi-kamenteneinnahme, sie ist aber andererseits in weiten Teilen recht stabil.207 Jedes Mikrobiom ist so individuell wie ein Fingerabdruck und unterscheidet sich daher von allen anderen.207 Im Jahr 2012 gelang es erstmals, sämtliche Gene eines menschlichen Mikrobioms vollständig zu entschlüsseln.208

Die Kleinstorganismen in unserem Darm haben viele wichtige Funktionen bei der Verdau-ung und im Immunsystem. Sie bekommen von uns im Gegenzug ihre NahrVerdau-ung, idealerweise in Form von Ballaststoffen.209 Die Darmbakterien helfen uns darüber hinaus bei der Aufnahme von Nährstoffen und unterstützen uns bei der Produktion von Vitaminen wie verschiedenen B-Vitaminen und Vitamin K. Außerdem ist das Mikrobiom wichtig für die Barrierefunktion des Darms und reguliert zahlreiche Stoffwechselvorgänge. In einem gesunden Darm stellt die Darmschleimhaut eine Barriere zwischen Darminhalt und Blut dar. So wird verhindert, dass

DIE LEBER – UNSER ZENTRALES STOFFWECHSELORGAN

Die Leber liegt im rechten Oberbauch und erfüllt viele lebenswichtige Aufgaben. Sie spei-chert, entgiftet, baut um und kontrolliert. Sie macht aus Zucker Glykogen und lagert ihn als Energiereserve. Und sie produziert Galle für die Verdauung der Fette. Außerdem bil-det sie einen Filter zwischen dem Darm und dem restlichen Körperkreislauf. Krankheits-erreger oder Schadstoffe werden von ihr herausgefiltert und umgewandelt, damit sie mit dem Urin ausgeschieden werden können. Das gesamte Blutvolumen (4,5 bis 6 Liter) fließt täglich 350- bis 500-mal durch die Leber.203 Viele Menschen wissen nicht, welche lebens-wichtigen Funktionen die Leber jeden Tag für sie ausführt. Seien Sie also gut zu diesem

„stillen“ Organ und überschütten Sie es nicht mit Zucker und Alkohol.

D A S V E R D A U U N G S S Y S T E M | 9 5

unverdaute Nahrungsbestandteile, Bakterien oder Giftstoffe in die Blutbahn geraten. Auch an der Regulation des Hungergefühls ist das Mikrobiom beteiligt.210

Die Vielfältigkeit (Diversität) des Mikrobioms hat sich durch die moderne Lebensweise in Industriegesellschaften reduziert. Menschen aus den USA haben ein deutlich weniger vielfäl-tiges Mikrobiom als Menschen aus einer ursprünglichen Agrarkultur in Malawi oder aus einer Jäger- und Sammlerkultur in Venezuela.211 Inzwischen wissen wir, dass die Zusammensetzung und Vielfalt des Mikrobioms eine Rolle bei Übergewicht und vielen chronischen Erkrankun-gen spielt. Ein aus dem Gleichgewicht geratenes Mikrobiom ist nahelieErkrankun-genderweise an Darm-erkrankungen, aber auch an Diabetes und bestimmten Krebsarten beteiligt.207 Depressive Symptome hängen ebenfalls mit Darmbakterien zusammen. Das fand man in einer Studie mit sterilen Ratten heraus. Die Tiere bekamen Darmbakterien von depressiven Menschen und entwickelten danach interessanterweise ebenfalls depressive Verhaltensweisen.212

Den Darm kann man sich wie einen Garten vorstellen. Wir beeinflussen durch unsere Er-nährung, was darin gedeiht und was eingeht. Veränderungen in der Ernährung zeigen sich bereits nach wenigen Tagen in der Zusammensetzung der Bakterien im Darm.213 Eine mög-lichst vielseitige Ernährung unterstützt dabei auch die Diversität der Darmbakterien.214 Rezeptideen, mit denen Sie Ihren Darm gesund halten, finden Sie beispielsweise in dem Buch

„Gute Verdauung: Die besten Ernährungsstrategien bei Reizdarm, Zöliakie, Morbus Crohn & Co.“

von den Ernährungs-Docs.

Besonders günstig wirken sich ballaststoffreiche Lebensmittel (Präbiotika) auf das Mikro-biom aus.160 Sie kommen vor allem in Vollkorngetreide, Gemüse und Obst oder in Form von resistenter Stärke in Kartoffeln, Reis und Nudeln vor. Einzelne Lebensmittel mit besonders viel Präbiotika sind Chicorée, Spargel, Kichererbsen, Topinambur, Zwiebeln, Schwarzwurzeln, Artischocken und Bananen. Günstig auf unsere Darmflora wirken auch sogenannte Probio- tika, das sind Lebensmittel, die lebende Mikroorganismen enthalten. Es gibt ca. 400 verschie-dene probiotische Bakterien, die häufigsten sind die Milchsäurebakterien. Sie kommen natür-licherweise in milchsauren Produkten wie Joghurt, Kefir und Buttermilch vor, aber auch in Sauerkraut, Kimchi und Miso. Probiotika fördern die guten und verdrängen die ungünstigen Darmbakterien. Fleisch, Zucker, Alkohol, Süßstoff und Fast Food sollten dagegen möglichst selten auf dem Speiseplan stehen, weil sie die ungünstigen Bakterienstämme gedeihen lassen und die Vielfalt des Mikrobioms reduzieren.

Auch die Industrie hat das Potenzial von Prä- und Probiotika erkannt und stellt eine Viel-zahl an pro- und präbiotischen Produkten her. Der Umsatz von probiotischen Lebensmitteln steigt von Jahr zu Jahr und lag 2018 bei 150 Millionen Euro.215 Besonders bekannt sind pro-biotische Joghurts, denen größere Mengen von Bakterien zugefügt werden. Ob die Produkte bei gesunden Menschen zu einer besseren Darmflora beitragen, ist allerdings wissenschaftlich umstritten.215 Es ist bisher noch nicht einmal eindeutig geklärt, ob diese Produkte gesundheit-lich unbedenkgesundheit-lich sind.62 Außerdem enthalten zahlreiche Produkte viel zu wenig Bakterien, um überhaupt einen Effekt zu haben. Oft werden sie auch nicht richtig gelagert, sodass die Bakterien absterben. Die EU hat Werbung mit dem Begriff „Probiotika“ untersagt. Bereits seit

9 4

Mikrobiom – die gesunden Darmbakterien

Das Mikrobiom (auch Darmflora oder Mikrobiota) besteht aus Billionen Bakterien in unse-rem Darm und spielt für unsere Gesundheit eine wichtige Rolle. Die Bakterien befinden sich vor allem im Dickdarm. Das Wissen über die Darmflora ist in den letzten zehn Jahren explo-diert. Aktuell laufen Hunderte Studien, um mehr zu diesem Thema zu erforschen. Wir wissen heute, dass die Funktion und Zusammensetzung des Mikrobioms äußerst komplex sind. Es besteht aus zehn bis 100 Billionen Mikroorganismen – davon 99 Prozent Bakterien – und wiegt 1 bis 2 Kilogramm.206,207 Es hat etwa zehnmal mehr Zellen als der menschliche Körper und besteht aus unfassbaren zwei Millionen Genen. Das sind 100-mal mehr Gene, als sie das menschliche Genom hat.207 Das wichtigste Prinzip einer gesunden Darmflora ist die Vielfalt der Bakterien. Wir haben mindestens 1000 verschiedene Arten der winzigen Mitbewohner.202 Die Zusammensetzung der Bakterien spielt bei vielen Krankheiten eine Rolle.

Im Mutterleib ist der Mensch in der Fruchtblase steril, also völlig keimfrei. Während und nach der Geburt beginnt eine rapide Besiedlung mit Milliarden von Keimen. Im Alter von un-gefähr zwei Jahren ähnelt das kindliche Mikrobiom dann dem eines Erwachsenen. Die Darm-flora ändert sich zwar ständig durch Nahrung, Alter, geografische Einflüsse, Stress und Medi-kamenteneinnahme, sie ist aber andererseits in weiten Teilen recht stabil.207 Jedes Mikrobiom ist so individuell wie ein Fingerabdruck und unterscheidet sich daher von allen anderen.207 Im Jahr 2012 gelang es erstmals, sämtliche Gene eines menschlichen Mikrobioms vollständig zu entschlüsseln.208

Die Kleinstorganismen in unserem Darm haben viele wichtige Funktionen bei der Verdau-ung und im Immunsystem. Sie bekommen von uns im Gegenzug ihre NahrVerdau-ung, idealerweise in Form von Ballaststoffen.209 Die Darmbakterien helfen uns darüber hinaus bei der Aufnahme von Nährstoffen und unterstützen uns bei der Produktion von Vitaminen wie verschiedenen B-Vitaminen und Vitamin K. Außerdem ist das Mikrobiom wichtig für die Barrierefunktion des Darms und reguliert zahlreiche Stoffwechselvorgänge. In einem gesunden Darm stellt die Darmschleimhaut eine Barriere zwischen Darminhalt und Blut dar. So wird verhindert, dass

DIE LEBER – UNSER ZENTRALES STOFFWECHSELORGAN

Die Leber liegt im rechten Oberbauch und erfüllt viele lebenswichtige Aufgaben. Sie spei-chert, entgiftet, baut um und kontrolliert. Sie macht aus Zucker Glykogen und lagert ihn als Energiereserve. Und sie produziert Galle für die Verdauung der Fette. Außerdem bil-det sie einen Filter zwischen dem Darm und dem restlichen Körperkreislauf. Krankheits-erreger oder Schadstoffe werden von ihr herausgefiltert und umgewandelt, damit sie mit dem Urin ausgeschieden werden können. Das gesamte Blutvolumen (4,5 bis 6 Liter) fließt täglich 350- bis 500-mal durch die Leber.203 Viele Menschen wissen nicht, welche lebens-wichtigen Funktionen die Leber jeden Tag für sie ausführt. Seien Sie also gut zu diesem

„stillen“ Organ und überschütten Sie es nicht mit Zucker und Alkohol.

D A S V E R D A U U N G S S Y S T E M | 9 5

unverdaute Nahrungsbestandteile, Bakterien oder Giftstoffe in die Blutbahn geraten. Auch an der Regulation des Hungergefühls ist das Mikrobiom beteiligt.210

Die Vielfältigkeit (Diversität) des Mikrobioms hat sich durch die moderne Lebensweise in Industriegesellschaften reduziert. Menschen aus den USA haben ein deutlich weniger vielfäl-tiges Mikrobiom als Menschen aus einer ursprünglichen Agrarkultur in Malawi oder aus einer Jäger- und Sammlerkultur in Venezuela.211 Inzwischen wissen wir, dass die Zusammensetzung und Vielfalt des Mikrobioms eine Rolle bei Übergewicht und vielen chronischen Erkrankun-gen spielt. Ein aus dem Gleichgewicht geratenes Mikrobiom ist nahelieErkrankun-genderweise an Darm-erkrankungen, aber auch an Diabetes und bestimmten Krebsarten beteiligt.207 Depressive Symptome hängen ebenfalls mit Darmbakterien zusammen. Das fand man in einer Studie mit sterilen Ratten heraus. Die Tiere bekamen Darmbakterien von depressiven Menschen und entwickelten danach interessanterweise ebenfalls depressive Verhaltensweisen.212

Den Darm kann man sich wie einen Garten vorstellen. Wir beeinflussen durch unsere Er-nährung, was darin gedeiht und was eingeht. Veränderungen in der Ernährung zeigen sich bereits nach wenigen Tagen in der Zusammensetzung der Bakterien im Darm.213 Eine mög-lichst vielseitige Ernährung unterstützt dabei auch die Diversität der Darmbakterien.214 Rezeptideen, mit denen Sie Ihren Darm gesund halten, finden Sie beispielsweise in dem Buch

„Gute Verdauung: Die besten Ernährungsstrategien bei Reizdarm, Zöliakie, Morbus Crohn & Co.“

von den Ernährungs-Docs.

Besonders günstig wirken sich ballaststoffreiche Lebensmittel (Präbiotika) auf das Mikro-biom aus.160 Sie kommen vor allem in Vollkorngetreide, Gemüse und Obst oder in Form von resistenter Stärke in Kartoffeln, Reis und Nudeln vor. Einzelne Lebensmittel mit besonders viel Präbiotika sind Chicorée, Spargel, Kichererbsen, Topinambur, Zwiebeln, Schwarzwurzeln, Artischocken und Bananen. Günstig auf unsere Darmflora wirken auch sogenannte Probio- tika, das sind Lebensmittel, die lebende Mikroorganismen enthalten. Es gibt ca. 400 verschie-dene probiotische Bakterien, die häufigsten sind die Milchsäurebakterien. Sie kommen natür-licherweise in milchsauren Produkten wie Joghurt, Kefir und Buttermilch vor, aber auch in Sauerkraut, Kimchi und Miso. Probiotika fördern die guten und verdrängen die ungünstigen Darmbakterien. Fleisch, Zucker, Alkohol, Süßstoff und Fast Food sollten dagegen möglichst selten auf dem Speiseplan stehen, weil sie die ungünstigen Bakterienstämme gedeihen lassen und die Vielfalt des Mikrobioms reduzieren.

Auch die Industrie hat das Potenzial von Prä- und Probiotika erkannt und stellt eine Viel-zahl an pro- und präbiotischen Produkten her. Der Umsatz von probiotischen Lebensmitteln steigt von Jahr zu Jahr und lag 2018 bei 150 Millionen Euro.215 Besonders bekannt sind pro-biotische Joghurts, denen größere Mengen von Bakterien zugefügt werden. Ob die Produkte bei gesunden Menschen zu einer besseren Darmflora beitragen, ist allerdings wissenschaftlich umstritten.215 Es ist bisher noch nicht einmal eindeutig geklärt, ob diese Produkte gesundheit-lich unbedenkgesundheit-lich sind.62 Außerdem enthalten zahlreiche Produkte viel zu wenig Bakterien, um überhaupt einen Effekt zu haben. Oft werden sie auch nicht richtig gelagert, sodass die Bakterien absterben. Die EU hat Werbung mit dem Begriff „Probiotika“ untersagt. Bereits seit

9 6

Dezember 2012 ist beispielsweise der Slogan „Probiotische Joghurts wirken positiv auf das Im-munsystem“ verboten. Aktuell scheinen pro- und präbiotische Produkte ihr Geld noch nicht wert zu sein. Gesundheitsbewusste verzehren daher Pro- und Präbiotika am besten in Form von „echten“ Lebensmitteln wie Vollkornprodukten, Gemüse, Obst, sauren Milchprodukten und fermentiertem Gemüse.

Nicht nur die Ernährung, sondern auch andere Aspekte des Lebensstils haben Einfluss auf die Darmflora. Bewegung unterstützt unsere Verdauung und unser Mikrobiom.216 Steigen Sie Treppen, fahren Sie Rad, gehen Sie spazieren und treiben Sie regelmäßig Sport (► Seite 234).

Auch Intervallfasten hat einen positiven Effekt auf das Mikrobiom und fördert die guten Bak-terien (► Seite 214). 217,218 Unzureichender Schlaf und chronischer Stress wirken sich dagegen negativ auf die Darmflora aus (► Seite 235).219

Es gibt inzwischen immer mehr Möglichkeiten, die Zusammensetzung des Mikrobioms testen zu lassen. Dabei wird eine Stuhlprobe analysiert. Solche Analysen werden im In-ternet für ca. 150 Euro angeboten (Stand: Juli 2021). Die Deutsche Gesellschaft für Gastro-enterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) rät allerdings davon ab und hält sie aktuell für „zu teuer und sinnlos“.222 Da die genauen Zusammenhänge zwischen Mikrobiom und Gesundheit noch zu wenig verstanden sind, ist es zu früh, um aus den umfangreichen Daten solcher Analysen sinnvolle Schlüsse zu ziehen. Wir dürfen aber er-warten, dass durch technische Innovationen bereits in wenigen Jahren sinnvolle Tools zur Analyse des Mikrobioms angeboten werden, die bei der Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten helfen.209

ANTIBIOTIKA – GIFT FÜRS MIKROBIOM

Antibiotika haben die Medizin revolutioniert und maßgeblich dazu beigetragen, dass wir länger leben und viel seltener an bakteriellen Infektionskrankheiten sterben. Antibiotika töten aber auch gesundheitsfördernde Bakterien ab und haben dadurch einen negativen Effekt auf unser Mikrobiom. Das erholt sich zwar meist innerhalb von wenigen Wochen nach einer Behandlung mit Antibiotika weitgehend, aber einige Bakterienarten bleiben dauerhaft verschwunden.220 Es gibt zunehmende Anhaltspunkte, dass insbesondere Anti-biotika, die in früher Kindheit eingenommen werden, im späteren Leben das Risiko für Übergewicht, Asthma oder chronisch-entzündliche Darmerkrankungen erhöhen.207 Man sollte immer streng abwägen, ob es sinnvoll ist, Antibiotika zu nehmen oder nicht. Inzwi-schen werden Antibiotikatherapien häufig mit der Gabe von Probiotika kombiniert, um die durch Antibiotika reduzierte Darmflora gleich wieder aufzubauen. Es gibt aber auch Hinweise in Studien, dass die Kombination von Antibiotika mit Probiotika nicht immer von Vorteil ist221 und manchen Patienten sogar schaden könnte.215 Daher sollten Sie die Einnahme immer mit einem Arzt besprechen.

D A S V E R D A U U N G S S Y S T E M | 9 7

Im Magen-Darm-Trakt werden Lebensmittel durch komplexe Verdauungsprozesse zer-legt und damit für die Stoffwechselvorgänge im Körper bereitgestellt. Die Bakterien im Darm stehen in engem Zusammenhang mit unserem Wohlbefinden. Inzwischen zeigen viele Forschungsergebnisse, dass Beeinträchtigungen unseres Mikrobioms das Risiko für zahlreiche chronische Erkrankungen erhöhen. Wir empfehlen folgende Maßnahmen zur Förderung des Mikrobioms:

►Eine möglichst vielseitige Ernährung unterstützt die Vielfalt der Darmbakterien.

►Eine ballaststoffreiche Ernährung ist gut für die Darmflora. Jeden Tag sollten Sie mindestens 30 Gramm Ballaststoffe zu sich nehmen (► Seite 76), zum Beispiel durch

• Vollkornbrot, Vollkornreis, Vollkornpasta

• ballaststoffreiches Gemüse wie Brokkoli, Fenchel, Spinat, Steckrüben, Weißkohl, Süßkartoffeln, Kürbis, Rote Bete

• „resistente“ Stärke aus Kartoffeln, Reis und Nudeln (dafür müssen Kartoffeln oder Reis nach dem Kochen erkalten – sie können dann kalt oder wiedererwärmt gegessen werden)

►Verzehren Sie natürliche probiotische, fermentierte Lebensmittel, zum Beispiel in Joghurt, Kefir, Buttermilch, Sauerkraut, Kimchi, Miso und Tofu.

►Zucker, Süßstoff, Fleisch und Alkohol wirken sich negativ auf das Mikrobiom aus.

►Sorgen Sie täglich für Bewegung (► Seite 234) und legen Sie regelmäßig Essenspausen ein (► Seite 213).

►Gehen Sie zurückhaltend mit Antibiotika um und nehmen Sie diese nur, wenn sie wirklich notwendig sind. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt darüber. Grundsätzlich gilt:

Je breiter das Wirkspektrum und je länger die Therapiedauer eines Antibiotikums, desto stärker ist die Schädigung des Mikrobioms.

► ► ►

AUF EINEN BLICK VERDAUUNG

9 6

Dezember 2012 ist beispielsweise der Slogan „Probiotische Joghurts wirken positiv auf das Im-munsystem“ verboten. Aktuell scheinen pro- und präbiotische Produkte ihr Geld noch nicht wert zu sein. Gesundheitsbewusste verzehren daher Pro- und Präbiotika am besten in Form von „echten“ Lebensmitteln wie Vollkornprodukten, Gemüse, Obst, sauren Milchprodukten und fermentiertem Gemüse.

Nicht nur die Ernährung, sondern auch andere Aspekte des Lebensstils haben Einfluss auf die Darmflora. Bewegung unterstützt unsere Verdauung und unser Mikrobiom.216 Steigen Sie Treppen, fahren Sie Rad, gehen Sie spazieren und treiben Sie regelmäßig Sport (► Seite 234).

Auch Intervallfasten hat einen positiven Effekt auf das Mikrobiom und fördert die guten Bak-terien (► Seite 214). 217,218 Unzureichender Schlaf und chronischer Stress wirken sich dagegen negativ auf die Darmflora aus (► Seite 235).219

Es gibt inzwischen immer mehr Möglichkeiten, die Zusammensetzung des Mikrobioms testen zu lassen. Dabei wird eine Stuhlprobe analysiert. Solche Analysen werden im In-ternet für ca. 150 Euro angeboten (Stand: Juli 2021). Die Deutsche Gesellschaft für Gastro-enterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) rät allerdings davon ab und hält sie aktuell für „zu teuer und sinnlos“.222 Da die genauen Zusammenhänge zwischen Mikrobiom und Gesundheit noch zu wenig verstanden sind, ist es zu früh, um aus den umfangreichen Daten solcher Analysen sinnvolle Schlüsse zu ziehen. Wir dürfen aber er-warten, dass durch technische Innovationen bereits in wenigen Jahren sinnvolle Tools zur Analyse des Mikrobioms angeboten werden, die bei der Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten helfen.209

ANTIBIOTIKA – GIFT FÜRS MIKROBIOM

Antibiotika haben die Medizin revolutioniert und maßgeblich dazu beigetragen, dass wir länger leben und viel seltener an bakteriellen Infektionskrankheiten sterben. Antibiotika töten aber auch gesundheitsfördernde Bakterien ab und haben dadurch einen negativen Effekt auf unser Mikrobiom. Das erholt sich zwar meist innerhalb von wenigen Wochen nach einer Behandlung mit Antibiotika weitgehend, aber einige Bakterienarten bleiben dauerhaft verschwunden.220 Es gibt zunehmende Anhaltspunkte, dass insbesondere Anti-biotika, die in früher Kindheit eingenommen werden, im späteren Leben das Risiko für Übergewicht, Asthma oder chronisch-entzündliche Darmerkrankungen erhöhen.207 Man sollte immer streng abwägen, ob es sinnvoll ist, Antibiotika zu nehmen oder nicht. Inzwi-schen werden Antibiotikatherapien häufig mit der Gabe von Probiotika kombiniert, um die durch Antibiotika reduzierte Darmflora gleich wieder aufzubauen. Es gibt aber auch Hinweise in Studien, dass die Kombination von Antibiotika mit Probiotika nicht immer von Vorteil ist221 und manchen Patienten sogar schaden könnte.215 Daher sollten Sie die Einnahme immer mit einem Arzt besprechen.

D A S V E R D A U U N G S S Y S T E M | 9 7

Im Magen-Darm-Trakt werden Lebensmittel durch komplexe Verdauungsprozesse zer-legt und damit für die Stoffwechselvorgänge im Körper bereitgestellt. Die Bakterien im Darm stehen in engem Zusammenhang mit unserem Wohlbefinden. Inzwischen zeigen viele Forschungsergebnisse, dass Beeinträchtigungen unseres Mikrobioms das Risiko für zahlreiche chronische Erkrankungen erhöhen. Wir empfehlen folgende Maßnahmen zur Förderung des Mikrobioms:

►Eine möglichst vielseitige Ernährung unterstützt die Vielfalt der Darmbakterien.

►Eine ballaststoffreiche Ernährung ist gut für die Darmflora. Jeden Tag sollten Sie mindestens 30 Gramm Ballaststoffe zu sich nehmen (► Seite 76), zum Beispiel durch

• Vollkornbrot, Vollkornreis, Vollkornpasta

• ballaststoffreiches Gemüse wie Brokkoli, Fenchel, Spinat, Steckrüben, Weißkohl, Süßkartoffeln, Kürbis, Rote Bete

• „resistente“ Stärke aus Kartoffeln, Reis und Nudeln (dafür müssen Kartoffeln oder Reis nach dem Kochen erkalten – sie können dann kalt oder wiedererwärmt gegessen werden)

►Verzehren Sie natürliche probiotische, fermentierte Lebensmittel, zum Beispiel in

►Verzehren Sie natürliche probiotische, fermentierte Lebensmittel, zum Beispiel in

Im Dokument ERNAHRUNG HEUTE UND MORGEN (Seite 95-99)